31.10.2023 Aufrufe

Tabuthema Frauenarmut - Zonta Club Karlsruhe e.V.

Frauenarmut hat viele Gesichter. Tun wir etwas!

Frauenarmut hat viele Gesichter. Tun wir etwas!

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FRAUEN LEBEN LÄNGER –<br />

ABER WOVON?<br />

807 € im Monat<br />

beträgt die durchschnittliche gesetzliche Rente*<br />

einer Frau in Deutschland.<br />

Im Vergleich dazu bekommt ein Mann durchschnittlich<br />

1.305 € im Monat an gesetzlicher Rente*.<br />

* der Deutschen Rentenversicherung<br />

Stand 31.12.2021<br />

Quelle: Rentenversicherungsbericht 2022, Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

Entwicklung des<br />

Gender Pension Gap<br />

in Deutschland 1992-2019 (in %)<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

1992<br />

1995<br />

1999<br />

2003<br />

2007<br />

2011<br />

Unter Berücksichtigung aller drei Säulen der Alterssicherung: Gesetzliche<br />

Rentenversicherung bzw. Beamtenversorgung, Betriebliche Alterssicherung,<br />

Private Alterssicherung<br />

Quelle: Altersicherungsbericht 2020, Bundesregierung zum Rentensicherungsbericht<br />

2015<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung 07.03.2023<br />

2019<br />

Jede fünfte Frau<br />

ab 65 Jahren ist armutsgefährdet.<br />

Erika Biehn, 65 Jahre, aus Lippstadt.<br />

Alleinstehend, drei Kinder.<br />

„Bei mir fing die Armut an, als ich<br />

alleinerziehend wurde. Bei meiner<br />

Scheidung war ich 25 und hatte zwei<br />

Kinder im Alter von vier und sechs<br />

Jahren, später kam ein drittes hinzu.<br />

Im einzigen Hort, der eine Kinderbetreuung<br />

am Nachmittag anbot,<br />

habe ich keinen Platz bekommen.<br />

Aber ohne Kinderbetreuung kann<br />

man nicht vernünftig erwerbstätig<br />

sein! Wir lebten von Sozialhilfe. Ich<br />

war immer sehr sparsam, aber es<br />

war schwierig. Ich musste genau planen,<br />

damit ich Miete zahlen konnte<br />

und die Kinder genügend zu essen<br />

hatten. Mich ärgert sehr, wenn ich<br />

mitleidig angeschaut werde. Denn<br />

ich habe viel geleistet und immer<br />

gearbeitet – wenn auch nicht immer<br />

gegen Geld. Seit bald 40 Jahren<br />

engagiere ich mich im Verband<br />

alleinerziehender Mütter und Väter<br />

und habe es mit 49 Jahren geschafft,<br />

ein Diplom als Sozialarbeiterin zu<br />

machen. Leider ist daraus keine<br />

Berufstätigkeit mehr erwachsen.“<br />

Quelle: 25-Jahre-Armutskonferenz<br />

www.nationalearmitskoferenz.de<br />

Du kannst das<br />

nicht haben<br />

Also, ich schneide meine Haare selber. (…) Und dann rauche ich<br />

nicht, ich gehe nicht fort, ich meine, zum Essen oder so etwas.<br />

(…) Meine Möbel, die ich zu Hause habe, die habe ich noch von<br />

den Zeiten in der Lagerhalle, Kleidung, ich sage Ihnen, ich habe<br />

so viel Kleidung von Leuten. (…) Ich kann zu Hause überleben (…)<br />

aber dann darf ich nicht rausgehen. Kann ich schon, aber dann<br />

muss ich lernen, ins Schaufenster zu gucken oder im Regal zu<br />

gucken und zu sagen: „Nein, das kannst Du nicht haben. Du<br />

kannst Dir nicht einen Kaffee kaufen, weil Du hast zu Hause ein<br />

Paket Kaffee für vier Euro, davon kannst du 30 Kaffee machen<br />

und die machst du dir zu Hause aber du kaufst dir nicht einen<br />

für zwei Euro da.“<br />

Jolanda F.<br />

Selbst<br />

schuld?<br />

Ich habe lange gedacht: Ich sage es keinem Menschen,<br />

wie wenig ich kriege. In meinen Frauengruppen reden<br />

wir über viele verschiedene Themen, Frauenthemen<br />

natürlich, private und politische Themen, Altwerden und<br />

unsere eventuelle Hilfsbedürftigkeit, aber das Geldthema<br />

ist tabuisiert. Was jede zur Verfügung hat oder die<br />

Einkommensteuerbescheide, darüber herrscht tiefes<br />

Schweigen.(…) Einerseits war ich total wütend über<br />

meine kleine Rente, andererseits habe ich mich auch<br />

geschämt. Ich fühlte mich schuldig, habe mir für meine<br />

Lage selbst die Schuld gegeben (…)<br />

Hilde M.<br />

Quelle: Irene Götz (Hrg.) Kein Ruhestand, Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2019)<br />

ALLTAGSSORGEN<br />

KRAUTWICKEL AUS<br />

KOHLRABIBLÄTTERN –<br />

HUNDERPROZENTIG<br />

BIN ICH ARM<br />

Ich koche zwei, drei Portionen für zwei,<br />

drei Tage (…), heute habe ich vorbereitet,<br />

dass ich Krautwickel mache (…). Aber<br />

nicht mit Kraut (…) mit Blättern, (…) von<br />

Kohlrabi, die großen Blätter. (…) Und die<br />

haben Sie umsonst bekommen? Natürlich.<br />

Das bekommt man immer umsonst.<br />

Die schmeißen sie sowieso weg, aber<br />

ich frage immer. Ach das Leben liegt vor<br />

uns, und Rente, so alt werde ich vielleicht<br />

gar nicht, wir kommen schon irgendwie<br />

durch. Aus heutiger Sicht scheint es naiv,<br />

damals war es ein optimistischer Blick in<br />

eine ferne Zukunft. Also manche Frauen<br />

sagen, das, was wir in der Frauenbewegung<br />

angestoßen und verändert haben,<br />

unsere Forderungen nach mehr Freiheit,<br />

nach einem selbstbestimmten Leben,<br />

sowohl persönlich als auch gesamtgesellschaftlich,<br />

hat ja die Lebenssituationen<br />

für alle Frauen verändert, ja die Situation<br />

für die gesamte Gesellschaft, war also<br />

gesellschaftliche Arbeit. Für diese Arbeit<br />

sollte es Rentenpunkte geben! Das war<br />

vorher leider oft so, dass ich immer irgendwie<br />

dachte, das habe ich ja gar nicht<br />

verdient, das steht mir gar nicht zu (…)<br />

Das ist wieder so eine typisch weibliche<br />

Selbstabwertung.<br />

Elisabeth K.<br />

20 ZONTA // RENTENFALLE<br />

ZONTA // RENTENFALLE<br />

21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!