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148 MICHAEL NEUREITER – BAD VIGAUN<br />
und wann das Werk in das Museum kam. Des<br />
Rätsels Lösung dauerte mehr als acht Jahre.<br />
Die Kostbarkeit stammt aus der Formensprache<br />
der Spätgotik und weist viele Indizien auf, die<br />
eine Datierung in das 16. oder spätestens sehr<br />
frühe 17. Jahrhundert nahelegen: Das Gestell hat<br />
diagonal stehende Eckpfeiler mit gekröpften Gestellbekrönungen,<br />
auf denen sehr seltene Holzkugeln<br />
saßen – nur eine von vier ist erhalten. Das<br />
Gestell ist rundum vernietet. Das Gehwerk hat<br />
eine Spindelhemmung mit stehendem Hakenrad,<br />
horizontaler Spindel und fix angesetztem<br />
(fehlendem) Kurzpendel mit einer (errechneten)<br />
Länge von 636 mm. Die Hemmung wurde<br />
wohl im 17. Jahrhundert von der ursprünglichen<br />
Waaghemmung mit vertikaler Spindel umgebaut,<br />
wie Spuren am Gestell beweisen. Das Stundenschlagwerk<br />
hat eine »schleichende Auslösung«<br />
mit »Herzscheibe« und »Storchenschnabel«. Die<br />
Maße: Das Werk ist an den Füßen 41 cm lang<br />
und 41 cm breit, die Höhe des Gestells beträgt<br />
84,5 cm, die Eckpfeiler sind 104,5 cm hoch.<br />
Der Aufzug von Gehwerk und Stundenschlagwerk<br />
erfolgte mit einem einsteckbaren Trieb<br />
und einer einsteckbaren Aufzugskurbel. Für<br />
die Suche nach dem historischen Standort war<br />
wichtig, dass die Zeigerleitung mit Minutengeschwindigkeit<br />
nach oben führte: Das zugehörige<br />
Zifferblatt bzw. die Zifferblätter waren also höher<br />
situiert als das Uhrwerk, dessen zwei Gewichte<br />
unterhalb platziert waren.<br />
Das bedeutende Werk, leider ohne Inschrift,<br />
weist zwei Schutzanstriche auf, der erste erfolgte<br />
mit Bleimennige. Es ist fast komplett, neben dem<br />
Windflügel und einem Trieb fehlen auch die Gewichte.<br />
Allerdings sind im Depot des Keltenmuseums<br />
einige Steingewichte gelagert, vielleicht<br />
haben zwei davon eine gemeinsame Vergangenheit<br />
mit dem Uhrwerk?<br />
Des Rätsels Lösung:<br />
die Uhr vom Bürgerspitalturm<br />
Im Januar 2023 konnte das Rätsel gelöst werden:<br />
Nach monatelanger Suche nach dem Zugang<br />
zum Turm ließ schließlich die Eigentümerin,<br />
die gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgenossenschaft<br />
»Salzburg«, den seit gut 30 Jahren<br />
ungenützten Zugang zum Turm mangels Schlüssel<br />
aufbrechen und ermöglichte die Recherche<br />
vor Ort.<br />
Dann war das Rätsel gelöst: Auf der Platte, wo<br />
ein Uhrwerk gestanden haben muss, waren die<br />
schräggestellten (!) Ausnehmungen für die vier<br />
Füße eines Uhrwerks vorhanden, und die Maße<br />
Abb. 5: Die Wandseite des gotischen Turmuhrwerks<br />
mit dem Schlaghebel für den Stundenschlag.