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Tabuthema Frauenarmut - Zonta Club Karlsruhe e.V.

Frauenarmut hat viele Gesichter. Tun wir etwas!

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Frauen<br />

TABUTHEMA<br />

ARMUT.


INHALT<br />

2 // Vorwort ZONTA<br />

3 // Vorwort Oberbürgermeister Mentrup<br />

WAS IST ARMUT?<br />

4 // Was ist Armut?<br />

6 // Zahlen & Fakten<br />

FRAUENARMUT<br />

HAT VIELE<br />

GESICHTER.<br />

TUN WIR ETWAS!<br />

ARMUT IST WEIBLICH<br />

8 // Armut ist weiblich!<br />

11 // Zahlen & Fakten<br />

ALLEINERZIEHEND<br />

12 // Ich lebe im Heute und gehe bewusst kleine Schritte<br />

13 // Zahlen & Fakten<br />

KINDERARMUT<br />

14 // Geldsorgen und emotionaler Ballast<br />

17 // Kindererfahrungen<br />

RENTENFALLE<br />

18 // Die Rentenfalle<br />

20 // Frauen leben länger – aber wovon?<br />

21 // Alltagssorgen<br />

22 // Kein Ruhestand – Interview mit Prof. Dr. Irene Götz<br />

ARMUT MACHT DIE SEELE KRANK<br />

26 // Armut macht die Seele krank<br />

WOHNUNGSLOSIGKEIT<br />

28 // Wohnungslosigkeit<br />

31 // Zahlen & Fakten<br />

32 // Ganz schön TAFF – Interview<br />

mit Lissi Hohnerlein<br />

VORSORGE<br />

36 // Was tun? – Interview<br />

mit Prof. Dr. Ute Mackenstedt<br />

38 // Strategien für die Altersvorsorge<br />

CLUB OF<br />

KARLSRUHE<br />

ZONTA CLUB KARLSRUHE E.V., DISTRICT 30, AREA 02<br />

Schlosshotel<br />

Bahnhofplatz 2<br />

76137 <strong>Karlsruhe</strong><br />

www.zonta-karlsruhe.de<br />

info@zonta-karlsruhe.de<br />

WAS KANN ICH TUN<br />

40 // Ich möchte helfen, was kann ich tun?<br />

42 // Wichtige Telefonnummern<br />

44 // Danksagung<br />

ZONTA // TABUTHEMA FRAUENARMUT<br />

1


LIEBE LESER*INNEN,<br />

wir dürfen in einem wunderbaren<br />

Land in Freiheit und Gleichheit<br />

leben. Deutschland ist eines der<br />

wirtschaftlich stärksten Länder der<br />

Welt und hat weltweit eine herausragende<br />

Position in Wissenschaft,<br />

Forschung und Entwicklung. Chancengleichheit<br />

ist in vielen Bereichen<br />

unseres Lebens gegeben. So war<br />

z. B. die Ausbildung von Frauen nie<br />

so gut wie in unserer Generation.<br />

Alles gut – oder?<br />

Gerade erleben wir alle, wie unser<br />

persönlicher Wohlstand in Gefahr<br />

ist. Energiekrise, Inflation und zuvor<br />

die Pandemie führen uns vor Augen,<br />

wie schnell sicher geglaubtes ins<br />

Wanken kommen kann. Wohlstand<br />

ist keine Selbstverständlichkeit.<br />

2021 waren in Deutschland 13,8<br />

Millionen Menschen armutsgefährdet,<br />

was 16,6 % der Bevölkerung<br />

entspricht. Frauen sind aufgrund<br />

von reduzierter Erwerbstätigkeit<br />

in Phasen der Kindererziehung<br />

oder Pflege von Angehörigen dabei<br />

häufiger von Armut betroffen als<br />

Männer. Insbesondere die Armut<br />

im Alter ist eine große Herausforderung.<br />

Bei Frauen ab 65 Jahren lag<br />

das Armutsgefährdungsrisiko im<br />

Jahr 2021 bei 19,3 %.<br />

Diese Zahlen machen betroffen und<br />

zeigen deutlich die gesellschaftliche<br />

Herausforderung von Armut in<br />

unserem hochentwickelten Land.<br />

Armut hat viele Gesichter, man<br />

kann sie nicht immer erkennen.<br />

Die Biographien und Hintergründe<br />

sind vielfältig. Mit dieser Broschüre<br />

möchten wir das <strong>Tabuthema</strong><br />

Frauen-Armut in seinen unterschiedlichen<br />

Facetten beleuchten<br />

und zu einer stärkeren Wahrnehmung<br />

beitragen.<br />

Wir laden Sie ein, die Entstehung<br />

und die Auswirkungen von Frauen-Armut<br />

kennenzulernen. Frauen<br />

haben ein erheblich höheres Risiko<br />

für Einkommensarmut als Männer.<br />

Alleinerziehende Mütter haben es<br />

besonders schwer. Ihre Armut trifft<br />

direkt auch ihre Kinder. Mit Armut<br />

geht soziale Ausgrenzung einher.<br />

Vorsorge ist elementar und fällt<br />

doch oft so schwer. Der Verlust des<br />

Arbeitsplatzes bedeutet häufig auch<br />

den Verlust der Wohnung. Obdachlosigkeit<br />

ist dann die härteste Stufe<br />

der Armut.<br />

Doch Aufgeben ist keine Option.<br />

Nicht für die betroffenen Frauen<br />

und nicht für die Engagierten, die<br />

sie unterstützen und begleiten. Wir<br />

möchten Wege aufzeigen, Armut<br />

vorzubeugen und damit umzugehen,<br />

wenn man betroffen ist.<br />

ZONTA <strong>Club</strong>s engagieren sich weltweit<br />

für eine bessere Zukunft für<br />

Frauen und Mädchen. Lokal und<br />

international unterstützen wir benachteiligte<br />

Frauen, fördern begabte<br />

junge Frauen und treten für die<br />

Rechte der Frauen ein. In unserem<br />

globalen Netzwerk ZONTA Inter-<br />

national engagieren sich ca. 30.000<br />

berufstätige Frauen in 63 Ländern.<br />

Gemeinsam möchten wir Frauen<br />

eine gute Zukunft bieten.<br />

In <strong>Karlsruhe</strong> bewegt uns die Armut<br />

von Frauen seit vielen Jahren. Mit<br />

dem Hilfsfonds „Frauen in Armut“<br />

leisten wir unkompliziert Hilfe<br />

und unterstützen Frauen in Not.<br />

Dafür danken wir allen Spender*innen<br />

herzlich.<br />

Wir möchten auch Sie ermutigen,<br />

Frauen in Armut wahrzunehmen<br />

und sich für sie einzusetzen. Mit<br />

kleinen Aktionen oder mit einer<br />

regelmäßigen Unterstützung. Beim<br />

Lesen entdecken Sie, wie vielfältig<br />

Hilfe aussehen kann.<br />

Auf den Dialog mit Ihnen, wie wir<br />

gemeinsam Frauen in Armut unterstützen<br />

können, freuen wir uns.<br />

Herzliche Grüße,<br />

Corona Feederle<br />

Präsidentin ZONTA <strong>Club</strong> KA e.V.<br />

Biennium 2022 - 2024<br />

Armut in Deutschland hat allzu oft ein weibliches Gesicht.<br />

Frauen übernehmen früher, wie auch heute noch, viele<br />

sozialen Arbeiten: Wie ein Gutachten zum zweiten Gleichstellungsbericht<br />

der Bundesregierung belegt, leisten Frauen<br />

mit der Kindererziehung, der Pflege von Angehörigen,<br />

Ehrenämtern und Hausarbeit täglich 52 % mehr unbezahlte<br />

Tätigkeiten für andere als Männer. Damit einher geht für<br />

sie ein deutlich höheres Risiko von Armut betroffen zu sein<br />

– und zwar sowohl in jungen Jahren als auch im Alter.<br />

So vielfältig die Lebenslagen von Frauen sind – so<br />

komplex sind auch die Armutsursachen. Nicht existenzsichernde<br />

Teilzeitarbeit und Mini-Jobs zählen genauso<br />

dazu wie unbezahlte Care- und Sorgearbeit sowie die<br />

Lohnlücke von immer noch 21 % zwischen Frauen und<br />

Männern. Das Ehegattensplitting und die im SGB II eingeführten<br />

Bedarfsgemeinschaften manifestieren die<br />

Abhängigkeit von Frauen noch zusätzlich. Ein besonders<br />

hohes Risiko arm zu werden, tragen Alleinerziehende.<br />

Die Benachteiligung im Erwerbsleben setzt sich später<br />

dann in der Rente fort.<br />

Mehr als die Hälfte der Frauen verdiente 2016 in Deutschland<br />

maximal 1.500 Euro netto. Mehr als ein Viertel verdiente<br />

nur zwischen 500 und 1.000 Euro. Und über 13 %<br />

der Frauen verdienen gar nichts. Bei den hohen Einkommensgruppen<br />

tauchen Frauen praktisch nicht auf: In der<br />

Einkommensgruppe zwischen 3.500 und 4.000 sind nur<br />

0,6 % Frauen vertreten. Dass das Einkommen von Frauen<br />

so deutlich unter dem der Männer liegt, geht auch auf häufige<br />

Teilzeitjobs zurück. Ob nun Pflege der Angehörigen<br />

oder Kinder, die pünktlich um 16 Uhr aus der Kita abgeholt<br />

DR. FRANK MENTRUP,<br />

OBERBÜRGERMEISTER<br />

STADT KARLSRUHE<br />

werden müssen: Frauen schrauben deutlich öfter ihre<br />

beruflichen Ambitionen zurück, wenn es um die Familie<br />

geht. 37,5 % der Frauen arbeitet in Teilzeit. Zum anderen<br />

arbeiten Frauen vermehrt in Bereichen, in denen gerade<br />

einmal der Mindestlohn gezahlt wird. Der „Gender Pay<br />

Gap“, also der Verdienstabstand zwischen Männern und<br />

Frauen stagniert – trotz aller Bemühungen von Frauenverbänden<br />

und Politik – seit Jahren zwischen 21 und 23 %. Eine<br />

Annäherung der Gehälter findet so gut wie nicht statt.<br />

13 % der Frauen arbeiten gar nicht, 40 % aller Alleinerziehenden<br />

– von denen neun von zehn Frauen sind – beziehen<br />

Hartz IV, etwas über 28 % der Frauen zwischen 18 und 24<br />

Jahren sind laut dem Statistischen Bundesamt armutsgefährdet:<br />

Das Problem, dass Frauen in ihrer eigentlichen<br />

Erwerbsphase kaum oder deutlich weniger Einkommen erhalten,<br />

zieht sich bis ins Alter. Frauen haben statistisch im<br />

Alter knapp 60 % weniger Geld zur Verfügung als Männer.<br />

Mit all diesen Facetten von <strong>Frauenarmut</strong> befasst sich<br />

die vorliegende Broschüre des ZONTA-<strong>Club</strong>s <strong>Karlsruhe</strong>.<br />

Unter dem Motto „<strong>Frauenarmut</strong> hat viele Gesichter. Tun<br />

wir etwas!“ zeigen die Autorinnen aber auch Möglichkeiten<br />

konkreter Hilfestellung auf.<br />

Dafür meinen ganz herzlichen Dank!<br />

Dr. Frank Mentrup<br />

Oberbürgermeister der Stadt <strong>Karlsruhe</strong><br />

Foto Presse- und Informationsamt, Stadt <strong>Karlsruhe</strong><br />

2<br />

ZONTA // VORWORT ZONTA


K<br />

ann man angesichts Millionen verhungernder<br />

Menschen auf dieser Erde in Deutschland<br />

überhaupt von Armut sprechen?<br />

Foto xxxxxxxxx<br />

WAS<br />

IST<br />

ARMUT?<br />

WAS IST<br />

ARMUT?<br />

Foto De Visu – stock.adobe.com<br />

DER ARMUTSBEGRIFF<br />

Der Entwicklungsausschuss der OECD versteht unter Armut<br />

die Unfähigkeit, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen.<br />

Zu den menschlichen Bedürfnissen gehören vor allem die<br />

Sicherheit von Nahrung, Gesundheitsversorgung, Bildung,<br />

Ausübung von Rechten, Mitsprache, Sicherheit, Würde,<br />

menschenwürdige Arbeit. Prinzipiell ist Armut ein Zustand<br />

gravierender sozialer Benachteiligung.<br />

Absolute Armut, d. h. die Gefährdung des rein physischen<br />

Überlebens, gilt in den Industrieländern als weitgehend<br />

überwunden. Die sozialen Sicherungssysteme gewährleisten,<br />

dass allen Menschen die zu ihrer Existenzsicherung<br />

notwendigen Güter, z. B. Nahrung, Kleidung,<br />

Wohnung, zur Verfügung stehen. Ausnahmen bestehen<br />

dort, wo diese sozialen Sicherungssysteme die Menschen<br />

nicht erreichen.<br />

Hier wird Armut nicht als absolute Armut begriffen,<br />

sondern als relative Armut. Die Definition ist abhängig<br />

von den Lebensverhältnissen einer Gesellschaft und kann<br />

daher von Staat zu Staat variieren und sich im Laufe der<br />

Zeit verändern.<br />

In Deutschland gilt eine Person als von Armut oder<br />

sozialer Ausgrenzung bedroht, wenn mindestens eine<br />

der folgenden drei Lebenssituationen zutrifft:<br />

• Ihr Einkommen liegt unter der<br />

Armutsgefährdungsgrenze<br />

• Ihr Haushalt ist von erheblicher<br />

materieller Entbehrung betroffen<br />

• Sie lebt in einem Haushalt mit sehr<br />

geringer Erwerbsbeteiligung.<br />

Die Daten beruhen auf Haushaltsbefragungen. In<br />

Deutschland waren im Jahr 2022 gut 17,3 Mio Menschen<br />

von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. 20,9 % der<br />

deutschen Bevöl-kerung sind von Armut und Ausgrenzung<br />

bedroht (destatis 16.05.2023).<br />

WIE LÄSST SICH ARMUT BERECHNEN?<br />

Armut zu messen ist extrem schwierig. Jeder empfindet<br />

sie anders. Die unterschiedlichen Ergebnisse ergeben<br />

sich aus unterschiedlichen Datengrundlagen und<br />

methodischen Anwendungen. Die Armutsgefährdungsquote<br />

ist ein Indikator zur Messung relativer Einkommensarmut<br />

(monetäre Armut).<br />

Die EU-SILC (European Union Statistics on Income and<br />

Living Conditions) ist die amtliche Hauptdatenquelle für<br />

die Messung von Armutsgefährdung und Lebensbedingungen<br />

in Deutschland sowie in den Mitgliedsstaaten der<br />

Europäischen Union. Gemäß der EU-SILC gilt eine Person<br />

als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 % des<br />

Nettoäquivalenzeinkommens (mittleres Einkommen eines<br />

Staates) verfügt (Schwellenwert der Armutsgefährdung).<br />

Dieser Schwellenwert lag 2022 für eine alleinlebende<br />

Person in Deutschland bei 15.000 Euro netto im Jahr<br />

(1.250 Euro im Monat), für zwei Erwachsene mit zwei<br />

Kindern unter 14 Jahren bei 31.500 Euro netto im Jahr<br />

(2.625 Euro im Monat). Die Armutsgefährdungsquote lag<br />

2022 (Erstergebnisse) bei 14,7 % (destatis 16.05.2023).<br />

>> STATISTIK ZUR ARMUTSGEFÄHRDUNG AUF SEITE 6.<br />

ABSOLUTE ARMUT<br />

Nach Berechnung der Weltbank gelten Menschen als absolut<br />

arm, deren Tageseinkommen unter 1,90 US-Dollar-PPP<br />

(Purchasing Power Parity), also unter Berücksichtigung der<br />

unterschiedlichen Kaufkraft, liegt. In 2017 lebten weltweit<br />

695 Millionen von weniger als 1,9 Dollar pro Tag (9,3 % der<br />

Weltbevölkerung). 3,269 Milliarden (43,5 % der Weltbevölkerung)<br />

lebten von weniger als 5,5 Dollar pro Tag.<br />

RELATIVE ARMUT<br />

Armut in der Bundesrepublik ist keine absolute, sondern<br />

relative Armut. Sie ist keine Frage des physischen<br />

Überlebens. Armut ist eine Frage der Menschenwürde<br />

– markiert durch ein soziokulturelles Existenzminimum.<br />

Armut hat viele Gesichter.<br />

ZONTA // WAS IST ARMUT?<br />

5


17<br />

ZAHLEN & FAKTEN<br />

Über die Jahre<br />

Armutsgefährdungsquote in Deutschland (in %)<br />

Die Armutsgefährdungsquote gibt den<br />

Anteil der armuts gefährdeten Personen<br />

an der Gesamt bevölkerung an.<br />

Armutsquote<br />

nach Bundesländern 2021 (in %)<br />

unter 15,6 %<br />

15,6 % bis unter 17,6 %<br />

17,6 % bis unter 18,6 %<br />

28<br />

Bremen<br />

15<br />

Schleswig-<br />

Holstein<br />

17,3<br />

Hamburg<br />

18,1<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

19,6<br />

19,6<br />

Berlin<br />

16,5<br />

16<br />

15,5<br />

15<br />

18,6 % und mehr<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

18,7<br />

Hessen<br />

18,3<br />

Niedersachsen<br />

17,9<br />

Thüringen<br />

18,9<br />

19,5<br />

Sachsen-<br />

Anhalt<br />

Brandenburg<br />

Sachsen<br />

17,1<br />

14,5<br />

14,5<br />

14<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

2008<br />

Quelle: Statista 2022. 2020 und 2021 sind Erstergebnisse des Mikrozensus, Juli 2022<br />

Jedes Alter?<br />

2009<br />

Armutsgefährdungsquote in Deutschland<br />

unter 18 Jahre<br />

25,5 %<br />

18 bis unter 25 Jahre<br />

2010<br />

25 bis unter<br />

50 Jahre<br />

2011<br />

20,8 % 14,6 %<br />

2012<br />

12,7 %<br />

50 bis unter<br />

65 Jahre<br />

2013<br />

2014<br />

gesamt<br />

2015<br />

16,6 %<br />

17,4 %<br />

65 Jahre und<br />

älter<br />

2016<br />

2017<br />

2018<br />

2019<br />

2020<br />

Teuer<br />

Wohnen<br />

2021<br />

2022<br />

Rund 11 % der Bevölkerung<br />

in Deutschland lebten 2021<br />

in Haushalten, die durch<br />

Wohnkosten überbelastet<br />

waren, das heißt, sie mussten<br />

mehr als 40 % ihres<br />

verfügbaren Einkommens<br />

für Wohnen ausgeben.<br />

Die Quote lag über dem<br />

EU-Durchschnitt.<br />

Quelle: Mikrozensus<br />

Erstergebnisse des Mikrozensus 2021<br />

16,1<br />

Saarland<br />

16,5<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Baden-Württemberg<br />

Arm trotz Arbeit<br />

Besonders armutsgefährdete Erwerbstätige in Deutschland, 2019 (in %)<br />

Bayern<br />

28,6 13,5 10,1 22,3 18,3 15,4<br />

13,9<br />

12,6<br />

Quelle: Bertelsmann Stiftung 2023.<br />

Datengrundlage Mikrozensus.<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt<br />

Datenstand 29.09.2022<br />

Prekäre/Atypische<br />

Beschäftigung z. B.<br />

Leiharbeit, befristete<br />

Beschäftigung<br />

Alleinlebend 18- bis 24-<br />

Alleinerziehend Maximal Realschulabschluss<br />

Ab 65 Jahren<br />

jährige<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023<br />

6 ZONTA // WAS IST ARMUT?<br />

ZONTA // WAS IST ARMUT?<br />

7


Ist Armut weiblich?<br />

ARMUT IST WEIBLICH!<br />

Foto cottonbro – pexels.com<br />

VORAB<br />

Es geht uns ausdrücklich keineswegs<br />

darum, die Lebensentscheidungen<br />

der Frau zu beeinflussen<br />

oder gar zu kritisieren.<br />

Im Gegenteil! Kindererziehung und<br />

sonstige Fürsorgearbeit sind das<br />

Rückgrat unserer Gesellschaft, ein<br />

höchstes Gut. Sie sind unersetzlich<br />

und eine erfüllende Aufgabe.<br />

Leider findet diese Arbeit in unserer<br />

Gesellschaft und unserem Sozialversicherungssystem<br />

wenig – viel zu<br />

wenig – Wertschätzung.<br />

Uns geht es vielmehr darum, angesichts<br />

der Lebensentscheidungen<br />

die Konsequenzen rechtzeitig im<br />

Blick zu haben und und diese –<br />

und das möglichst frühzeitig – zu<br />

steuern und Vorsorge zu treffen.<br />

WEICHENSTELLUNGEN –<br />

LEBENSVERLÄUFE VON<br />

MÄNNERN UND FRAUEN<br />

Im Leben treffen Frauen und Männer<br />

Entscheidungen, die für den<br />

weiteren Lebensverlauf weichenstellend<br />

sind. Diese Entscheidungen,<br />

die in unterschiedlichen Phasen des<br />

Lebens getroffen werden, haben<br />

Auswirkungen auf den gesamten<br />

weiteren Lebensverlauf. Frauen und<br />

Männer treffen unterschiedliche<br />

Entscheidungen.<br />

Die Erwerbsbiographie von<br />

Männern und Frauen ist bis zur Familiengründung<br />

etwa gleichläufig.<br />

Im Rahmen der Familiengründung<br />

trifft zumeist die Frau die Entschei-<br />

dung – sei es aus Überzeugung,<br />

Pflichtgefühl oder Erfordernis<br />

– Kindererziehung, Pflege von<br />

Angehörigen, Haushalt usw. zu<br />

übernehmen. Dies erfordert, dass<br />

sie ihre berufliche Entwicklung zumindest<br />

zeitweise<br />

zurückzustellt, während der Mann<br />

diese kontinuierlich weiter verfolgt.<br />

Hieraus ergeben sich ungleiche<br />

Verwirklichungschancen und<br />

strukturelle Unterschiede in den<br />

Lebensverläufen von Männern<br />

und Frauen.<br />

CARE-ARBEIT<br />

Ehe-, Familien-, Betreuungszeiten<br />

(Hausarbeit, Kindererziehung,<br />

Pflege von Angehörigen) werden<br />

hauptsächlich von Frauen geleistet.<br />

Sie leisten um über 50 % mehr dieser<br />

Aufgaben als Männer. All diese<br />

Aufgaben haben Eines gemeinsam:<br />

Sie sind wichtig und erforderlich –<br />

und: Sie sind unbezahlt.<br />

Der Anteil der Menschen, die<br />

Angehörige pflegen, steigt und<br />

damit steigt auch die Zahl derjenigen<br />

– weiterhin zumeist Frauen –<br />

die diese Pflege übernehmen und<br />

Beruf und Pflegearbeit ausbalancieren<br />

müssen.<br />

Die Entscheidung zur Care-Arbeit<br />

ist eine der wichtigsten Weichen.<br />

Da bleibt keine oder wenig Zeit<br />

für bezahlte Arbeit. Die meisten<br />

Frauen, die bezahlt arbeiten,<br />

arbeiten daher prekär (z. B. Teilzeit,<br />

Minijob, Leiharbeit). Besonders<br />

gefährdet sind Alleinerziehende:<br />

Sie werden vom Partner nicht<br />

unterstützt und sind gezwungen,<br />

in Teilzeit zu arbeiten.<br />

Während Männer die Erwerbsarbeit<br />

familienbedingt meist nur<br />

kurz während der Elternzeit unterbrechen,<br />

ist die Unterbrechung bei<br />

Frauen dauerhafter. Oft kehren sie<br />

nach der Unterbrechung nicht in<br />

eine Vollzeittätigkeit zurück.<br />

BERUFSWAHL<br />

Die Berufswahl ist frei.<br />

Frauen entscheiden sich eher für<br />

soziale Berufe, Berufe im Dienstleistungsbereich<br />

und in der Verwaltung,<br />

während Männer zu technisch<br />

ausgerichteten Berufen tendieren.<br />

In den MINT-Berufen (Mathematik,<br />

Informatik, Naturwissenschaft und<br />

Technik) sind Frauen unterrepräsentiert.<br />

In diesen Bereichen und<br />

allgemein in technisch ausgerichteten<br />

Berufen werden allerdings in<br />

der Regel höhere Gehälter bezahlt<br />

mit der Folge der Aussicht auf ein<br />

höheres Lebenseinkommen.<br />

Der noch immer sehr hohe<br />

(unbereinigte) Gender Pay Gap,<br />

der bei ca. 20 % liegt, resultiert im<br />

Wesentlichen aus dieser Berufswahl<br />

der Frauen sowie der schlechteren<br />

Erwerbsbiographie. Sie erhalten<br />

in der Regel (leider gibt es trotz<br />

gesetzlichem Anspruch noch immer<br />

Ausnahmen) gleichen Lohn für<br />

gleiche Arbeit. Sie arbeiten aber in<br />

schlechter bezahlten Bereichen. Der<br />

bereinigte Gender Pay Gap liegt bei<br />

etwa 6 %.<br />

WEITERBILDUNG &<br />

KARRIERECHANCEN<br />

Frauen sind ebenso gut ausgebildet<br />

wie Männer. An betrieblicher<br />

Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten<br />

partizipieren Männer<br />

jedoch stärker als Frauen. Auch<br />

bekommen Frauen Weiterbildungsangebote<br />

seltener finanziert<br />

als Männer. Frauen finden sich<br />

seltener in Führungspositionen.<br />

Dies liegt unter anderem daran,<br />

dass von Männern eher eine zeitliche<br />

Kontinuität der Arbeitsleistung<br />

erwartet wird, während Frauen erfahrungsgemäß<br />

für die Familie die<br />

Arbeit reduzieren oder (zeitweise)<br />

aufgeben.<br />

WIEDEREINSTIEG NACH<br />

ERWERBSUNTERBRECHUNG<br />

Nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung<br />

erhalten 30 bis<br />

40 % der Frauen beim Wiedereinstieg<br />

nur Stellen, für die sie formal<br />

überqualifiziert sind.<br />

Nach einer vollen Erwerbsunterbrechung<br />

kehren zudem viele Frauen<br />

nicht mehr in eine Vollzeittätigkeit<br />

zurück, sondern arbeiten in Teilzeit.<br />

PRIVATE ALTERSVORSORGE<br />

Trotz geringerer gesetzlicher<br />

Rentenanwartschaften >><br />

Im Vergleich zu<br />

Männern wenden<br />

Frauen im Schnitt<br />

52 % mehr Zeit pro<br />

Tag für unbezahlte<br />

Sorgearbeit auf.<br />

8 ZONTA // ARMUT IST WEIBLICH<br />

ZONTA // ARMUT IST WEIBLICH<br />

9


lungen, sofern sie nicht in der Lage<br />

sind, ihren Lebensunterhalt selbst<br />

zu verdienen – etwa bei Kinderbetreuung,<br />

wegen Alters, Krankheit,<br />

Erwerbslosigkeit – und wenn und<br />

soweit der geschiedene Partner<br />

leistungsfähig ist. Das heutige<br />

Unterhaltsrecht geht jedoch grundsätzlich<br />

von der Eigenverantwortung<br />

jedes Partners aus.<br />

ZAHLEN & FAKTEN<br />

Frauen überrepräsentiert<br />

Anteil von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wirtschaftszweig in Deutschland (in %)<br />

72,9<br />

73,0 76,0<br />

92,9<br />

Foto Rene Asmussen – pexels.com<br />

>> investieren Frauen seltener<br />

und weniger in die private Altersvorsorge<br />

als Männer.<br />

KEINE BEZAHLTE ARBEIT – KEINE<br />

RENTENPUNKTE – KEINE RENTE<br />

Die gesetzliche Rente ist ein Spiegelbild<br />

der geschlechtsspezifischen<br />

Ungleichheiten bei der Erwerbsbeteiligung.<br />

Unser Rentensystem<br />

basiert grundsätzlich auf bezahlter<br />

Arbeit und der Höhe der bezahlten<br />

Arbeit. Unbezahlte Fürsorgearbeit<br />

führt nicht – mit Ausnahme von<br />

Berücksichtigungszeiten wie Kindererziehungszeiten<br />

– zu Rentenpunkten.<br />

Teilzeitarbeit wie auch<br />

die Arbeit in schlechter bezahlten<br />

Tätigkeiten macht sich bei der Rente<br />

mindernd bemerkbar.<br />

UNBEZAHLT UND UNGESICHERT<br />

Wer unbezahlte Arbeit leistet,<br />

nimmt grundsätzlich nicht an den<br />

an die Erwerbstätigkeit gebundenen<br />

Sozialleistungen (Krankenversicherung,<br />

Arbeitslosenversicherung,<br />

Rentenversicherung) teil.<br />

Eine (teilweise) Sicherung findet<br />

über das Erwerbstätigkeit übernehmende<br />

Familienmitglied bzw.<br />

den Haupteinkommensbezieher,<br />

i.d.R. den Ehepartner statt. Diese<br />

systematisch begründete Abhängigkeit<br />

stellt eine Ausgrenzung von<br />

sozial existenzsichernden Maßnahmen<br />

dar, die sich bitter z. B. bei<br />

Trennung, Scheidung oder Tod des<br />

Partners bemerkbar macht.<br />

ARMUTSRISIKEN TRENNUNG,<br />

SCHEIDUNG, TOD DES PARTNERS<br />

Spezifische Armutsrisiken für Frauen<br />

sind z. B. Trennung, Scheidung<br />

oder Tod des Ehepartners/Lebensgefährten.<br />

Frauen erhalten in der<br />

Regel als Witwe 55 % der Rente des<br />

Ehemanns/Lebenspartners. Wurde<br />

keine weitere Vorsorge getroffen,<br />

etwa durch eine private Altersvorsorge<br />

oder bestehendes Vermögen,<br />

ist eine Fortsetzung des Lebensstandards<br />

nicht möglich – oft ist Armut<br />

bzw. Armutsgefährdung die Folge.<br />

Geschiedenen steht ein Versorgungsausgleich<br />

zu. Ferner haben<br />

sie Anspruch auf Unterhaltszah-<br />

EHEGATTENSPLITTING MACHT<br />

ERWERBSARBEIT FÜR FRAUEN<br />

UNATTRAKTIV<br />

Im Splittingsystem wird das gesamte<br />

zu versteuernde Einkommen<br />

beider Ehepartner halbiert, die darauf<br />

entfallende Einkommensteuer<br />

berechnet und die Steuerschuld<br />

anschließend verdoppelt. Dies gilt<br />

grds. unabhängig davon, wie viel<br />

der einzelne Partner verdient. Das<br />

System mindert die Progression<br />

der Einkommensteuer, wenn die<br />

Ehepartner unterschiedlich hohe<br />

Einkommen haben.<br />

Doch so schön das Ehegattensplitting<br />

von außen betrachtet auch<br />

klingt, gibt es dabei ein massives<br />

Problem. Denn das Modell sorgt<br />

dafür, dass vorwiegend Frauen<br />

häufig in niedrig bezahlten Jobs<br />

bleiben und finanziell abhängig<br />

vom besserverdienenden Partner<br />

sind. Denn: je höher der Einkommensunterschied,<br />

umso höher<br />

auch die steuerlichen Vorteile.<br />

Die Bundesregierung plant nun zur<br />

Förderung der Gleichstellung eine<br />

Reform der Lohnsteuer. Als Alternative<br />

zum Steuermodell 3/5 rückt das<br />

Faktorverfahren mit den Steuerklassen<br />

4/4 stärker in den Fokus.<br />

Bedeutet also: Der geringverdienende<br />

Partner soll künftig weniger stark<br />

besteuert werden. Da die Anpassung<br />

im aktuellen Koalitionsvertrag steht,<br />

könnte eine Umsetzung bis spätestens<br />

Herbst 2025 so weit sein. > Anmerkung unbereinigt siehe S. 8 / 9<br />

21 %<br />

Quelle: Statista, 05.03.2020; oxfam, Bundesregierung<br />

betrug 2021 der<br />

Frauenanteil in<br />

MINT*-Berufen<br />

Geschlechterungleichheit<br />

in Deutschland<br />

Gender Pay Gap<br />

Gender Lifetime Earnings Gap<br />

Gender Pension Gap<br />

49 %<br />

Anteil an unbezahlter Sorgearbeit, die Frauen mehr leisten<br />

Gender Care Gap<br />

Männer<br />

27,0<br />

53 %<br />

52 %<br />

24,0<br />

Sozialversicherung Krankenhäuser Kindergärten und<br />

Vorschulen<br />

Stand 30.06.2019<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit<br />

Berufswahl macht<br />

den Unterschied<br />

Quelle: Heinrich Böll Stiftung, Dorothee Schulte-Basta 02.03.2022<br />

Wäre Sorgearbeit entlohnt,<br />

dann würde sie jährlich<br />

weltweit dreimal so viel<br />

umsetzen wie der IT-Sektor.<br />

Quelle: Lou Zucker, Der Spiegel, 08.03.2021<br />

7,1<br />

Absolventinnen in den<br />

Fachrichtungen<br />

82 %<br />

Gesundheit und Sozialwesen<br />

9 %<br />

Ingenieurwesen, Fertigung<br />

und Bauwesen<br />

Illustration pch.vector – Freepik<br />

10 ZONTA // ARMUT IST WEIBLICH<br />

ZONTA // ARMUT IST WEIBLICH<br />

11


Alleinerziehend = armutsgefährdet?<br />

ICH LEBE IM HEUTE UND GEHE<br />

BEWUSST KLEINE SCHRITTE<br />

ZAHLEN & FAKTEN<br />

Alleinerziehende besonders Armutsgefähdet<br />

Erwerbstätige (ab 18 Jahren) in folgenden Gruppen, die 2019 besonders armutsgefährdet waren (in %)<br />

Alleinerziehende<br />

22,3<br />

Nadine Lauber<br />

Den Rentenbescheid öffne ich nur widerwillig,<br />

nachdem er mehrere Tage<br />

vorwurfsvoll auf dem Küchentisch<br />

liegt. Die Zahl, die dort steht, verändert<br />

sich seit Jahren kaum merklich<br />

und reicht nicht einmal für die Miete<br />

eines WG-Zimmers.<br />

Foto Nadine Lauber<br />

Befristed beschäftigt<br />

Alleinlebend<br />

Teilzeit<br />

Insgesamt<br />

8,0<br />

12,8<br />

13,5<br />

15,8<br />

Quelle: Statista, Florian Zandt 22.07.2021, Statistisches Bundesamt<br />

Ich bin 35 Jahre alt, alleinerziehende<br />

Mutter zweier Töchter und studiere<br />

seit drei Jahren Soziale Arbeit.<br />

Ich hatte einen sehr bodenständigen<br />

Bürojob bei einem großen<br />

Energiekonzern in <strong>Karlsruhe</strong>. Mit<br />

guter Betriebsrente und allem was<br />

sonst dazugehört. Nach der Geburt<br />

meiner zweiten Tochter 2014 konnte<br />

ich nicht wieder damit weitermachen<br />

und habe beschlossen,<br />

meinen Traum, eine Tätigkeit in der<br />

Sozialen Arbeit, zu verwirklichen.<br />

Da ich mit 17 das Gymnasium mit<br />

einem Hauptschulabschluss verlassen<br />

habe, war das erste Ziel, mein<br />

Abitur nachzuholen.<br />

Mit 31 Jahren begann ich dann mein<br />

Studium. Bereits damals schoss<br />

es mir oft durch den Kopf, wie die<br />

ferne Zukunft finanziell aufgestellt<br />

sein wird. Meine Rente wird kaum<br />

aufgefüllt und mir wird die Zeit fehlen,<br />

das noch ausreichend zu tun.<br />

Dabei habe ich leider das beste Beispiel<br />

für die Altersarmut direkt vor<br />

der Nase: Meine Mutter, alleinerziehend<br />

mit drei Kindern, war in den<br />

1970ern als türkische Gastarbeiterin<br />

mehr als willkommen in Deutschland.<br />

Inzwischen ist sie 70 Jahre alt<br />

und bekommt eine Minirente, mit<br />

der sie gerade mal eine günstige<br />

Miete abdecken könnte. Sie hat<br />

mit 68 Jahren noch Treppenhäuser<br />

geputzt, weil es sonst nicht gereicht<br />

hätte. Ihre Unabhängigkeit war ihr<br />

stets sehr wichtig. Nun kann sie<br />

gesundheitlich nicht mehr arbeiten<br />

und wohnt kostenfrei bei meinem<br />

Bruder. Sie ist nun auf die finanzielle<br />

Unterstützung ihrer Kinder<br />

angewiesen, sonst bliebe ihr nur der<br />

Gang zum Amt ...<br />

Wenn ich an meine Kindheit denke,<br />

war meine Mutter immer arbeiten.<br />

Als Küchenhilfe, Näherin, Putzfrau.<br />

Ein überaus fleißiger Mensch, der<br />

leider keine Möglichkeit hatte, ihre<br />

Träume zu verwirklichen. Mein<br />

Vater ist verschwunden seit ich fünf<br />

bin, meine Mutter zog drei Kinder<br />

allein groß, sie konnte nicht immer<br />

arbeiten gehen. Dann kam noch die<br />

Vollzeitpflege meiner Großmutter<br />

hinzu und es war ein Leichtes, sich<br />

auszumalen, wie das enden würde.<br />

Ich denke, meine Mutter öffnete<br />

ihre Rentenbescheide auch mit<br />

einem schlechten Gefühl.<br />

Der Preis, den ich nun also dafür<br />

bezahle, meine Träume zu verwirklichen,<br />

ist hoch. Trotzdem nehme<br />

ich ihn in Kauf; ich möchte meinen<br />

Töchtern vermitteln, dass man<br />

als starke Frau alles verwirklichen<br />

kann, wenn man nur will. Klingt<br />

sehr pathetisch, ist aber so!<br />

Ich lebe im Heute und gehe gedanklich<br />

bewusst kleine Schritte. Nur<br />

manchmal habe ich eine schlaflose<br />

Nacht, in der ich mir ausmale, dass<br />

auch ich mal auf finanzielle Unterstützung<br />

angewiesen sein werde.<br />

Im Büro sitzen und Kaffee kochen<br />

möchte ich trotzdem nicht und ich<br />

freue mich jeden Tag aufs Neue,<br />

wenn ich sehe, wie mutig und stark<br />

meine beiden Töchter sind.<br />

66 %<br />

der Mütter arbeiten Teilzeit,<br />

aber nur 7 % der Väter<br />

Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt vom 07.03.2022 Quelle: Bertelsmann-Stiftung 15.07.2021<br />

12 ZONTA // ALLEINERZIEHEND<br />

ZONTA ZONTA // TABUTHEMA // ALLEINERZIEHEND FRAUENARMUT<br />

Einkommensarm<br />

Alleinerziehende Elternteile<br />

mit ledigen Kindern, die im Haushalt leben, nach Geschlecht und Familienstand 2020 (in % und Tsd.)<br />

32,3 %<br />

816 Tsd.<br />

Geschieden<br />

Insgesamt 2,52 Millionen Befragte.<br />

25,8 %<br />

652 Tsd.<br />

6,7 %<br />

117 Tsd. 3,6 %<br />

91 Tsd.<br />

Ledig<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt 2020. Fachserie 1, Reihe 3, Bevölkerung und Erwerstätigkeit: Haushalt und Familien<br />

sind 43 % der Ein-Eltern-Familien<br />

15,3 %<br />

387 Tsd.<br />

Verwitwet<br />

3,5 %<br />

88 Tsd.<br />

Mütter<br />

9,2 %<br />

233 Tsd.<br />

Getrennt lebend<br />

Väter<br />

3,4 %<br />

86 Tsd.<br />

13


GELDSORGEN<br />

UND EMOTIONALER<br />

BALLAST<br />

Kinderarmut: Eine Folge<br />

von <strong>Frauenarmut</strong>?<br />

M<br />

Foto Juan Pablo Serrano Arenas – pexels.com<br />

ehr als jedes 5. Kind wächst in Deutschland<br />

in Armut auf. Das sind 2,8 Mio<br />

Kinder und Jugendliche – Tendenz<br />

steigend.<br />

Freunde nach Hause einladen, Erlebnisse aus dem<br />

Urlaub mit Freunden teilen, ein Eis essen gehen,<br />

Besuch im Kino, Fußballstadion oder zur Lieblingsband,<br />

Ferienlager, Shoppen – all das ist für die<br />

Klassenkameraden selbstverständlich und für Kinder<br />

in Armut oft nicht möglich, zumindest verbunden mit<br />

Stress. Kinder vergleichen sich mit anderen Kindern.<br />

Sie schämen sich für die ärmlichen Lebensumstände,<br />

ziehen sich zurück. Kinder in Armut erfahren von<br />

Beginn an das Gefühl der Ausgegrenztheit und<br />

Minderwertigkeit.<br />

Ihr natürliches Bedürfnis von Zugehörigkeit und Gemeinschaft<br />

wird dadurch nicht oder nicht genügend<br />

erfüllt. Kinderarmut beeinflusst die Selbstwahrnehmung<br />

und beeinträchtigt das Selbstbewusstsein.<br />

Oft empfinden sie sich als Last und geben sich selbst<br />

Schuld für die Geldsorgen der Familie.<br />

ARME KINDER HABEN GERINGERE<br />

BILDUNGSCHANCEN<br />

Jedes Kind hat besondere Fähigkeiten – Armut verhindert,<br />

dass Kinder ihre Potentiale entwickeln und<br />

entfalten können. Die Chancen von Kindern in von<br />

Armut bedrohten Familien, eine höhere Schulbildung<br />

zu genießen, sind gering. Die Kinder erhalten<br />

weniger Förderung. Geldprobleme, nicht Bildung,<br />

stehen im Vordergrund. So entschließen sich viele<br />

von Kinderarmut Betroffene, frühzeitig die Schule<br />

zu verlassen.<br />

In unserer Gesellschaft ist Bildung der Schlüssel für<br />

höheres Einkommen und Beschäftigungschancen.<br />

Eine Sonderauswertung zum Schulerfolg sozial benachteiligter<br />

Schülerinnen und Schüler zeigt: Mehr<br />

Geld und eine bessere Ausstattung für die Schulen<br />

allein sind nicht ausschlaggebend für den Lernerfolg.<br />

Als begünstigende Faktoren werden vielmehr ein<br />

geordnetes Lernumfeld sowie schulische Aktivitäten<br />

jenseits des Unterrichts ausgemacht. >>


KINDERERFAHRUNGEN<br />

>><br />

KINDERARMUT –<br />

EIN PROBLEM VON FRAUENARMUT?<br />

Besonders Kinder von alleinerziehenden Frauen und<br />

Männern sind betroffen. In 2021 waren rund 2,6 Millionen<br />

Mütter und Väter alleinerziehend. Der Anteil der<br />

alleinerziehenden Frauen betrug rund 82 %. Obwohl<br />

Alleinerziehende in den meisten Fällen erwerbstätig<br />

sind, können sie mit ihrem Einkommen für sich und<br />

ihre Kinder häufig nicht das Existenzminimum sichern.<br />

Kinderarmut ist auch ein Problem von <strong>Frauenarmut</strong>.<br />

bin zwar nicht krass arm aufgewachsen,<br />

aber ich musste meine<br />

Hobbys aufgeben, weil wir sie nicht<br />

bezahlen konnten. Und ich verzichte<br />

immer auf Dinge, die ich gerne haben<br />

möchte, damit meine Mutter genug Geld<br />

hat ... aber ich hoffe, dass sich das bald<br />

ändert, denn meine Mutter geht in 2 Jobs<br />

und das Geld reicht immer noch nicht<br />

wirklich... sie macht sich immer weiter<br />

kaputt, und ich muss dabei zusehen und<br />

kann nicht wirklich helfen, das ist einfach<br />

nur traurig ...<br />

Meine Eltern haben versucht, unsere<br />

Geldsorgen vor uns Kindern geheim zu<br />

halten. Erst als wir in die Pubertät kamen,<br />

merkten wir, wie schwierig Weihnachten und<br />

Klassenfahrten jedes Mal für sie waren.<br />

Meine Mama hat es alleine<br />

geschafft, trotz Hartz IV, uns<br />

5 Kinder zu ernähren und uns allen<br />

eine Zahnspange zu geben! Ich bin<br />

so stolz auf sie!<br />

Also bei mir ist es so, dass<br />

meine Eltern sehr, sehr<br />

wenig Geld bekommen und ich<br />

bei Schulausflügen oft nicht mit<br />

kann. Also von sieben Klassenfahrten<br />

war ich nur auf zwei.<br />

Jetzt versuche ich mir einen<br />

Minijob zu suchen – mit 14.<br />

VERERBTE ARMUT?<br />

Es gibt eine soziale Vererbung von Armut. Kinder<br />

lernen, wie ihre Eltern mit ihrer sozialen Situation<br />

umgehen und verhalten sich oft im Erwachsenenleben<br />

entsprechend. Die Kinder haben es bedeutend schwerer,<br />

aus der Armutsspirale auszubrechen.<br />

Viele, die es geschafft haben, hatten eine außerfamiliäre<br />

Bezugsperson (Mentor*in), die an sie glaubte und<br />

sie förderte, etwa einen/eine Klassenlehrer/in.<br />

KINDER SIND UNSER ALLER ZUKUNFT –<br />

WAS TUN WIR DAFÜR?<br />

Kinderarmut ist seit Jahren ein ungelöstes strukturelles<br />

Problem in Deutschland. Die Vermeidung von Kinderarmut<br />

erfordert dringend neue sozial- und familienpolitische<br />

Konzepte. Es braucht unbürokratische Hilfe,<br />

gute Bildungs- und Freizeitangebote, Eruierung echter<br />

Bedürfnisse, um Kindern die Chance zu geben, der<br />

Armutsspirale zu entkommen.


DIE RENTENFALLE<br />

Der Gender Pension Gap –<br />

vollkommen unterschätzt<br />

WAS IST DER GENDER<br />

PENSION GAP?<br />

Die geschlechtsspezifische Lücke<br />

zwischen der Rente von Frauen und<br />

Männern misst der Gender Pension<br />

Gap. Die veröffentlichten Zahlen<br />

variieren je nach Datenquelle und aufgrund<br />

unterschiedlicher Datensätze<br />

teilweise erheblich.<br />

So kommt es z. B. darauf an, welche<br />

Säulen der Altersvorsorge in die Berechnung<br />

eingehen, welche Renten<br />

einbezogen sind, außerdem kommt es<br />

auf das Rentenzugangsjahr, Geburtsjahrgänge,<br />

Berücksichtigung von Biographiemerkmalen<br />

etc. an<br />

DIE DREI SÄULEN DER<br />

ALTERSVORSORGE<br />

• Gesetzliche Rentenversicherung<br />

• Betriebliche Altersvorsorge<br />

• Private Altersvorsorge<br />

Der Gender Pension Gap lag in<br />

Deutschland unter Berücksichtigung<br />

aller drei Säulen der Alterssicherung<br />

bei etwa 49 % (2019). Frauen bezogen<br />

somit im Durchschnitt ein um 49 %<br />

niedrigeres Alterssicherungseinkommen<br />

als Männer. Im Jahr 1992 lag er bei<br />

etwa 69 %.<br />

Es wird damit gerechnet, dass die Corona<br />

Pandemie sich langfristig auf die<br />

Rentenbezüge negativ auswirken wird.<br />

In Folge der Corona-Pandemie haben in<br />

der ersten Infektionswelle ca. 850.000<br />

Minijobber*innen ihre Arbeit verloren.<br />

Die Analysen zeigen, dass die Frauen<br />

während des Lockdown 2020/2021<br />

stärker von Arbeitszeitreduktionen<br />

betroffen waren als Männer. Die durchschnittliche<br />

Erwerbsarbeitszeit von<br />

Frauen ist im Zuge der Corona Pande-<br />

mie gesunken. Unter anderem liegt der<br />

Grund darin, dass Betreuungsangebote<br />

für Kinder weggefallen sind und hauptsächlich<br />

die Frauen diese zusätzliche<br />

Sorgearbeit übernommen haben.<br />

Hinzu kommt nun die hohe Inflation:<br />

Die Unternehmen sind bei Einstellungen<br />

zurückhaltender. Die ungewollte<br />

Teilzeit von Müttern in der Corona<br />

Pandemie könnte sich hierdurch verstetigen.<br />

DIE GESETZLICHE ALTERSRENTE<br />

Durchschnittlich erhielten, laut<br />

Rentenversicherungsbericht 2022<br />

am 31.12.2021, Frauen in den alten<br />

Bundesländern monatlich 739 Euro<br />

(Männer 1.309 Euro) gesetzliche<br />

Altersrente, in den neuen Bundesländern<br />

waren es monatlich 1.062<br />

Euro (Männer 1.289 Euro). Bundesweit:<br />

Frauen mtl. 807 Euro, Männer<br />

1.305 Euro. Frauen in den neuen<br />

Bundesländern weisen weit höhere<br />

Beitragszeiten auf als Frauen in den<br />

alten Bundesländern. Ost und West<br />

unterscheiden sich grundlegend in der<br />

Tradition frühkindlicher Bindung. In<br />

der DDR gab es eine stark ausgeprägte<br />

Kindesbetreuung, im Westen war es<br />

unüblich, Kinder unter drei Jahren in<br />

eine Betreuung außerhalb des Elternhauses<br />

zu geben.<br />

DIE RENTE IST EIN SPIEGEL<br />

DES ARBEITSLEBENS:<br />

WER WENIG EINZAHLT,<br />

BEKOMMT WENIG RAUS.<br />

Lebens- und Erwerbsverläufe von<br />

Frauen und Männern in Deutschland<br />

unterscheiden sich besonders<br />

in Westdeutschland deutlich. Frauen<br />

unterbrechen ihre Erwerbsarbeit<br />

wegen Kindererziehung, Haushalt,<br />

Pflege von Angehörigen häufiger<br />

und länger, arbeiten im Durchschnitt<br />

weniger Stunden pro Woche und<br />

sind häufiger in nicht sozialversicherungspflichtigen<br />

Minijobs beschäftigt.<br />

Zusätzliche Entgeltpunkte<br />

für Erziehungszeiten wiegen diese<br />

„Fehlzeiten“ nicht auf. Hinzu kommt,<br />

dass Frauen überproportional soziale<br />

Berufe wählen, die i.d.R. schlechter<br />

bezahlt sind. All dies kostet Entgeltpunkte<br />

in der Rentenversicherung.<br />

Aufgrund der Ausrichtung des Alterssicherungssystems<br />

auf (abhängige)<br />

Erwerbstätigkeit münden weibliche<br />

Erwerbsbiographien damit häufig in<br />

relativ niedrigen eigenständigen<br />

Alterssicherungseinkommen.<br />

WIE SIEHT ES IN DEN ZWEI<br />

WEITEREN SÄULEN AUS?<br />

Auch in den zwei weiteren Säulen<br />

der Altersvorsorge sind die Frauen<br />

deutlich im Hintertreffen.<br />

Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung<br />

sieht es derzeit noch<br />

schlechter aus als bei der gesetzlichen<br />

Rente. Der Gender Pension Gap<br />

beträgt je nach Datenlage 50 – 60 %.<br />

Weniger als 10 % der Rentnerinnen<br />

haben überhaupt eigene Ansprüche<br />

aus der betrieblichen Altersversorgung.<br />

Die Ursachen sind ähnlich<br />

denen der gesetzlichen Rentenversicherung:<br />

Reduzierte Arbeitszeiten,<br />

kürzere Betriebszugehörigkeit, geringere<br />

Einkommen. Frauen können<br />

es sich häufig nicht leisten, in die betriebliche<br />

Altersvorsorge zu investieren<br />

oder ihnen fehlt der Zugang. Oft<br />

aber wird das Potential der Betriebsrente<br />

einfach mangels ausreichender<br />

Information nicht genutzt.<br />

Das Manko in der privaten Altersversorgung<br />

wird neben dem Umstand,<br />

dass Frauen generell eine schlechtere<br />

Erwerbsbiographie haben und<br />

weniger zurücklegen können, darin<br />

gesehen, dass sich Frauen für ihre<br />

Altersvorsorge unzureichend interessieren.<br />

Zumindest war dies in der<br />

Vergangenheit der Fall. Vielen Frauen<br />

ist nicht bekannt, mit welcher Rente<br />

sie im Alter rechnen können.<br />

Da aber Frauen aufgrund ihrer Erwerbsbiographie<br />

bei der gesetzlichen<br />

Rente bereits eine große Lücke aufweisen,<br />

sind sie umso stärker auf eine<br />

private oder betriebliche Versorgung<br />

angewiesen.<br />

VERSORGEREHE HEUTE?<br />

Die älteren Generationen waren<br />

geprägt von dem Bild der Versorgerehe.<br />

Der Mann verdient das Geld, die<br />

Ehefrau versorgt die Kinder und den<br />

Haushalt und partizipiert an den Rentenansprüchen<br />

des Ehemanns.<br />

Dieses Bild hat sich grundlegend gewandelt.<br />

Die Scheidungsquote liegt bei<br />

knapp 40 % (1960 knapp 11 %). Viele<br />

Paare sind nicht verheiratet oder leben<br />

nicht in einer Lebenspartnerschaft, womit<br />

der Versorgungsausgleich und ggf.<br />

auch der Unterhalt wegfallen. Auch das<br />

Unterhaltsrecht hat sich grundlegend<br />

gewandelt und geht vom Grundsatz<br />

der Selbstverantwortung aus. Eine<br />

Frau, die Beruf und Karriere zugunsten<br />

der Familie zurückstellt, kann nicht<br />

damit rechnen, ein angemessenes<br />

Äquivalenz im Alter zu erhalten.<br />

Frauen stehen in der Verantwortung,<br />

selbst für ihre Vorsorge Vorkehrungen<br />

zu treffen.<br />

Foto Matthew Bennett – unsplash.com<br />

18<br />

ZONTA // RENTENFALLE<br />

ZONTA // RENTENFALLE<br />

19


FRAUEN LEBEN LÄNGER –<br />

ABER WOVON?<br />

807 € im Monat<br />

beträgt die durchschnittliche gesetzliche Rente*<br />

einer Frau in Deutschland.<br />

Im Vergleich dazu bekommt ein Mann durchschnittlich<br />

1.305 € im Monat an gesetzlicher Rente*.<br />

* der Deutschen Rentenversicherung<br />

Stand 31.12.2021<br />

Quelle: Rentenversicherungsbericht 2022, Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

Entwicklung des<br />

Gender Pension Gap<br />

in Deutschland 1992-2019 (in %)<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

1992<br />

1995<br />

1999<br />

2003<br />

2007<br />

2011<br />

Unter Berücksichtigung aller drei Säulen der Alterssicherung: Gesetzliche<br />

Rentenversicherung bzw. Beamtenversorgung, Betriebliche Alterssicherung,<br />

Private Alterssicherung<br />

Quelle: Altersicherungsbericht 2020, Bundesregierung zum Rentensicherungsbericht<br />

2015<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung 07.03.2023<br />

2019<br />

Jede fünfte Frau<br />

ab 65 Jahren ist armutsgefährdet.<br />

Erika Biehn, 65 Jahre, aus Lippstadt.<br />

Alleinstehend, drei Kinder.<br />

„Bei mir fing die Armut an, als ich<br />

alleinerziehend wurde. Bei meiner<br />

Scheidung war ich 25 und hatte zwei<br />

Kinder im Alter von vier und sechs<br />

Jahren, später kam ein drittes hinzu.<br />

Im einzigen Hort, der eine Kinderbetreuung<br />

am Nachmittag anbot,<br />

habe ich keinen Platz bekommen.<br />

Aber ohne Kinderbetreuung kann<br />

man nicht vernünftig erwerbstätig<br />

sein! Wir lebten von Sozialhilfe. Ich<br />

war immer sehr sparsam, aber es<br />

war schwierig. Ich musste genau planen,<br />

damit ich Miete zahlen konnte<br />

und die Kinder genügend zu essen<br />

hatten. Mich ärgert sehr, wenn ich<br />

mitleidig angeschaut werde. Denn<br />

ich habe viel geleistet und immer<br />

gearbeitet – wenn auch nicht immer<br />

gegen Geld. Seit bald 40 Jahren<br />

engagiere ich mich im Verband<br />

alleinerziehender Mütter und Väter<br />

und habe es mit 49 Jahren geschafft,<br />

ein Diplom als Sozialarbeiterin zu<br />

machen. Leider ist daraus keine<br />

Berufstätigkeit mehr erwachsen.“<br />

Quelle: 25-Jahre-Armutskonferenz<br />

www.nationalearmitskoferenz.de<br />

Du kannst das<br />

nicht haben<br />

Also, ich schneide meine Haare selber. (…) Und dann rauche ich<br />

nicht, ich gehe nicht fort, ich meine, zum Essen oder so etwas.<br />

(…) Meine Möbel, die ich zu Hause habe, die habe ich noch von<br />

den Zeiten in der Lagerhalle, Kleidung, ich sage Ihnen, ich habe<br />

so viel Kleidung von Leuten. (…) Ich kann zu Hause überleben (…)<br />

aber dann darf ich nicht rausgehen. Kann ich schon, aber dann<br />

muss ich lernen, ins Schaufenster zu gucken oder im Regal zu<br />

gucken und zu sagen: „Nein, das kannst Du nicht haben. Du<br />

kannst Dir nicht einen Kaffee kaufen, weil Du hast zu Hause ein<br />

Paket Kaffee für vier Euro, davon kannst du 30 Kaffee machen<br />

und die machst du dir zu Hause aber du kaufst dir nicht einen<br />

für zwei Euro da.“<br />

Jolanda F.<br />

Selbst<br />

schuld?<br />

Ich habe lange gedacht: Ich sage es keinem Menschen,<br />

wie wenig ich kriege. In meinen Frauengruppen reden<br />

wir über viele verschiedene Themen, Frauenthemen<br />

natürlich, private und politische Themen, Altwerden und<br />

unsere eventuelle Hilfsbedürftigkeit, aber das Geldthema<br />

ist tabuisiert. Was jede zur Verfügung hat oder die<br />

Einkommensteuerbescheide, darüber herrscht tiefes<br />

Schweigen.(…) Einerseits war ich total wütend über<br />

meine kleine Rente, andererseits habe ich mich auch<br />

geschämt. Ich fühlte mich schuldig, habe mir für meine<br />

Lage selbst die Schuld gegeben (…)<br />

Hilde M.<br />

Quelle: Irene Götz (Hrg.) Kein Ruhestand, Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2019)<br />

ALLTAGSSORGEN<br />

KRAUTWICKEL AUS<br />

KOHLRABIBLÄTTERN –<br />

HUNDERPROZENTIG<br />

BIN ICH ARM<br />

Ich koche zwei, drei Portionen für zwei,<br />

drei Tage (…), heute habe ich vorbereitet,<br />

dass ich Krautwickel mache (…). Aber<br />

nicht mit Kraut (…) mit Blättern, (…) von<br />

Kohlrabi, die großen Blätter. (…) Und die<br />

haben Sie umsonst bekommen? Natürlich.<br />

Das bekommt man immer umsonst.<br />

Die schmeißen sie sowieso weg, aber<br />

ich frage immer. Ach das Leben liegt vor<br />

uns, und Rente, so alt werde ich vielleicht<br />

gar nicht, wir kommen schon irgendwie<br />

durch. Aus heutiger Sicht scheint es naiv,<br />

damals war es ein optimistischer Blick in<br />

eine ferne Zukunft. Also manche Frauen<br />

sagen, das, was wir in der Frauenbewegung<br />

angestoßen und verändert haben,<br />

unsere Forderungen nach mehr Freiheit,<br />

nach einem selbstbestimmten Leben,<br />

sowohl persönlich als auch gesamtgesellschaftlich,<br />

hat ja die Lebenssituationen<br />

für alle Frauen verändert, ja die Situation<br />

für die gesamte Gesellschaft, war also<br />

gesellschaftliche Arbeit. Für diese Arbeit<br />

sollte es Rentenpunkte geben! Das war<br />

vorher leider oft so, dass ich immer irgendwie<br />

dachte, das habe ich ja gar nicht<br />

verdient, das steht mir gar nicht zu (…)<br />

Das ist wieder so eine typisch weibliche<br />

Selbstabwertung.<br />

Elisabeth K.<br />

20 ZONTA // RENTENFALLE<br />

ZONTA // RENTENFALLE<br />

21


KEIN<br />

RUHESTAND<br />

Prof. Dr. Irene Götz<br />

AN DER LUDWIG-MAXIMILIAN-UNIVERSITÄT<br />

MÜNCHEN STARTETE IM JAHR 2014 EIN FOR-<br />

SCHUNGSPROJEKT MIT DEM THEMA „PREKÄRER<br />

RUHESTAND“. IM RAHMEN DES PROJEKTES WUR-<br />

DEN FRAUEN IN PREKÄREN LEBENSSITUATIONEN<br />

BEGLEITET UND INTERVIEWT. DIE ERGEBNISSE<br />

HABEN SIE IN DEM BUCH „KEIN RUHESTAND“<br />

VERÖFFENTLICHT. WAS WAR DER GRUND, WAS<br />

DAS ZIEL DES FORSCHUNGSPROJEKTES?<br />

Ausgangspunkt war, dass im reichen Deutschland inzwischen<br />

jede sechste Person im Rentenalter armutsgefährdet<br />

ist, d. h. sie hat weniger als 60 % des mittleren<br />

Haushaltseinkommens zur Verfügung. Altersarmut, vor<br />

allem in den teuren Städten mit hohen Mieten, wird zu<br />

einem Problem bis in die mittleren Schichten hinein.<br />

Besondere Risikogruppen sind unter anderem alleinstehende<br />

Frauen. Wenn sie, verwitwet, getrennt lebend<br />

oder generell als Single im Alter allein wirtschaften,<br />

reicht ihre Altersrente nicht aus, um am sozialen und<br />

kulturellen Leben teilzuhaben. Angesichts vieler struktureller<br />

Benachteiligungen sind Frauen im Alter<br />

22 ZONTA // RENTENFALLE<br />

besonders von Armut bedroht. Ausgangspunkt für<br />

unser Projekt war die Frage, wie sie dann in einer<br />

solchen Stadt überleben, wenn eine Einzimmerwohnung<br />

bereits so viel kostet. Stocken sie diese Altersrente<br />

durch einen Minijob auf oder durch Sozialleistungen<br />

wie die Grundsicherung im Alter? Welche persönlichen<br />

Strategien entwickeln sie, um in ihren Wohnungen zu<br />

bleiben? Ziehen sie sich aus dem Leben zunehmend<br />

zurück oder gelingt Teilhabe? Und welche Rolle spielen<br />

Biografie, Generation, Milieu und insbesondere die<br />

Familien für die Bewältigung der Lage? Was kann die<br />

Politik tun, die wir mit unserem Buch neben den Betroffenen<br />

selbst auch erreichen wollten?<br />

FEHLENDE FINANZIELLE RESSOURCEN<br />

FÜHREN ZU PSYCHOSOZIALEN PROBLEMEN.<br />

WELCHE BELASTUNGEN KONNTEN SIE IM<br />

WESENTLICHEN FESTSTELLEN?<br />

Eine große Belastung war, dass man die eigene Gegenwart<br />

und Zukunft kaum absichern konnte. Die Frauen<br />

waren bezüglich ihrer Alltagsarrangements >><br />

ZONTA // RENTENFALLE<br />

23<br />

Foto Bildagentur-online/Schoening/Alamy Stock Foto


Den Frauen half insgesamt,<br />

dass sie Bescheidenheit, zumal<br />

als Mädchen, in den harten<br />

Nachkriegsjahren gelernt<br />

hatten und aus allem etwas<br />

machen konnten.<br />

>> besonders verwundbar: „Wie schnell kann etwas WELCHE STRATEGIEN ENTWICKELN FRAUEN, DIE<br />

kommen“, so eine Interviewte, die auf ihre Zusatzarbeit<br />

zur Rente angewiesen war. Wenn z. B. eine Krankheit<br />

das Weiterarbeiten unmöglich macht, was dann? Diese<br />

Antizipation oder bereits beginnende Vulnerabilität in<br />

körperlicher Hinsicht wird besonders prekär erlebt, weil<br />

kein materielles Polster oder ein zweites Haushaltseinkommen<br />

diese mit dem Alter kommenden Unsicherheiten<br />

auffangen kann. Verwundbar machen die fragilen<br />

SICH BEREITS IN ARMUT BEFINDEN, UM IHR LEBEN<br />

ZU MEISTERN UND LEBENSWERT ZU MACHEN.<br />

HABEN SIE ERFAHRUNGEN HIERZU GEMACHT?<br />

Wir waren insgesamt sehr berührt von der oft klaglosen<br />

täglichen Leistung im Kampf gegen Armut. Eine Interviewte<br />

brachte es auf den Punkt: Sie sei nur am „Laufen<br />

und Rennen“ (nach Sonderangeboten) und am Rechnen,<br />

was sie sich noch leisten kann.<br />

Arrangements des Wirtschaftens: Mieterhöhung,<br />

gesundheitliche Einbußen, wie lange kann ein Minijob<br />

noch ausgeführt werden? Was passiert, wenn man<br />

Heimkosten aufbringen muss? Diese Sorgen bekommen<br />

angesichts der knappen Mittel, besonders in einem<br />

Single-Haushalt, ein besonderes Gewicht.<br />

Abhängig zu werden schien den Frauen, die lange Zeit<br />

gewohnt waren, für sich selbst und andere zu sorgen,<br />

außerdem in der Regel für die Gesellschaft unzumutbar.<br />

Die Haltung wiederum führt unseren Beobachtungen<br />

und Interview-Befunden nach dazu, dass möglichst<br />

autark gelebt und gewirtschaftet wird, und man sich<br />

an die materiellen und physischen Einschränkungen<br />

anpasst. Manche Frauen bräuchten z. B. längst Hilfe im<br />

Haushalt, doch bleiben sie, bis es überhaupt nicht mehr<br />

geht, autark, und verzichten weiter. Diese frauen- und<br />

generationenspezische Haltung des Selbst-Zurechtkommen-Müssens<br />

und „An die nächste Generation-<br />

Geben-Wollens“ verhindert, dass man selbst in seiner<br />

Bescheidenheit und Zurückhaltung Unterstützung holt.<br />

Die Folge ist häufig aber Rückzug und Einsamkeit.<br />

Ein Kaffee mit Freundinnen war nicht mehr drin.<br />

Rückzug eine häufige Folge. Nicht einmal den eigenen<br />

Kindern wurde gesagt, dass man das Fahrgeld nicht<br />

aufbringt, um sie zu besuchen. Die Frauen, die ein<br />

Leben lang für die Familie da waren, wollten nun „niemandem<br />

zur Last fallen“. Auch das Sozialamt wurde nur<br />

mit großer Scham betreten, wenn überhaupt. Lieber<br />

wurde ein Minijob ergriffen, sofern der eigene Körper<br />

dies noch erlaubte. Andere sparten und verzichteten,<br />

die Möbel wurden geschont, Kleidung aufgetragen, medizinisch<br />

Notwendiges nicht mehr gemacht, Abonnements<br />

gekündigt. Es wurde beim Kochen improvisiert,<br />

am Monatsende gab es halt schon mal nur Spiegeleier.<br />

Den Frauen half insgesamt, dass sie Bescheidenheit,<br />

zumal als Mädchen, in den harten Nachkriegsjahren<br />

gelernt hatten und „aus allem etwas machen konnten“.<br />

Einzelne tauschten oder verkauften Selbstgemachtes<br />

oder engagierten sich in Ehrenämtern; die Aufwandsentschädigung<br />

war für sie genauso hilfreich wie die<br />

sozialen Kontakte.<br />

Foto Robert Haas<br />

DER GENDER PENSION GAP IST AUCH IN DEN<br />

LETZTEN JAHREN NICHT WESENTLICH GESUNKEN.<br />

WAS IST IHRER ANSICHT NACH ZU TUN? WELCHE<br />

POLITISCHEN MASSNAHMEN SIND ERFORDERLICH?<br />

Das Problem muss von zwei Ebenen aus angegangen<br />

werden. Zunächst ist es wichtig, dass die Politik im<br />

Großen die Weichen des immer noch gegenderten<br />

Arbeitmarktes anders stellt und hilft, die Familienrollen<br />

gleichgewichtiger werden zu lassen. Minijobs und Teilzeitarbeit<br />

bringen einfach keine oder weniger Rentenpunkte.<br />

Frauen verfangen sich häufig in diesen auf Dauer<br />

gestellten Teilzeitpositionen. Das Ehegattensplitting<br />

gehört abgeschafft, weil es diese Rolle der Frauen als<br />

Zuarbeiterinnen in einer Eineinhalb-Ernährerfamilie<br />

begünstigt und weiter verfestigt. Damit Frauen früher<br />

wieder in den Arbeitsmarkt auch in Vollzeit zurückkehren<br />

können, ist es unerlässlich auch die Kinderbetreuung<br />

weiter auszubauen. Desweiteren müssen die Renten<br />

konsolidiert werden, sie wurden in den letzten Dekaden<br />

immer weiter strukturell abgesenkt. Vielleicht sind die<br />

von der neuen Koalition angestrebten aktienbasierten<br />

Zusatzrenten eine Lösung aus der Rentenmisere. Die<br />

zweite Handlungsebene betrifft die Frauen selbst, die<br />

Frau Prof. Dr. Irene Götz ist Dekanin der Fakultät für Kulturwissenschaften an der<br />

Ludwig-Maximilian-Universität München. Ihre Forschungsschwerpunkte sind<br />

Altersforschung; Identitätspolitik/nationale Selbst- und Fremdbilder; Arbeits- und<br />

Organisationsethnographie; Biographieforschung; Neuer Nationalismus in Europa;<br />

Familienforschung. Sie ist u.a. Gutachterin für die Deutsche Forschungsgemeinschaft,<br />

den Schweizerischen Nationalfonds und die VW-Stiftung sowie Gastautorin in Spiegel<br />

Online und Zeit Online.<br />

beizeiten reflektieren sollten, wie sie – durch entsprechende<br />

Berufswahl und partnerschaftliche Arrangements<br />

in der Familie – ein auskömmliches Alterseinkommen<br />

sichern können und dabei ein Stück weit autark bleiben.<br />

Die heutigen Renterinnengenerationen hatten, das zeigt<br />

unser Buch, sich zu wenig noch um (eigenes) Geld<br />

gekümmert, das muss sich dringend ändern.<br />

VIELEN DANK<br />

Buch-Tipp:<br />

Besonders Frauen sind im Alter oft von Armut<br />

bedroht. Wie kommen sie mit wenig Geld<br />

zurecht? Welche Strategien entwickeln sie,<br />

um dennoch am sozialen und kulturellen<br />

Leben teilzuhaben?<br />

In „Kein Ruhestand“ nimmt uns Prof. Dr.<br />

Irene Götz (Hrg.) mit in ein Leben all jener<br />

Frauen, die mit Altersarmut umgehen müssen;<br />

Verlag Antje Kunstmann GmbH; 20 Euro.<br />


ARMUT MACHT DIE<br />

SEELE KRANK<br />

Psychische Gesundheit ist ein<br />

Zustand des Wohlbefindens, in<br />

dem eine Person ihre Fähigkeiten<br />

ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen<br />

bewältigen, produktiv<br />

arbeiten und einen Beitrag zur Gemeinschaft<br />

leisten kann (WHO 2019).<br />

Bei von Armut betroffenen Menschen<br />

ist die Wahrscheinlichkeit, psychisch<br />

zu erkranken, höher als bei finanziell<br />

abgesicherten Menschen.<br />

Druck durch Geldmangel, die ständige<br />

Sorge, ob das Geld für Essen,<br />

Kleidung, Wohnung usw. reicht,<br />

Verzicht, Perspektivlosigkeit, Unsicherheiten<br />

und Veränderungen<br />

in der Arbeitswelt und im privaten<br />

Umfeld, Sorge um den Erhalt des<br />

Arbeitsplatzes, Arbeitslosigkeit,<br />

auch Herumsitzen und nicht gebraucht<br />

werden – all das erzeugt<br />

ein Klima von Angst und Stress.<br />

STIGMATISIERUNG,<br />

DEMÜTIGUNG, SCHAM, RÜCKZUG<br />

Scham, die Angst vor Stigmatisierung,<br />

Demütigung und Erniedrigung<br />

ist für von Armut betroffene<br />

Menschen ein ständiger Stressfaktor.<br />

Die Bedrohung des Ansehens<br />

blockiert die Selbsthilfepotentiale<br />

und senkt die Bereitschaft, problemorientierte<br />

Strategien einzusetzen.<br />

So wird die für viele<br />

Lösungsstrategien notwendige Mobilisierung<br />

sozialer Unterstützung<br />

durch die Furcht unterbunden, das<br />

dem Ansehen abträgliche finanzielle<br />

Problem dabei erst offenbaren<br />

zu müssen. Es wird der Rückzug<br />

aus sozialen Interaktionen angetreten<br />

und damit der Verlust vieler<br />

Chancen der Teilhabe. Wichtige<br />

Informations- und Beratungsmöglichkeiten<br />

bleiben oft ungenutzt.<br />

Es gilt daher, eine Stigmatisierung<br />

zu vermeiden, um die Selbsthilfepotentiale<br />

nicht zu blockieren.<br />

WERTSCHÄTZUNG ERFAHREN,<br />

SENSIBILISIERUNG FÜR ARMUT<br />

UND BESCHÄMUNG<br />

Die Verbesserung des emotionalen<br />

Zustandes durch eine<br />

empathische, anerkennende,<br />

wertschätzende und verständnisvolle<br />

Grundhaltung Dritter kann<br />

kohärentes Denken ermöglichen<br />

und ist die Basis für respektvolles<br />

Miteinander. Dies gilt gleichermaßen<br />

im alltäglichen Umgang<br />

mit den Mitmenschen wie auch im<br />

Umgang mit Behörden und sonstigen<br />

Institutionen.<br />

Faktoren<br />

• Isolation, Einsamkeit, Ausgrenzung<br />

• Minderwertigkeitsgefühle<br />

• Interessensverlust<br />

• Depressionen<br />

• Gewaltbereitschaft, Aggression<br />

• Süchte (Alkohol, Drogen)<br />

• Panikstörungen<br />

• Psychosen<br />

• Suizidanfälligkeit<br />

• Scham<br />

• Angst<br />

Wenn Du in<br />

einer Lebenskrise<br />

steckst,<br />

schaffst Du<br />

es vielleicht<br />

gerade so,<br />

die menschlichen<br />

Grundbedürfnisse<br />

zu stillen, aber<br />

nicht mehr,<br />

den Briefkasten<br />

zu öffnen.<br />

Dann kann es<br />

schnell gehen.<br />

Foto Pixabay – pexels.com<br />

26 ZONTA // ARMUT MACHT DIE SEELE KRANK<br />

ZONTA // ARMUT MACHT DIE SEELE KRANK<br />

27


WOHNUNGS-<br />

LOSIGKEIT<br />

Schulden, Scham & Stigmatisierung<br />

Weibliche Wohnungslosigkeit ist oft<br />

verdeckt. Frauen suchen aus Angst vor<br />

Gewalt, Demütigung und aus Scham<br />

weniger die Unterkünfte auf und<br />

nehmen Hilfen in Anspruch.<br />

Sie scheuen sich, auf die Straße zu<br />

gehen und suchen private Lösungen.<br />

Sie suchen Unterschlupf bei Freunden<br />

und Bekannten (Couchsurfing),<br />

Im Dezember 2022 hat aufgrund des in 2020 in Kraft<br />

getretenen Wohnungslosenberichterstattungsgesetzes<br />

die Bundesregierung erstmals einen Wohnungslosenbericht<br />

vorgelegt. Bis dahin wurden (und werden)<br />

durch die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe<br />

(BAG W) regelmäßig Schätzungen der<br />

Wohnungslosenzahlen vorgenommen.<br />

Dieser erste Wohnungslosenbericht schließt mit der<br />

Darstellung der politischen Handlungsansätze, um das<br />

Ziel, Wohnungslosigkeit zu bekämpfen und bis zum Jahr<br />

2030 zu beseitigen, zu erreichen.<br />

In dem Bericht werden drei Gruppen unterschieden:<br />

• Personen, die in der Wohnungsnotfallhilfe<br />

untergebracht sind. rund 178.100 Menschen<br />

• Verdeckt wohnungslose Personen, z. B. solche, die bei<br />

Freunden oder Bekannten unterkommen.<br />

rund 49.300 Menschen<br />

• Personen auf der Straße und in Behelfsunterkünften.<br />

rund 37.400 Menschen<br />

Nach Berücksichtigung von Doppelerfassungen sowie<br />

den nicht erfassten Minderjährigen ergeben sich als<br />

Summe dieser drei Gruppen rund 262.600 Wohnungslose.<br />

Von diesen sind knapp zwei Drittel (63 %) männlich,<br />

gut ein Drittel (35 %) weiblich und 2 % divers bzw. es<br />

liegen keine Angaben vor.<br />

Der Bericht erhebt wegen der schwierigen Erfassung der<br />

Menschen keinen Anspruch auf eine Gesamtschau. Es<br />

ist schwierig, wohnungslose Obdachlose zu zählen, da<br />

sie durch ihre Lebenssituation nirgendwo strukturiert<br />

erfasst sind.<br />

HAUPTGRUND: MIETSCHULDEN<br />

Laut Bericht hat fast die Hälfte (47 %) der Wohnungslosen<br />

ohne Unterkunft und der verdeckt Wohnungslosen<br />

ihre Wohnung ausschließlich bzw. auch aufgrund von<br />

Mietschulden verloren (weitere Gründe: siehe grafischer<br />

Auszug S.31).<br />

Hauptgründe im Wohnungslosensektor sind das unzureichende<br />

Angebot an bezahlbarem Wohnraum, die<br />

kontinuierliche Senkung des Sozialwohnungsbestandes<br />

und eine Verfestigung von Armut.<br />

DIE UNSICHTBARE WOHNUNGSLOSIGKEIT<br />

DER FRAUEN<br />

Durch die unterschiedlichen Erscheinungsformen und<br />

Verläufe weiblicher Wohnungslosigkeit entsteht der<br />

Eindruck, dass Frauen von Wohnungslosigkeit weniger<br />

betroffen sind. Dieser Eindruck täuscht.<br />

Frauen nehmen erfahrungsgemäß seltener institutionelle<br />

Hilfe in Anspruch, aus Scham, Unsicherheit, Angst<br />

vor Stigmatisierung. Sie versuchen eher als Männer<br />

zunächst, mit eigenen Mitteln die Problemlage zu beheben<br />

(„couchsurfing“).<br />

Plätze in Frauenhäusern und Notunterkünften nur für<br />

Frauen sind knapp. Frauen in Wohnungslosigkeit sind<br />

in Obdachlosenunterkünften, auf der Straße, von Gewalt<br />

bedroht und haben Gewalt erlebt. Sie versuchen,<br />

sich irgendwie durchzuschlagen.<br />

Sie suchen Unterschlupf bei Bekannten, was zumeist<br />

nur zeitweise möglich und mit einem häufigen Wohnungswechsel<br />

verbunden ist. Nicht selten begeben sie<br />

sich in gefährliche Abhängigkeitsbeziehungen und<br />

werden Opfer von Gewalt und Missbrauch, um ein Dach<br />

über dem Kopf zu haben.<br />

Um der Straße zu entgehen, kehren viele Frauen in<br />

die von massiven Konflikten, oft von Gewalt geprägte<br />

Herkunftsfamilie oder Partnerschaft zurück, aus der sie<br />

geflohen sind – und akzeptieren fortan diese Situation.<br />

prostituieren sich für die Übernachtung<br />

oder nehmen sonstige<br />

Abhängigkeiten in Kauf.<br />

WELCHE MASSNAHMEN SIND NOTWENDIG<br />

UND MÜSSEN AUSGEWEITET WERDEN?<br />

• Soziale Wohnraumförderung<br />

• Eine öffentlichkeitswirksame Aufklärung<br />

zur Vermeidung von Wohnungsverlusten<br />

• Sicherstellung bedarfsgerechter Hilfen<br />

für wohnungslose Frauen und Kinder<br />

• Gewaltschutz für Frauen in<br />

der Wohnungslosennotfallhilfe<br />

• Frauengerechte Hilfsangebote<br />

• Obdachlosenangebote nur für Frauen<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Handbuch der Hilfe in Wohnungsnotfällen<br />

(BAG Wohnungslosenhilfe e.V. (www.bagw.de);<br />

Wohnungslosenbericht 2022 zum Download<br />

(unter www.bmwsb.bund.de )<br />

Foto Ev – unsplash.com<br />

28 ZONTA // WOHNUNGSLOSÍGKEIT<br />

ZONTA // WOHNUNGSLOSÍGKEIT<br />

29


Mein älterer Bruder wollte<br />

freiwillig in ein Heim.<br />

ZAHLEN & FAKTEN<br />

Wohnungslose Personen nach Gruppen und Geschlecht<br />

Wohnungslose Personen ohne Unterkunft<br />

Sandra L., 47 Jahre<br />

Meine Eltern waren beide Alkoholiker.<br />

Wir waren daheim sieben<br />

Geschwister. Meine Aufgabe war<br />

morgens vor der Schule, um halb<br />

sieben zum Bäcker zu gehen und<br />

für meine Mutter eine Flasche<br />

Asbach zu holen. Vorher gab es<br />

kein Frühstück.<br />

Als ich neun Jahre alt war, wollte<br />

sich meine Mutter umbringen. Ich<br />

erinnere mich daran, wie ich ins<br />

Zimmer kam und sie sich die Waffe<br />

an den Kopf hielt. Ich weiß aber<br />

nicht mehr, wer ihr dann die Waffe<br />

weggenommen hat. Dieses Bild<br />

jedenfalls werde ich nie vergessen.<br />

Ich habe es nicht so richtig mitbekommen,<br />

aber meine Mutter<br />

war damals sehr überfordert.<br />

Meine älteren Geschwister haben<br />

WOHNUNGSLOS UND<br />

OHNE PERSPEKTIVE:<br />

WENN ALKOHOL DAS<br />

LEBEN ZERSTÖRT<br />

viel mitgemacht, meine Mutter hat<br />

immer mit ihnen rumgeschrien.<br />

Später wurde mir erzählt, dass wir<br />

Kleinen oft tagelang die gleiche<br />

Windel anhatten. Mein älterer<br />

Bruder wollte freiwillig in ein Heim<br />

und die anderen, älteren Geschwister<br />

wurden ebenfalls vom Jugendamt<br />

in Heimen untergebracht. Nur ich<br />

und meine jüngere Schwester blieben<br />

bei meiner Mutter zurück.<br />

Wir haben alle verschiedene Väter.<br />

Meiner ist – wie die anderen auch –<br />

wegen zu viel Streitereien und Zoff<br />

ausgezogen. Später wurde er krank<br />

und bekam Lungenkrebs. Ich bin<br />

dann zu ihm gezogen, um ihm zu<br />

helfen. Er wohnte in einem abgelegenen<br />

Stadtviertel mit vielen<br />

Hochhäusern und vielen Arbeitslosen.<br />

Die Leute saßen immer auf<br />

der Straße und tranken schon<br />

morgens Alkohol. Wenn ich dort<br />

vorbeigelaufen bin, haben sie mich<br />

immer angesprochen. Erst wollte<br />

ich mit denen gar nichts zu tun<br />

haben. Aber wie das eben so ist,<br />

irgendwann saß ich auch dabei.<br />

Mein Vater hat sich darüber so aufgeregt,<br />

dass er mich rausgeschmissen<br />

hat. Ab da war ich wohnungslos<br />

und habe mal hier, mal dort geschlafen.<br />

Irgendwann ist mir in der Stadt<br />

ein Schild aufgefallen „BürgerInnen<br />

ohne Wohnung“. Ich bin einfach mal<br />

hingegangen und habe tatsächlich<br />

eine Wohnung und Hilfe bekommen.<br />

Jetzt habe ich seit 6 Jahren<br />

meine eigene Wohnung und es geht<br />

mir gut. Vorher ist vieles schief<br />

gelaufen, aber das passiert mir jetzt<br />

nicht mehr wieder!<br />

79 %<br />

Verdeckt wohnungslose Personen<br />

Abweichungen zu 100 % sind rundungsbedingt.<br />

Quelle:Wohnungslosenbericht 2022 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales<br />

13 %<br />

der wohnungslosen<br />

Frauen werden zur<br />

Prostitution genötigt<br />

60 % 40 %<br />

Quelle: Wohnungslosenbericht 2022 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales<br />

19 %<br />

1 %<br />

Kaum noch Sozialwohnungen<br />

Entwicklung des Bestands belegungsgebundener Sozialwohnungen in Deutschland<br />

3.000.000<br />

2.500.000<br />

2.000.000<br />

1.500.000<br />

1.000.000<br />

500.000<br />

36 %<br />

der wohnungslosen<br />

Frauen erleben Gewalt<br />

in Form von sexueller<br />

Belästigung, Übergriffen<br />

oder Vergewaltigung<br />

Divers<br />

Frauen<br />

Männer<br />

47 %<br />

der Wohnungslosen<br />

haben ihre Wohnung<br />

aufgrund von Mietschulden<br />

verloren<br />

1990<br />

1992<br />

1994<br />

1996<br />

1998<br />

2000<br />

2002<br />

2004<br />

2006<br />

2008<br />

2010<br />

2012<br />

2014<br />

2016<br />

2018<br />

2020<br />

30 ZONTA // WOHNUNGSLOSÍGKEIT<br />

Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (www.bagw.de); 21.12.2021<br />

ZONTA // WOHNUNGSLOSÍGKEIT<br />

31


GANZ<br />

SCHÖN<br />

TAFF<br />

Seit über 25 Jahren ist Lissi<br />

Hohnerlein Teil von SOZ-<br />

PÄDAL – Sozialpädagogische<br />

Alternativen e.V. Als<br />

Studentin hat sie damals mit einem<br />

Praktikum angefangen – und ist<br />

geblieben. Sie ist eine der Initiatorinnen<br />

des TafF, dem Tagestreff für<br />

Frauen. Dafür hat SOZPÄDAL 2006<br />

vom Bundessozialministerium des<br />

Landes Baden-Württemberg den<br />

Best Practice Preis erhalten.<br />

Hohnerlein ist Vorstandsmitglied<br />

und geschäftsführende Vorstandsfrau<br />

von SOZPÄDAL e.V. und sie betreut<br />

weitere Projekte des Vereins.<br />

WELCHE ZIELE VERFOLGT<br />

SOZPÄDAL E.V., WELCHE<br />

ANGEBOTE GIBT ES?<br />

SOZPÄDAL führt sozialpädagogische<br />

Projekte durch, um sozial<br />

benachteiligte Personen und Personengruppen<br />

zu fördern. Dabei geht<br />

es uns vor allem um Menschen,<br />

die vom öffentlichen Hilfesystem<br />

32 ZONTA // WOHNUNGSLOSÍGKEIT<br />

TafF-Mitbegründerin<br />

Lissi Hohnerlein:<br />

Mit den Angeboten<br />

von SOZPÄDAL e.V.<br />

Frauen eine<br />

Zukunft bieten<br />

nicht oder nicht ausreichend erfasst<br />

werden. SOZPÄDAL arbeitet im<br />

Bereich der Wohnungslosenhilfe<br />

und der Jugendhilfe.<br />

In der Wohnungslosenhilfe ist<br />

der größte Geschäftsbereich das<br />

Anmieten von Wohnraum und<br />

das Vermieten an wohnungslose<br />

Menschen. Die Bürger*innen, die<br />

bei SOZPÄDAL anmieten, erhalten<br />

einen regulären Mietvertrag nach<br />

BGB und werden mit unterschiedlicher<br />

Intensität im Wohnraum<br />

betreut. Immer mit dem Ziel,<br />

eine erneute Wohnungslosigkeit<br />

zu verhindern.<br />

WAS BEINHALTET GENAU<br />

DAS PROJEKT TAFF?<br />

TafF bedeutet „Tagestreff für Frauen<br />

in besonderen sozialen Schwierigkeiten<br />

und Wohnungsnot“.<br />

Das heißt, im Tagestreff werden<br />

Frauen versorgt und unterstützt,<br />

die auf der Straße leben, in Obdachlosenunterkünften,<br />

in einfachem<br />

Wohnraum oder die einfach<br />

„nur“ arm sind. Ebenso kommen<br />

aber Frauen, die im Umfeld des<br />

Tagestreffs wohnen und im TafF<br />

Kontakte suchen, weil sie alt und/<br />

oder einsam sind. Das Besondere<br />

und auch Einzigartige ist, dass<br />

wohnungslose Frauen zur Wiedereingliederung<br />

ins Arbeitsleben<br />

und zur Tagesstrukturierung im<br />

TafF arbeiten. Das heißt, die komplette<br />

Versorgung über Reinigung,<br />

Einkaufen, Kochen, Sortieren und<br />

Verkaufen in der Kleiderkammer,<br />

wird von Frauen die wohnungslos<br />

waren oder noch in Unterkünften<br />

sind, gewährleistet.<br />

WIE SIEHT EIN TAG IM TAFF AUS<br />

UND WELCHE FRAUEN NUTZEN<br />

DIESE ANGEBOTE?<br />

Wenn der TafF um 9 Uhr öffnet,<br />

haben die ersten Frauen schon<br />

eine Stunde Arbeit hinter sich. Da<br />

wurde schon der Kaffee gekocht,<br />

das Frühstück vorbereitet und die<br />

Tische gestellt.<br />

In Zeiten von Corona und Pandemie<br />

wurde immer im Innenhof<br />

bestuhlt, da die Innenräume<br />

aufgrund der Coronaverordnungen<br />

nicht für alle Besucherinnen gereicht<br />

hätten. Diese Räume wurden<br />

für die Frauen, die ohne festen<br />

Wohnsitz (ofW) sind und auf der<br />

Straße leben, vorgehalten. Sie sollten<br />

zumindest zu den Öffnungszeiten<br />

über einen Rückzug im Trockenen<br />

und Warmen verfügen.<br />

Die ersten Besucherinnen stehen<br />

auch schon um spätestens 9 Uhr<br />

vor der Tür, da sie in ihren Unterkünften<br />

keine Möglichkeit zum<br />

Frühstücken haben. Vor allem die<br />

obdachlosen Frauen sind sehr früh<br />

da, um in Ruhe zu duschen, das<br />

Gepäck sicher abzustellen und sich<br />

mit Essen zu versorgen. Über den<br />

Tag verteilt kamen vor Corona<br />

täglich bis zu 60 Frauen, um sich<br />

im TafF zu versorgen.<br />

Jedoch gibt es nicht nur Essensangebote.<br />

Kultur, Ausf lüge, Alphabetisierung,<br />

Vorträge, Musik,<br />

Disco und vieles mehr gehört zum<br />

regelmäßigen Repertoire. Das Ziel<br />

ist Teilhabe und Partizipation. Die<br />

Frauen sollen nicht in ihrer Armut<br />

verharren, sondern wieder selbst<br />

aktiv werden. Alles zu verlieren,<br />

und vor allem die Wohnung, ist<br />

die schlimmste Form der Armut.<br />

Und um aus dieser Armutsspirale<br />

wieder herauszukommen, bedarf<br />

es professioneller Unterstützung<br />

und Begleitung.<br />

Auch die Kleiderkammer<br />

im TafF ist nicht einfach<br />

nur ein Kleiderlager,<br />

sondern eine Boutique, wo<br />

sich Menschen mit wenig<br />

Geld einkleiden und auch<br />

mit Haushaltsgegenständen<br />

versorgen können.<br />

Frauen ohne Leistungsbezug<br />

bezahlen nichts,<br />

die anderen einen Obolus,<br />

damit wir keinen Armutstourismus<br />

unterstützen.<br />

Zeitgleich wird in der<br />

Kleiderkammer Wäsche<br />

ZONTA // WOHNUNGSLOSÍGKEIT<br />

von Frauen und Familien gewaschen<br />

und getrocknet, die in ihrer Unterbringung<br />

keine Waschmaschinen<br />

zur Verfügung haben. Auch die<br />

obdachlosen Frauen bekommen<br />

täglich ihre Kleidung gewaschen,<br />

wenn sie möchten.<br />

Der Tagestreff hat täglich, außer<br />

sonntags, von 9 bis 13.30 Uhr geöffnet.<br />

In dieser Zeit finden neben<br />

der Versorgung auch Beratungsgespräche<br />

mit den Sozialarbeiterinnen<br />

statt. Dabei geht es meist<br />

um die Existenzsicherung oder<br />

um Fragen der Unterbringung.<br />

Der TafF sieht sich als Vermittlungsstelle<br />

in die passende Beratungsstelle<br />

oder Einrichtung.<br />

WELCHE ANGEBOTE GIBT<br />

ES FÜR JUNGE FRAUEN?<br />

Für ganz junge Frauen ab 16 Jahren<br />

haben wir unser Angebot WisE:<br />

Wohnen mit intensiver sozialpädagogischer<br />

Einzelbetreuung.<br />

Dort haben die jungen Frauen<br />

die Möglichkeit, in einer eigenen<br />

Wohnung von Sozialarbeiterinnen<br />

umfassend betreut zu werden.<br />

Da geht es hauptsächlich um Schulabschlüsse,<br />

Ausbildung, >><br />

Foto Lissi Hohnerlein


Zukunftsperspektiven. Aber<br />

auch manchmal um erzieherische<br />

Interventionen, die in der Herkunftsfamilie<br />

oder auch im Heim<br />

nicht geleistet oder nicht abgeschlossen<br />

waren. Die jungen Frauen<br />

lernen mit dem Gut Wohnraum<br />

umzugehen und vor allem ihre<br />

Rechte und Pflichten als Mieterin.<br />

Alleinerziehend<br />

mit Kindern<br />

ist das größte<br />

Armutsproblem,<br />

das sich dann<br />

bis ins Alter<br />

durchzieht.<br />

Falls weiterhin eine niederschwellige<br />

Teilhabe am Arbeitsleben<br />

gebraucht wird, haben wir ein<br />

Projekt für junge Erwachsene, wo<br />

sie Unterstützung bei der Ausbildungssuche<br />

erhalten. In <strong>Karlsruhe</strong><br />

gibt es für junge, wohnungslose<br />

Frauen auch noch das Projekt<br />

„Iglu“ von der Heimstiftung der<br />

Stadt <strong>Karlsruhe</strong>. Dort können sich<br />

junge Menschen wie im TafF täglich<br />

versorgen, eine Postadresse<br />

einrichten und sozialarbeiterische<br />

Unterstützung erhalten.<br />

WAS RÄTST DU JUNGEN FRAUEN?<br />

Auf jeden Fall, dass die Grundlage<br />

eine Ausbildung ist beziehungsweise<br />

dass sie ihre schulische Ausbildung<br />

beenden sollen. Manche<br />

haben aus Frustration abgebrochen,<br />

aber auch weil sie keine<br />

Unterstützung von Eltern oder<br />

anderen Bezugspersonen hatten.<br />

Wir begleiten die jungen Menschen<br />

auch zu den öffentlichen<br />

Stellen wie dem Jobcenter oder das<br />

Sozialamt, damit sie die Termine<br />

wahrnehmen und vor allem ohne<br />

Ängste hingehen. Auch, wenn es<br />

schwierig ist, gibt es gerade im<br />

Bildungsbereich für junge Erwachsene<br />

sehr viele aktivierende<br />

und unterstützende Angebote. Sie<br />

müssen nur mit sanftem Nachdruck<br />

dahin orientiert werden.<br />

Aber wir erfahrene Sozialarbeiterinnen<br />

kennen ja nicht nur Frauen<br />

in Armut. Auch junge Sozialarbeiterinnen<br />

schätzen am Anfang<br />

ihrer beruflichen Laufbahn häufig<br />

nicht gut ein, dass das Arbeitsleben<br />

auch endlich ist und sie,<br />

besonders wenn sie früh Kinder<br />

bekommen und sich finanziell<br />

nicht absichern, im Alter in der<br />

<strong>Frauenarmut</strong> landen.<br />

Daher raten wir den jungen<br />

Frauen auch nach Schwangerschaft<br />

und Elternzeit in Richtung<br />

Vollzeiterwerbstätigkeit zu gehen,<br />

da besonders in den helfenden<br />

Berufen die Vergütung schlecht ist<br />

und sie bei Teilzeit zu wenig für<br />

die Rente ansparen können. Wir<br />

können allen Frauen nur ans Herz<br />

legen, sozial- und frauenpolitisch<br />

aktiv zu werden, damit diese Rentenlücken<br />

nicht entstehen.<br />

WO LIEGEN, DEINER ANSICHT<br />

NACH, DIE PROBLEME IN DER<br />

BEKÄMPFUNG VON FRAUEN-<br />

ARMUT?<br />

Alleinerziehend mit Kindern<br />

ist das größte Armutsproblem,<br />

welches sich dann bis ins Alter<br />

durchzieht. Es hängt immer noch<br />

an strukturellen Verhältnissen,<br />

wie fehlende Betreuungsplätze,<br />

verlässliche ganztägige Schulbetreuung<br />

oder auch Unternehmen<br />

mit eigenen Betreuungsangeboten<br />

für die Kinder.<br />

Ebenso an der verlässlichen<br />

häuslichen Pflege für ältere Angehörige.<br />

Meistens geben dann<br />

die Frauen alles auf, um Eltern<br />

oder Schwiegereltern zu pflegen,<br />

was sich dann wiederum auf die<br />

eigene finanzielle Absicherung<br />

auswirkt. Auch wenn Frauen gut<br />

ausgebildet sind, sind sie diejenigen,<br />

die zu Hause bleiben,<br />

um die Kinder zu versorgen. Und<br />

wenn dann noch eine pandemische<br />

Krise ist, sind vor allem die<br />

Frauen in der Doppelbelastung<br />

und leisten von der Lehrerin über<br />

die Hauswirtschafterin alles. Und<br />

gleichzeitig sind sie noch im Homeoffice.<br />

Niemand kann zu Hause<br />

arbeiten und zeitgleich noch ausgleichen,<br />

wozu der Staat nicht in<br />

der Lage war. Das ist körperliche<br />

und emotionale Ausbeutung.<br />

In unserem Bereich ist es so, dass<br />

wir Frauen ermutigen nicht aufzugeben.<br />

Auch wenn sie Schlimmes,<br />

wie Gewalt, Obdachlosigkeit,<br />

Armut und Abbrüche erlebt haben.<br />

Trotzdem erleben die Frauen<br />

natürlich, dass sie hauptsächlich<br />

im Niedriglohnbereich oder in der<br />

Gastronomie Arbeit finden. Meist<br />

als nicht sozialversicherungspflichtige<br />

Arbeit, sondern als<br />

Minijob. Das ist die größte Falle<br />

für Frauen, da sich das erst viele<br />

Jahre später auswirkt.<br />

Selbst Frauen, die 40 Jahre im<br />

Niedriglohnbereich gearbeitet<br />

haben, brauchen ergänzende<br />

Sozialhilfe im Alter. Manchmal<br />

brauchen sie schon während ihrer<br />

Arbeitszeit ergänzende Transferleistungen,<br />

was manche nicht<br />

annehmen wollen. Trotz Arbeit<br />

arm zu sein, ist erniedrigend und<br />

nicht motivierend. Ein Mindestlohn,<br />

der noch nicht einmal das<br />

mindeste abdeckt und beschämend<br />

für so ein reiches Land wie<br />

Deutschland ist. Wenn wir daran<br />

nicht arbeiten, werden wir noch<br />

einige Generationen brauchen, um<br />

die <strong>Frauenarmut</strong> abzuschaffen.<br />

WAS RÄTST DU DENEN,<br />

DIE HELFEN MÖCHTEN?<br />

Frauen in Armut und Wohnungslosigkeit<br />

brauchen professionelle<br />

Hilfe von Sozialarbeiterinnen. Es<br />

gibt sicherlich viele Menschen, die<br />

großes Interesse haben, Frauen<br />

individuell und persönlich zu<br />

unterstützen, aber das ist oft<br />

nicht ganz so einfach. Auch was<br />

das Vertrauensverhältnis angeht.<br />

Niemand outet sich gerne als bedürftig<br />

und arm. Daher geben wir<br />

den Frauen auch gerne Gutscheine<br />

von Discountern oder Drogeriemärkten,<br />

damit sie sich das kaufen<br />

können, was sie brauchen.<br />

Was wir allerdings immer brauchen,<br />

sind bestimmte Professionen<br />

wie Rechtsanwälte für Familienrecht<br />

oder Sozialrecht, die wir den<br />

Frauen an die Seite stellen können.<br />

Auch zum Thema Teilhabe freuen<br />

wir uns, wenn wir den Frauen<br />

Theater oder Konzertbesuche<br />

ermöglichen können. Genauso<br />

Weitere Projekte<br />

BOW • BürgerInnen ohne<br />

Wohnung<br />

SPFH • Sozialpädagogische<br />

Familienhilfe<br />

Frauenberatungsstelle •<br />

für Frauen und Paare<br />

in Wohnungsnot<br />

TafF • Tagestreff für Frauen<br />

Frauenpension Wohnen 18+ •<br />

Wohnen für junge Erwachsene<br />

SOZPÄDAL: Scheffelstr. 37, 76135 <strong>Karlsruhe</strong><br />

Schwimmbad, Zoo für Familien.<br />

Oder auch mal finanzielle Mittel,<br />

um mit den Kindern einen Kurzurlaub<br />

machen zu können. Neulich<br />

sagte mir eine Frau, dass ihr größter<br />

Wunsch wäre, dass ihre Kinder<br />

mal das Meer sehen. Sie selbst hat<br />

das auch noch nie, stellt es sich aber<br />

wunderschön vor. Das rührt mich<br />

immer sehr an, weil dieser Wunsch<br />

so nachvollziehbar ist und doch zu<br />

teuer, um es umzusetzen.<br />

WAS LIEGT DIR PERSÖNLICH<br />

BESONDERS AM HERZEN?<br />

Mir liegen alle Frauen in Armut am<br />

Herzen. Aber ganz besonders die<br />

Frauen mit Kindern in den Obdachlosenunterkünften.<br />

Dort können<br />

sie keine anderen Kinder einladen,<br />

keinen Geburtstag feiern und die<br />

Hausaufgaben müssen auf der Bettkante<br />

gemacht werden. Wir brauchen<br />

Wohnungen für Familien, wo<br />

ein Leben in Würde möglich ist.


WAS<br />

TUN?<br />

Interview<br />

WIE BEWERTEN SIE DIE AKTUELLEN ZAHLEN<br />

ZUR ALTERSSICHERUNG?<br />

Ein vorrangiges Ziel für Frauen muss eine eigenständige<br />

Existenzsicherung sein. Das bedeutet, dass sie<br />

von ihrer Erwerbstätigkeit leben können, auch im Alter.<br />

Die aktuellen Zahlen – der Gender Pension Gap liegt<br />

beispielsweise bei 49 % – zeigen allerdings nachdrücklich,<br />

dass diese Grundlage oftmals nicht gegeben ist.<br />

Woran das liegt? Es gibt nicht einen Grund, der für<br />

diesen Unterschied verantwortlich gemacht werden<br />

kann, sondern es sind wie immer unterschiedliche<br />

Aspekte, die hier eine Rolle spielen.<br />

Viele Frauen reduzieren ihre Berufstätigkeit nach der<br />

Geburt der Kinder oder nachfolgend wegen der Pflege<br />

von Angehörigen. Häufig reduzieren sie nicht nur,<br />

sondern unterbrechen die Berufstätigkeit sogar ganz.<br />

Die Konsequenzen sind gravierend. Denn eine Arbeitszeitreduzierung<br />

bedeutet Einschnitte in der Alterssicherung,<br />

Schwierigkeiten des Wiedereinstiegs in die Berufstätigkeit<br />

und Abhängigkeit vom Erwerb des Partners.<br />

mit<br />

Prof. Dr. rer. nat.<br />

Ute Mackenstedt<br />

Gerade in den letzten Jahren der Corona-Pandemie<br />

hat sich leider sehr eindrucksvoll gezeigt, dass in der<br />

Regel Frauen zurückgesteckt haben und mehr Verantwortung<br />

für die Kindererziehung, den Haushalt<br />

und die Pflege von Angehörigen übernommen haben<br />

als Männer. Nach wie vor schreibt unsere Gesellschaft<br />

Frauen bestimmte Eigenschaften zu, die als Rollenstereotype<br />

bezeichnet und die auch als Missstände<br />

in unserer Gesellschaft angesehen werden müssen.<br />

Auch die Berufswahl ist wichtig. Viele Frauen entscheiden<br />

sich für soziale Berufe, im Dienstleistungsgewerbe<br />

oder in der Verwaltung. Der Anteil der Frauen in den<br />

MINT-Berufen ist nach wie vor gering, obgleich dieser<br />

Anteil zunimmt. Insbesondere in den sozialen Berufen<br />

sind die Gehälter niedriger und dies ist verantwortlich<br />

für den unbereinigten Gender Pay Gap. Der bereinigte<br />

Gender Pay Gap liegt mittlerweile bei rund 6 %. Dieser<br />

Unterschied scheint auf den ersten Blick sehr gering zu<br />

sein, aber addieren Sie dies auf eine Lebensarbeitszeit,<br />

dann ist dies durchaus erheblich.<br />

Frau Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Wissenschaftlerin, leitet an der<br />

Universität Hohenheim das Fachgebiet Parasitologie. Seit 2008 hat<br />

sie daneben das Amt der Universitätsgleichstellungsbeauftragten<br />

inne und ist Vorsitzende der Gleichstellungskommission. In<br />

diesen Funktionen ist ein Schwerpunkt ihrer Arbeit die Förderung<br />

der Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft. Zur besseren<br />

Vereinbarkeit von Studium bzw. Wissenschaft und Familie werden<br />

an der Universität Hohenheim die „Kinderbetreuung in besonderen<br />

Situationen“ und die „Campusferien“ durchgeführt.<br />

Neben diesen Tätigkeiten ist Frau Prof. Dr. Mackenstedt seit dem<br />

01.04.2022 erste Vorsitzende des Landesfrauenrates Baden-<br />

Württemberg. Auch hier gehört zu ihren Schwerpunkten die<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf.<br />

UND WAS EMPFEHLEN SIE?<br />

Ich möchte keiner Frau vorschreiben, wie sie ihr Leben<br />

zu gestalten hat und könnte dies auch gar nicht, aber<br />

ich möchte jeder Frau empfehlen, Konsequenzen von<br />

Lebensentscheidungen in den Blick zu nehmen. Daher<br />

würde ich jeder Frau empfehlen, so schnell es geht, in<br />

den Beruf zurückzukehren und auch stetig eine Vollzeitbeschäftigung<br />

anzustreben. Ich bin mir bewusst, dass<br />

es gerade unter den heutigen Bedingungen mit zum<br />

Teil einer völlig unzureichenden Kinderbetreuung sehr<br />

schwer ist, dies zu erreichen. Umso wichtiger ist es, dass<br />

Frauen in der Gesellschaft präsent und sichtbar sind und<br />

ihre Forderungen klar und deutlich formulieren. Eine<br />

50-jährige Frau, die jahrelang ihre Arbeitszeit reduziert<br />

hat, wird ihre Rente in den letzten Jahren nicht mehr so<br />

aufbessern können, dass sie im Alter davon leben kann<br />

und dies betrifft auch Frauen mit einer sehr guten Ausbildung<br />

oder mit einem abgeschlossenen Studium.<br />

BESONDERS ALLEINERZIEHENDE SIND VON<br />

ALTERSARMUT BETROFFEN UND OFT NICHT IN<br />

DER LAGE, VORSORGE ZU TREFFEN. WIE LÄSST<br />

SICH HIER ENTGEGENWIRKEN?<br />

Ich stimme Ihnen zu, dass insbesondere Alleinerziehende<br />

von Altersarmut bedroht sind, wenn sie auf<br />

Grund von fehlender Kinderbetreuung ihre Erwerbstätigkeit<br />

reduzieren müssen. Aber auch hier gilt,<br />

diese Erwerbsreduktion schnell zurückzufahren.<br />

Es führt aber auch zu der grundsätzlichen Frage, was<br />

Kindererziehung und Care-Arbeit unserer Gesellschaft<br />

wert ist? Wenn diese Gesellschaft nur in den Blick<br />

nimmt, wieviel jemand gearbeitet hat in Stunden,<br />

Tagen, Wochen, Jahren, dann bekommt gerade die<br />

Kinderbetreuung und die Fürsorgearbeit, die ja überwiegend<br />

unbezahlt ist, einen sehr geringen gesellschaftlichen<br />

Stellenwert, also keine hohe Wertschätzung.<br />

WELCHE SOZIALPOLITISCHEN REFORMEN UND<br />

STRUKTURELLEN MASSNAHMEN SIND NOTWENDIG,<br />

UM DAS PROBLEM DER FRAUENARMUT,<br />

INSBESONDERE DER ALTERSARMUT, WIRKSAM<br />

UND NACHHALTIG ANZUGEHEN?<br />

Nun, zunächst muss die Familienarbeit (Kinderbetreuung,<br />

Fürsorgearbeit) als wichtige, wenn nicht<br />

sogar die wichtigste gesellschaftliche Aufgabe anerkannt<br />

werden und dies muss sich „auszahlen“,<br />

beispielsweise in zusätzlichen Rentenpunkten.<br />

Das Ehegattensplitting muss ebenso reformiert<br />

werden, was ja im Moment durch die Bundesregierung<br />

nicht nur diskutiert, sondern auch umgesetzt<br />

werden soll. Und es muss dafür gesorgt werden,<br />

dass Frauen ihre Arbeitszeit reduzieren können,<br />

es aber nicht müssen, weil beispielsweise keine<br />

ausreichende Kinderbetreuung vorhanden ist.<br />

36 ZONTA // VORSORGE<br />

ZONTA // VORSORGE<br />

37


STRATEGIEN<br />

FÜR DIE ALTERS-<br />

VORSORGE<br />

Jeder möchte im Alter abgesichert sein, nicht jeden Cent umdrehen<br />

müssen. Die gesetzliche Rente ist meist weit entfernt davon, dies zu<br />

erreichen – ganz besonders für Frauen, die Auszeiten aufweisen. Es ist<br />

daher notwendig, sich frühzeitig bewusst zu machen, welche Lebensentscheidungen<br />

sich wie im Alter auswirken und entsprechende<br />

Maßnahmen zu ergreifen.<br />

Wie Sie Ihr Vorsorgepacket schnüren, hängt von vielen Faktoren, Ihrer<br />

individuellen Lebenssituation, Ihren finanziellen Möglichkeiten und<br />

Ihren Vorlieben ab.<br />

Holen Sie sich Rat! Nachfolgend finden Sie einige Anregungen, die<br />

Ihnen bei Ihren Entscheidungen helfen können.<br />

1. DENKEN SIE MÖGLICHST FRÜH<br />

AN IHRE ALTERSVORSORGE<br />

Je früher, umso effektiver.<br />

2. LEBENSZIELE DEFINIEREN,<br />

ZWISCHENZIELE FESTLEGEN<br />

• Ausbildung, Beruf<br />

• Familienplanung<br />

• Hauskauf<br />

• sonstige Prioritäten<br />

3. ANALYSIEREN SIE IHREN<br />

STATUS QUO<br />

Holen Sie Ihre Renteninformation<br />

von der Deutschen Rentenversicherung<br />

ein und führen Sie eine Kontenklärung<br />

durch.<br />

Haben Sie alle Möglichkeiten weiterer<br />

Rentenpunkte (Ausbildungs-,<br />

Kindererziehungs-, Pflegezeiten<br />

etc.) ausgeschöpft?<br />

4. WO WOLLEN SIE HIN?<br />

Machen Sie sich Gedanken über den<br />

Finanzbedarf im Rentenalter:<br />

Es fallen Ausgaben weg (z. B. Beiträge<br />

zur Altersvorsorge, Kosten im Zusammenhang<br />

mit der Berufstätigkeit,<br />

Kindesunterhalt etc.), evtl. kommen<br />

neue hinzu (Reisen, neue Hobbies).<br />

Rechnen Sie mit<br />

einem langen Leben!<br />

Als Faustregel gilt: Um den gewohnten<br />

Lebensstandard aufrecht zu erhalten,<br />

benötigen Sie rund 80 % des letzten<br />

Nettoeinkommens.<br />

5. BERECHNEN SIE IHRE RENTEN-<br />

LÜCKE (Z. B DURCH RENTEN-<br />

RECHNER IM INTERNET) ODER<br />

LASSEN SIE SICH BERATEN<br />

Folgende Faktoren, je nach<br />

Lebenssituation, sollten<br />

berücksichtigt werden:<br />

• Finanzbedarf<br />

• Erwartete Einkünfte<br />

• Inflation<br />

• Steuern<br />

Foto Georgijevic – iStock<br />

6. WIEVIEL KÖNNEN SIE FÜR DIE<br />

ALTERSVORSORGE INVESTIEREN?<br />

• Auflistung Ihrer Einnahmen- und<br />

Ausgaben, Schulden, Ersparnisse.<br />

Sind die Schulden bis zum Rentenalter<br />

getilgt?<br />

• Behalten Sie den Überblick über<br />

Ihre Finanzen.<br />

• Oft ist die Führung eines Haushaltsbuches<br />

sinnvoll.<br />

• Schon mit wenig Geld monatlich<br />

können Sie viel erreichen.<br />

7. VERGLEICHEN SIE, LASSEN<br />

SIE SICH BERATEN<br />

Welches Vorsorgemodell für Sie sinnvoll<br />

ist und zu Ihnen passt, hängt von<br />

ihrem Einkommen, Ihrer Lebenssituation<br />

und Ihren Vorlieben ab.<br />

Erste Orientierung –<br />

Drei Säulen der Altersvorsorge:<br />

• Gesetzliche Rente, Versorgungswerke,<br />

Rürup Rente<br />

• Geförderte Rentenvorsorge<br />

(z. B. Riester Rente und<br />

betriebliche Altersvorsorge)<br />

• Private Altersvorsorge (z. B.<br />

Private Rentenversicherung,<br />

Aktien, Immobilien)<br />

Setzen Sie nicht alles<br />

auf eine Karte. Lassen<br />

Sie sich beraten.<br />

8. HOLEN SIE IHREN PARTNER<br />

INS BOOT<br />

Altersvorsorge ist Familiensache:<br />

• Seien Sie egoistischer bei der Altersvorsorge.<br />

Familienanschaffungen<br />

sind wichtig, die Ausbildung der<br />

Kinder, Urlaub usw. Ebenso wichtig<br />

sind Sie! Sprechen Sie das Thema<br />

an und ziehen Sie mit Ihrem Partner<br />

an einem Strang.<br />

• Bestehen Sie auf einer Altersvorsorge<br />

in Zeiten der Erwerbslosigkeit<br />

infolge Kindererziehung und<br />

Pflegeleistungen. Stocken Sie<br />

während dieser Zeiten die Sparraten<br />

aus dem Familieneinkommen auf.<br />

• Beachten Sie im Falle des Abschlusses<br />

eines Ehevertrags Zeiten, in denen Sie<br />

nicht oder weniger arbeiten können<br />

oder wollen und sichern sie diese ab.<br />

9. SPRECHEN SIE MIT IHREM<br />

ARBEITGEBER<br />

• Es gibt vielfältige Möglichkeiten,<br />

den Job nur zeitweise zu unterbrechen<br />

oder zeitlich zu verändern:<br />

Brückenteilzeit, flexible<br />

Arbeitszeiten.<br />

• Nehmen Sie betriebliche Altersvorsorge<br />

in Anspruch.<br />

• Halten Sie nach Möglichkeit<br />

Auszeiten kurz.<br />

10. BILDUNG BILDUNG BILDUNG<br />

Bildung ist einer der wichtigsten<br />

Faktoren zur Vermeidung von Armut:<br />

• Achten Sie auf eine gute<br />

Ausbildung.<br />

• Nehmen Sie betriebliche Fortbildungsmaßnahmen<br />

in Anspruch.<br />

• Nehmen Sie an Bildungs- und<br />

Weiterbildungsmaßnahmen teil,<br />

auch in Erziehungs- und Pflegezeiten.<br />

Das geht auch online.<br />

11. CARE-ARBEIT<br />

• Teilen Sie sich nach Möglichkeit<br />

Care-Arbeit mit dem Partner.<br />

• Überlegen Sie, ob Sie für die<br />

Care-Arbeit Dritte in Anspruch<br />

nehmen können, um im Beruf<br />

zu bleiben, Zeit für die Weiterbildung<br />

zu haben.<br />

Hier kommen nicht nur bezahlte<br />

Dienste in Betracht, sondern<br />

z. B. Nachbarinitiativen, Mütterteams<br />

– tun Sie sich mit anderen<br />

Müttern zusammen und gewinnen<br />

dadurch Zeit für sich. Eine gute<br />

Idee sind auch „Leihomas und -opas“,<br />

aktive Senioren, die zeitweise,<br />

auch ehrenamtlich, Betreuungen<br />

übernehmen (Informationen unter<br />

netmoms.de).<br />

12. ENTSCHEIDEN SIE!<br />

Schieben Sie die Entscheidung<br />

nicht auf. Frauen tendieren eher<br />

dahin, zu 100 % die richtige<br />

Entscheidung treffen zu wollen.<br />

Es ist besser, etwas zu 70 % richtig<br />

zu machen als zu 100 % gar nicht.<br />

Wie bewusst ist Frauen<br />

die Rentenlücke?<br />

80 %<br />

kannten den Gender<br />

Pension Gap nicht<br />

59%<br />

wissen nicht, mit<br />

wieviel Geld sie im<br />

Alter rechnen können<br />

Umfrage der Forschungs-Agentuer Q im Auftrag der Allianz Leben 2020<br />

https://www.allianz.de/vorsorge/rente/gender-pension-gap/<br />

35%<br />

haben keinen konkreten<br />

Vorsorgeplan<br />

25%<br />

ist der von Frauen<br />

geschätzte durchschnittliche<br />

Abstand in der<br />

Vorsorge zu<br />

Männern<br />

38 ZONTA // VORSORGE<br />

ZONTA // VORSORGE<br />

39


ICH MÖCHTE<br />

HELFEN,<br />

WAS KANN<br />

ICH TUN?<br />

Es gibt unendlich viele<br />

Möglichkeiten zu helfen.<br />

Nachfolgend finden Sie<br />

ein paar Impulse.<br />

• Für Säuglinge und Kinder<br />

(Säuglingsnahrung, Schnuller,<br />

Fläschchen, Windeln, Gutscheine<br />

für Spielwaren)<br />

• Haltbare Lebensmittel für<br />

Wohnungslose (Müsliriegel, Nüsse,<br />

Schokolade, Dauerkonserven,<br />

Dauerwurst, Dosenbrot, Nüsse etc.)<br />

• Für besondere Anlässe (Weihnachtstasche,<br />

Ostertasche)<br />

Abgabe z. B. an den TAfF<br />

Belfortstraße 10, <strong>Karlsruhe</strong>,<br />

Tel. 0721 84089110, taff@sozpaedal.de<br />

Diakonie KA,<br />

Windeckstr. 7, <strong>Karlsruhe</strong><br />

Tel. 0721 20397022<br />

„Kauf eins mehr" Aktionen der Tafel – Wer<br />

sie unterstützen möchte, kauft im<br />

Supermarkt mehr ein als er eigentlich<br />

braucht und legt das „Zuviel“ in den<br />

Einkaufswagen der Tafel am Ausgang.<br />

Kleidung, Hausrat, Elektrogeräte,<br />

Fahrräder, Computer, Handy,<br />

Ausbildungsmaterialien uvm.<br />

zum Beispiel TAfF oder Diakonie,<br />

Kontakt siehe oben.<br />

An Unternehmen:<br />

Spenden Sie Ihre alten Endgeräte<br />

(Desktop-Computer, Notebooks<br />

und Tablet-PCs). Sie sind wichtiges<br />

Ausbildungsmaterial.<br />

Karten für Konzert,<br />

Kino, Theater, Zoo usw.<br />

Dieser Luxus ist unerschwinglich. Und<br />

doch tut es so gut, einmal ein Konzert<br />

erleben zu dürfen, in einem richtigen<br />

Theater zu sein.<br />

Lassen Sie Ihre Eintrittskarten nicht<br />

verfallen, sondern verschenken Sie sie.<br />

Oder kaufen Sie eine oder zwei mehr<br />

und schenken Sie damit etwas ganz<br />

besonderes Glück.<br />

An Veranstalter:<br />

Nicht ausgebucht? Haben Sie noch<br />

Plätze frei? Verschenken Sie sie!<br />

GUTSCHEINE<br />

Gutscheine jeder Art sind stets sehr<br />

willkommen. Sie können gezielt<br />

verteilt werden und die Gutscheinbesitzer<br />

können selbst kaufen, was<br />

sie benötigen<br />

• Vom Discounter, Drogeriemarkt<br />

• Für einen Besuch beim Frisör<br />

• Vom Optiker für eine Brille<br />

• Für einen Besuch im Schwimmbad<br />

GELDSPENDEN<br />

Selbstverständlich sind Geldspenden<br />

jederzeit willkommen. Sie können<br />

diese an die jeweiligen Organisationen<br />

direkt spenden. Die Bankverbindung<br />

finden Sie in der Regel auf der Website.<br />

Gerne können Sie die Spende auch an<br />

unseren Hilfsfonds „Frauen in Armut“<br />

überweisen. Wir leiten die Gelder an<br />

die Organisationen weiter.<br />

Wenn Sie eine Spendenbescheinigung<br />

benötigen, geben Sie bitte Ihre<br />

Adresse an.<br />

Unsere Bankverbindung<br />

Spendenkonto „Frauen in Armut“<br />

ZONTA <strong>Karlsruhe</strong> Förderverein e.V.:<br />

PSD Bank <strong>Karlsruhe</strong>-Neustadt eG<br />

IBAN: DE66 6609 0900 7396 3846 06<br />

BIC: GENODEF1P10<br />

Gerne können Sie sich auch an uns<br />

wenden unter info@zonta-karlsruhe.de.<br />

Wir vermitteln Ihnen Ansprechpartner.<br />

ICH MÖCHTE MICH PERSÖNLICH<br />

ENGAGIEREN<br />

Persönliches Engagement ist unverzichtbar.<br />

Ehrenamtliche Tätigkeit<br />

tut dem Hilfsbedürftigen wie dem<br />

Helfenden gut.<br />

Teilen Sie Ihre besonderen Interessen,<br />

Kenntnisse, Talente und Fertigkeiten<br />

mit anderen und leisten Sie so wertvolle<br />

Hilfe z. B<br />

• Nachhilfe für Schüler*innen<br />

• Deutschunterricht<br />

• Unterstützung bei Behördengängen<br />

und Formalien<br />

• Zeit für Gespräche<br />

• Unterstützung bei Betreuungen<br />

• Besuchsdienste<br />

• Telefondienste<br />

• Begleitung bei Spaziergängen/<br />

Veranstaltungen/Konzerten/<br />

Museumsbesuchen<br />

• Unterstützung bei Projekten<br />

und Kursangeboten<br />

Sie können sich bei den jeweiligen<br />

Stellen erkundigen.<br />

Das Aktivbüro der Stadt <strong>Karlsruhe</strong> fördert<br />

das ehrenamtliche Engagement<br />

und erteilt weitere Informationen.<br />

Tel. 0721 133-1212,<br />

aktivbuero@afsta.karlsruhe.de<br />

Die online-Datenbank „MitMachZentrale“<br />

der Stadt <strong>Karlsruhe</strong> richtet sich<br />

sowohl an Personen, die auf der Suche<br />

nach Mitwirkungsmöglichkeiten in<br />

<strong>Karlsruhe</strong> sind als auch an Organisationen,<br />

die ehrenamtliche Helferinnen<br />

und Helfer suchen.<br />

SACHSPENDEN<br />

Nahrungsmittel, Verbrauchsartikel<br />

Denken Sie beim Einkauf auch an<br />

Bedürftige und packen ein paar<br />

Sachen mehr in Ihren Einkaufskorb.<br />

Gebraucht werden z. B. haltbare Lebensmittel,<br />

die auch Wohnungslosen<br />

mitgegeben werden können.<br />

Sie können z. B. „Bedarfstaschen“<br />

zusammenstellen:<br />

• Hygienebeutel (Waschutensilien,<br />

Zahnhygiene, Haarpflege,<br />

Monatshygiene)<br />

Illustration rawpixel.com/Freepik<br />

40 ZONTA // WAS KANN ICH TUN<br />

ZONTA // WAS KANN ICH TUN<br />

41


WICHTIGE<br />

TELEFON-<br />

SCHULDNERBERATUNG<br />

• Schuldnerberatung Sozial- und<br />

Jugendbehörde, Stadt <strong>Karlsruhe</strong><br />

0721 1335034<br />

• Schuldner- und Insolvenzberatung<br />

Diakonisches Werk der ev. Kirchenbezirke<br />

im Landkreis <strong>Karlsruhe</strong><br />

07252 586900<br />

• Dettenheim, Karlsbad, Malsch,<br />

Marxzell, Waldbronn, Walzbachtal<br />

0721 93666880<br />

• Linkenheim-Hochstetten,<br />

Pfinztal, Eggenstein-Leopoldshafen,<br />

Rheinstetten<br />

0721 93666350<br />

• Graben-Neudorf, Gondelsheim,<br />

Kraichtal, Kürnbach, Sulzfeld,<br />

Zaisenhausen<br />

0721 93665890<br />

NUMMERN<br />

• Schuldnerberatung des Landkreises<br />

<strong>Karlsruhe</strong>, Südlicher Landkreis<br />

0721 93666040<br />

schuldnerberatung@landratsamtkarlsruhe.de<br />

www.landkreis-karlsuhe.de<br />

• Bruchsal, Bruchsal-Stadtteile,<br />

Julius-Itzel-Haus<br />

0721 93665790<br />

• Forst, Östringen, Weingarten<br />

0721 93666190<br />

FÜR NOTFÄLLE<br />

• Frauenhaus <strong>Karlsruhe</strong><br />

0721 567824<br />

• Geschütztes Wohnen<br />

07251 130324<br />

• Nummer gegen Kummer<br />

0800 1110333 oder 116111<br />

Regional und überregional<br />

gibt es zahlreiche Hilfsangebote<br />

für Frauen.<br />

Nachfolgend finden Sie einige<br />

Adressen von sozialen<br />

Einrichtungen und Institutionen<br />

zu verschiedenen<br />

Themenbereichen, an die<br />

Sie sich wenden können.<br />

WEITERE INFORMATIONEN<br />

Einen guten Überblick und Informationen und Anlaufstellen<br />

in verschiedenen Lebenslagen (z. B. über finanzielle<br />

Hilfen in Notlagen, Wohnhilfen sowie Hilfen zur Pflege<br />

und Lebensunterhalt, Hilfe in Rechtsangelegenheiten,<br />

Patientenrechte, Ausbildung und Weiterbildung, Integration<br />

& Chancengleichheit, psychologische und soziale Beratung<br />

, Altersvorsorge und Ruhestand, Weiterbildung für<br />

Ältere, Freiwilligendienste und bürgerschaftliches Engagement)<br />

bietet die Stadt <strong>Karlsruhe</strong> unter der Internetadresse:<br />

www.karlsruhe.de/bildung-soziales/unterstuetzung-teilhabe<br />

Kontakt:<br />

Rathaus am Marktplatz<br />

76124 <strong>Karlsruhe</strong><br />

Tel. 0721 / 133-0<br />

Dieses Nachschlagwerk informiert über das örtliche Angebot<br />

sowohl für Frauen, die in spezifischen Lebenssituationen<br />

Beratung oder Hilfe benötigen, als auch für Frauen,<br />

die sich engagieren wollen.<br />

Fachkräfte, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren<br />

finden Adressen möglicher Kooperationspartnerinnen<br />

und -partner. Interessierte Bürgerinnen und Bürger<br />

erhalten einen Überblick über die Arbeit <strong>Karlsruhe</strong>r<br />

Frauenorganisationen.<br />

Das Frauenhandbuch für den Landkreis <strong>Karlsruhe</strong><br />

finden Sie unter:<br />

https://t1p.de/hav0c<br />

• Frauenhaus SkF <strong>Karlsruhe</strong><br />

0721 824466<br />

• Wildwasser und Frauen-Notruf<br />

0721 859173<br />

• Bundesweites Hilfetelefon<br />

0800 0116016<br />

Gern hilft Ihnen bei Ihren Fragen auch das Gleichstellungsbüro<br />

der Stadt <strong>Karlsruhe</strong> – Frau Verena Meister – weiter.<br />

(Kontakt siehe „Für Frauen“)<br />

Relevante Kontakte für Frauen und Mädchen entnehmen<br />

Sie dem <strong>Karlsruhe</strong>r Frauenhandbuch:<br />

FÜR FRAUEN<br />

• Gleichstellungsbeauftrage<br />

der Stadt <strong>Karlsruhe</strong><br />

0721 133-3062 | gb@karlsruhe.de<br />

• Gleichstellungsbeauftrage<br />

im Landkreis <strong>Karlsruhe</strong><br />

0721 93651300<br />

• Kontaktstelle Frau und Beruf<br />

<strong>Karlsruhe</strong> / Mittlerer Oberrhein<br />

0721 1337331<br />

https://www.karlsruhe.de/bildung-soziales/integration-<br />

chancengerechtigkeit/gleichberechtigung-von-frauen-<br />

und-maennern/karlsruher-frauenhandbuch<br />

42<br />

ZONTA // WAS KANN ICH TUN<br />

ZONTA // WAS KANN ICH TUN<br />

43


LIEBE LESERINNEN,<br />

LIEBE LESER,<br />

wir danken Ihnen herzlich für Ihr Interesse an dieser Informationsbroschüre.<br />

Worum geht es uns?<br />

Es geht uns darum, Armut besser zu verstehen. Warum geraten Menschen in Armut, was sind die Risikofaktoren?<br />

Welche Weichenstellungen im Leben können zu Armutsgefährdung und Armut führen?<br />

Es geht uns darum, Risikofaktoren zu erkennen und das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer<br />

Altersvorsorge zu schärfen. Insbesondere für Frauen ist die gesetzliche Rente selten ausreichend. Um<br />

eine Absicherung im Alter zu erreichen, ist es wichtig, möglichst frühzeitig Vorsorge zu treffen.<br />

Uns geht es darum, dass wir die Menschen, die in Armut geraten oder armutsgefährdet sind, nicht<br />

vorschnell verurteilen, sondern ihnen mit Verständnis und Wertschätzung begegnen und ihnen so die<br />

Teilhabe an einem gemeinschaftlichen Leben ermöglichen.<br />

Um Frauen in schwierigen Situationen unkompliziert Hilfe zukommen lassen zu können, hat der <strong>Zonta</strong><br />

<strong>Club</strong> <strong>Karlsruhe</strong> e.V. im Jahre 2017 den Fonds „Frauen in Armut“ ins Leben gerufen.<br />

Seit Gründung des Fonds konnte schon vielen Frauen in Notsituationen schnell geholfen werden.<br />

Unterstützt werden unter anderem Maßnahmen und Bedarfe, die durch Sozialhilfeträger nicht<br />

übernommen werden. Wir erteilen z.B. auch Finanzierungshilfen für zusätzliches Personal bei<br />

Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege.Ferner werden von uns Hilfs-, Integrations- und<br />

Unterstützungsprojekte gefördert, die es den Frauen ermöglichen sollen, die psychischen und<br />

gesellschaftlichen Folgen der Armutssituation zu bewältigen.<br />

Anfragen an uns erfolgen über die regionalen Hilfsorganisationen, über die auch die Unterstützung<br />

abgewickelt wird.<br />

Die finanziellen Mittel für diesen Fonds schöpfen wir aus den Erlösen unserer eigenen Aktionen und<br />

Projekte sowie aus Spenden.<br />

Herzlichen Dank all‘ denen, die<br />

uns durch ihre finanzielle<br />

Unterstützung die Herausgabe<br />

der Broschüre ermöglicht haben:<br />

Stiftung Aufwind – Stiftung der PSD Bank <strong>Karlsruhe</strong>-Neustadt e.G.<br />

Daum Rechtsanwälte<br />

feco-feederle GmbH<br />

JSD-Stiftung <strong>Karlsruhe</strong><br />

Lions <strong>Club</strong> <strong>Karlsruhe</strong>-Fächer<br />

Monsignore Friedrich Ohlhäuser-Stiftung<br />

Petri-Schwan, Traudel<br />

Slavetinsky, Beate<br />

Zwesper-Goll, Hannelore<br />

Armut geht uns alle an!<br />

Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung.<br />

Foto WERBEAGENTUR VON SCHICKH<br />

Mechthild Daum<br />

Beate Slavetinsky<br />

ZONTA <strong>Club</strong> <strong>Karlsruhe</strong> e.V.<br />

Spendenkonto „Frauen in Armut“<br />

ZONTA <strong>Karlsruhe</strong> Förderverein e.V.<br />

PSD Bank <strong>Karlsruhe</strong>-Neustadt eG<br />

IBAN: DE66 6609 0900 7396 3846 06<br />

BIC: GENODEF1P10<br />

Impressum<br />

HERAUSGEBER<br />

ZONTA <strong>Club</strong> <strong>Karlsruhe</strong> e.V., District 30, Area 02<br />

Bahnhofplatz 2, 76137 <strong>Karlsruhe</strong><br />

E-Mail: info@zonta-karlsruhe.de<br />

www.zonta-karlsruhe.de<br />

REDAKTION, KONZEPTION, TEXTE, INTERVIEWS<br />

UND VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT<br />

Mechthild Daum, Beate Slavetinsky<br />

ZONTA <strong>Club</strong> <strong>Karlsruhe</strong> e.V.<br />

GESTALTUNG & GRAFIK<br />

WERBEAGENTUR VON SCHICKH GmbH<br />

Felicitas Riffel, Mirjam Hüttner, Annika Käppele,<br />

Bianca Lange, Melina Rittmeyer<br />

Pforzheimer Straße 134, 76275 Ettlingen<br />

www.wvs.de, Telefon: 07243 71100-0<br />

44 ZONTA // DANKSAGUNG<br />

ZONTA // VORSTELLUNG ZONTA UND FONDS


JEDE 5. FRAU<br />

IST IM ALTER<br />

VON ARMUT<br />

BETROFFEN<br />

KLEIDUNG VON<br />

DER WOHLFAHRT.<br />

ESSEN VON DER<br />

TAFEL. ARMUT<br />

SIEHT MAN NICHT<br />

IMMER<br />

PREKÄRE<br />

BESCHÄFTIGUNG,<br />

MINIJOB, TEILZEIT<br />

= GERINGE RENTE<br />

TABUTHEMA<br />

ARMUT: NUR<br />

WENIGE FRAUEN<br />

TRAUEN SICH,<br />

OFFEN DARÜBER<br />

ZU SPRECHEN<br />

SCHEIDUNG,<br />

TRENNUNG<br />

UND KEINE<br />

VORSORGE<br />

GETROFFEN<br />

ALLEIN-<br />

ERZIEHEND<br />

KINDER<br />

VERSORGT,<br />

ANGEHÖRIGE<br />

GEPFLEGT<br />

= GERINGE RENTE<br />

HÄUSLICHE<br />

GEWALT: OFT<br />

BLEIBEN FRAUEN<br />

AUS ANGST VOR<br />

46 ZONTA ARMUT<br />

// TABUTHEMA RUBRIK TEMPEROLATUS FRAUENARMUT<br />

FRAUENARMUT<br />

HAT VIELE<br />

GESICHTER.<br />

TUN WIR ETWAS!

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