MutundLiebe 492023 Westend 01122023

MUT&LIEBE / THEMA /
tragende Staatsmänner und Kriegshelden empfing,
die Chronik der international bekannten Frauenklinik,
deren Mauern das Grundstück dann seit Anfang des
20. Jahrhunderts zierten.
Schnell fanden sie Anschluss an die Offenbacher Kalligraphie-Szene.
Dankwart Samel ist ein Mann mit Sinn
für Details, für feine Differenzen und Abgrenzungen.
Seien sie terminologischer oder ästhetischer Natur. Er
nimmt es genau, könnte man sagen. Eifrig studierte er
Feinheit, Geschichte und Handwerk der Schriftkunst
– von der Pike auf und bei keinem Geringeren als
dem Gründervater der Offenbacher Schreibwerkstatt
des Klingspormuseums, Dr. Karlgeorg Hoefer, persönlich.
Der wiederum erkannte schnell das leidenschaftliche
Talent des erfahrenen Baudekorateurs
und machte Samel alsbald zum Schriftführer der
Schreibwerkstatt. Spätestens da hatte Dankwart seine
Leidenschaft gefunden, spätestens seitdem war
das Ehepaar fest und unlösbar mit Geschichte und
Geschehen der Schreibwerkstatt verknüpft.
Als diese dann nach 15 Jahren Anfang der 2000er aus
ihrem alten Archiv in der Kaiserstraße herausmusste,
begleiteten Samels die Übersiedlung in die neuen, bis
heute aktiv genutzten Räume des zukünftigen ‚Karlgeorg
und Maria Hoefer Archivs‘ in der Rumpenheimer
Kunstfabrik. Mit Hingabe entwarfen und organisierten
sie die erste Ausstellung, planten eine fulminante, bis
heute fest im Gedächtnis verankerte Eröffnungsfeier.
„Anfangs dachten wir wirklich, wenn von den 400 verschickten
Einladungen am Ende 30 Gäste kämen, könnten
wir uns eigentlich schon glücklich schätzen“, lacht
Gunhild. Als sich die Pforten dann, am 08.02.2009,
nach Monaten zehrender Arbeit, tatsächlich feierlich
öffneten, wurden ihre Erwartungen schlicht um ein
Vielfaches übertroffen: Über 150 Gäste besuchten die
Veranstaltung, Schriftkunstvirtuosen wie Professor
Hermann Zapf oder Hans Schmidt, Literaturexperte
Lothar Franke – „…die Elite, ja sozusagen die absolute
Ehrengarde der internationalen Kalligraphie-Szene
war damals vor Ort“, erinnert sich Dankwart Samel
nicht ohne Stolz. Ging es schließlich auch darum, die
Schreibwerkstatt weithin bekannt zu machen, Zuschüsse
für Katalogdruck und Archivarbeit zu sichern,
die Schriftkunst lebendig zu halten. Was soll man sagen:
Es ist ihnen gelungen! Bis heute ist Dankwart
Samel Ehrenmitglied der Vereinigung der Freunde
des Klingspor Museums e. V.. Er und seine Frau verfolgen
nach wie vor Entwicklungen der Forschung,
sie besuchen Ausstellungen und Vorträge. Schon immer
war die Offenbacher Kulturszene etwas, was die
Samels sehr zu schätzen wussten.
Die Wände ihrer Wohnung in der Frankfurter Straße
122 sind gesäumt von Kunstwerken – Kunstwerken
der Schriftkunst, versteht sich. Es sind Geschenke befreundeter
Kalligraphen, Sammlerexemplare, Erinnerungsstücke
– fast schon ein kleines privates Archiv.
Kunstwerke die gleichermaßen Geschichte schreiben,
wie sie Geschichte erzählen – …ein wenig vielleicht,
wie es sich auch bezüglich des Verhältnisses von Ort
und Mensch, Ursprung und Status quo verhält: Das
eine bedingt das andere.
Oder, wie Dankwart Samel sagen würde: „Der Mensch
kennt nur das, was er in seiner Entstehung, seinem Ursprung,
seinem Werden und Sein in Gänze zu erfassen
vermag.“
24 DEZEMBER / JANUAR / FEBRUAR 2023/24