Vorschau FOCUS 25/2023
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GRAFIK DER WOCHE<br />
17. Juni: Revolte<br />
für die Freiheit<br />
Historiker Hubertus Knabe zum<br />
70. Jahrestag des Aufstands<br />
Fo t o s : E v g e n y M a k a r o v f ü r F O C U S - M a g a z i n , u l l s t e i n b i l d , J o c h e n E c k e l / S Z P h o t o / l a i f ( 1 ) , K o n r a d - A d e n a u e r - S t i f t u n g<br />
Was bedeutet der 17. Juni?<br />
Der Aufstand markiert einen<br />
ganz besonderen Moment in der<br />
deutschen Geschichte: Unter den<br />
Bedingungen einer brutalen Diktatur<br />
gingen massenhaft Menschen<br />
für freie Wahlen auf die<br />
Straße. Hätten sowjetische Truppen<br />
den Protest nicht niedergewalzt,<br />
wären uns 36 Jahre DDR<br />
und deutsche Teilung erspart geblieben.<br />
Hatten die Aufständischen<br />
ein gemeinsames Ziel?<br />
Sie hatten ein bestechend klares<br />
Programm: Rücktritt der Regierung,<br />
freie Wahlen, Freilassung<br />
der politischen Gefangenen, Öffnung<br />
der innerdeutschen Grenze<br />
plus einige soziale Forderungen.<br />
Das Glücksgefühl der Befreiung<br />
steht den Demonstranten auf<br />
alten Fotos ins Gesicht geschrieben.<br />
Fremde Menschen fielen sich<br />
in die Arme und weinten vor Freude.<br />
Obwohl der Aufstand spontan<br />
erfolgte, entwickelte er eine enorme<br />
Kraft. Dass es keine zentrale<br />
Organisation und Leitung gab,<br />
stellte sich allerdings bald als großer<br />
Nachteil heraus.<br />
Sind die Aufständischen Vorbilder?<br />
Wenn wir nach Vorbildern suchen,<br />
dann sollten wir nicht nur<br />
die im Blick haben, die im Dritten<br />
Reich Widerstand leisteten. Wir<br />
sollten auch an die denken, die<br />
den Aufstand in der DDR angeführt<br />
haben: an Paul Othma, den<br />
Streikführer aus Bitterfeld; an<br />
Siegfried Berger, der den Streik<br />
im Funkwerk Berlin-Köpenick<br />
organisierte; an Herbert Stauch,<br />
der in Magdeburg über die Freilassung<br />
der Gefangenen verhandelte.<br />
Sie alle wurden dafür drakonisch<br />
bestraft, Stauch sogar<br />
hingerichtet. 7<br />
INTERVIEW: M. KRISCHER<br />
Chronist Hubertus Knabe schrieb das<br />
Buch „17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand“<br />
(Langen Müller Verlag)<br />
Berlin Ein Demonstrant trägt einen Teil eines Ostberliner Grenzschilds<br />
(„Ende des demokratischen Sektors“). Die Aufständischen<br />
forderten auch die Öffnung der Grenzen zum Westen<br />
Auge der Geschichte Fotos dokumentieren die<br />
Revolution. Mit dieser Kamera etwa (versteckt<br />
in einem Buch) begleitete der Fotograf Richard<br />
Perlia die Aufständischen in Ostberlin. Die Bilder<br />
schmuggelte er in den Westen. Seine Kamera<br />
bewahrt das Bonner Haus der Geschichte auf.<br />
Flächenbrand<br />
im Osten<br />
ERFURT<br />
SUHL<br />
SCHWERIN<br />
MAGDEBURG<br />
Magdeburg<br />
Schkopau<br />
HALLE<br />
Halle<br />
Jena Gera<br />
GERA<br />
ROSTOCK<br />
Leipzig<br />
LEIPZIG<br />
NEUBRANDEN-<br />
BURG<br />
BERLIN<br />
Ostberlin<br />
FRANK-<br />
FURT<br />
POTSDAM (O.)<br />
KARL-MARX-<br />
STADT<br />
COTTBUS<br />
Dresden<br />
DRESDEN<br />
Görlitz<br />
Jena Vor der erstürmten Kreisverwaltung der SED<br />
liegen Akten auf der Straße<br />
DDR in Aufruhr<br />
Der Aufstand erfasste<br />
Hunderte<br />
Städte und Dörfer<br />
in der DDR<br />
18 Uhr 45 Die Grenzübergänge<br />
nach Westen werden gesperrt, Berlin<br />
ist erstmals eine geteilte Stadt<br />
21 Uhr Ausgangssperre<br />
13 Uhr Der sowjetische Stadtkommandant<br />
verhängt über<br />
Ostberlin den Ausnahmezustand<br />
12 Uhr 20 Die ersten Schüsse<br />
auf dem Potsdamer Platz<br />
12 Uhr 40 Der erste schwer verletzte<br />
Demonstrant wird mit<br />
Kopfschuss in ein Krankenhaus<br />
eingeliefert. Er stirbt dort<br />
Radikal<br />
Ausnahmezustand<br />
im<br />
Ostteil Berlins<br />
Nach 11 Uhr Vor den Regierungsgebäuden<br />
taucht<br />
der erste sowjetische<br />
Militärwagen auf