September/Oktober 2023 - coolibri
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20 | Im Gespräch<br />
„DER TRUBEL WAR EIN<br />
NÖTIGES BEIWERK, ABER<br />
KEINS, WAS ICH BRAUCHE.“<br />
Auch wenn AnNa R. bereits seit Anfang der 90er Musik macht, folgt erst jetzt mit „König:in“ ihr erstes Soloalbum.<br />
Foto: Presse/Chaos & Symmetrie<br />
DIE KÖNIGIN AUF IHRER BÜHNE<br />
Gemeinsam mit Peter Plate avancierte ANNA R. zum erfolgreichsten deutschsprachigen<br />
Duo aller Zeiten: Rosenstolz. Christopher Filipecki sprach mit ihr über ihr Solodebüt.<br />
Dein Albumname „König:in“ schreibt<br />
sich mit einem Doppelpunkt. Du genderst<br />
ihn also. Woher kam die Idee?<br />
Der erste Grund ist, dass jeder sich angesprochen<br />
fühlen kann. Des Weiteren<br />
ist es aber ein kleiner Hinweis auf den Fehler im<br />
Gendern. Vor dem Doppelpunkt steht „König“,<br />
was hat das dann mit Emanzipation zu tun?<br />
Nicht viel, da tatsächlich bei jeder Gendergeschichte<br />
immer der Mann vorne steht. Deswegen<br />
war das von mir eine Idee, um darauf einmal<br />
kurz aufmerksam zu machen, dass der männliche<br />
Beruf oder die männliche Bezeichnung immer<br />
im Vordergrund steht. Auch bei einem<br />
Sternchen oder Doppelpunkt ändert sich für<br />
mich nicht so viel.<br />
Auf dem Album haben Manne Uhlig und Timo<br />
Dorsch mitgeschrieben, mit denen du zuvor die<br />
Band Gleis 8 gebildet hast. Warum ist es nun<br />
doch ein Soloalbum und kein drittes Gleis-8-Album?<br />
Fühlt sich das Arbeiten nun anders an?<br />
Nee. Sind im Prinzip die gleichen Leute, auch<br />
wenn Timo vorerst keine Musik mehr machen<br />
wird. Der Rest ist aber noch dabei. Die Idee, dass<br />
es ein Soloprojekt ist, gab es vorher schon eine<br />
ganze Zeit. Ich habe mich lange geweigert, mich<br />
dann aber irgendwann überreden lassen.<br />
Was sind für dich die drei zentralen Themen<br />
des Albums?<br />
Mitgefühl, Toleranz, Stärkung des menschlichen<br />
Wesens.<br />
Man kann auch viel zum Im-Hier-und-Jetzt-Sein<br />
erkennen, dass man sich annimmt, sich nicht<br />
festlegen muss. Sind das Erkenntnisse für dich,<br />
die in den letzten Jahren eine Rolle spielten?<br />
Das bleibt nicht aus mit dem Alter. Solang man<br />
nicht ganz dämlich ist, merkt man, dass alles andere<br />
keinen Sinn macht. Schneller, höher, weiter<br />
macht keinen Sinn, aber ständig unter Träumen<br />
zu leiden, die man sich nicht erfüllen kann,<br />
bringt auch nichts. Träume in dem zu finden,<br />
was gerade da ist, finde ich viel spannender.<br />
Welche Rolle nimmst du beim Songschreiben<br />
ein? Guckst du, was in deinem Leben zuletzt<br />
passiert ist? Guckst du, was bei anderen passiert?<br />
Ist es gar eine lyrische Figur und somit<br />
Geschichten aus der Fantasie?<br />
Alle drei Sachen. Sehr viel ist von einem selbst<br />
drin, wenn man schreibt, sonst würde man es<br />
wohl anders ausdrücken. Es ist ein bisschen autobiografisch,<br />
es ist ein bisschen umschauen. Irgendwann<br />
ist das eigene Leben ja auch auserzählt.<br />
Zumindest für den Moment.<br />
Es passiert auch an vielen Tagen nichts erwähnenswertes,<br />
oder?<br />
Richtig, ist nicht jeden Tag Party. Das muss ich<br />
meinem Hund auch immer erzählen (lacht).<br />
Gibt es trotzdem zu einem Song eine ganz besondere<br />
Geschichte, von der du berichten<br />
magst?<br />
Ich finde es wahnsinnig traurig, dass „Ein Meer<br />
voller Seelen“ immer noch aktuell ist. Das Album<br />
hat viel länger gedauert, als wir geplant<br />
hatten. Dann kam die Pandemie und noch so viel<br />
anderes dazwischen. Der Song war einer der ersten,<br />
die wir für die Platte geschrieben haben. Ich<br />
dachte erst, er hätte keine Relevanz mehr, aber<br />
leider immer noch. Ich finde wirklich, dass wir<br />
uns alle schämen sollten. Dass es Diskussionen<br />
darüber gibt, ob man flüchtenden Menschen auf<br />
Booten hilft, sie an Land aufnimmt oder nicht.<br />
Dass man sie in überfüllte Lager bringt. Diese<br />
Leute sind geflohen, weil sie nicht im Krieg leben<br />
wollten. Unglaublich, dass gnadenlos darüber<br />
hinweggeblickt wird.<br />
Hinter einem anderen Song steckt aber bestimmt<br />
eine positivere Geschichte. „Augen zu“<br />
ist ein Duett mit Henning Wehland, dem Frontmann<br />
der H-Blockx. Woher kennt ihr euch?<br />
Wir kennen uns schon wirklich lange. Haben<br />
uns zu MTV-Zeiten kennengelernt und mochten<br />
uns immer total gerne. Den habe ich dann zur<br />
Pandemie angerufen und gefragt, ob wir ein Album<br />
zusammen machen wollen. Es gab erst die<br />
Idee, ein Coveralbum aufzunehmen. Das steht<br />
zwar noch aus, aber bei einigen Treffen entstand<br />
ein Song, lustigerweise im Studio von Silly. Da