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Herzig_Landstrassenkind_Leseprobe

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Assimilierungswahn<br />

Auch die Mehr sind nicht zwangseingebürgert, sondern die Familie ist<br />

durch die unglückliche Heirat eines wahrscheinlich wenig intelligenten<br />

Gliedes der sonst bäuerlichen Familie Mehr von Almens mit einem<br />

Mädchen aus dem Stamme Waser, in den 80er-Jahren des letzten Jahrhun<br />

derts, entstanden. Sie hat sich dann erschreckend rasch vermehrt. […]<br />

Ebenso rasch aber, wie der Stamm aufgeblüht ist, scheint er jetzt<br />

auch wieder niederzugehen; nach den Mitteilungen des Gemeindeamtes<br />

Almens hat man jetzt dort kaum mehr mit ganzen fahrenden Familien,<br />

sondern bloss noch mit einzelnen Personen zu tun. […]<br />

[…] Ein Teil der «Verbliebenen» ist in bürgerlichen Verhältnissen<br />

aufgewachsen und darf als sesshaft betrachtet werden. In dieser Familie<br />

hat sich die Nacherziehung und Fürsorge der Stiftung Pro Juventute<br />

besonders augenfällig bemerkbar gemacht.<br />

Alfred Siegfried, Pro Juventute, 1958<br />

Das sogenannte Hilfswerk «Kinder der Landstrasse» ist ein<br />

Programm zur Zwangsassimilierung von «Vagantenfamilien».<br />

Dazu wird gezählt, wer jenisch spricht, auch wenn die Familie<br />

einen festen Wohnsitz hat und nicht im Wohnwagen durchs<br />

Land zieht. Im Fokus stehen primär die einheimischen Jenischen,<br />

weil Sinti und Roma bis 1972 die Einreise verweigert<br />

wird und sie sich damit gar nicht erst in der Schweiz niederlassen<br />

können.<br />

In den Augen des Staates, der Kirche, der Psychiatrie und<br />

der Fürsorgeinstitutionen gilt die jenische Identität nicht<br />

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