BILDUNG Im Gespräch mit Rudolf Strahm Professional-Titel stärken die Reputation der höheren Berufsbildung Rudolf Strahm unterstützt den Weg zur Aufwertung und Sichtbarkeit von Berufen und Weiterbildungsabschlüssen durch Professional-Titel. Trotz polarisierender Meinungen setzt sich der Bildungsexperte für eine schweizweit einheitliche Lösung der höheren Berufsbildung ein. Interview: Bettina Kriegel I Foto: C. Jäggi 40 <strong>veb</strong>.ch | <strong>Standard</strong> 4 I 2023
«Karriere mit Berufsbildung – Warum der Arbeitsmarkt Fachkräfte mit Berufslehre am meisten begehrt» lautet der Titel des neuen Buchs von Rudolf Strahm, das er zusammen mit Ea Eller und Jörg Wombacher dieses Jahr veröffentlicht hat. Das Werk dient einerseits als Leitfaden für Eltern und Lehrpersonen bei der Berufswahl und beleuchtet anderseits auch Themen wie Berufskarriere, Fachkräftemangel und Wettbewerbsfähigkeit. Ein ganzes Kapitel widmet sich den Reform-Baustellen im Bildungs system, einschliesslich der Titel bezeichnungen der «Ich begrüsse sehr, dass <strong>veb</strong>.ch die Initiative zugunsten der Titelaufwertung ergreift und damit die Behörden unter zeitlichen Druck setzt.» höheren Berufsbildung, die laut Strahm weniger wertgeschätzt werden. Rudolf Strahm engagiert sich seit Jahren aktiv für die duale Bildung und fordert unter anderem die Einführung standardisierter Professional- Titel auf nationaler Ebene. Wir haben den Bildungsexperten nach seiner Meinung zum Alleingang von <strong>veb</strong>.ch bei den Professional- Titeln befragt und hervorragende Antworten erhalten. Herr Strahm, was halten Sie von der Einführung der Professional- Titel durch <strong>veb</strong>.ch? Glauben Sie, dass diese Titel einen Mehrwert für die Berufsbildung in der Schweiz darstellen? Ich begrüsse sehr, dass <strong>veb</strong>.ch die Initiative zugunsten der Titelaufwertung ergreift und damit die Behörden unter zeitlichen Druck setzt. Denn die Einführung einer geschützten Titeläquivalenz ist schon lange im Staatssekretariat für Bildung, Forschung, Innovation SBFI in Bearbeitung und kommt nur schleppend voran. Sie fragen nach dem Mehrwert des Titels «Professional Bachelor». Heute spielen die erreichbaren Berufstitel eine ganz entscheidende Rolle beim Richtungsentscheid «Berufslehre oder Gymnasium» oder später bei der Wahl der karriereorientierten Weiter bildung. Die Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» werden die beruflichen Weiterbildungen auf der TertiärB-Stufe sichtbarer machen und die Wettbewerbsposition der Höheren Berufsbildung (HBB) ganz bestimmt verbessern. Welche Vorteile sehen Sie konkret? Mit den eingängigen Titeln « Professional Bachelor» und «Professional Master» werden diese Bildungsgänge besser wahrgenommen. Die Allgemeinheit kennt heute die Titel EFZ und EBA in der Berufs bildung und die Titel Bachelor, Master, Doktorat auf der Hochschulstufe. Aber die 400 Berufsbezeichnungen der Höheren Berufsbildung haben keinen über geordneten eingängigen Titel. Deshalb sind sie oft nur in den Branchen bekannt und nicht darüber hinaus. Der übergeordnete Titel «Professional Bachelor / Master» bringt als Zusatz zu den eigentlichen Fachausweisen und Diplomen endlich eine Titeläquivalenz zu Deutschland und Österreich, die diese schon ein geführt haben. Aber sie markieren auch eine Äquivalenz und gleichzeitig eine Abgrenzung zu den Hochschultiteln der Fachhochschulen und Universitäten. Swissuniversities befürchtet eine Verwässerung der akademischen Bachelor- und Master-Titel. Teilen Sie diese Befürchtung? Die Hochschulen, die in swiss universities verbunden sind, verteidigen mit ihrer Gegner schaft einfach ihre standespolitischen Interessen. Die Behauptung, die Professional- Titel würden eine Verwirrung stiften, ist bloss Vorwand. Die Fachhochschulen und Universitäten stehen mit ihren non formalen, teuren Weiterbildungsangeboten CAS, DAS, MAS in direkter Konkurrenz. Im Hintergrund steht die Sorge der Universitäten, dass viele Uni-Abgänger, namentlich in den Geistes- und Sozialwissenschaften, auf dem Arbeitsmarkt grosse Mühe haben, während der private Arbeitsmarkt heute die Absolventen der Höheren Berufsbildung mehr begehrt. Rechtlich ist der Sachverhalt wie folgt: Die Titel «Professional Bachelor» und « Professional Master» sind gesetzlich nicht geschützt. <strong>veb</strong>.ch kann diese verleihen, aber ich rate dringend, dass der Verband eine gesetzliche Anerkennung durch den Bund anstrebt. Wenn diese Titel nicht geschützt sind, können sonst auch frag würdige private Anbieter auf die Idee kommen, diese anzuwenden. Zudem rate ich Ihnen dringend, die Einstufung im Nationalen Qualifikationsrahmen NQR zu respektieren, also NQR-6 für «Professional Bachelor» und NQR-7/8 für «Professional Master». (Für NQR-5 Fachausweise braucht es eine spezielle Begründung oder später einen Ausbau zu NQR-6.) Im Parlament wurden die Professional - Titel bachab geschickt. Und das SBFI hat auf Anfrage der Handelszeitung geschrieben, dass sie am Thema dran seien und im November über die Ausarbeitung und Unterbreitung einer Gesetzes vorlage zur Einführung der Titel zusätze «Höhere Fachschule» informieren. Die Mühlen in Bern mahlen langsam, was ist zu erwarten? Das Parlament ist gespalten: Im Nationalrat wurde die Titeläquivalenz mit Professional Bachelor und Professional Master zwei Mal angenommen, hingegen im Ständerat aufgrund der Hochschullobbys zwei Mal Buch «Karriere mit Berufsbildung – Warum der Arbeitsmarkt Fachkräfte mit Berufslehre am meisten begehrt» Ea Eller, Rudolf Strahm, Jörg Wombacher: Karriere mit Berufsbildung – Warum der Arbeitsmarkt Fachkräfte mit Berufslehre am meisten begehrt. hep Verlag Bern 2023, 208 Seiten, Infografiken, CHF 29, E-Book CHF 21. <strong>veb</strong>.ch | <strong>Standard</strong> 4 I 2023 41