Lobetal Aktuell Ausgabe 3=2023
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Fotos: Raimund Müller<br />
Ein Arztzimmer gibt es hier auch: Alle 14 Tage schaut eine Ärztin vorbei.<br />
„Arztbesuche in Nauen oder Neuruppin – das sind Tagesausflüge“,<br />
berichtet Arne Breder, Verbundleitung Nord-West Brandenburg.<br />
Und unterstreicht, dass das Haus im Jahr 2000 komplett barrierefrei<br />
umgebaut wurde, auch, weil hier viele alt gewordene Menschen mit<br />
höherem Betreuungsbedarf leben.<br />
Im „Haus im Luch“ im eher zentralen Teil der Siedlung, leben Menschen mit kognitiven<br />
und körperlichen Beeinträchtigungen in drei Wohngruppen mit jeweils acht<br />
Wohneinheiten. Neben den ergänzenden Räumen wie in den vorher beschriebenen<br />
Häusern befinden sich hier auch die Tagesstruktur und Werkstatträume der<br />
Hoffnungstaler Werkstätten. In letzteren werden gerade Filter vernäht und Flexschläuche<br />
und Halterungen für Solaranlagen montiert.<br />
Im Haus Sternblick hinter der Bushaltestelle wohnen neben den beiden<br />
Männern noch 15 weitere Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen<br />
und psychischen Erkrankungen. Das ehemalige Gutshaus verfügt über einen<br />
großen Gemeinschaftsraum, Küchen, Sanitär- und Lagerräume sowie<br />
zwei Büros. Und am Eingang hängt eine alte Glocke, mit der früher einmal<br />
Arbeitsbeginn und -ende angezeigt wurden und die heute angeschlagen<br />
wird, wenn das Essen ins Haus kommt. Schräg gegenüber, gleich hinter<br />
den Häusern für Mitarbeiter, auch ehemaligen, entstanden in den drei<br />
baugleichen Häusern „Am Prinzendamm“ Nr. 6, 8 und 10 auf zwei Etagen<br />
jeweils zehn Wohneinheiten, auch hier mit großen Gemeinschaftsräumen,<br />
Küchen, Sanitär- und Lagerräumen sowie Büros. Heizanlage und Müllplatz<br />
wurden kürzlich modernisiert.<br />
Bewohner Recardo Albrecht und Günter Schmidt starten in diesem Haus<br />
täglich ihre Arbeit. Sie gehören zur „Gebäudereinigung“. Günter Schmidt<br />
ist erst seit Ende Mai dabei, Recardo Albrecht seit 2021. „Bin schon fast<br />
Vizechef“, schmunzelt er. Von Montag bis Freitag werden täglich Toiletten,<br />
Flure, Büros und Speiseräume gesäubert, die Bewohnerzimmer sind<br />
einmal pro Woche dran. Die Arbeit macht Spaß, die Raucherpausen noch<br />
mehr und rund um Besen und Schrubber sorgt Kater Eddi für gelöste Stimmung.<br />
Man lebe hier ruhiger und entspannter als in der Stadt, die Fahrten<br />
zum Einkaufen nach Nauen am Freitag und Samstag reichen den beiden.<br />
Und an einigen Wochenenden fahre man zur Verwandtschaft, auch nach<br />
Berlin.<br />
Zu ihrem Reinigungsrevier gehört auch das Wirtschaftsgebäude, in dem<br />
außer Büros und Lagerräumen acht Wohneinheiten bestehen, zwei davon<br />
für Paare. Hier werden die Menschen in ihren eigenen Wohnungen unterstützt<br />
und versorgt. Im benachbarten Haus Havelland, 1991 neu gebaut,<br />
gibt es elf Wohneinheiten und neben den Funktionsräumen zwei große<br />
Wintergärten, die auch gern von den Nachbarn besucht werden. Trotz<br />
mancher körperlichen Beeinträchtigungen: Es gibt viel Bewegung auf der<br />
Insel Dreibrück.<br />
Größtes Dreibrücker Zukunftsprojekt: Der Umbau des Speisesaales, um für tagesstrukturierende<br />
Maßnahmen mehr Platz zu bekommen. Die saaleigene Orgel zieht<br />
dann nach <strong>Lobetal</strong> um. Beides wahrscheinlich noch in diesem Jahr. Und ständige<br />
Zukunftsaufgabe: für ausreichend „Insulaner“ sorgen. Breder: „Wir haben, was die<br />
Mitarbeitenden angeht, einen Lagenachteil, aber wir fangen vieles über ein gutes<br />
Betriebsklima ab. Einige der Küchenfrauen arbeiten schon seit 1981 hier. Und eine<br />
gelernte Friseusrin aus der Stadt, die in Coronazeiten zu uns fand, hat jetzt eine<br />
Pflegeausbildung begonnen“, freut er sich.<br />
Arne Breder leitet mit Dorén Keilholtz-Meyer den<br />
Standort Dreibrück.<br />
Insel der Vielfalt -<br />
Dreibrück hat keine „Inselkirche“. Aller sechs Wochen hält der<br />
zuständige Pfarrer im Speisesaal einen Gottesdienst. Die darüber<br />
hinausgehenden freitäglichen Andachten nennt Arne<br />
Breder, auch wegen der zumeist wenigen Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer, eher „Besinnungen“. Die Glocke im Mittelpunkt<br />
des Ortes schlägt man zu Gottesdiensten und Feiertagen<br />
an. Und immer um 13 Uhr, wenn jemand an diesem Tag<br />
gestorben ist. Stirbt er oder sie nach 13 Uhr, dann erklingt die<br />
Glocke am Folgetag. „Der Kirchenkreis wird immer größer,<br />
reicht schon bis Bötzow vor den Toren Spandaus“, nennt Breder<br />
einen Grund dafür, dass sich kirchliches Leben personell<br />
weiter ausdünnt. Doch ist ihm wichtig: „Jede und jeder, der in<br />
Dreibrück stirbt, wird durch einen Pfarrer beerdigt. Es findet<br />
immer eine Aussegnung statt. Die Kosten für die Grabplatte<br />
übernimmt bei Mittellosen die Stiftung“, erläutert er. Im<br />
kirchlichen Alltag und Umgang mit Menschen mit Behinderungen<br />
käme man künftig „mit diakonischem Schwarzbrot“<br />
nicht weiter, ist er sich sicher. Damit meint er theologische<br />
Auslegungen und Predigten. Er favorisiert stattdessen Krippenspiele,<br />
die zum Mitmachen einladen und andere erlebnisorientierte<br />
Formen wie die Musik der Kremmener Bläser<br />
im Advent.<br />
Impressionen aus Dreibrück<br />
32 32 <strong>Lobetal</strong> heute aktuell<br />
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