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RECHNUNGSLEGUNG<br />
Rechnungslegung nach OR<br />
Art. 958c OR enthält in Abs. 1 Ziff. 1-7 die nicht abschliessende Aufzählung der Grundsätze<br />
ordnungsmässiger Rechnungslegung (GoR). Im Folgenden wird der Grundsatz der Stetigkeit<br />
(Ziff. 6) näher erläutert. Dieser sieht vor, dass bei der Darstellung und der Bewertung stets<br />
die gleichen Massstäbe zu verwenden sind.<br />
Tobias Hüttche<br />
Stetigkeit ist Voraussetzung für einen über<br />
die Jahre möglichen Zeitvergleich. Diesem<br />
Zweck dient auch die Angabe von Vorjahreswerten<br />
in allen Bestandteilen der<br />
Rechnungslegung (Art. 958d Abs. 2 OR).<br />
Die Stetigkeit bezieht sich daher auch auf<br />
freiwillige erstellte Teile, soweit dort mindestens<br />
über ein Vorjahr berichtet wird.<br />
Die Stetigkeit hat zwei Dimensionen:<br />
Formell verlangt sie die Beibehaltung von<br />
Darstellung und Gliederung der Bilanz und<br />
Erfolgsrechnung sowie weiterer zahlenmässiger<br />
Präsentationen und Offenlegungen.<br />
Dies betrifft unter anderem:<br />
die Gliederung der Bilanz und<br />
Erfolgsrechnung (z. B. nach dem<br />
Umsatzkostenverfahren);<br />
die Bezeichnung der einzelnen<br />
Positionen und ihre allfällige Erläuterung<br />
insbesondere im Anhang;<br />
die Benennung und Berechnung von<br />
Zwischensummen;<br />
die Zuordnung von Konten zu Positionen<br />
der Bilanz und Erfolgsrechnung;<br />
die Aufgliederung von Sammelpositionen<br />
der Bilanz und Erfolgsrechnung<br />
im Anhang.<br />
Auch die Entscheidung über die Länge des<br />
Geschäftsjahrs ist eine formale Festl egung,<br />
die stetig auszuüben ist (Lipp, Handkommentar<br />
zum Schweizer Privatrecht,<br />
Art. 958c N 36).<br />
Mit materieller Stetigkeit ist die gleichmässige<br />
Anwendung aller Methoden<br />
gemeint, welche die Erfassung von Aufwänden<br />
und Erträgen regeln und damit<br />
letztlich den Ansatz und die Bewertung von<br />
Vermögenswerten und Verbindlichkeiten in<br />
der Bilanz.<br />
Stetig sind nicht nur die Gesetzesartikel<br />
über die Rechnungslegung anzuwenden,<br />
sondern auch Verwaltungsanweisungen<br />
(etwa Kreisschreiben, Merkblättern der<br />
ESTV, FINMA-Rundschreiben) oder unternehmensinterne<br />
Verfahren (z. B. Konzernrichtlinien).<br />
Unter Bewertungsmethoden<br />
sind dabei alle systematischen Vorgehensweisen<br />
zur Wertermittlung zu verstehen.<br />
Darunter fallen Methoden zur Ermittlung<br />
von Anschaffungs- und Herstellungs kosten,<br />
die Folgebewertung (Berechnung von<br />
Abschreibungen und Wert berichtigungen)<br />
wie auch die Bemessung von Rückstellungen<br />
sowie die Festlegung von CGUs<br />
(zahlungs mittelgenerierende Einheiten) und<br />
die Zuordnung des Goodwills.<br />
Zu den Bilanzierungsmethoden zählen<br />
alle systematischen Vorgehensweisen<br />
zur Ersterfassung (Zugangsbewertung).<br />
Dies betrifft die Ausübung expliziter<br />
Bilanzierungs wahlrechte ebenso wie die<br />
systematische Ausfüllung entsprechender<br />
Spielräume (z. B. Definition von Ansatzkriterien<br />
für selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte<br />
oder für Rückstellungen).<br />
Auch bei der Erstellung von Zwischenabschlüssen<br />
gemäss Art. 960f OR ist der<br />
Grundsatz der Stetigkeit zu beachten.<br />
Werden diese im Rahmen von Umstrukturierungen<br />
erstellt, so gelten die allgemeinen<br />
Rechnungslegungsvorschriften und damit<br />
auch der Grundsatz der Stetigkeit.<br />
Auch wenn die Stetigkeit in Art. 958c Abs. 1<br />
Ziff. 6 OR absolut formuliert ist, sind sachlich<br />
begründete und gegenüber den Adressaten<br />
der Rechnungslegung offenzulegende<br />
Ausnahmen zulässig. Bei sich ändernden<br />
Verhältnissen würde das Festhalten an<br />
nicht mehr adäquaten Verfahrens weisen die<br />
zuverlässige Lagebeurteilung des Unternehmens<br />
gemäss Art. 958 Abs. 1 OR erschweren.<br />
Dabei ist zu unterscheiden:<br />
Die Anpassung von geschätzten<br />
Parametern (Zinssätzen, Wechselkursen,<br />
Inflationserwartungen etc.) ist<br />
jederzeit möglich und sogar erforderlich<br />
(EXPERTsuisse, HWP 2023, Teil II<br />
N 61).<br />
Ebenso müssen erkannte Fehler<br />
korrigiert werden. Es gibt keine Stetigkeit<br />
im Falschen.<br />
Von den angewandten Bilanzierungs-<br />
und Bewertungsmethoden<br />
(s. Art. 959c Abs. 1 Ziff. 1 OR) kann<br />
abgewichen werden, sofern ein sachlicher<br />
Grund dafür besteht. Diese<br />
Möglich keit wird zu einer Pflicht für<br />
das Unternehmen, wenn sich nur<br />
dadurch seine Lage so darstellen<br />
lässt, dass sich die Adressaten des<br />
Geschäfts berichts weiterhin ein zuverlässiges<br />
Urteil bilden können (Art. 958<br />
Abs. 1 OR).<br />
Von der Stetigkeit muss abgewichen<br />
werden, wenn es gesetzlich angeordnet<br />
ist (etwa bei der Rechnungslegung<br />
zu Veräusserungswerten nach<br />
Art. 958a OR oder wenn neues oder<br />
revidiertes Recht dies verlangt).<br />
Selbstverständlich kann nur von einer zulässigen<br />
in eine andere zulässige Methode<br />
gewechselt werden. Sachliche Gründe<br />
für einen Wechsel können Änderung von<br />
14 <strong>veb</strong>.ch | <strong>Standard</strong> 4 I 2023