MK-1023
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ZKZ 4937<br />
10 I 2023<br />
MAGAZIN FÜR DAS MÖBEL-BUSINESS<br />
„Eine riesige Chance“<br />
Hofmeister hat nach dem<br />
Brand in Bietigheim-Bissingen<br />
Großfläche neu gedacht<br />
Potenziale<br />
neu entdecken<br />
Report zum Küchenherbst OWL: Welche<br />
Impulse die Branche in der #Krise setzt<br />
Foto: Nolte Küchen<br />
OSTWESTFALEN<br />
ÜBER 50 SEITEN<br />
ZU DEN MESSEN<br />
Alliance: Loft-Konzept in Vreden<br />
Fiskars: Vor Ort in Finnland<br />
IFA: Intelligenz wird nachhaltig<br />
Dross&Schaffer: Porträt zum 60sten<br />
EK Retail: Konsequente ESG-Strategie<br />
Oberfranken: Begehrlichkeiten wecken
TOP-THEMA/HOFMEISTER<br />
„Eine riesige<br />
Chance“<br />
Vor gut anderthalb<br />
Jahren verursachte ein<br />
Brand bei Hofmeister in<br />
Bietigheim- Bissingen<br />
einen Schaden in zweistelliger<br />
Millionenhöhe.<br />
Nach dem ersten Schock<br />
hat die Familie die Katastrophe,<br />
bei der rund<br />
die Hälfte der 50.000<br />
qm großen Fläche in<br />
Mitleidenschaft gezogen<br />
wurde, als Chance<br />
gesehen. Ende Juli<br />
konnte das EMV-Mitglied<br />
auf dem ersten, 10.000<br />
qm großen Teilabschnitt<br />
Neueröffnung feiern. Die<br />
„möbel kultur“ war vor<br />
Ort und hat die Highlights<br />
der modernen<br />
Ausstellung ausgemacht.<br />
Carl Friedrich Hofmeister ist bereits<br />
seit 2015 im Familienunternehmen<br />
tätig, heute zuständig in den<br />
Bereichen Einkauf, Marketing und<br />
Vertrieb. Der 27-Jährige hat zudem<br />
ein berufsbegleitendes Masterstudium<br />
Internationales Management<br />
absolviert. Er war einer der Ersten,<br />
der damals etwas von dem Brand<br />
mitbekommen hat, da er zu der Zeit<br />
in einer Wohnung auf dem Dach des<br />
Möbelhauses wohnte.<br />
22 möbel kultur 10/2023
Fotos: möbel kultur<br />
Am 6. März 2022, kurz vor Start<br />
des verkaufsoffenen Sonntags,<br />
fing es in der Matratzenausstellung<br />
von Hofmeister in Bietigheim-Bissingen<br />
an zu brennen. Ein<br />
technischer Defekt hatte den Brand<br />
ausgelöst. Schnell breitete sich das<br />
Feuer aus, es dauerte mehrere Stunden,<br />
bis die zwischenzeitlich 250<br />
Einsatzkräfte den Großbrand unter<br />
Kontrolle hatten. Doch nicht nur<br />
das Feuer war der Grund dafür, dass<br />
schlussendlich die Hälfte der 50.000<br />
qm großen Verkaufsfläche nicht<br />
mehr genutzt werden konnte. Auch<br />
das viele Wasser, das im Keller bis zu<br />
anderthalb Meter hoch stand, und<br />
insbesondere der viele Ruß sorgten<br />
für einen enormen Schaden. Alles<br />
musste raus, „bis auf die Grundmauern“,<br />
betont Carl Friedrich Hofmeister,<br />
„das war ein kompletter<br />
Sanierungsfall“. Der 27-jährige Sohn<br />
von Geschäftsführer Frank Hofmeister<br />
ist seit 2015 mit im Betrieb tätig,<br />
heute in den Bereichen Vertrieb,<br />
Einkauf und Marketing. Ihm wurde<br />
schnell die Verantwortung für den<br />
Neuaufbau übertragen, weshalb er<br />
vor Ort im Gespräch mit der „möbel<br />
kultur“ punktgenau und detailreich<br />
berichten kann.<br />
„Wir waren zum Glück gut versichert,<br />
weshalb wir die Katastrophe<br />
dann auch schnell als riesige Chance<br />
gesehen haben“, sagt er. Damit der<br />
Verkauf weitergehen konnte, wurde<br />
als erstes der „Trendy“-Mitnahmemarkt,<br />
der über eine Glasbrücke<br />
an das Haupthaus angeschlossen<br />
ist, umstrukturiert und um Ware<br />
aus dem konventionellen Bereich<br />
ergänzt. „Wir haben dort ganz<br />
1. MARKEN<br />
Im Zuge der strategischen Neuausrichtung<br />
positioniert sich Hofmeister hochwertiger<br />
und setzt künftig noch stärker<br />
auf Marken (Foto: Joop!). Auffällig: die<br />
vielen italienischen Labels wie Kartell,<br />
Calia oder Minotti Italia, denen nun<br />
auch viel Platz eingeräumt wird.<br />
schnell, komprimiert auf 26.000<br />
qm, unsere besten Programme und<br />
Hersteller in kleinen, leistungsstarken<br />
Studios aufgebaut“, erläutert<br />
Hofmeister. „Alle Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter haben gleich mit<br />
angepackt und die Herausforderung<br />
angenommen.“ Zusätzlich konnte<br />
der Filialist die Kund:innen in das<br />
rund 30 Minuten entfernte, 40.000<br />
qm große Haus nach Sindelfingen<br />
„umleiten“. Sicherlich auch ein<br />
Grund, warum das Familienunternehmen<br />
den Umsatz 2022 mit insgesamt<br />
drei konventionellen Einrichtungshäusern<br />
und inzwischen<br />
acht Küchenfachmärkten bzw. -studios<br />
letztendlich sogar noch steigern<br />
konnte, um sechs Prozent auf 196<br />
Mio. Euro.<br />
Doch einfach war das nicht. Es<br />
galt in den letzten anderthalb Jahren,<br />
viele Herausforderungen zu<br />
stemmen. Bekanntermaßen ist es<br />
schon länger schwierig, schnell an<br />
Handwerkerleistungen zu kommen.<br />
Auch die Materialbeschaffung war<br />
Zur Differenzierung<br />
setzen wir auf eine<br />
,wertstiftende Andersartigkeit‘.<br />
Carl Friedrich Hofmeister<br />
3. EYECATCHER<br />
Auf den insgesamt vier Etagen finden<br />
sich immer wieder aufmerksamkeitsstarke<br />
Eyecatcher, die die Kund:innen<br />
überraschen.<br />
2. FARBEN<br />
Im gesamten Haus wird viel<br />
Farbe eingesetzt, mal knallig,<br />
so wie beispielsweise auf der<br />
Kartell-Fläche (Foto), aber<br />
auch dezent mit skandinavisch<br />
anmutenden Tönen in Hellgrün,<br />
-blau oder Rosé.<br />
10/2023 möbel kultur 23
TOP-THEMA/OWL-ANALYSE<br />
Foto: M.O.W.<br />
Überraschung<br />
in Ostwestfalen<br />
Es waren gemischte Gefühle, mit denen viele in diesem<br />
Jahr zu den Herbstmessen in Ostwestfalen aufbrachen:<br />
Die Lage im Handel alles andere als rosig und in der<br />
Industrie geraten immer mehr Unternehmen in Schieflage.<br />
Dennoch wurden sowohl Besucher:innen als auch<br />
Aussteller überrascht, denn es herrschte eine recht<br />
positive Stimmung. Die „möbel kultur“ war vor Ort, hat<br />
sich umgeschaut, umgehört, analysiert und wichtige<br />
Erkenntnisse des Branchenevents zusammengefasst.<br />
Kaufzurückhaltung, Inflation<br />
und stockender Wohnungsbau:<br />
Die Rahmenbedingungen für<br />
die Möbelbranche sind alles andere<br />
als gut. Und doch scheinen sich die<br />
Unternehmen stimmungstechnisch<br />
nicht hinunterziehen zu lassen,<br />
denn zumindest auf den Herbstmessen<br />
in Ostwestfalen herrschte<br />
im Allgemeinen eine recht gute und<br />
auch hoffnungsvolle Stimmung. Bei<br />
einigen Händlern war diese aufgrund<br />
von Umsatzeinbrüchen von<br />
bis zu 20 Prozent natürlich durchaus<br />
gemischt – dennoch waren sie alle<br />
da. Und zwar in großer Zahl. Einige<br />
Zentren zählten sogar mehr Besucher:innen<br />
als im Vor-Corona-Jahr<br />
2019. Und so hoffen die Hersteller<br />
auf eine Belebung des Geschäfts.<br />
Aktuell oder im Sommer mussten<br />
viele aufgrund der gesunkenen Auftragszahlen<br />
Kurzarbeit realisieren.<br />
Großes Problem: Die Verlässlichkeit<br />
des Auftragseingangs ist verloren<br />
gegangen. „Wir können nur noch<br />
auf Sicht fahren“, so der Tenor. Nun<br />
soll es aber wieder mehr Schwung<br />
26 möbel kultur 10/2023
Weitere Eindrücke zu den Möbelund<br />
Küchenmessen in Westfalen<br />
erhalten Sie in unserem Podcast<br />
zu den Herbstmessen mit Margot<br />
Wisiak (Ada), Christian Paar<br />
(Dunlopillo), Martin Link (Inter<br />
Link), Bernd Schellenberg und<br />
Toma Flach (Fine Furniture),<br />
Michael Laukötter (Möbelmeile),<br />
Willi Bruckbauer (Bora), Michael<br />
Mehnert (Siemens), Heidrun Brinkmeier<br />
(Ballerina Küchen), Simon<br />
Hoecker (Nolte Küchen), Stefan<br />
Waldenmeier (Leicht Küchen) und<br />
Dr. Lars Bopf (Nobilia).<br />
geben. Ob dies reiner Zweckoptimismus<br />
oder eine berechtigte Hoffnung<br />
ist, bleibt abzuwarten. Eines jedoch<br />
ist klar. Viele Unternehmen haben<br />
sich zu den Herbstmessen trotz der<br />
widrigen Bedingungen richtig gut<br />
aufgestellt.<br />
DIE ZEIT IST REIF<br />
FÜR FIRMENKONJUNKTUREN<br />
Beispielsweise bei Metallbude: Das<br />
Unternehmen ist erst drei Jahre alt,<br />
dennoch kann sich das Wachstum<br />
sehen lassen. Denn im ersten Halbjahr<br />
dieses Jahres stellte der Hersteller<br />
so viele Wohnaccessoires<br />
und Möbel aus Metall her wie im<br />
kompletten Jahr 2022. Zusätzlich<br />
wurde die Produktionsfläche um<br />
das vierfache auf 1.600 qm erweitert.<br />
Im kommenden Jahr will das<br />
Unternehmen, das seine Produkte<br />
bislang nur online vertreibt, auch<br />
den stationären Handel angehen.<br />
Ebenfalls eine gute Entwicklung<br />
verzeichnen beispielsweise die Rietberger<br />
Möbelwerke (siehe Kasten<br />
rechts) und K+W. Nächstes Jahr<br />
feiert der Hersteller ein wirklich<br />
besonderes Jubiläum: 225 Jahre!<br />
Aus diesem Anlass wurde jetzt die<br />
CI geändert und die Abkürzung<br />
steht jetzt auch wieder für „Krauss<br />
und Weinbeer“ und nicht mehr<br />
für „Komfort und Wohnen“. Denn<br />
Geschäftsführer Michael Kasper will<br />
die Tradition des Unternehmens<br />
wieder stärker hervorheben, auch<br />
mit dem Zusatz „Möbelwerkstätten<br />
seit 1799“, denn so Kasper:<br />
„Zukunft braucht Herkunft“.<br />
Dass man den Kopf jetzt nicht in<br />
den Sand stecken darf, betonte auch<br />
Benjamin Homan von Be Social, der<br />
auf der 360-Grad-Plaza vor Ort war.<br />
„Die Wörter ,Krise‘ und ,Chance‘<br />
sind ganz nah beieinander. Die<br />
Branche sollte sich viel mehr auf<br />
die sich ergebenen Marktchancen<br />
fokussieren als die Krise zu bejammern“,<br />
so sein Statement.<br />
PRODUKTPORTFOLIO<br />
AUSBAUEN<br />
Neue Möglichkeiten nutzen, das<br />
hatten dann auch so einige Unternehmen<br />
beherzigt und ihr Produktportfolio<br />
ausgebaut. So auch Inter<br />
Link. Das Unternehmen hat mit 13<br />
neuen Programmen für den konventionellen<br />
Bereich richtig Gas<br />
gegeben und ein Trading-up vollzogen.<br />
„Wir kriegen nur Komplimente<br />
und sind positiv geschockt“, freute<br />
sich Geschäftsführer Martin Link.<br />
Das Besondere an den Programmen:<br />
Sie sind aus massiver Weihrauchkiefer<br />
gefertigt und werden zerlegt<br />
in Packstücken à 30 kg aus Brasilien<br />
geliefert. Was wiederum Dank der<br />
Bevorratung kurze Lieferzeiten für<br />
den Handel bedeutet.<br />
Die Beschaffungsmärkte haben<br />
sich zwar insgesamt etwas entspannt,<br />
aber das Beispiel Inter Link<br />
zeigt trotzdem, dass die Märkte<br />
nicht mehr so rund laufen wie vor<br />
dem Ukraine-Krieg. Mit der Folge,<br />
dass neue Lieferländer ausprobiert<br />
werden. Einen solchen Test hatte<br />
MCA Furniture mit Tischen und<br />
Stühlen aus der Türkei gestartet.<br />
Jedoch musste Geschäftsführer Benjamin<br />
Dobrott jetzt einräumen, dass<br />
das Engagement dort erst einmal auf<br />
Eis gelegt wurde. „Es war noch nicht<br />
auf dem Punkt, wie wir uns das<br />
vorgestellt hatten.“ Stattdessen hat<br />
das Unternehmen ein Joint Venture<br />
mit dem kroatischen Unternehmen<br />
Contorte geschlossen. Diese Zusammenarbeit<br />
hat sich bereits als sehr<br />
fruchtbar erwiesen, denn unter der<br />
Marke MCA massiv werden zu den<br />
Partnertagen im Januar 2024 vollmassive<br />
Kastenmöbel präsentiert.<br />
„Diese strategische Entscheidung<br />
verfolgt das Ziel, die Reichweite<br />
unseres Unternehmens zu steigern<br />
und unsere Position als führender<br />
Anbieter hochwertiger Kastenmöbel<br />
zu untermauern und auszubauen.<br />
Dabei möchten wir nicht<br />
nur unsere bestehenden Verbände<br />
und Großkunden bedienen, sondern<br />
auch verstärkt die Bedürfnisse von<br />
Experten im Bereich Massivholzmöbel<br />
ansprechen“, erklärt Benjamin<br />
Dobrott.<br />
Im Ausstellungszentrum der Rietberger Möbelwerke war<br />
von der schwierigen Lage im Markt nichts zu spüren. Hier<br />
konzentrierte sich der Handel auf die Neuheit „Comfort<br />
Close“ (ganz oben), die wirklich eine echte Innovation ist.<br />
In Kooperation mit Jab Anstoetz wurde pünktlich zum<br />
20-jährigen Firmenjubiläum ein Möbelsystem mit textiler<br />
Front entwickelt. Die Idee: ein System, das auch in engen<br />
Raumsituationen oder bei Staub- und Lichteinfall einen stilvollen<br />
funktionalen Schutz bietet. Im Grunde ist die textile<br />
Front, die per Tastsensor hoch- oder runtergefahren werden<br />
kann, eine neue Möglichkeit, Schränke zu schließen, neben<br />
Dreh-, Falt- oder Schwebetüren – und bietet dem Handel<br />
zusätzliche Vermarktungsmöglichkeiten im höherwertigen<br />
Segment, denn preislich liegt „Comfort Close“ über den<br />
Türen aus Holz. Hinter der Neuentwicklung steht nicht nur<br />
Firmenchef Rudolf Eikenkötter (2. v. l.), sondern federführend<br />
sein Sohn Thomas Eikenkötter (2. v.r.), der frisch als<br />
Produktmanager bei RMW eingestiegen ist, auf dem Foto<br />
zusammen mit Marketingleiter Alexander Tschmel und<br />
Alice Isenberg, Unternehmenskommunikation.<br />
10/2023 möbel kultur 27
KÜCHENHERBST 2023<br />
Küchenmes<br />
Wie die Branche die Krise bewältigt<br />
Potenziale neu<br />
entdecken<br />
Von Ergänzungen im Detail bis zu innovativen<br />
Neu kreationen, ob Trading-up oder Trading-down:<br />
Erlaubt ist, was den Umsatz pusht. Gerade in<br />
nachfrageschwachen Zeiten. Denn Impulse,<br />
um Schwung ins Geschäft zu bringen, sind jetzt<br />
besonders gefragt und davon gab es rund um die<br />
Küchenmeile jede Menge. Welche Trends und<br />
Themen für 2024 angesagt sind, fasst der „möbel<br />
kultur“-Messereport OWL (Teil 1) zusammen.<br />
Die Küche lebt von ihrer Ausstattung.<br />
Feine Adern und Furnierstreifen wie bei<br />
Dekker veredeln die Stein- und Holzdekore.<br />
„Sustonable“ aus Glas- und PET-Rezyklaten<br />
zeichnen nach „Greengridz“ den Weg zur<br />
Kreislaufwirtschaft vor.<br />
Man mag sich wundern:<br />
Manch Unternehmen zündete<br />
in der ostwestfälischen<br />
Messewoche (im Kern zwischen<br />
16. und 21. September) sogar ein<br />
regelrechtes Neuheiten-Feuerwerk<br />
– trotz oder gerade entgegen der<br />
Krisenstimmung. Mehr noch als in<br />
den Vorjahren rückten neben den<br />
Produktneuheiten aber auch Marketingservice<br />
und Workflow-Verbesserungen<br />
in den Vordergrund, um<br />
den Handel im Verkauf zu unterstützen.<br />
Und dies bei gut bis sehr<br />
gut besuchten Messezentren.<br />
„Erwartungen übertroffen“,<br />
meldete beispielsweise die Area30.<br />
Insgesamt 12.316 Besucher:innen<br />
aus ganz Europa sind zur zwölften<br />
Ausgabe ins Löhner Zentrum<br />
gekommen. Damit liegt die Zahl<br />
leicht über der aus dem Vorjahr,<br />
obwohl sich hier mindestens zwei<br />
größere Zugpferde (Bora und Lechner)<br />
nicht mehr präsentierten. Die<br />
meisten Besucher:innen (9.010)<br />
stammten natürlich aus Deutschland,<br />
aber insgesamt kamen sie aus<br />
rund 60 Ländern – davon 1.013 aus<br />
den Niederlanden, 305 aus Belgien,<br />
227 aus Österreich, 128 aus der<br />
Schweiz, 105 aus Italien sowie 60<br />
aus Frankreich. Zwei Drittel der<br />
Aussteller immerhin bewerteten<br />
ihren Messeauftritt als „erfolgreich“<br />
oder „sehr erfolgreich“, so ergab<br />
zudem eine Umfrage von Veranstalter<br />
Trendfairs. Für die Qualität der<br />
Kontakte wurde von drei Vierteln<br />
der Aussteller die Schulnote 2 oder<br />
besser vergeben.<br />
Eine imposante Statistik hat übrigens<br />
auch Nobilia parat: 15.686<br />
Besucher:innen waren es diesmal<br />
in Verl, fast 1.700 mehr als 2022<br />
(bei verlängerter Hausmesse vom<br />
16.-26.9.). Und auch für Newcomer<br />
Siemens fällt die Bilanz zur<br />
Premiere in Löhne positiv aus: Rund<br />
3.500 Händler besuchten den 400<br />
qm-Stand im IDF34. Für Geschäftsführer<br />
Michael Mehnert gilt: „Die<br />
Entscheidung, nach Löhne zu kommen<br />
und dadurch dem Küchenfachhandel<br />
näher zu rücken, hat sich<br />
als goldrichtig erwiesen. Wir sind<br />
gekommen, um zu bleiben.“<br />
Selbst wenn die Corona-Jahre<br />
keine adäquate Vergleichsbasis darstellen:<br />
Die Westfalenshow ließ<br />
36 möbel kultur 10/2023
e OWL<br />
keine Trübnis zu und schneidet vor<br />
allem gegenüber anderen Messeschauplätzen<br />
gut ab. Natürlich<br />
waren auch Nachfragerückgang,<br />
Inflation und Wohnungsbau-Krise<br />
Diskussionsthemen, doch zugleich<br />
hat sich die Bedeutung von Faceto-Face-Austausch<br />
und Live-Meetings<br />
einmal mehr bestätigt. Denn<br />
gerade die wachsende Unsicherheit<br />
verlangt nach Orientierung. Zumindest<br />
für den Augenblick, denn eine<br />
langfristige Perspektive gibt es mit<br />
Blick auf die politischen Rahmenbedingungen,<br />
innen wie außen,<br />
derzeit nicht.<br />
Von Rückgängen auf internationaler<br />
Ebene sind jetzt mehr oder<br />
weniger alle betroffen. Zu unterscheiden<br />
ist im Moment jedoch<br />
zwischen Absatzmengen und<br />
Umsatz. So lag das mengenmäßige<br />
Auftragsminus von Januar bis August<br />
laut VdDK dieses Jahr zwar um 11,5<br />
Prozent unter 2022, doch der Wert<br />
ging vergleichsweise moderat nur<br />
um 2,6 Prozent zurück. Angesichts<br />
der verstärkten Flaute im zweiten<br />
Halbjahr wird für 2024 bestenfalls<br />
eine Nullrunde erwartet.<br />
Ob Trading-up oder Tradingdown:<br />
Die Unternehmen der<br />
Küchen branche haben sich auf die<br />
veränderten Zeiten eingestellt und<br />
reagieren je nach ihren Zielsetzungen<br />
und Möglichkeiten. Davon ausgehend,<br />
dass die Kundenbudgets<br />
schrumpfen, wird in den unteren<br />
Preissegmenten nachgepowert oder<br />
die oberen Segmente werden durch<br />
noch mehr Exklusivität verstärkt.<br />
Sich gegen Mitbewerber abheben<br />
und Spannen schützen: Dies waren<br />
Botschaften, die fast überall zur<br />
Westfalenmesse spürbar wurden.<br />
Preisanpassungen blieben indes<br />
moderat bei maximal zwei Prozent<br />
Plus oder bewegen sich eher in die<br />
Gegenrichtung als Nachlass für einzelne<br />
Programme. Wer kann, spielt<br />
hier seine Marktmacht aus.<br />
Vor allem Zusatzumsätze werden<br />
noch wichtiger. Der Vorstoß in<br />
den Living-Bereich gewinnt neue<br />
Dimensionen. Vom Küchenhersteller<br />
zum Wohnmöbel-Anbieter: Den<br />
Schritt hat Nobilia bei den großen<br />
Einrichtungshäusern wohl schon<br />
geschafft, erst recht wenn die klassischen<br />
Hersteller schwächeln. Nur<br />
Natürliche Eleganz, zurückhaltend<br />
und doch mit dem „gewissen Etwas“,<br />
sorgt für den aktuellen Look bei<br />
Möbeln, Wasserplätzen und Co.<br />
Links: Der Stand von Gessi ganz im<br />
italienischen Spirit. Oben: Die neue<br />
Leicht-Rillenfront „Bahia“ mit ihrer<br />
„Symmetrie in der Asymmetrie“.<br />
Unten: Farben und Formen rund um<br />
die Spüle zum Schock-Verlieben.<br />
das ganzheitliche Präsentieren auf<br />
einer Fläche klappt angesichts der<br />
Abteilungsstrukturen noch nicht.<br />
Man darf gespannt sein, wo und wie<br />
die neue Hülsta-Küche – hier mal<br />
als Pendant zum Wohnprogramm<br />
aus der Manufaktur Warendorf<br />
gestaltet – künftig am POS steht.<br />
Wie schon aus der Corona-Zeit<br />
bewährt, wird es jetzt umso mehr<br />
darum gehen, das richtige Lebensgefühl<br />
zu transportieren und mit<br />
einer neuen Lust am Wohnen zu<br />
polstern. Im ersten Teil des Messereports<br />
lesen Sie über die Impulse<br />
mit Schwerpunkt Küchenmöbel, in<br />
der kommenden „möbel kultur“-<br />
Ausgabe die Trends bei Geräten,<br />
Spüle und Ausstattung.<br />
DAS MESSE-TEAM: SILJA BERNARD,<br />
HEIKE LORENZ, SUSANNE MAERZKE<br />
UND KRISTINA TAPKEN<br />
10/2023 möbel kultur 37
KÜCHENHERBST 2023<br />
Als innovativer Partner für 3D-Raumaufmaße<br />
präsentierte sich MMM 3D mit<br />
ihrem Team um Geschäftsführer Jan<br />
Faltenbacher (r.) und Frank Reutter,<br />
GF der Tochterfirma Sedilog (l.).<br />
Mit News wie der Multifunktionsarmatur<br />
„Mythos water“, klarer<br />
strukturierter Preislogik und neuen<br />
Verbandskonditionen startet Franke<br />
(l. Gesamtvertriebsleiter David Gartner)<br />
ins Jahr 2024.<br />
Auf zu neuen Ufern: Christoph<br />
Fughe (Ex-Störmer-GF) sucht<br />
nun im Verbund mit Küchen<br />
Aktuell Kunden fürs Projektgeschäft.<br />
Die Adresse für<br />
„architecto“ ist der Cube30<br />
in Löhne (Area30).<br />
Viel zu tun: Bei Eopus am<br />
Stand war ordentlich was<br />
los. Das freute besonders Inhaberin<br />
Gabriele Schachtsiek<br />
und Mann Michael. Durch die<br />
intuitive Bedienbarkeit von<br />
„Studio“ können Planungen<br />
schnell umgesetzt werden.<br />
Der Clou: Echtzeit-Renderings<br />
verschaffen ein<br />
optimales Raumgefühl.<br />
„Wir stehen für Nachhaltigkeit“:<br />
Für AEG-Vertriebsleiter<br />
Ralf Birk ist die aktuell<br />
beworbene „Ecoline“mit<br />
Top-Energieeffizienz ein<br />
ebenso wichtiges Argument<br />
wie die „Best-in-Class“-<br />
Installation.<br />
Talking Heads<br />
Seit 2020 ist Arjan van Dijk<br />
Vertriebsleiter von Novy<br />
in Deutschland und Österreich<br />
– seit Ende August<br />
verantwortet der gebürtige<br />
Niederländer auch den<br />
Vertrieb für die Schweiz.<br />
Ein wertiges Display aus<br />
Holz, das zahlreiche Rösle-<br />
Produkte attraktiv darstellt,<br />
bietet die Marke ihren<br />
Händlern jetzt an, erläuterte<br />
Key Account Manager Jörg<br />
Stockmann.<br />
Punktlandung: Bis zum Eröffnungsmorgen<br />
waren die Handwerker noch am neuen<br />
Bora-Zentrum in Herford aktiv. „Wir wollten<br />
in die Richtung gehen, wo unsere Kunden<br />
sind“, betonte „Visionär“ Willi Bruckbauer.<br />
38 möbel kultur 10/2023
Über eine Besucherfrequenz, die knapp<br />
20 Prozent über dem Vorjahr lag, freuten<br />
sich bei Nolte Küchen Ulrich Wostbrock<br />
(Leitg. Produktmanagement) und<br />
Marketingleiter Simon Hoecker (v.l.).<br />
Besuch „vom größten Kunden“: Ben Mandemakers<br />
(DGM Group, M.) ließ sich von Thorsten<br />
Gösling (GF Verw./Finanzen) und Roger Klinkenberg<br />
(GF Vertr./Marketing) das Neueste der<br />
Küchentochter Pronorm zeigen.<br />
Alles, was man für ein Frühstück<br />
braucht, für den schnellen Zugriff<br />
in einem Schrank verstaut: Diese<br />
britische Tradition griff Schüller<br />
auf. Gelegenheit zum Kaffee-Stopp<br />
für Marketingleiterin Annette<br />
Schumacher.<br />
Besuch aus den Vereinigten<br />
Staaten erhielt Nobilia vom<br />
US-Verband NKBA (Mitte:<br />
Suzie Williford und Alan<br />
Dove, links: Nobilias Finanzchef<br />
Christopher Stenzel,<br />
rechts: Berater Dr. Elmar<br />
Stumpf, Conneum).<br />
Samsung vernetzt „Smart<br />
Things“ jetzt mit einer<br />
Food-App. Ebenso lässt<br />
sich der Stromverbrauch<br />
mit KI kontrollieren, wie<br />
Nedzad Gutic (Director<br />
Home Appliances) und<br />
Diana Diefenbach (Head of<br />
Retail & Communications)<br />
erläuterten.<br />
Premiere in OWL feierte Michael Mehnert, Geschäftsführer<br />
Siemens, mit einem Stand im IDF34. Und wurde<br />
mit einer ordentlichen Besucherfrequenz belohnt. Im<br />
Gepäck: intelligente Geräte sowie ein POS-Konzept.<br />
Bogdan Budimski (r.) gehört<br />
seit Anfang September zum<br />
Gorenje-Team um Sales<br />
Director Jörg Bunde (l.).<br />
Budimski kommt von Midea<br />
und ist nun Key Account<br />
Manager für den Küchenund<br />
Möbelhandel.<br />
Mehr Emotion und mehr Stringenz<br />
im Markenauftritt von Musterhaus<br />
Küchen (mit oder ohne Händlername):<br />
Was dazu gehört, erklärte<br />
Torsten Racky, Chef der MIYU<br />
Digitalagentur, auf Gut Böckel.<br />
Impuls-Vertriebschef Ulrich<br />
Spleth (r.) setzt jetzt vor<br />
allem auf mehr Service für<br />
den Handel – wie nur drei<br />
Wochen garantierte Lieferzeit<br />
oder Endkundenbelieferung<br />
(links: Mohammed-<br />
Ali Ben-Amara und Doris<br />
Gabler, Möbel Martin).<br />
10/2023 möbel kultur 39
KÜCHENHERBST 2023<br />
Versteckspiel à la SieMatic:<br />
Etliche Neuheiten zahlen<br />
auf die Wandlung vom<br />
offenen zum geschlossenen<br />
Küchenraum ein. In der<br />
Griffmulde der „S2“ verbirgt<br />
sich sogar eine schmale<br />
Besteckschublade hinter<br />
einer Push-Mechanik.<br />
trend#1<br />
Differenzierung<br />
Ob nussig-italienisch oder<br />
als helle Küche im Zen-Stil:<br />
Eigene Akzente für seine<br />
Marke „i-luminate“ setzt<br />
Pronorm mit der lizenzierten<br />
„Ambiente“-Beleuchtung,<br />
die Materialien, Vitrinen und<br />
Planungskonzepte in ein<br />
exklusives Licht tauchen.<br />
Gut zu Gesicht steht Rotpunkt<br />
die Exklusivkooperation<br />
mit „Buster + Punch“:<br />
Das britische Unternehmen<br />
produziert auffällige Griffe<br />
im Industrial Style aus<br />
Messing und Stahl. Fünf<br />
Varianten in vier Farben<br />
stehen zur Auswahl.<br />
Wenn bei weniger Nachfrage Preiswettbewerb droht,<br />
ist erst recht mehr Differenzierung im Produkt<br />
angesagt. Schon deshalb sind Merkmale zur Individualisierung<br />
so wichtig wie nie: ob durch einzigartige<br />
Griffe, besondere Auszüge oder raumgestaltende<br />
Ideen wie der „Frühstücksschrank“. Extravaganzen<br />
sind vor allem für die enge Nische der Luxus- und<br />
gehobenen Premium anbieter überlebenswichtig.<br />
Auch mit nachhaltigen Ansätzen wie ökologischen<br />
Werkstoffen lässt sich Abgrenzung mit zusätzlichen<br />
Verkaufsargumenten verbinden. Und nicht nur im<br />
Topsegment wird der „gute Name“ sichtbar markiert,<br />
um ein unverwechselbares Profil zu schaffen.<br />
Eine „meisterliche Handwerksleistung“<br />
von Ballerina<br />
Küchen ist die „Gavi Eiche“ im<br />
Fischgrät-Furnier, aufgebaut<br />
im 10 cm-Raster. Bestens zur<br />
Geltung kommt sie in Kombination<br />
mit der neuen Resopal-<br />
Farbe „Brown Powder“.<br />
40 möbel kultur 10/2023
Organische Formen stehen<br />
für die neue Wohnlichkeit von<br />
Pronorm. Als ovale Insel oder<br />
wandhängend als Sideboard.<br />
Nach dem ersten Appetizer<br />
2022 sind jetzt auch die<br />
„Showcase“- Vitrinen<br />
vom Exklusivprogramm<br />
„i-luminate“ im Katalog.<br />
Es wird immer wohnlicher rund um die Küche.<br />
Die Rillenstruktur in der Front gehört nun zum<br />
Must-have. Ob im hellen oder dunklen Holz<br />
sowie lackiert, reicht der Trend jetzt auch in<br />
den konsumigen Bereich und kommt als Nachbildung<br />
sehr gut an. Außerdem stehen Vitrinen<br />
weiter hoch im Kurs. Aufgewertet durch<br />
verschiedene Glaseinsätze und Rückwände<br />
lockern sie die Planung auf und schaffen wohnliche<br />
Übergänge. Pocketdoors sind besonders<br />
im Hochwertbereich Pflicht. Darüber hinaus<br />
wird das Möbelsortiment verstärkt ausgebaut.<br />
Ob Ess-, Wohn- und Schlafzimmer oder Bad –<br />
immer neue Einrichtungsideen bieten Chancen<br />
für mehr Umsatz und emotionalen Appeal.<br />
Das Wohnregal „Glance“<br />
von Eggersmann erhält ein<br />
Glas mit textiler Schraffur.<br />
Anstelle von Strahlern ist hier<br />
eine integrierte Lichtführung<br />
möglich. Sideboards und<br />
Wandpaneele sowie der drehbare<br />
„Furnspin“ von Hettich<br />
runden das Angebot ab.<br />
„Wohnen“ als zentrales<br />
Thema bei Häcker: Der<br />
Hersteller inspiriert mit<br />
Küchenmodulen, die sich<br />
auch als Garderobe und<br />
Lowboard einsetzen lassen.<br />
Indirektes Licht und Glas mit<br />
optischer Schraffur sorgen<br />
für Gemütlichkeit.<br />
trend#2 living<br />
Mit sanftem Schwung erhalten die Griffmulden von<br />
„Line N“ einen organischen „Curve“-Abschluss. Inklusive<br />
Beleuchtung (nun auch für eine zweite Griffspur)<br />
ergänzen sie das Living-Sortiment, das Nobilia teils auch<br />
außerhalb der Küchenabteilungen vermarktet. Esstisch-<br />
Ensembles, Designböden und „Case“-Regaleinsätze<br />
unterstreichen ebenfalls das Motto „More than Kitchen“.<br />
10/2023 möbel kultur 41
KÜCHE<br />
Dross&Schaffer: 60 Jahre Küchenhandwerk<br />
Aus der Praxis für die Praxis<br />
Dross&Schaffer behauptet sich im Umfeld klassischer Küchenverbände als Einkaufsgemeinschaft mit überschaubarer<br />
Händlerzahl – und dafür umso größeren Visionen. In den vergangenen 60 Jahren ist damit so mancher Meilenstein der<br />
Gruppe zum Wegbereiter für den Küchenhandel geworden. Ein Einblick in das Verständnis von Küche, Kundengewinnung<br />
und Stellschrauben, die mitunter auch im Interior-Bereich liegen.<br />
Unweit des Münchner Odeonsplatzes<br />
wurde 1963 das erste Küchenhaus der<br />
Dross&Schaffer Gruppe gegründet –<br />
heute einer von sechs Flagshipstores.<br />
Fotos: Benjamin Monn (l.), Carsten Brügmann (r.)<br />
Foto: Oliver Soulas<br />
Maximilian Linden leitet seit 2020 die<br />
Dross&Schaffer Gruppe sowie deren<br />
digitale Zweige von „diekuechedirekt.de“<br />
und „Küchen&Design Magazin“.<br />
Eine Anekdote verdeutlicht das<br />
Verständnis, mit dem sich<br />
Dross&Schaffer dem Küchenraum<br />
nähert. Es ist die Geschichte<br />
des mittlerweile bekannten Zusammentreffens<br />
von Gerd Bulthaup und<br />
Designer Otl Aicher in den 1980er<br />
Jahren, der damit beauftragt werden<br />
sollte, die Küche in ihrer Form<br />
neu zu denken. Aichers Antwort an<br />
den damaligen Geschäftsführer von<br />
Bulthaup mündete in der Frage, ob<br />
jener kochen könne – und, als Gerd<br />
Bulthaup verneinte, entgegnet haben<br />
soll: Er möge dies doch bitte erst<br />
lernen, bevor er sich daran mache,<br />
die Küche zu verändern. Einen<br />
ähnlichen Anspruch hegt der Einkaufsverbund<br />
der Dross&Schaffer<br />
Gruppe noch heute, mehr als 40<br />
Jahre nach Aichers Statement und<br />
60 Jahre nach Gründung des ersten<br />
Küchenhauses. Zur Gruppierung<br />
gehören mittlerweile mehr als 390<br />
Händler in Deutschland, Österreich<br />
und Südtirol, die sich einem<br />
gemeinsamen Wertekanon zugehörig<br />
fühlen. Darin verankert: Ein<br />
Verständnis von Küche, das über<br />
die bloße Planung hinausgeht – und<br />
persönliche Leidenschaft für das<br />
Produkt voraussetzt. Der Sinn für<br />
Genuss, kulinarisch wie ästhetisch,<br />
erlaubt es einer technischen Planung<br />
schließlich erst, sich ihr auch von<br />
emotionaler Seite zu nähern.<br />
Dass nicht alle Studios der Gruppierung<br />
diesen Ansprüchen gerecht<br />
werden können, liegt in der Natur<br />
der Sache begründet. Anders als<br />
klassische Küchenverbände pocht<br />
die Dross&Schaffer Gruppe strikt<br />
auf die unternehmerische Selbständigkeit<br />
ihrer Partner. „Wir respektieren<br />
die Eigenverantwortlichkeit<br />
unserer Händler in besonderem<br />
Maße“, sagt Maximilian Linden,<br />
der das Unternehmen seit 2020 als<br />
Geschäftsführer leitet. Das dürfte der<br />
Historie der Gruppe zuzuschreiben<br />
sein, die seit jeher eigene Küchenhäuser<br />
im Verbund unterhält. An der<br />
Ludwigstraße in München, unweit<br />
des Odeonsplatzes, wurde 1963 das<br />
erste Studio eröffnet. Bis heute präsentiert<br />
sich Dross&Schaffer dort<br />
mit einem seiner Flagshipstores, der<br />
in Anlehnung an den prominenten<br />
Standort den Beinamen „Ludwig 6“<br />
erhielt. Die großen Schaufenster, von<br />
zwei geschäftigen Straßen flankiert,<br />
dienen als Aushängeschilder für das<br />
Studio – und letztlich auch für die<br />
gesamte Gruppe.<br />
Zu sehen ist der unermüdliche<br />
Ehrgeiz, die Grenzen der modernen<br />
62 möbel kultur 10/2023
FACTS<br />
❯ Gründung Dross&Schaffer: 1963 in<br />
München, heute 6 Flagshipstores<br />
❯ Dross + Schaffer Marketing GmbH<br />
(DSM): seit 1985 Einkaufs- und<br />
Marketingverbund von aktuell 390<br />
unabhängigen Premium-Partnerstudios<br />
❯ Leistungen DSM: Marketing-und<br />
Verkaufsunterstützung für Print und<br />
Digital, u.a. Küche&Design Magazin,<br />
Website-Baukasten, Vertriebskonzept<br />
„selektionD“, Zentralregulierung,<br />
„Stilraum“, Interiorshop<br />
❯ Geschäftsführer: Herbert Dross,<br />
Wilfried Schaffer und Maximilian<br />
Linden<br />
www.dross-schaffer.com<br />
Küche zu verschieben: Beispielsweise<br />
mit einem rosafarbenen Inselblock<br />
aus Keramik, der unterschiedliche<br />
Meinungen anregen dürfte. Oder mit<br />
Kunst, die unkonventionell in den<br />
Showroom einzieht und dort auch<br />
gekauft werden kann. Kostproben<br />
von Design und Deko sind als Stühle,<br />
Leuchten, Vasen oder Besteck zwischen<br />
den unterschiedlichen Küchen<br />
platziert; das soll zur raumübergreifenden<br />
Planung einladen und<br />
zugleich die „Schwellenangst“ von<br />
Kund:innen senken, sich vor Ort<br />
einfach mal umzusehen. Auch in diesem<br />
Fall wissen die Studioleiter, dass<br />
sich so manche Idee aus der Großstadt<br />
nicht im kleinen Küchenstudio<br />
auf dem Lande tragen wird. Wichtig<br />
sei aber, betont Maximilian Linden,<br />
sich auszuprobieren – und erfolgreiche<br />
stationäre Vertriebskonzepte<br />
bestenfalls an die eigenen Partner<br />
weiterzureichen.<br />
Diese Vorgehensweise unterscheidet<br />
die Dross&Schaffer Gruppe von<br />
vielen Verbänden. Die sechs Flagshipstores<br />
im Großraum München,<br />
Ingolstadt und Fürstenfeldbruck<br />
müssen sich den Herausforderungen<br />
des stationären Handels nämlich selber<br />
stellen. Die Stimmungslage am<br />
Markt, die Aufgaben in Vertrieb und<br />
Marketing, die Weiterentwicklung<br />
des firmeneigenen Serviceangebots:<br />
All das beobachtet die Gruppierung<br />
im eigenen Tagesgeschäft. Entsprechend<br />
effizient will Dross&Schaffer<br />
auf Veränderungen reagieren, die<br />
auch die 390 anderen Partnerstudios<br />
betreffen könnten. „Aus der<br />
Praxis für die Praxis“, lautet das<br />
firmeninterne Credo. Axel Schaffer,<br />
Geschäftsführer des Showrooms<br />
an der Ludwigstraße 6, formuliert<br />
es pragmatischer: „Wir sitzen alle<br />
im selben Boot.“ Das gelte für die<br />
Konjunkturlage oder aufwändige<br />
Reklamationsprozesse, aber eben<br />
auch für fortschrittliche Ideen und<br />
Entwicklungen, die auf Wunsch für<br />
alle Partnerhäuser ausgerollt werden.<br />
Davon gibt es in der 60-jährigen<br />
Geschichte des Unternehmens<br />
einige. Schon früh beschließt<br />
Dross&Schaffer, die Küche möglichst<br />
losgelöst von Herstellervorgaben zu<br />
verkaufen. Gar nicht so einfach in<br />
einer Zeit, in der vorrangig Möbelhäuser<br />
und Schreinereien den<br />
Küchenhandel beherrschen – und<br />
Hersteller von der Arbeitsplatte bis<br />
zur Nischenrückwand alle Teile aus<br />
einer Hand liefern. Dross&Schaffer<br />
und die weiteren Studios in und<br />
um München gehen einen anderen<br />
Weg. Zum einen soll die Kooperation<br />
mit spezialisierten Lieferanten<br />
und deren Produkten, darunter das<br />
heute als Verbundwerkstoff bekannte<br />
Corian, die Individualisierung der<br />
Küche ermöglichen. Zum anderen<br />
positioniert man sich bereits zu diesem<br />
Zeitpunkt in einer stilbewussten<br />
Zielgruppe von Käufer:innen.<br />
Die architektonische Betrachtung<br />
des Küchenraums, wie sie einst Otl<br />
Aicher definierte, setzt sich zunehmend<br />
als Standard in der gehobenen<br />
Küche durch.<br />
Rund zwanzig Jahre nach der<br />
Gründung des heutigen Stammhauses<br />
beschließt Dross&Schaffer,<br />
aus dem gemeinsamen Planungs-<br />
Fotos: Benjamin Monn (o.), Jörg Mette (r.)<br />
verständnis der bislang unter<br />
eigenem Namen firmierenden<br />
Küchenstudios eine landesweite<br />
Gruppierung zu entwickeln. Ziel<br />
der sogenannten „Dross&Schaffer<br />
Marketing GmbH“ (DSM) ist es, sich<br />
in einem engen Partnernetzwerk<br />
unter Gleichgesinnten auszutauschen<br />
und eine hochwertige Marketing-<br />
und Einkaufsgemeinschaft<br />
zu bilden. Die DSM erlaubt den<br />
zusammengeschlossenen Händlern,<br />
das Einkaufsvolumen zu erhöhen,<br />
wettbewerbsfähige Konditionen zu<br />
erzielen und auch bis dato unbekannte<br />
Hersteller für Oberflächen,<br />
Möbel und Armaturen einzuführen.<br />
Die autarke Handlungsweise erfordert<br />
Geduld und setzt doch, bedingt<br />
durch die bewusst kleine Gruppengröße,<br />
zugleich auch den Mut frei,<br />
sich in Sachen Marketing auszuprobieren.<br />
Im Jahr 2000 erscheint das<br />
erste eigene, gedruckte Firmenmagazin<br />
unter dem Titel „Dolce Vita“.<br />
Es versinnbildlicht schon damals<br />
das Streben der Gruppe, über den<br />
„Wir sitzen durch unsere eigenen<br />
Häuser mit unseren Partnerstudios<br />
in einem Boot“, betont Axel Schaffer,<br />
einer der Geschäftsführer von<br />
Dross&Schaffer Ludwig 6 (ganz oben).<br />
Das Haus in der Münchener City ist<br />
eines der Flagshipstores, die Orientierung<br />
für die gesamte Gruppe geben.<br />
10/2023 möbel kultur 63
KÜCHE/IFA-REPORT<br />
182.000 Fachbesucher:innen<br />
aus 138 Ländern werten die<br />
IFA-Veranstalter als gelungenes<br />
Comeback. Zum 100.<br />
Geburtstag soll der Sprung<br />
zum internationalen „Innovation<br />
Hub“ mit verjüngtem<br />
Spirit deutlicher werden.<br />
Intelligenz<br />
wird nachhaltig<br />
Berlin als Technik-Hotspot muss sich wandeln – das haben die Messemacher der<br />
IFA verstanden. Der 100. Geburtstag im kommenden Jahr bietet dafür die ultimative<br />
Gelegenheit, den Schnitt zwischen gestern und heute deutlicher als bisher zu zeigen<br />
und vor allem für Aussteller klar zu machen, warum sich die große Show in Berlin<br />
auch wirtschaftlich lohnt. Die ersten Duftmarken wurden jetzt mit neuen Themenschwerpunkten<br />
gesetzt. Die Hausgeräteindustrie – längst ein wichtiger Messe-<br />
Schwerpunkt – lieferte indes in routinierter Weise ihren Part für die internationale<br />
Innovationsplattform: mit einem Mix aus Nachhaltigkeit, Connectivity und KI.<br />
Schon durch die Corona-Zeit,<br />
in der die IFA allenfalls rudimentär<br />
stattfinden konnte und<br />
die Unternehmen alternative Wege<br />
in der B2B- und B2C-Ansprache<br />
suchen mussten, steht alles auf dem<br />
Prüfstand. Braucht es wirklich die<br />
große Plattform, in denen Unternehmen<br />
je eigene Hallen füllen, um<br />
Innovationen zu promoten, den Verkauf<br />
zu pushen oder neue Kunden<br />
zu gewinnen? Und passt dies noch<br />
in eine Zeit, in der Kosten und<br />
Nachfrage aus dem Gleichgewicht<br />
geraten?<br />
Mit diesen Fragen sieht sich die<br />
IFA, wie so viele Messen, nun mit<br />
aller Wucht konfrontiert. Der Wendepunkt<br />
in der Messeausrichtung war<br />
dieses Jahr noch nicht sichtbar. Das<br />
„IFA Sustainability Village“ war recht<br />
übersichtlich, das „House of Robots“<br />
eher ein Gimmick und das Torwand-<br />
Schießen mit dem 1. FC Union Berlin<br />
kein Ersatz für die großen Publikumsevents<br />
im „Sommergarten“.<br />
Zumindest braucht es Zeit und auch<br />
viel Kommunikation, um den Schritt<br />
von der Funkausstellung, bei der es<br />
66 möbel kultur 10/2023
vorzugsweise um Unterhaltungselektronik<br />
ging, zur übergreifenden,<br />
allumfassenden Technikplattform zu<br />
gestalten. Entsprechend hoch sind<br />
die Erwartungen an das nächste Jahr<br />
und welche Learnings bei den Veranstaltern,<br />
neben gfu nun auch die<br />
britischen Messeprofis von Clarion<br />
Events, hängen geblieben sind.<br />
Wobei natürlich auch das bereits<br />
erlebte Feedback auf die IFA 2023<br />
zur Entscheidung der Aussteller<br />
beiträgt, ob sie der Messe weiter<br />
die Stange halten. Angefangen bei<br />
den nackten Zahlen: Rund 182.000<br />
Besucher:innen aus 138 Ländern<br />
gibt die Messeleitung für die fünf<br />
Tage vom 1. bis 5. September an.<br />
Zwar liegt die Resonanz über der aus<br />
dem Vorjahr (161.000 Besucher:innen),<br />
doch die Vor-Pandemie-Quote<br />
von 2019 (245.000) wurde bei<br />
weitem nicht erreicht. Obwohl die<br />
2.059 Aussteller auf 130.000 qm<br />
Bruttofläche in 26 Hallen durchaus<br />
Größe signalisierten und auch<br />
die internationalen Konzerne – ob<br />
Haier, Samsung, LG, Panasonic –<br />
dabei waren.<br />
Um das allgemeine Publikum und Medien aller Kanäle in den Bann zu<br />
ziehen, sind Showeffekte ein wichtiger IFA-Part. Auf einer Drehbühne<br />
inszenierte Bosch seine Topthemen (o.), Haier bot Visionen für ein<br />
nachhaltiges Ökosystem (l.u.), dazu animierten wieder Starköche wie<br />
Alexander Herrmanns (u.) zum Kochen mit Hightech.<br />
In den Hausgeräte-Hallen sah<br />
vieles auf den ersten Blick nach<br />
„Back to normal“ aus. Kaum merklich<br />
die leichte Verkleinerung der<br />
Stände von Bosch und Siemens oder<br />
das umwelt- und kostenfreundliche<br />
Recycling der Miele-Module. Wie<br />
gewohnt wurden über riesige<br />
Screens und Kochinseln, an denen<br />
Profis und Promis die neueste Technik<br />
zum Einsatz brachten, News und<br />
Botschaften vermittelt. Vor allem in<br />
Richtung Endverbraucher:innen.<br />
Der gemeinsame Nenner, wie schon<br />
in den Vorjahren: noch bessere<br />
Energieeffizienz und Ressourcenschonung,<br />
auch durch Recyclate in<br />
der Produktion, mehr Komfort und<br />
Zeitersparnis durch smarte Features,<br />
die immer mehr durch Künstliche<br />
Intelligenz perfektioniert werden.<br />
Wobei das Kochen bis hin zum<br />
Wein- und Kaffeegenuss einer der<br />
wichtigsten Themenanker bleibt,<br />
um die Aufmerksamkeit der Medien<br />
aller Kanäle auf sich zu ziehen.<br />
Mit Blick auf B2B ist die IFA<br />
immer weniger Orderplattform (vorzugsweise<br />
für den Elektrohandel) als<br />
PR-Event, bei dem es gilt, Marktbedeutung<br />
zu demonstrieren. Nicht<br />
nur mit neuen Produkten, die sich in<br />
ihren Features ohnehin immer mehr<br />
ähneln, sondern mit Unternehmensprofilen,<br />
um sich als glaubwürdiger,<br />
zuverlässiger und inspirierender<br />
Partner für Handel und User darzustellen.<br />
Nachdem bereits viele<br />
Kleingeräte-Marken den Rückzug<br />
angetreten haben (u.a. WMF, SEB,<br />
DeLonghi, Philips, Melitta, Graef,<br />
Kitchenaid) und auch vergleichsweise<br />
kleinere Großgerätehersteller<br />
wie Küppersbusch/Teka, Oranier,<br />
Amica oder V-Zug nicht dabei sind,<br />
konzentriert sich die Show eher<br />
auf die Big Player: AEG/Electrolux,<br />
Beko/Grundig, Bosch/Siemens,<br />
Haier, Hisense/Gorenje, Liebherr,<br />
Midea, Miele und Samsung. Wobei<br />
in diesem Jahr auffällig oft das Label<br />
„Made in Germany“ zu sehen war, als<br />
Signet nachhaltiger Regionalisierung<br />
im Vertrieb und sicher auch als Stärkesymbol<br />
der Platzhirsche gegenüber<br />
den asiatischen Großkonzernen, die<br />
sich immer mehr vom europäischen<br />
Kuchen abgreifen (wollen).<br />
Wie kann sich die IFA also<br />
im Kontext dieser Bewegungen<br />
erfolgreich aufstellen und allen<br />
Herausforderungen gerecht werden?<br />
„Die IFA 2023 war ein großer<br />
Erfolg. Aber wie immer gilt: Der<br />
erste Tag nach der IFA ist der erste<br />
Tag vor der IFA. Das galt noch<br />
nie so sehr wie heute, denn wir<br />
bereiten uns jetzt auf den 100.<br />
Geburtstag der IFA im Jahr 2024<br />
vor“, blickte gfu-Geschäftsführerin<br />
Dr. Sara Warneke bereits in der<br />
Eröffnungspresse konferenz auf das<br />
kommende Event (6. bis 10. September<br />
2024). Unter neuer Leitung<br />
sei ein richtungsweisender Wandel<br />
eingeleitet worden. Denn das<br />
IFA-Management ebenso wie die<br />
Gesellschafter gfu und Clarion seien<br />
sich einig darüber, dass eine sich<br />
ständig weiterentwickelnde Branche<br />
auch eine Weiterentwicklung des<br />
IFA-Konzepts erfordert.<br />
„Die Aussichten für das nächste<br />
Jahr sind vielversprechend. Viele<br />
Unternehmen haben bereits ihre<br />
Zusage für die IFA 2024 gegeben.<br />
Auch das Land Berlin hat seine<br />
volle Unterstützung für die Messe<br />
im nächsten Jahr zugesagt“, zeigte<br />
sich Oliver Merlin, Geschäfts führer<br />
der IFA Management GmbH,<br />
optimistisch und überließ es seinem<br />
im Oktober angetretenen Nachfolger<br />
Leif-Erik Lindner, die weiteren<br />
Pläne anzukündigen. Jünger und<br />
noch agiler soll die Messe dann performen.<br />
Um ihrer Rolle als „Innovation<br />
Hub“ gerecht zu werden,<br />
erhalten beispielsweise noch mehr<br />
junge Unternehmen eine Bühne<br />
und soll das Event auch noch mehr<br />
Berliner Publikum anziehen. Schon<br />
jetzt hatten über 350 Start-ups am<br />
Special „IFA next“ teilgenommen,<br />
dreimal so viel wie zuvor, und trafen<br />
auf 200 Investoren zwecks künftiger<br />
Partnerschaften.<br />
Auch der „Sommergarten“ soll<br />
wieder bespielt werden, nur „Miss<br />
IFA“ als Dauer-Maskottchen im<br />
roten Kleid wird als unzeitgemäß<br />
abgeschafft. Mehr Networking,<br />
mehr Kommunikation und mehr<br />
Innovationen sind aber letztlich die<br />
Impulse, die gerade im nächsten Jahr<br />
– für das die Technikbranche allenfalls<br />
eine Stabilisierung der Umsätze<br />
nach Minus 6,9 Prozent Rückgang<br />
im ersten Halbjahr 23 erwartet –<br />
besonders gefragt sind.<br />
HEIKE LORENZ<br />
www.ifa-berlin.com<br />
10/2023 möbel kultur 67
POLSTER<br />
Bei Gutmann Factory<br />
stand u.a. das Thema<br />
Dining im Mittelpunkt. Neue<br />
Tisch formen, -gestelle<br />
sowie außergewöhnliche<br />
Oberflächen kamen bei den<br />
Besucher:innen sehr gut an.<br />
Foto: Ludwig Gutmann GmbH & Co. KG<br />
Hausmessen Oberfranken: Hersteller unterstreichen ihre Kompetenzen<br />
Modularität und<br />
handwerkliche<br />
Kompetenz im Fokus<br />
Ende September öffneten die bayerischen Polstermöbelproduzenten traditionell wieder<br />
ihre Showrooms zu den Hausmessen Oberfranken. Trotz der wirtschaftlich schwierigen<br />
Lage zeigten sich die Hersteller optimistisch. Um im Handel wieder mehr Begehrlichkeiten<br />
zu wecken, hatten sie sich produktmäßig einiges einfallen lassen. Die „möbel kultur“ war<br />
vor Ort und hat sich die Entwicklungen angeschaut.<br />
Nach den Herbstmessen in<br />
Westfalen sind die Hausmessen<br />
Oberfranken zum Jahresendspurt<br />
fest im Terminkalender der<br />
Branche verankert. Vom 25. bis zum<br />
27. September lockten sie in die<br />
Ausstellungen der dort ansässigen<br />
Unternehmen. Neben neuen Produkten<br />
und Programmpflege boten<br />
die Firmen ihren Besucher:innen<br />
auch ausreichend Raum für Gespräche.<br />
Wie schon in den Vorjahren,<br />
war die Zahl der Händler:innen, die<br />
sich selbst ein Bild von den Polsterneuheiten<br />
machten, überschaubar.<br />
Dafür waren aber alle Verbände vor<br />
Ort, die auch orderten.<br />
Und so war die Stimmung unter<br />
den Herstellern dann auch recht<br />
positiv – auch wenn die Branche laut<br />
den aktuellen Zahlen des Verbands<br />
der Deutschen Polstermöbelindustrie<br />
derzeit mit einer schwachen<br />
Nachfrage der Verbraucher:innen zu<br />
kämpfen hat.<br />
Eindrucksvoll hatten die Unternehmen<br />
ihr Können unter Beweis<br />
gestellt und sich Trend-Themen<br />
wie Nachhaltigkeit, Modularität<br />
und smarten Features gewidmet.<br />
Sedda beispielsweise stellte neben<br />
modernen Designs auch technische<br />
Raffinessen in den Mittelpunkt seiner<br />
Präsentation. So lassen sich die<br />
Sofa-Modelle „Ares“, „Amon“ oder<br />
„Diego“ beispielsweise mit einer<br />
elektrosmogfreien Infrarot Tiefenwärme<br />
ausstatten. Außerdem wurde<br />
als Neuheit im Funktionsbereich<br />
erstmals eine Schlafbankfunktion<br />
mit Akkubetrieb vorgestellt. Diese<br />
ermöglicht es, das Möbel ohne störende<br />
Kabel auch direkt im Raum<br />
zu platzieren (siehe auch Seite 78).<br />
Enorm flexibel präsentierten sich<br />
auch die Entwicklungen bei Koinor.<br />
So wurde beispielsweise die erst zur<br />
„imm Spring Edition“ gelaunchte<br />
Linie „Elements – create your life“<br />
umfassend in Szene gesetzt, um<br />
die vielfältigen Möglichkeiten des<br />
Systemprogramms zu veranschaulichen.<br />
Zahlreiche Armteile, Rücken<br />
und Füße sind allesamt miteinander<br />
kombinierbar. Vier vordefinierte<br />
Zusammenstellungen in einem Stellkreuz<br />
inklusive Vermarktung und<br />
einem 3D-Planungstool versprechen<br />
dem Handel am POS ein Rundum-<br />
Sorglos-Paket. Das ausgeklügelte<br />
76 möbel kultur 10/2023
Programm wird jetzt ausgeliefert.<br />
Seine Kompetenzen als zuverlässiger<br />
und wendiger Partner stellte<br />
auch Gutmann Factory erneut<br />
unter Beweis. Als inhabergeführter<br />
Lifestyle-Spezialist kann er seine<br />
Möbelhaus-Konzepte schnell und<br />
individuell direkt auf den POS übertragen<br />
– und damit gleichzeitig die<br />
Aufmerksamkeit der Verbraucher:innen<br />
gekonnt auf die Trend-Produkte<br />
lenken. Und die hat das Familienunternehmen<br />
zahlreich im Angebot.<br />
So stand beispielsweise das Thema<br />
Dining mit neuen Tischformen und<br />
-gestellen sowie außergewöhnlichen<br />
Oberflächen im Fokus, das auf<br />
durchweg positive Resonanzen stieß.<br />
Ebenso angesagt war das Thema<br />
„Cozy Living“ im Polstermöbelbereich,<br />
bei dem trendige Farben,<br />
Wohlfühlstoffe und hochwertige<br />
neuen Materialien einen lässigknautschigen<br />
Sitzkomfort kreieren.<br />
In Sachen Polster und Dining<br />
verbuchte auch Bullfrog, mit Sitz<br />
in Michelau, Pluspunkte bei den<br />
Besucher:innen. So zogen u.a. das<br />
Polsterprogramm „Yoyo“ und die<br />
Essgruppe „Felicita“ die Aufmerksamkeit<br />
auf sich. Dass sich die<br />
Möbel auch dafür eignen, komplette<br />
Wohnbereiche einzurichten, zeigte<br />
der Hersteller indem er einige<br />
seiner Produkte im Showroom wie<br />
in einer Wohnung inszenierte und<br />
darauf verwies, dass erst kürzlich<br />
ein Aparthotel in Weimar komplett<br />
mit Bullfrog-Möbeln ausgestattet<br />
wurde.<br />
Mit Neugier blickte die Branche<br />
nicht zuletzt auch nach Frohnlach<br />
zu W.Schillig. Der angeschlagene<br />
Polstermöbelproduzent hatte<br />
sein Portfolio in den vergangenen<br />
Wochen überarbeitet und präsentierte<br />
sich stark und klar strukturiert.<br />
Um zu zeigen, dass er<br />
Bullfrog setzte mit starken<br />
Farben und bunten Mustern<br />
fröhliche Akzente.<br />
Ganz links: „Dwayne“<br />
von W. Schillig zeigt<br />
sich auf Knopfdruck<br />
enorm flexibel.<br />
Links: Koinor demonstrierte<br />
die vielfältigen<br />
Möglichkeiten seines<br />
Systemprogramms<br />
„Elements – create<br />
your life“.<br />
„Diva“ von Sedda verfügt über eine Infrarot-<br />
Tiefenwärme, eine elektrische Schlafbank,<br />
Funktionskopfstützen und eine Powerstation.<br />
nach wie vor zahlreiche Wünsche<br />
bedienen kann, hatte das Unternehmen<br />
in einem Teil der Ausstellung<br />
seine Polstermöbel nach<br />
internationalen Einrichtungsstilen<br />
geordnet. Zu den Highlights bei<br />
den Neuheiten zählten die Sofa-<br />
Modelle „Dwayne“ und „Louis“,<br />
die nicht nur mit ihrer modernen<br />
Optik punkten, sondern sich auch<br />
den Bedürfnissen der Nutzer:innen<br />
optimal anpassen. Entsprechend<br />
kamen beide Programme<br />
bei den Besucher:innen hervorragend<br />
an. Mit seinem Auftritt zeigte<br />
W. Schillig, dass er auf jeden Fall<br />
zur wichtigen deutschen Polsterriege<br />
gehört und hoffentlich auch<br />
dort bleibt.<br />
JUTTA FRIEDRICHSEN-DEVAKAR,<br />
DORIS SCHMIDT<br />
10/2023 möbel kultur 77
INDUSTRIE<br />
Hülsta Hausmesse: Zwei starke Neuheiten, die Bewegung ins Spiel bringen<br />
Details machen den Unterschied<br />
Unter dem Motto „We like to move it” #alwayssomethingnew, ging die diesjährige Hausmesse in Stadtlohn über die<br />
Bühne. Im Mittelpunkt: Die Neuauflage des Longsellers „Spectrum“ und die brandneue Hülsta Küche. Spannende<br />
Innovationen und inspirierende Designs, die den Handel bewegen.<br />
Moderne Küchenarchitektur für die gehobene<br />
Mitte: die Hülsta Küche. Unten: Mit Hilfe des<br />
motorischen Lifts verschwindet der Thermomix<br />
unter der Arbeitsplatte.<br />
Mit Spannung von der Branche<br />
erwartet: die Hülsta Küche.<br />
Während der Hausmesse<br />
wurde das Geheimnis nun gelüftet.<br />
Exklusives Design, innovative<br />
Funktionalität und herausragende<br />
Langlebigkeit zeichnen die Markenküche<br />
aus Stadtlohn aus, die erst<br />
seit Anfang Mai entwickelt wurde.<br />
Im Wesent lichen besteht die Küche<br />
aus qualitativ anspruchsvollen Gehrungskorpussen,<br />
die bei Warendorf<br />
gefertigt werden. 30 Jahre Garantie<br />
gibt Hülsta darauf. Das Entscheidende<br />
aber ist das Design, das<br />
aus den drei Hülsta-Programmen<br />
„Tetrim“, „Neo“ und „Gentis“<br />
resultiert. In der praktischen Umsetzung<br />
werden also die Fronten bei<br />
Hülsta produziert. Formal lassen sich<br />
damit Wohnen, Speisen und Küche<br />
aus einem Guss darstellen. Elegante<br />
Oberflächen und intelligente Stauraumlösungen<br />
– die Küche ist darauf<br />
ausgelegt, den Anforderungen des<br />
modernen Lebens gerecht zu werden.<br />
Es entsteht ein ganzheitliches<br />
Wohndesign, da sie sich perfekt in<br />
Farbe, Form und Material mit anderen<br />
Hülsta Produkten kombinieren<br />
lässt. Während der Wettbewerb bei<br />
den Ausflügen in die Bereiche Speisen<br />
und Wohnen immer gedanklich<br />
aus der Küche kommt, ist die<br />
Hülsta Küche in der Lage, höchst<br />
individuelle und harmonische Konfigurationen<br />
in sieben Lacktönen<br />
und sechs Furnieren zu realisieren.<br />
88 möbel kultur 10/2023
Neu gestaltet: Der Eingangsbereich in Stadtlohn. Die<br />
enorme Bandbreite der Möglichkeiten mit „Spectrum“<br />
zeigt die Fotoreihe (r.). Mit im Programm ist auch der<br />
Colornetwork-Ton „Come Closer“ (r. Mitte und u.).<br />
Die Reaktionen der Besucher:innen<br />
waren laut Anika Lechtenberg, Head<br />
of Design, sehr positiv. Auf die Frage,<br />
warum der Markt gerade jetzt eine<br />
Hülsta Küche braucht, antwortet<br />
CEO Dr. Thomas Knecht: „Die Präsenz<br />
von Hülsta Küche auf dem<br />
Markt ist bereits seit einiger Zeit ein<br />
viel diskutiertes Thema – sowohl bei<br />
Endkunden als auch bei Händlern<br />
und in unserem eigenen Team. Mit<br />
unserer Partnerschaft mit Warendorf<br />
haben wir nun einen bedeutenden<br />
Schritt gemacht, um einen hochwertigen<br />
Zugang zu diesem Segment zu<br />
etablieren. Diese strategische Allianz<br />
ermöglicht es uns, innovative Lösungen<br />
und erstklassige Produkte anzubieten,<br />
die unseren hohen Standards<br />
entsprechen. Die Einführung von<br />
Hülsta Küche macht uns nicht nur zu<br />
einem echten Vollsortimenter in der<br />
Branche, sondern eröffnet auch vielversprechende<br />
Wachstumschancen.<br />
Dies betrifft nicht nur das Küchensegment,<br />
sondern auch alle anderen<br />
Kollektionen, die künftig nahtlose<br />
und durchgängige Lebenswelten<br />
schaffen werden.“ In partnerschaftlicher<br />
Abstimmung mit dem Handel<br />
soll das Thema nun für den großen<br />
Auftritt am PoS weiterentwickelt<br />
werden. In einem nachgebauten<br />
Apartment wurde dieser Anspruch<br />
anschaulich rübergebracht.<br />
Als weiteres Highlight präsentierten<br />
die Stadtlohner insgesamt 18<br />
Kojen mit der Komplettüberarbeitung<br />
des Longsellers „Spectrum“, der sich<br />
in einer nie dagewesenen Auswahl<br />
darstellte: von „Lieschen Müller“<br />
bis hochmodern ist alles möglich.<br />
Schon erstaunlich, welche Bandbreite<br />
sich mit nur zwei Furnieren, vier<br />
Lacktönen, zusätzlicher Hinterglaslackierung,<br />
Klar- und Reliefglas und<br />
Lamellenoptik konfigurieren lässt.<br />
Positioniert ist „Spectrum“ preislich<br />
unterhalb von „Neo“. „Wir<br />
erwecken einen neuen Style! Das<br />
neue ,Spectrum‘ bietet trendige Farben,<br />
angesagte Strukturen und exklusive<br />
Materialien, die kreative Ideen<br />
Wirklichkeit werden lassen. Egal, ob<br />
ein minimalistischer Look oder eher<br />
mit mutigen Akzenten – mit ,Spectrum‘<br />
können Räume nach eigenen<br />
Vorstellungen gestaltet werden. Ein<br />
Hülsta Klassiker mit neuem Charme“,<br />
sagt Anika Lechtenberg. RITA BREER<br />
www.huelsta.com<br />
Minimalismus muss nicht immer geradlinig sein. Bester Beweis<br />
die „Gentis“-Küche mit ihren funktionalen Rundungen (l.).<br />
10/2023 möbel kultur 89
GO GREEN<br />
Effizienz Agentur NRW: „Circo“-Workshops<br />
Einstieg in die<br />
Circular Economy<br />
Dass es immer wichtiger wird, zirkuläre Produkte und Strategien<br />
zu entwickeln, ist den meisten Unternehmen bewusst. Aber wie<br />
sollen sie dabei vorgehen und welche Ansatzpunkte gibt es?<br />
Antworten darauf liefern die „Circo“-Workshops der Effizienz-<br />
Agentur NRW in Duisburg.<br />
FACTS<br />
❯ Effizienz-Agentur NRW: unterstützt<br />
im Auftrag des NRW-Umweltministeriums<br />
Industrie und Handwerk, die<br />
Weichen für eine Circular Economy<br />
zu stellen.<br />
❯ „Circo“-Workshopreihe: vier<br />
Veranstaltungen (2 x in Präsenz, 2 x<br />
Online), um zirkuläre Produkte und<br />
Dienstleistungen zu entwickeln.<br />
❯ Nächste Workshopreihe: Februar<br />
und März 2024. Diese ist für alle<br />
und damit auch für Möbler offen.<br />
www.ressourceneffizienz.de<br />
Die Circular Economy ist ein<br />
strategischer Ansatz, um den<br />
Herausforderungen der Rohstoffabhängigkeit<br />
und des Klimawandels<br />
zu begegnen. Zirkuläre Produkte<br />
und Geschäftsmodelle sind<br />
daher aktuell in aller Munde und<br />
die Unternehmen werden immer<br />
stärker in die Pflicht genommen,<br />
sich damit auseinanderzusetzen.<br />
Doch viele wissen nicht, wie sie<br />
kompetent in das Thema starten sollen.<br />
Eine Lösung hierfür bietet die<br />
Durch den Workshop<br />
setzen sich Unternehmen<br />
strukturiert mit dem<br />
Thema auseinander. Heiner Strack, VDM<br />
Effizienz-Agentur NRW (EFA) aus<br />
Duisburg mit den „Circo“-Workshops.<br />
Bei „Circo“ handelt es sich<br />
um ein Konzept, das 2015 im Auftrag<br />
des niederländischen Umweltministeriums<br />
entwickelt wurde und<br />
seitdem Firmen dabei unterstützt,<br />
nachhaltige, zirkuläre Produkte und<br />
Geschäftsmodelle zu kreieren und<br />
sich so von der linearen Wertschöpfungskette<br />
zu lösen.<br />
Die EFA ist der erste „Circo“-<br />
Hub in Deutschland und stellt diese<br />
Workshops seit rund zweieinhalb<br />
Jahren für alle Unternehmen mit<br />
Sitz in Nordrhein-Westfalen zur<br />
Verfügung. „Die Methode zeichnet<br />
sich durch eine Kombination<br />
aus Informationsvermittlung durch<br />
die Trainer:innen, selbstständiges<br />
Arbeiten am eigenen Produkt mit<br />
Hilfe von Online-Materialien und<br />
Design-Tools sowie durch den Austausch<br />
in der Gruppe aus“, erklärt<br />
96 möbel kultur 10/2023
Als Händler sehen wir uns<br />
in der Rolle des Gate Keepers<br />
und möchten nachhaltige<br />
Möbel sichtbar machen für<br />
unsere Kund:innen. Annika Matthaei, Möbel Ehrmann<br />
Stefan Alscher, gemeinsam mit Linda<br />
Dierke, Leiterin Geschäftsfeld Entwicklung<br />
und Kooperationen der<br />
EFA, einer der Moderatoren der<br />
Workshops.<br />
Aufgrund des starken Interesses<br />
hat die Effizienz-Agentur NRW in<br />
diesem Jahr auch eine Workshopreihe<br />
speziell für die Möbelbranche<br />
angeboten. „In der Workshopreihe<br />
hatten wir viele produzierende<br />
Partner entlang der Wertschöpfungskette<br />
dabei. Allerdings war<br />
kein Handelsunternehmen im<br />
Workshop vertreten. Das möchten<br />
wir zukünftig gern ändern“, so<br />
Linda Dierke. Daher fand im April<br />
und Mai gemeinsam mit dem Verband<br />
der deutschen Möbelindustrie<br />
(VDM) erstmals eine solche Reihe<br />
statt. Sie umfasste insgesamt vier<br />
Workshops – zwei in Präsenz,<br />
zwei Online. Mit dabei waren Vertreter:innen<br />
unter anderem von<br />
Burgbad, König + Neurath, Nobilia,<br />
Poggenpohl, Rehau, Rotpunkt<br />
und Sudbrock. Ihre entwickelten<br />
Ideen stellten die Teilnehmer:innen<br />
bei der Abschluss-Veranstaltung<br />
in den Räumen des VDM im<br />
Marta Museum Herford in einem<br />
Pitch vor. „Der durch die EFA gut<br />
organisierte Track hat aus unserer<br />
Sicht dazu beigetragen, dass sich<br />
die Unternehmen aus der Möbelindustrie<br />
und der Zulieferindustrie<br />
mit dem Thema ,Zirkularität von<br />
Produkten‘ strukturiert auseinandergesetzt<br />
haben und mit selbst<br />
definierten Projekten gestartet<br />
sind, die sie nun in den nächsten<br />
Monaten weiterentwickeln werden“,<br />
unterstreicht Heiner Strack,<br />
Leiter Technik, Umwelt und Normung<br />
beim VDM. Ganz wichtig<br />
hierbei: Beratungsprojekte, die<br />
sich aus den Workshops ergeben,<br />
können von der EFA mit bis zu 50<br />
Prozent gefördert werden.<br />
Für Betriebe, die<br />
(noch) nicht an solchen<br />
Workshops teilnehmen<br />
möchten, bietet die EFA<br />
zudem eine Ressourceneffizienz-<br />
Beratung an. Sie ermöglicht den einfachen<br />
Einstieg in eine nachhaltige<br />
Wirtschaftsweise. „Viele Unternehmen<br />
haben mit unserer Unterstützung<br />
Potenziale und Möglichkeiten<br />
zur Material-, Energie- und CO2-<br />
Reduktion aufgedeckt und erfolgreich<br />
Maßnahmen umgesetzt“,<br />
führt Stefan Alscher aus.<br />
Um die vielfältigen Ansatzpunkte<br />
in diesem Bereich zu verdeutlichen,<br />
hat die Effizienz-Agentur<br />
NRW Mitte September ihren<br />
ersten „Circular Design Summit“<br />
organisiert, der in Düsseldorf über<br />
die Bühne ging. Dort präsentierten<br />
Workshop-Teilnehmer:innen<br />
aus verschiedensten Branchen,<br />
welche Projekte sie bereits realisiert<br />
haben, und kamen über weitere<br />
Umsetzungsschritte in den regen<br />
Austausch. Teil des Summits war<br />
eine Paneldiskussion zum Thema<br />
„Möbel zirkulär denken“. Mit<br />
dabei waren Heiner Strack vom<br />
VDM, Linda Dierke von der EFA,<br />
Felix Kröncke, Managing Director<br />
Ahrend Germany, und Annika<br />
Matthaei, Nachhaltigkeitsmanagerin<br />
bei Möbel<br />
Ehrmann. Felix<br />
Kröncke erläuterte,<br />
welche Nachhaltigkeitsaspekte<br />
der<br />
Büromöbelhersteller<br />
aktuell im Fokus<br />
hat. Dazu gehört unter<br />
anderem die Sharing-<br />
Plattform „Furniture as<br />
a Service“. Ein Kunde gibt<br />
seine gebrauchten Produkte<br />
zurück, Ahrend bereitet sie auf<br />
und stellt sie dann einem anderen<br />
Kunden zur Verfügung. Dabei bleibt<br />
das Unternehmen Eigentümer der<br />
Möbel und die Firmen zahlen nur<br />
für den Zeitraum, in dem sie die<br />
Produkte nutzen.<br />
Zu den Ideen von Möbel Ehrmann<br />
zählt die Weitervermarktung<br />
der B-Ware. Diese wurde bisher entsorgt<br />
– selbst bei minimalen Fehlern,<br />
wie Annika Matthaei ausführt.<br />
Nun sollen diese Produkte online<br />
und über den Store vermarktet werden.<br />
So unterschiedlich die Projekte,<br />
so deutlich wurde eine Erkenntnis:<br />
„Das Wichtigste ist es anzufangen“,<br />
betont Heiner Strack vom VDM.<br />
<br />
SILJA BERNARD<br />
In der<br />
Möbelindustrie<br />
bestehen große<br />
Potenziale,<br />
Produkte länger<br />
im Nutzungskreislauf<br />
zu<br />
halten. Stefan Alscher, EFA<br />
Mit revitalisierten<br />
Möbeln aus unserem<br />
Circular Hub helfen<br />
wir, die CO2-Emissionen<br />
um bis zu 95<br />
Prozent zu reduzieren.<br />
Felix Kröncke, Ahrend Germany<br />
10/2023 möbel kultur 97
lifestyle<br />
Fiskars: Feiert 2024 den 375. Geburtstag<br />
Mit Nordic Nature<br />
nachhaltig in die Zukunft<br />
Rund 6.600 Mitarbeiter:innen in 29 Ländern und ein Umsatz von 1,24 Mrd. Euro – die Fiskars Group ist<br />
ein international agierendes Unternehmen. Trotzdem ist sie ihren finnischen Wurzeln stets treu geblieben.<br />
Nachhaltigkeit und das Nordic-Nature-Feeling stehen seit jeher im Fokus. Und so zeigt sich die Marke<br />
inmitten einer herrlichen Landschaft gleichzeitig traditionell und zukunftsorientiert aufgestellt, wie die<br />
„möbel kultur“ vor Ort erlebte.<br />
14.000 Hektar nachhaltig<br />
bewirtschaftete Wälder<br />
gehören Fiskars rund um<br />
den Ursprungsort der<br />
Marke, der seit den 2000er<br />
Jahren wiederbelebt wurde<br />
und jetzt Künstler:innen<br />
beheimatet.<br />
Die Vögel zwitschern, die Blätter rauschen<br />
im Wind und der See im Fiskars Village<br />
plätschert leise vor sich hin – inmitten<br />
dieser finnischen Idylle liegt der Hauptsitz<br />
von Fiskars. Überall ist hier die eindrucksvolle<br />
Historie der Marke zu spüren. 1649 als Eisenwerk<br />
gegründet, ist es das älteste Unternehmen des<br />
Landes und gehört zu den traditionsreichsten<br />
Firmen der westlichen Welt. Zunächst wurden<br />
verschiedene Produkte für die Landwirtschaft und<br />
Privatkund:innen hergestellt – vor allem Messer.<br />
Ein Meilenstein für die Marke war die Entwicklung<br />
ihrer ersten Schere im Jahr 1832. 1967<br />
schrieb sie Designgeschichte, als sie die weltweit<br />
erste Schere mit Kunststoffgriff auf den Markt<br />
brachte. Sie wurde rund eine Milliarde Mal verkauft<br />
und ist ein Ausstellungsstück im berühmten<br />
New Yorker Museum of Modern Art (MoMa).<br />
Heute fokussiert sich das Unternehmen auf<br />
die Produktsegmente Garten, Küche sowie Bauen<br />
FACTS + FIGURES<br />
1649 Peter Thorwöste gründet Fiskars als<br />
Eisenwerk, Sitz in Fiskars, Finnland<br />
1822 Der Apotheker Johan Jacob Julin kauft<br />
die Fiskars-Eisenhütte und das -Dorf<br />
1832 Gründung der ersten Besteckfabrik.<br />
1883 Nach dem Tod von Julin Umwandlung<br />
in eine Gesellschaft mit<br />
beschränkter Haftung<br />
1915 Notierung an der Börse von Helsinki<br />
1967 Mit der Entwicklung der weltweit ersten<br />
Schere mit Kunststoffgriff schreibt die<br />
Marke Designgeschichte<br />
1977 Expansion in die USA<br />
2007 Übernahme von Iittala<br />
2013 Übernahme von Royal Copenhagen<br />
2015 Übernahme der WWRD Group<br />
(u.a. Waterford, Wedgewood und<br />
Royal Doulton)<br />
2023 Übernahme von Georg Jensen<br />
2024 375. Geburtstag<br />
Umsatz 1,24 Mrd. Euro (2022)<br />
Mitarbeitende rund 6.600<br />
CEO Nathalie Ahlström<br />
100 möbel kultur 10/2023
und Reparieren. Zu den Erfolgsprodukten<br />
gehören unter anderem die „Taiten“-Kochgeschirrserie<br />
sowie die „Taiten“-Messer.<br />
Sie überzeugen mit einem außergewöhnlichen<br />
Design, das Modernität<br />
mit einem archaischen Look vereint.<br />
Gleichzeitig wollen sie Hobbyköch:innen<br />
dabei unterstützen, jeden Moment des<br />
Kochens zu genießen. Denn in modernen<br />
Küchen steht nicht mehr nur das<br />
Endergebnis, sondern auch die Zubereitung<br />
im Fokus.<br />
Ein weiteres aktuelles Highlight stellt<br />
die „Norden Outdoor“-Kollektion mit<br />
Grilltöpfen und -platten sowie Kochutensilien<br />
wie Grillgabeln dar. Sie sind<br />
Ausdruck des nordischen Lebensgefühls<br />
und der Naturverbundenheit der Finnen.<br />
Emmi Härus (l.), Senior Product Manager für<br />
Kochgeschirr, zeigte, wie viel Freude das ursprüngliche<br />
Kochen in und mit der Natur macht<br />
– wenn die Utensilien die Richtigen sind, wie<br />
die „Norden“-Kollektion (o. und u.) und Töpfe<br />
„All Steel“ (ganz u.).<br />
Nachhaltigkeit<br />
braucht Bedeutung<br />
möbel kultur lifestyle: Frau Ihamäki, Sie sind<br />
bei Fiskars verantwortlich für die Nachhaltigkeit.<br />
Wie wichtig ist das Thema in Ihrem<br />
Unternehmen?<br />
Kati Ihamäki: Sehr wichtig. Es ist nicht einfach<br />
ein Kommunikations- oder Marketingaspekt, sondern<br />
seit jeher fest in unserer DNA verankert.<br />
Bereits seit Jahrzehnten stehen wir für langlebiges<br />
Design, das sich für verschiedenste Zielgruppen<br />
eignet. Das bekannteste Beispiel dafür ist sicher<br />
unsere Linkshänder-Schere. Außerdem gehören<br />
wir zu den Pionieren beim Wiederverkauf gebrauchter<br />
Produkte. Jetzt will unser Vorstand sein<br />
Augenmerk noch stärker auf Nachhaltigkeit legen.<br />
Dafür wurden im vergangenen Jahr fünf Unternehmensziele<br />
ausgegeben.<br />
möbel kultur lifestyle: Um welche handelt es<br />
sich dabei?<br />
Kati Ihamäki: Wir wollen unsere Emissionen<br />
reduzieren – sowohl unsere eigenen als auch<br />
die unserer Zulieferer – und uns auf nachhaltiges<br />
Design fokussieren. Unsere Vision ist es,<br />
dass bis 2030 der Großteil unseres Umsatzes<br />
aus zirkulären Produkten und Dienstleistungen<br />
stammt. Aktuell sind wir bei rund acht Prozent.<br />
Da ist in den kommenden Jahren also noch viel zu<br />
tun. Wir planen, diesem Ziel mit unseren neuen<br />
Produkten, die wir 2024 parallel zu unserem<br />
375. Geburtstag einführen werden, ein deutliches<br />
Stück näher zum kommen. Darüber hinaus spielt<br />
der soziale Aspekt eine zentrale Rolle. Wir setzen<br />
noch stärker auf die Gesundheit und Sicherheit<br />
unserer Mitarbeiter:innen sowie auf die Förderung<br />
von Vielfalt und Inklusion. Immer wieder<br />
stellen wir uns die Frage: Was können wir tun,<br />
um noch gerechter und „bunter“ zu werden?<br />
„Wir legen seit jeher größten Wert auf hochwertige<br />
Materialien und ein langlebiges Design.<br />
Minimalistisch, funktionell und mit der Natur<br />
im Einklang – das ist unsere DNA“, unterstreicht<br />
Designchef Petteri Masalin.<br />
Nachhaltigkeit ist dabei keine Kommunikations-<br />
oder Marketingstory, sondern gelebter Alltag.<br />
Zuständig dafür ist aktuell Kati Ihamäki, Vice President<br />
of Sustainability & Public Affairs Finance.<br />
Sie betont, dass sich nicht nur ein spezielles<br />
möbel kultur lifestyle: Wie wichtig ist Ihnen<br />
ganz persönlich dieses Thema?<br />
Kati Ihamäki: Nachhaltigkeit ist wirklich ein<br />
Teil meines Lebens. Nicht zuletzt, weil meine<br />
Eltern schon immer sehr viel aufbewahrt und<br />
wiederverwendet haben. Ich freue mich, dass es<br />
in der Gesellschaft jetzt so präsent ist. Allerdings<br />
muss man aufpassen, dass man es nicht übertreibt,<br />
sonst werden die Menschen des Themas<br />
müde – vor allem, wenn sie merken, dass es sich<br />
um Greenwashing handelt. Nachhaltigkeit muss<br />
eine tiefere Bedeutung haben. Darüber sollten<br />
sich die Unternehmen im Klaren sein.<br />
10/2023 möbel kultur 101
Das strategische<br />
Auge für die<br />
Anforderungen<br />
der Zukunft<br />
Zum Faktencheck<br />
Werden Sie Teil der starken Gemeinschaft!<br />
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