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Epi-Suisse Magazin 02/2023
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PORTRÄT
«DIE KRANKHEIT GEHÖRT ZU MIR.
ABER SIE MACHT MICH NICHT AUS.»
Bahnbetriebsdisponent oder wie es heute heisst Zugverkehrsleiter. Das war schon immer sein Traumberuf.
Und Daniel Lustenberger konnte ihn auch ausüben – bis ihm die Epilepsie einen Strich durch die Rechnung machte.
Heute leitet der 47-Jährige die Selbsthilfegruppe Zürich von Epi-Suisse.
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Daniel Lustenberger ist ein positiver,
aufgestellter Mann. Er ist zufrieden mit
seinem Leben. Der 47-Jährige lebt in einer
kleinen Wohnung mitten im Zürcher
Niederdorf. Er fährt gern Velo, macht
Ausflüge und einmal in der Woche verteilt
er Werbepost in Briefkästen, um einen
kleinen finanziellen Zustupf zu seiner
IV-Rente zu haben. «Und damit ich etwas
zu tun habe», ergänzt er. Wir sitzen in einem
Restaurant auf der Terrasse, gleich
um die Ecke bei seiner Wohnung. Doch bis
Daniel Lustenberger die IV-Rente, die ihm
zusteht, erhielt, war es ein mühsamer und
langer Weg. Er erzählt:
«ZUM ERSTEN MAL HABE
ICH 2010 IV-RENTE
BEANTRAGT. BIS ZUM
DEFINITIVEN ENTSCHEID
HAT ES SIEBEN JAHRE
GEDAUERT.»
Weiter möchte er auf das Thema nicht eingehen.
Er ist froh, dass jetzt alles klar ist
und er von der Rente leben kann. «Ich bin
nicht reich, aber für mich stimmts.»
TRAUMBERUF VERLOREN
Daniel Lustenberger wollte schon von
Kindesbeinen an Bahnbetriebsdisponent
werden. «Heute heisst das Zugverkehrsleiter»,
sagt er und nimmt einen Schluck
aus seinem Glas. Auch heute wäre das
noch sein Traumberuf. Doch leider kann
er ihn nicht mehr ausüben – aufgrund seiner
Epilepsieerkrankung. Aufgewachsen
im luzernischen Horw kam er 1998 des
Jobs wegen nach Zürich. Da war es schon
sechs Jahre her, seit der junge Mann im
Militär seinen ersten Anfall hatte: Absencen.
Er selber erinnert sich nicht daran.
Auch die Ursache wurde nie ganz klar
festgestellt, aber er vermutet, dass der
chronische Schlafentzug im Militär nicht
unschuldig war.
Schnell wurde bei dem jungen Mann Epilepsie
diagnostiziert. Die Krankheit bekam
man mit Medikamenten innert kurzer Zeit
in den Griff, die Anfälle wurden seltener.
Heute noch hat Daniel Lustenberger Absencen.
Etwa einmal im Monat, vermutet
er. «Ich weiss es ja nicht, weil ich dann eben
abwesend bin», sagt er mit einem Augenzwinkern.
Ein Kribbeln in der Hand hat er
manchmal. Das könnte eine Vorwarnung
für einen Anfall sein. Müde oder erschöpft
ist er danach nicht. Deshalb sind es nur
seine Vermutungen.
LEITUNG DER SELBSTHILFEGRUPPE
Was er aber weiss: die Krankheit hat ihm
seinen Traumberuf genommen. Nach der
Diagnose konnte er nicht mehr als Zugverkehrsdisponent
arbeiten. «Das war
richtig hart, ich habe meinen Job geliebt»,
sagt er und es ist ihm anzumerken, dass
es ihn auch heute noch schmerzt. Intern
konnte er wechseln und in der Bahngastronomie
arbeiten. «Es war natürlich nicht
mehr dasselbe, aber ich war dankbar, dass
ich noch etwas machen konnte.» 2010
verlor er leider auch diese Stelle. Offiziell
nicht wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung.
Aber Daniel Lustenberger
ist sich sicher, dass auch die Epilepsie
als Grund mitgespielt hat. «Das war ein
grosser und schlimmer Einschnitt in mein
Leben. Plötzlich wurde ich nicht mehr gebraucht,
kein schönes Gefühl.» Dank seines
guten privaten Umfelds kam er aber
auch aus diesem Loch relativ bald heraus
und fand sich mit seinem Schicksal ab.
In seiner Familie und seinem Freundeskreis
ist man immer offen mit der Epilepsie
umgegangen. «Ich habe das Glück, ein
Umfeld zu haben, das mich versteht und
an das ich mich jederzeit wenden kann.»
Die Krankheit gehöre zu ihm. «Aber sie
macht mich nicht aus.»
2020, während der Coronapandemie, erfuhr
Daniel Lustenberger von einer Nachbarin
seiner Schwester von Epi-Suisse.
Genauer von der Selbsthilfegruppe Zürich
von Epi-Suisse. Sofort besuchte er
die Gruppe. Er sagt:
«ES IST TOLL, NEUE LEU-
TE KENNENZULERNEN.
MENSCHEN, DIE EINE
GLEICHE ODER ÄHNLICHE
GESCHICHTE HABEN WIE
ICH. DIE DAS GLEICHE
PROBLEM HABEN UND
MICH VERSTEHEN.»
Den Austausch mit anderen Betroffenen
schätzt er sehr. So sehr, dass er im vergangenen
Winter die Leitung der Selbsthilfegruppe
übernommen hat. Der damalige
Leiter fragte ihn, ob er übernehmen
möchte. «Ich musste nicht lange überlegen.
Mir hat die Gruppe so geholfen und
tut es heute noch, das möchte ich anderen
Betroffenen auch ermöglichen.» Er
möchte etwas weitergeben und mit seiner
Selbsthilfegruppe einen sicheren Ort
schaffen, an dem man sich gegenseitig
zuhört, Ratschläge gibt und sich austauschen
kann. «Ein Ort, an den sich Betroffene
hinwenden können und wo sie verstanden
werden.»
TEXT: CAROLE BOLLIGER
FOTO: MARKUS HÄSSIG
Selbsthilfegruppen – sowohl für
Betroffene als auch für Angehörige –
bieten einen geschützten Raum,
um sich jenseits von gesellschaftlicher
Stigmatisierung und medizinischen
Fachtermini mit der Epilepsie und ihren
Konsequenzen für den eigenen Alltag
auseinanderzusetzen. Mehr Infos zum
Angebot: https://epi-suisse.ch/
angebote/selbsthilfe/ 5