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Doppel-MS – eine Surround- Aufnahmetechnik ... - Hauptmikrofon.de

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<strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> <strong>–</strong> <strong>eine</strong> <strong>Surround</strong>-<br />

<strong>Aufnahmetechnik</strong> unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Double M/S <strong>–</strong> a <strong>Surround</strong> recording<br />

technique put to test<br />

Helmut Wittek*,<br />

Christopher Haut **, Daniel Keinath ***<br />

* Schoeps Mikrofone GmbH, wittek@schoeps.<strong>de</strong><br />

** IHA, Fachhochschule Ol<strong>de</strong>nburg, christopher.haut@fh-ol<strong>de</strong>nburg.<strong>de</strong><br />

*** ETI, Musikhochschule Detmold, d_keinath@onlinehome.<strong>de</strong><br />

Abstract<br />

<strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> ist <strong>eine</strong> <strong>Aufnahmetechnik</strong> für Zweikanal- als auch Mehrkanalstereofonie, die sich nicht<br />

zuletzt aufgrund ihrer rein praktischen Vorteile großer Beliebtheit erfreut.<br />

Aber was steckt tatsächlich hinter <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong>?<br />

Nähere Betrachtungen in theoretischer und praktischer Richtung zeigen: <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> kann gute<br />

Ergebnisse in verschie<strong>de</strong>nen Anwendungen liefern, wenn gewisse Parameter bei <strong>de</strong>r Dematrizierung/Dekodierung<br />

beachtet wer<strong>de</strong>n. Vergleichsaufnahmen mit <strong>de</strong>n Referenzsystemen IRT-Kreuz<br />

und OCT <strong>Surround</strong> belegen, dass in verschie<strong>de</strong>nen Aufnahmesituationen <strong>eine</strong> optimale Dekodierung<br />

<strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Signale ähnlich bzw. genauso gute Ergebnisse liefert. Zu <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Parametern zählen unter an<strong>de</strong>rem Crosstalkpegel und Lokalisation sowie die Korrelation <strong>de</strong>r<br />

Lautsprechersignale. Die Dekodierung lässt sich nur dann optimieren, wenn bei<strong>de</strong> Kanal-Paare<br />

L/R und LS/RS aus allen drei Mikrofonsignalen gewonnen wer<strong>de</strong>n - dies entspricht quasi <strong>eine</strong>m<br />

Mitten-Signal mit variabler Richtcharakteristik. Diese Möglichkeit macht die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> <strong>Aufnahmetechnik</strong><br />

auch für Zweikanal-Aufnahme zu <strong>eine</strong>r interessanten Option.<br />

In Hörversuchen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r maximale Crosstalkpegel ermittelt, ab <strong>de</strong>m negative Konsequenzen<br />

für Klang und Abbildung entstehen.<br />

Das <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> System stellt sich als System heraus, das jenseits s<strong>eine</strong>r traditionellen Anwendung<br />

für Dokumentation und Hörspiel s<strong>eine</strong> Berechtigung und s<strong>eine</strong> Anhänger hat.<br />

Abstract<br />

Double-M/S is a recording technique for two-channel as well as multichannel stereo. It has consi<strong>de</strong>rable<br />

practical advantages which justify its growing popularity.<br />

What is really behind Double M/S?<br />

Closer examination shows that it can provi<strong>de</strong> high-quality pickup not only of ambient sound but<br />

also of music, provi<strong>de</strong>d that certain criteria are consi<strong>de</strong>red in the <strong>de</strong>matrixing/<strong>de</strong>coding of the<br />

three microphone signals. Recordings ma<strong>de</strong> simultaneously with the "IRT Cross" and "OCT <strong>Surround</strong>"<br />

reference systems reveal that Double M/S can achieve comparable overall quality, given<br />

optimal <strong>de</strong>coding.<br />

The <strong>de</strong>cisive parameters for the quality of <strong>de</strong>coding are crosstalk level, localization, and the<br />

<strong>de</strong>gree of correlation among the loudspeaker signals. These characteristics can be optimized only<br />

if the L/R and LS/RS channel pairs are both obtained from all three of the microphone signals. In<br />

other words, the optimal <strong>de</strong>coding needs a variable M pattern generated through a mix of front-<br />

and rear-facing cardioids. This capability also makes Double M/S an interesting option for twochannel<br />

recording, similar to Ambisonics.<br />

Experiments have revealed the maximum allowable crosstalk level above which the sound color<br />

and sound image begin to be adversely affected.<br />

The Double M/S system turns out to be a system that is suitable for more than just the usual<br />

applications in documentary sound and radio drama.<br />

An English version of a paper on this topic will be available on www.schoeps.<strong>de</strong>.<br />

1


Glie<strong>de</strong>rung<br />

Glie<strong>de</strong>rung.......................................................................................................... 2<br />

Einleitung ........................................................................................................... 2<br />

1. Das <strong>MS</strong>-Prinzip.......................................................................................... 3<br />

2. Beschreibung <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung ...................................................... 4<br />

2.1. Mikrofonanordnung................................................................................. 4<br />

2.2. Generierung von 2/0-Stereo und 3/2-Stereo-Signalen ................................ 5<br />

2.3. Verwandtschaft <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Systems mit <strong>de</strong>r Ambisonics-<strong>Aufnahmetechnik</strong><br />

6<br />

3. Parameter zur theoretischen Analyse <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Technik .......................... 8<br />

3.1. Richtungsabbildung (Lokalisation) ............................................................ 9<br />

3.2. Kohärenz / Korrelation ...........................................................................13<br />

3.3. Crosstalk..............................................................................................17<br />

4. Praktische Untersuchung anhand von verschie<strong>de</strong>nen Testaufnahmen ..............20<br />

4.1. Verschie<strong>de</strong>ne Varianten <strong>de</strong>r Dekodierung von <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> ...........................21<br />

4.2. Subjektive Erfahrungen mit <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Aufnahmen ...................................24<br />

5. Werkzeuge zur Dekodierung von <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> ................................................25<br />

6. Danksagung.............................................................................................27<br />

7. Literatur ..................................................................................................27<br />

Anhang .............................................................................................................29<br />

Einleitung<br />

Die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> <strong>Aufnahmetechnik</strong> erfreut sich einiger Beliebtheit und zählt zu <strong>de</strong>n etablierten<br />

<strong>Aufnahmetechnik</strong>en für bestimmte Anwendungen. Trotz<strong>de</strong>m ist über ihre Eigenschaften<br />

relativ wenig bekannt. Es besteht offensichtlich Nachholbedarf sowohl an <strong>eine</strong>r<br />

Beschreibung <strong>de</strong>r objektiven Eigenschaften als auch an Erfahrungsberichten mit dieser<br />

Mikrofonanordnung. Auch die verschie<strong>de</strong>nen Arten <strong>de</strong>r Dekodierung (De-Matrizierung)<br />

<strong>de</strong>r <strong>MS</strong>-Signale sind nicht allgemein bekannt, und erst seit kurzem existieren neue<br />

Werkzeuge zur optimalen Dekodierung.<br />

Der Autor dieses Aufsatzes ist in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren selbst manchmal <strong>de</strong>m Vorurteil<br />

zum Opfer gefallen, dass <strong>MS</strong>-Technik per se <strong>eine</strong> <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren <strong>Aufnahmetechnik</strong>en<br />

unterlegene <strong>Aufnahmetechnik</strong> sei. Dies ist nicht <strong>de</strong>r Fall. Eine <strong>MS</strong>-Aufnahme ist mitnichten<br />

ein Kompromiss (vgl. [9]) und auch die Verwendung <strong>de</strong>r <strong>MS</strong>-Technik für Mehrkanalaufnahme<br />

ist kein Problem, wenn man die Eigenschaften <strong>de</strong>r <strong>MS</strong>-Technik kennt. Es gilt<br />

auch allgmein: Nur wer die Eigenschaften <strong>eine</strong>r Anordnung kennt, kann mit <strong>de</strong>ren Vorzügen<br />

und Schwächen gut umgehen, k<strong>eine</strong> <strong>Aufnahmetechnik</strong> bietet von vorn herein<br />

gute Ergebnisse. Zum Glück gibt es kein „Idioten-sicheres“ Aufnahmeverfahren. Wenn<br />

Werbung solches suggeriert, ist Vorsicht geboten, <strong>de</strong>nn oft kann man mit <strong>de</strong>m beworbenen<br />

Produkt nicht nur nichts falsch, son<strong>de</strong>rn auch nichts richtig machen.<br />

So kann auch die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung, genau wie die <strong>MS</strong>-Technik überhaupt, durch<br />

schlechte Dekodierung unbrauchbare o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st schlechtere Ergebnisse liefern.<br />

Genau wie bei <strong>de</strong>r behutsamen Einstellung <strong>de</strong>s Öffnungswinkels zweier Mikrofone im<br />

XY-Verfahren verlangt auch die <strong>MS</strong>-Technik <strong>eine</strong> vom Tonmeister bewusst kontrollierte<br />

Dekodierung. Diese scheinbar selbstverständliche For<strong>de</strong>rung wird anhand <strong>de</strong>r Ergebnisse<br />

<strong>de</strong>r Untersuchungen in diesem Aufsatz <strong>de</strong>monstriert.<br />

Die Untersuchungen dieses Aufsatzes teilen sich in theoretische und praktische Analyse.<br />

Die theoretische Analyse wird anhand wichtiger Parameter <strong>de</strong>r Mikrofonanordnung wie<br />

Korrelation <strong>de</strong>r Kanäle im Diffusfeld, Abbildungseigenschaften und Crosstalkverhalten<br />

durchgeführt. Durch <strong>eine</strong> Analyse anhand dieser Parameter können wesentliche Eigenschaften<br />

<strong>de</strong>r Anordnung vorausgesagt wer<strong>de</strong>n. Diese objektive Analyse vereinfacht die<br />

Bewertung <strong>eine</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Anordnung wesentlich.<br />

2


Lei<strong>de</strong>r ist die Aussagekraft <strong>de</strong>r objektiven Analyse in <strong>de</strong>n meisten Fällen trotz<strong>de</strong>m beschränkt.<br />

Nicht alles lässt sich erklären und voraussagen. Zum <strong>eine</strong>n liegt das daran,<br />

dass die stereofone Wahrnehmung und die Wahrnehmung räumlicher Attribute komplizierten<br />

Prozessen unterliegen, die auch heute noch nicht ausreichend geklärt sind. Zum<br />

an<strong>de</strong>ren beeinflussen auch ganz individuelle Parameter die Qualität <strong>eine</strong>r Aufnahme<br />

wesentlich, sodass k<strong>eine</strong> <strong>de</strong>finitive allgem<strong>eine</strong> Aussage getroffen wer<strong>de</strong>n kann. Diese<br />

individuellen Parameter umfassen z.B. die Art <strong>de</strong>s Aufnahmeraums, Art <strong>de</strong>r Schallquelle(n),<br />

musikalischen Inhalt und nicht zuletzt <strong>de</strong>n persönlichen Geschmack <strong>de</strong>s Tonmeisters/Hörers.<br />

Deshalb ist es gefährlich, rein theoretische Analysen durchzuführen und unabhängig von<br />

praktischer Überprüfung und Erfahrung Regeln für optimale Aufnahmen zu erstellen.<br />

Dies gilt insbeson<strong>de</strong>re für die koinzi<strong>de</strong>nte <strong>Aufnahmetechnik</strong>, zu <strong>de</strong>r (auch in Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>m Ambisonics-Wie<strong>de</strong>rgabeverfahren) reichlich theoretische Abhandlungen<br />

existieren, die <strong>de</strong>ren Überlegenheit postulieren (z.B. [7], [15]). In solchen Untersuchungen<br />

wird allerdings teilweise von Annahmen ausgegangen, die <strong>eine</strong>r kritischen<br />

Überprüfung bedürfen. Folglich sind auch die Schlussfolgerungen meist nur vom Thema<br />

Richtungsdarstellung bestimmt und vernachlässigen an<strong>de</strong>re, wichtige Parameter.<br />

In diesem Aufsatz wird versucht, die koinzi<strong>de</strong>nte <strong>Aufnahmetechnik</strong> speziell für die Anwendung<br />

<strong>Surround</strong> Sound <strong>eine</strong>r kritischen und wertfreien objektiven sowie subjektiven<br />

Analyse zuzuführen.<br />

1. Das <strong>MS</strong>-Prinzip<br />

Die Signale <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten Mikrofonanordnung lassen sich nach <strong>de</strong>m <strong>MS</strong>-Prinzip<br />

(Mid/Si<strong>de</strong>) matrizieren, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>ren Summe und Differenz gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Das Mitten-Signal<br />

entspricht <strong>de</strong>r Mono-Summe, das Seiten-Signal <strong>de</strong>r Differenz.<br />

Die De-Matrizierung (o<strong>de</strong>r Dekodierung) wird erreicht, in <strong>de</strong>m aus Summe und Differenz<br />

die ursprünglichen Signale wie<strong>de</strong>r gewonnen wer<strong>de</strong>n.<br />

M = L + R<br />

S = L<br />

- R<br />

3<br />

1<br />

L = * ( M + S )<br />

2<br />

1<br />

R = * ( M - S )<br />

2<br />

Ein Vorteil <strong>de</strong>r <strong>MS</strong>-Kodierung liegt darin, dass Aufnahmewinkel bzw. Stereobreite direkt<br />

durch einfache Pegelung <strong>de</strong>r <strong>MS</strong>-Signale zu variieren sind.<br />

Abbildung 1:<br />

Beispiel für <strong>eine</strong> typische Anwendung <strong>de</strong>r<br />

<strong>MS</strong>-Stereofonie:<br />

Rohrrichtmikrofon mit aufgesetztem<br />

Acht-Mikrofon für Montage im Windkorb.<br />

aus [20]<br />

Bei <strong>de</strong>r <strong>MS</strong>-Aufnahme wird direkt in matrizierter Form aufgenommen, das heißt es wird<br />

ein Mikrofon für <strong>de</strong>n M-Kanal und ein Mikrofon für <strong>de</strong>n S-Kanal verwen<strong>de</strong>t. Das M-<br />

Mikrofon ist nach vorne ausgerichtet, das S-Mikrofon ist <strong>eine</strong> quer liegen<strong>de</strong> Acht.


Je<strong>de</strong> <strong>MS</strong>-Anordnung lässt sich in <strong>eine</strong> äquivalente XY-Anordnung umrechnen. Abbildung<br />

3 zeigt verschie<strong>de</strong>ne Kombinationen von <strong>MS</strong>-Signalen (M=Niere) in <strong>de</strong>r oberen Reihe,<br />

mit <strong>de</strong>r dazu gehören<strong>de</strong>n XY-Anordnung in <strong>de</strong>r unteren Reihe.<br />

Abbildung 2: Illustration <strong>de</strong>s <strong>MS</strong>-Prinzips:<br />

Reihe oben: M-Signal (Schwarz) und S-Signal (grün)<br />

Reihe unten: sich daraus ergeben<strong>de</strong> Signale L (blau) und R (rot)<br />

2. Beschreibung <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung<br />

2.1. Mikrofonanordnung<br />

Das <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Verfahren ist <strong>eine</strong> <strong>Aufnahmetechnik</strong> für Zwei- und Mehrkanalstereofonie,<br />

die ausschließlich auf Pegeldifferenzen beruht.<br />

Die I<strong>de</strong>e hinter <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung ist die Bün<strong>de</strong>lung zweier <strong>MS</strong>-Mikrofonpaare.<br />

Dadurch kann ein Mikrofon eingespart wer<strong>de</strong>n, da die Acht für bei<strong>de</strong> Paare verwen<strong>de</strong>t<br />

wird. Das <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> System besteht somit aus drei Mikrofonen.<br />

Abbildung 3 illustriert dieses Prinzip:<br />

Abbildung 3: Prinzip <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung: Bün<strong>de</strong>lung zweier <strong>MS</strong>-Paare, aus [20]<br />

Die drei Mikrofone/Kanäle wer<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>rmaßen benannt:<br />

- Mfront<br />

- S<br />

- Mrear<br />

Durch die Verwendung von nur drei (Kleinmembran-)Mikrofonen kann erreicht wer<strong>de</strong>n,<br />

die Mikrofonmembrane quasi koinzi<strong>de</strong>nt, also an <strong>eine</strong>m Punkt anzubringen.<br />

4


Abbildung 4:<br />

<strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung<br />

Die Verwendung von Kompaktmikrofone<br />

(SCHOEPS CCM4V und CCM8)<br />

bewirkt <strong>eine</strong>n optimal kl<strong>eine</strong>n Abstand<br />

<strong>de</strong>r drei Membranen.<br />

aus [20]<br />

2.2. Generierung von 2/0-Stereo und 3/2-Stereo-Signalen<br />

Aus diesen drei Mikrofonsignalen können nun die Signale sowohl für Zweikanal- als<br />

auch Mehrkanal-Stereofonie generiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Dies kann prinzipiell durch <strong>eine</strong> konventionelle <strong>MS</strong>-Matrix geschehen, wobei <strong>eine</strong> Matrix<br />

zur Generierung <strong>de</strong>r Signale L/R aus Mfront/S verwen<strong>de</strong>t wird, und <strong>eine</strong> weitere Matrix<br />

zur Generierung <strong>de</strong>r Signale LS/RS aus Mrear/S. Außer<strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>r Center optional mit<br />

<strong>de</strong>m Signal <strong>de</strong>s Mfront-Mikrofons gespeist (vgl. Abschnitt 5).<br />

Die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung macht jedoch <strong>eine</strong> weitaus bessere Dekodierung möglich:<br />

Der Nachteil <strong>eine</strong>r <strong>MS</strong>-Anordnung liegt schließlich darin, dass die Richtcharakteristik <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>matrizierten virtuellen Mikrofone vom Mischungsverhältnis zwischen M und S abhängt.<br />

Dies ist in Abbildung 5 (oben) veranschaulicht. Mit zunehmen<strong>de</strong>m Pegel <strong>de</strong>s S-<br />

Signals verschiebt sich die resultieren<strong>de</strong> Richtcharakteristik von <strong>de</strong>r Niere zur Acht.<br />

Dadurch, dass sich in <strong>eine</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung aus <strong>eine</strong>r Mischung <strong>de</strong>r nach vorne<br />

und <strong>de</strong>r nach hinten gerichteten Nieren je<strong>de</strong> beliebige Richtcharakteristik 1.Ordnung<br />

erstellen lässt, kann die Richtcharakteristik <strong>de</strong>s <strong>de</strong>kodierten virtuellen Mikrofons nun frei<br />

bestimmt wer<strong>de</strong>n (Abbildung 5 unten).<br />

Abbildung 5:<br />

Veranschaulichung <strong>de</strong>s Unterschieds zwischen <strong>eine</strong>r Dekodierung mit/ohne variable<br />

Richtcharakteristik <strong>de</strong>s M front-Signals. Abgebil<strong>de</strong>t sind die resultieren<strong>de</strong>n Polardiagramme<br />

5


<strong>de</strong>r <strong>de</strong>kodierten Kanäle L,R<br />

Reihe oben: mit fester Richtcharakteristik M front=Niere<br />

Reihe unten: mit variabler Richtcharakteristik M front, Vorgabe: L,R=Superniere.<br />

Dieser Vorteil ist von wesentlicher Be<strong>de</strong>utung für <strong>eine</strong> optimale koinzi<strong>de</strong>nte Aufnahme.<br />

Nur so ist <strong>eine</strong> Steuerung <strong>de</strong>s Aufnahmewinkels möglich, ohne gleichzeitig Richtwirkung<br />

und Korrelation <strong>de</strong>s resultieren<strong>de</strong>n virtuellen Mikrofonpaars zu beeinflussen. Außer<strong>de</strong>m<br />

kann nur auf diese Weise die Unabhängigkeit (Dekorrelation) <strong>de</strong>r Signale maximal<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>–</strong> <strong>eine</strong> For<strong>de</strong>rung, die beim <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> System wichtig ist. Die Be<strong>de</strong>utung dieser<br />

Parameter wird im Folgen<strong>de</strong>n noch diskutiert.<br />

Praktische Werkzeuge zur Dekodierung von <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> wer<strong>de</strong>n in Abschnitt 5 beschrieben.<br />

2.3. Verwandtschaft <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Systems mit <strong>de</strong>r Ambisonics-<br />

<strong>Aufnahmetechnik</strong><br />

Ambisonics ist <strong>eine</strong> Aufnahme- und Wie<strong>de</strong>rgabetechnik, die auf <strong>eine</strong>r Erfindung von<br />

Michael Gerzon [7] beruht. Sie geht von <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten Aufnahme aus. Grundlage<br />

<strong>de</strong>r Ambisonics-Theorie ist die Zerlegung <strong>de</strong>s Schallfelds in so genannte „spherical<br />

harmonics“ (Kugelflächenfunktionen), das sind Funktionen, die die Richtung <strong>de</strong>s eintreffen<strong>de</strong>n<br />

Schalls beschreiben. Die Kugelflächenfunktionen beschreiben das Schallfeld<br />

umso genauer, je höher ihre Ordnung wird.<br />

Abbildung 6: Visualisierung <strong>de</strong>r Kugelflächenfunktionen bis zur dritten Ordnung ;<br />

l entspricht <strong>de</strong>r Ordnung, ml <strong>de</strong>r Dimension. aus [35]<br />

In Abbildung 6 sind die Kugelflächenfunktionen bis zur dritten Ordnung abgebil<strong>de</strong>t.<br />

Bisher ist mit konventionellen Mitteln nur die Mikrofonaufnahme <strong>de</strong>r Kugelflächenfunktionen<br />

erster Ordnung möglich. Diese Aufnahme nach „Ambisonics erster Ordnung“ liefert<br />

folgen<strong>de</strong> Signale, die auch „B-Format erster Ordnung“ genannt wer<strong>de</strong>n:<br />

B-Format erster Ordnung:<br />

0-te Ordnung:<br />

W = 1;<br />

1-te Ordnung:<br />

X = cos(Θ) * cos(φ);<br />

Y = sin(Θ) * cos(φ);<br />

Z = sin(φ);<br />

6


Θ beschreibt <strong>de</strong>n Winkel in <strong>de</strong>r x/y-Ebene (Horizontalebene z=0), φ beschreibt <strong>de</strong>n<br />

Winkel in <strong>de</strong>r z-Ebene.<br />

Diese 4 Signale können auf unterschiedliche Weise durch <strong>eine</strong> Mikrofonaufnahme gewonnen<br />

wer<strong>de</strong>n:<br />

Nach Gerzon lassen sich mit 4 Mikrofonen, die in <strong>eine</strong>m gleichseitigen Tetrae<strong>de</strong>r angebracht<br />

sind, die 4 Signale <strong>de</strong>s B-Formats ermitteln. Solche Mikrofone existieren auch auf<br />

<strong>de</strong>m Markt, z.B. das „Soundfield“-Mikrofon <strong>de</strong>r englischen Firma Soundfield (siehe<br />

[24]). Vorteil dieser Metho<strong>de</strong> ist die gleichmäßige Anordnung im Tetrae<strong>de</strong>r und die gute<br />

Koinzi<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>r Anordnung in allen Raumrichtungen. Ein Nachteil ist die Notwendigkeit,<br />

zunächst die Tetrae<strong>de</strong>rsignale („A-Format“) ins B-Format umwan<strong>de</strong>ln zu müssen.<br />

Eine an<strong>de</strong>re Metho<strong>de</strong> ist <strong>eine</strong> Mikrofonaufnahme, die direkt das B-Format liefert. Dazu<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>eine</strong> Kugel (W) und drei Acht-Mikrofone (X, Y, Z) verwen<strong>de</strong>t. Dies wird oft mit<br />

„native B-format Recording“ bezeichnet (<strong>eine</strong> solche Anordnung ist z.B. in [3] abgebil<strong>de</strong>t).<br />

Lässt man nun das dritte Acht-Mikrofon weg, weil man nicht an <strong>eine</strong>r dreidimensionalen<br />

Wie<strong>de</strong>rgabe interessiert ist, ergibt sich <strong>eine</strong> Anordnung, die geometrisch relativ<br />

einfach zu realisieren ist. Benjamin [1] bezeichnet das sich ergeben<strong>de</strong> Format als „Horizontal<br />

B-Format“. Mit hinreichend kl<strong>eine</strong>n Mikrofonen lässt sich <strong>eine</strong> gute Koinzi<strong>de</strong>nz, in<br />

Bezug auf die Horizontalebene perfekte Koinzi<strong>de</strong>nz erreichen.<br />

Die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung liefert nun prinzipiell dieselben Signale, da sich die Mikrofonsignale<br />

ins „Horizontal B-Format“ durch einfache Summierung und Differenzbildung<br />

überführen lassen:<br />

W = Mfront+ Mrear;<br />

X = Mfront- Mrear;<br />

Y = S;<br />

Es zeigt sich also, dass die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Signale mit <strong>eine</strong>r Aufnahme nach Ambisonics<br />

erster Ordnung bis auf die fehlen<strong>de</strong> Höheninformation (Z) i<strong>de</strong>ntisch sind. Dieser Punkt<br />

spielt dann k<strong>eine</strong> Rolle, wenn <strong>eine</strong> Wie<strong>de</strong>rgabe auf <strong>eine</strong>m konventionellen Lautsprechersystem<br />

ohne Höheninformation (2.0, 5.1, etc.) beabsichtigt ist.<br />

Bei Benjamin [1] wird ein Vergleich zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Aufnahme-Metho<strong>de</strong>n angestellt.<br />

Der Vergleich <strong>de</strong>r sich ergeben<strong>de</strong>n Polardiagramme <strong>de</strong>s B-Formats ergibt, dass<br />

ein natives Array aus einzelnen Kapseln (in <strong>de</strong>r Untersuchung Benjamins waren es<br />

Schoeps MK 2 und MK 8) die besseren Polardiagramme im B-Format bietet, wohl aber<br />

für Schalleinfall aus <strong>eine</strong>r an<strong>de</strong>ren Richtung als <strong>de</strong>r Horizontalebene nicht die optimalen<br />

Polardiagramme behalten kann. Das Tetrae<strong>de</strong>r-Mikrofonsystem zeigt gute, konsistente<br />

Polardiagramme, die unabhängig von <strong>de</strong>r Schalleinfallsebene sind, jedoch unregelmäßigen<br />

Abweichungen ab ca. 6 kHz haben. Details liefert z.B. Flock [6].<br />

Abbildung 7: Polardiagramme aus <strong>eine</strong>m “Horizontal B-Format”-Array aus Benjamin [1]:<br />

links: SCHOEPS MK 2 (=W-Signal, bei <strong>eine</strong>r 90°-Stellung <strong>de</strong>r Kugel wäre das Polardiagramm<br />

in <strong>de</strong>r horizontalen Ebene sogar perfekt frequenzunabhängig)<br />

rechts: SCHOEPS MK 8 (=X-Signal)<br />

7


Abbildung 8: Polardiagramme aus <strong>eine</strong>m Tetrae<strong>de</strong>r-Array (Soundfield-Mikrofon MkV Mikrofonsystem)<br />

aus Benjamin [1]:<br />

links: W-Signal<br />

rechts: X-Signal<br />

Achtung: Es sind an<strong>de</strong>re Frequenzen als in Abbildung 7 verwen<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n, die Graphen<br />

sind nicht direkt vergleichbar.<br />

Wie oben erwähnt, ist die Grundlage <strong>de</strong>r Ambisonics-Theorie die Zerlegung <strong>de</strong>s Schallfelds<br />

in mehrere Richtungskomponenten. Bei <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgabe wird das Schallfeld also<br />

durch Überlagerung aller Lautsprechersignale wie<strong>de</strong>r zusammengesetzt. Dabei können<br />

durchaus mehr als zwei Lautsprecher korrelierte Signale haben. Die Zerlegung <strong>de</strong>s<br />

Schallfelds folgt nicht <strong>de</strong>m Gesetz, dass <strong>eine</strong> Phantomschallquelle aus Pegel- und Zeitdifferenzen<br />

zwischen zwei benachbarten Lautsprechern gebil<strong>de</strong>t wird, son<strong>de</strong>rn visiert<br />

<strong>eine</strong> physikalische Zusammensetzung <strong>de</strong>s Signals im Sweet Spot an. Dadurch ergeben<br />

sich auch an<strong>de</strong>re Gesetzmäßigkeiten bezüglich <strong>de</strong>r in diesem Aufsatz besprochenen<br />

Parameter. Da <strong>de</strong>r Ansatz <strong>de</strong>r Ambisonics-Theorie zur Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>eine</strong>s <strong>Surround</strong>-<br />

Signals so verschie<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Phantomschallquellentheorie ist, kann er auch nicht<br />

direkt theoretisch verglichen wer<strong>de</strong>n. Wür<strong>de</strong> man mit <strong>de</strong>n in diesem Aufsatz genannten<br />

Parametern ein Ambisonics-Signal erster Ordnung beurteilen, käme man oft auf ein<br />

negatives Resultat. Tatsächlich gibt es viele Tonmeister, die auf diese Weise entstan<strong>de</strong>ne<br />

Mischungen ablehnen. Es sei jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies dann<br />

nicht an <strong>de</strong>r Koinzi<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>r Aufnahme liegen muss (wie es oft behauptet wird). Es gibt<br />

sehr verschie<strong>de</strong>ne koinzi<strong>de</strong>nte <strong>Aufnahmetechnik</strong>en und es gibt auch verschie<strong>de</strong>ne Arten,<br />

die Qualität zu beurteilen und entsprechend zu optimieren.<br />

3. Parameter zur theoretischen Analyse <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<br />

<strong>MS</strong> Technik<br />

In diesem Kapitel wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Parameter beschrieben, die bei <strong>de</strong>r objektiven<br />

Bewertung <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Technik, sei es für Zweikanal-Stereo o<strong>de</strong>r <strong>Surround</strong>, von<br />

Be<strong>de</strong>utung sind. Sie sind speziell für die Diskussion <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Setups zusammengestellt,<br />

haben aber auch zur Diskussion an<strong>de</strong>rer Anordnungen Geltung.<br />

Die Parameter sind:<br />

- Pegel- und Laufzeitdifferenzen zur Richtungsabbildung<br />

- Korrelation<br />

- Crosstalk (Übersprechverhalten)<br />

Diese Parameter haben Einfluss auf verschie<strong>de</strong>ne Attribute <strong>de</strong>r Wahrnehmung wie Lokalisation,<br />

Klangfarbe und räumliche Wahrnehmung.<br />

Die Relevanz <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Parameter hängt von <strong>de</strong>r jeweiligen Anwendung ab. Es<br />

sei darauf hingewiesen, dass nie ein Parameter allein beachtet wer<strong>de</strong>n sollte, auch wenn<br />

dieser noch so wichtig ist.<br />

8


3.1. Richtungsabbildung (Lokalisation)<br />

3.1.1. Allgem<strong>eine</strong> Beschreibung<br />

Dieser Parameter beschreibt die Fähigkeit <strong>eine</strong>r Mikrofonanordnung, das aufgenommene<br />

Schallfeld im Sinne <strong>de</strong>r Absicht <strong>de</strong>s Tonmeisters zwischen <strong>de</strong>n Lautsprechern zu verteilen.<br />

Oft ist es gewünscht, dass das klangliche Geschehen im Aufnahmeraum proportional<br />

im Wie<strong>de</strong>rgaberaum abgebil<strong>de</strong>t wird. In diesem Fall ist <strong>de</strong>r so genannte Aufnahmewinkel<br />

von Be<strong>de</strong>utung. Der Aufnahmewinkel beschreibt <strong>de</strong>njenigen Winkel im Aufnahmeraum,<br />

<strong>de</strong>r zwischen <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>ren Lautsprechern (L/C/R) abgebil<strong>de</strong>t wird. Für <strong>eine</strong><br />

<strong>de</strong>taillierte Beschreibung von Richtungsabbildung und Aufnahmewinkel sei auf [30],<br />

[31] verwiesen, im Folgen<strong>de</strong>n wird diese Problematik nur kurz erläutert.<br />

Die Auslenkung <strong>de</strong>r Phantomschallquellen wird dadurch erreicht, dass zwischen <strong>de</strong>n<br />

Mikrofonsignalen Pegel- und/o<strong>de</strong>r Laufzeitdifferenzen bestehen, die die Phantomschallquelle<br />

aus <strong>de</strong>r Mitte zwischen zwei Lautsprechern auslenken. Theile erklärt, wie sich<br />

diese bei<strong>de</strong>n Arten von Signaldifferenzen addieren. Die Gesamtauslenkung <strong>de</strong>r Phantomschallquelle<br />

ergibt sich aus <strong>de</strong>r Summe <strong>de</strong>r jeweils durch die Pegel- o<strong>de</strong>r Laufzeitdifferenz<br />

allein sich ergeben<strong>de</strong>n Auslenkung.<br />

Φgesamt=ΦL + Φt<br />

9<br />

siehe Theile: [25], [26]<br />

Diese lineare Addition gilt allerdings nur in <strong>eine</strong>m Bereich <strong>de</strong>r Phantomschallquellenauslenkung<br />

bis ca. 50% <strong>de</strong>r Maximalauslenkung. Danach ergibt sich <strong>eine</strong> allmähliche „Sättigung“<br />

bis hin zur Abbildung in nur <strong>eine</strong>m Lautsprecher. Der Autor dieses Aufsatzes<br />

beschreibt diesen Verlauf als mathematische Funktion ([30], [31], [32], [33], [34]).<br />

Diese Näherungsfunktion ist in Abbildung 9 gezeichnet. Zu beachten ist, dass die Auslenkung<br />

<strong>de</strong>r Phantomschallquelle proportional zur Lautsprecher-Basisbreite ist. Die<br />

Auslenkung wird <strong>de</strong>shalb in % angegeben, um die Allgemeingültigkeit zu behalten. Im<br />

normalen Stereodreieck entspricht <strong>eine</strong> Auslenkung von +/- 100% <strong>de</strong>r Auslenkung von<br />

+/-30°. Eine Auslenkung von 100% entspricht <strong>eine</strong>r Abbildung in nur <strong>eine</strong>m Lautsprecher.<br />

Abbildung 9: Zusammenhang zwischen Pegeldifferenz (links) bzw. Laufzeitdifferenz<br />

(rechts) und Auslenkung <strong>de</strong>r Phantomschallquelle nach:<br />

fettgedruckte Kurve: Wittek [34], 7,5% / dB bzw. 13% / 0,1 ms<br />

A: Leakey [16]<br />

B: Mertens [18]<br />

C: Brittain and Leakey [2]<br />

D: Simonson [23], Basis für die „Williams-Kurven“ [28]<br />

E: Sengpiel [22]<br />

Mithilfe dieser Näherungsfunktion lässt sich die resultieren<strong>de</strong> Abbildung je<strong>de</strong>r stereofonen<br />

Anordnung aus zwei Mikrofonen berechnen. Dies ist im Image Assistant realisiert,


<strong>eine</strong>m als JAVA-Applet ausgeführten Simulationsprogramm zu Berechnung von Lokalisationskurven.<br />

Dieses Applet kann online benützt wer<strong>de</strong>n (www.hauptmikrofon.<strong>de</strong>, siehe<br />

Abbildung 10, siehe Wittek [33]).<br />

Eine Lokalisationskurve beschreibt die Auslenkung <strong>de</strong>r Phantomschallquellen in Abhängigkeit<br />

vom Winkel <strong>de</strong>r Schallquelle im Aufnahmeraum. Die Hauptgrafik im Image Assistant<br />

zeigt <strong>de</strong>n Schallquellenwinkel in Grad auf <strong>de</strong>r x-Achse und die Auslenkung zwischen<br />

<strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>ren Lautsprechern in % auf <strong>de</strong>r y-Achse an. Der Aufnahmewinkel lässt<br />

sich ablesen, in<strong>de</strong>m, laut Definition, <strong>de</strong>r Winkelbereich gesucht wird, in <strong>de</strong>m die Schallquellen<br />

zwischen <strong>de</strong>n Lautsprechern abgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Dieser Bereich ist hellblau<br />

eingefärbt, <strong>de</strong>r Aufnahmewinkel (Recording Angle/ Recording Angle 75%) wird außer<strong>de</strong>m<br />

im Fenster in <strong>de</strong>r Hauptgrafik links oben eingeblen<strong>de</strong>t.<br />

Abbildung 10: Simulation mit <strong>de</strong>m “Image Assistant” [33]:<br />

Lokalisationskurve <strong>de</strong>r OCT-Anordnung.<br />

3.1.2. Vergleich <strong>de</strong>r Richtungsabbildungseigenschaften von stereofonen<br />

Anordnungen<br />

Viele Autoren haben das Design <strong>eine</strong>r Mikrofonanordnung wesentlich am Parameter<br />

Richtungsabbildung ausgerichtet. Das liegt nicht nur daran, dass dieser Parameter als<br />

wesentlich eingestuft wird. Vielmehr kann ein daraufhin optimiertes Design auch im<br />

Hinblick auf an<strong>de</strong>re Parameter gut geeignet sein. Sicherlich ist es ratsam, bei <strong>de</strong>r Suche<br />

nach geeigneten Kombinationen aber <strong>de</strong>n Blick fürs Ganze nicht zu vergessen.<br />

10


Die Vorschläge von Williams (MMA, siehe [27] und [29]) sind absichtlich in <strong>de</strong>r Hauptsache<br />

auf <strong>eine</strong> 360°-Rundum-Abbildung <strong>de</strong>s Schallfelds ausgerichtet. Nach Williams<br />

wer<strong>de</strong>n auch an<strong>de</strong>re wesentliche Parameter wie die räumliche Abbildung wesentlich von<br />

<strong>de</strong>r Fähigkeit zur Richtungsabbildung beeinflusst.<br />

Auch Theile argumentiert ähnlich, allerdings empfiehlt er ausdrücklich bestimmte Kombinationen,<br />

um dafür Sorge zu tragen, dass neben <strong>de</strong>r Richtungsabbildung an<strong>de</strong>re Parameter<br />

optimal gestaltet wer<strong>de</strong>n. Ein Beispiel dafür ist die OCT-Anordnung (siehe<br />

Abbildung 11, [25], [20]), die mehrere Vorteile in sich vereint.<br />

Abbildung 11: OCT-Anordnung nach Theile [25], aus [20]<br />

Zum <strong>eine</strong>n verläuft die Lokalisationskurve, die in Abbildung 10 gezeigt ist, sehr gera<strong>de</strong><br />

und bietet somit <strong>eine</strong> sehr naturgetreue Richtungsabbildung ohne geometrische Verzerrungen.<br />

Zum an<strong>de</strong>ren ist <strong>de</strong>r Crosstalk zwischen <strong>de</strong>n Abbildungsbereichen bei <strong>eine</strong>r die<br />

OCT-Anordnung sehr gering, was Vorteile für die räumliche Abbildung, die Robustheit<br />

<strong>de</strong>r Abbildung sowie die Klangfarbe mit sich bringt. Dieser Aspekt wird in Abschnitt 3.3<br />

<strong>de</strong>tailliert beschrieben.<br />

Die Abbildungseigenschaften <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung sind abhängig von <strong>de</strong>r Dekodierung<br />

<strong>de</strong>r Signale. Dies ist einleuchtend, wenn man be<strong>de</strong>nkt, dass bei <strong>de</strong>r Dekodierung<br />

sämtliche Varianten <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten Anordnung aus bis zu 5 o<strong>de</strong>r sogar mehr Mikrofonen<br />

möglich sind. 5 Mikrofone erster Ordnung können gar nicht hinreichend unterschiedliche<br />

Signale liefern, um sowohl klanglich als auch in Bezug auf die Richtungsabbildung<br />

optimale Ergebnisse zu liefern. Deshalb ist Vorsicht geboten, und oftmals ist die<br />

4-kanalige Dekodierung <strong>eine</strong>r 5-kanaligen klanglich und in Bezug auf <strong>eine</strong> 360°-<br />

Rundumabbildung überlegen.<br />

Abbildung 12 zeigt die resultieren<strong>de</strong> Richtungsabbildung <strong>eine</strong>r 4-Kanal-Variante. Eine<br />

für <strong>MS</strong>/XY-Aufnahme typische, sehr lineare, das heißt proportionale Abbildung zwischen<br />

<strong>de</strong>n Lautsprechern wird erreicht.<br />

Die Richtungsabbildung <strong>eine</strong>r 5-Kanal-Variante wird in Abbildung 13 gezeigt. In <strong>de</strong>r<br />

Simulation ist <strong>de</strong>utlich zu erkennen, dass die theoretisch gewünschte, gleichmäßige<br />

Abbildung zwischen jeweils benachbarten Lautsprechern nicht mehr funktioniert. Der<br />

Grund dafür ist die schlechtere Kanaltrennung (durch Übersprechen, Crosstalk, siehe<br />

Abschnitt 3.3). Die Simulation <strong>de</strong>s Image Assistant zeigt, dass im mittleren Bereich <strong>eine</strong><br />

Abbildung zwischen drei Lautsprecherpaaren existiert. Diese theoretische Mehrfachabbildung<br />

äußert sich in reduzierter Abbildungsschärfe und schlechterer Lokalisiertheit <strong>de</strong>r<br />

Phantomschallquelle. Dies muss nicht unbedingt schlechte Eigenschaften <strong>de</strong>r Aufnahme<br />

zur Folge haben, <strong>de</strong>nn Crosstalk existiert auch bei an<strong>de</strong>ren <strong>Aufnahmetechnik</strong>en. Jedoch<br />

zeigen die an<strong>de</strong>ren Abschnitte dieses Aufsatzes weitere Nachteile von Crosstalk auf.<br />

Hier existiert ein tatsächlicher Wi<strong>de</strong>rspruch zwischen zwei verschie<strong>de</strong>nen Theorien <strong>de</strong>r<br />

Lokalisation: Die Ambisonics-Theorie erlaubt <strong>eine</strong> beliebige Anzahl Lautsprecher und<br />

betrachtet nur die überlagerten Signale im „Sweet Spot“. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite ist bei<br />

<strong>eine</strong>r Phantomschallquellenbildung (siehe Theile [25]) ein korreliertes Signal auf mehr<br />

11


als zwei Lautsprechern negativ für Klangfarbe und Lokalisation. Wür<strong>de</strong> man Lokalisation<br />

nach <strong>de</strong>r Ambisonics-Theorie berechnen wollen, müsste man die Signale aller Lautsprecher<br />

gleichzeitig auswerten und nicht nur, wie im Image Assistant, die bestimmter<br />

Lautsprecherpaare. Crosstalk ist kein negativer Parameter im Sinne <strong>de</strong>r Ambisonics-<br />

Theorie.<br />

Abbildung 12: Abbildung zwischen <strong>de</strong>n Lautsprechern L/C/R bei <strong>eine</strong>r 4-Kanal-D<strong>MS</strong>-<br />

Dekodierung (=4ch Setting <strong>de</strong>r Schoeps Hardware Matrix, siehe Abschnitt 5),<br />

(Simulation mit <strong>de</strong>m “Image Assistant” [33])<br />

Abbildung 13: Abbildung zwischen <strong>de</strong>n Lautsprechern L/C/R bei <strong>eine</strong>r 5-Kanal-D<strong>MS</strong>-<br />

Dekodierung, (Simulation mit <strong>de</strong>m “Image Assistant” [33])<br />

12


3.2. Kohärenz / Korrelation<br />

3.2.1. Die Korrelation und ihre Aussagekraft bei <strong>MS</strong>-Stereofonie<br />

Die Kohärenz bzw. die Korrelation 1 im Diffusfeld (=im Nachhall) zwischen <strong>de</strong>n Kanälen<br />

<strong>eine</strong>r stereofonen Aufnahme wird oft als Parameter angesehen, <strong>de</strong>r auf Attribute wie<br />

räumliche Wahrnehmung und Klangfarbe <strong>eine</strong>n wichtigen Einfluss hat (siehe [5], [8],<br />

[17], [19], [25]). Die Diffusfeld-Korrelation wird als ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Parameter für<br />

die Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r räumlichen Wahrnehmung zwischen verschie<strong>de</strong>nen stereofonen<br />

Anordnungen angenommen (vgl. Abbildungen 30 bis 33). So sind Anordnungen, die<br />

Abstän<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Mikrofonen enthalten, eher für <strong>eine</strong> gute räumliche Abbildung<br />

bekannt (siehe z.B. [36]).<br />

Gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Thematik <strong>MS</strong>-Aufnahme sollte <strong>de</strong>r Parameter „Korrelation zwischen <strong>de</strong>n<br />

Kanälen“ (interchannel correlation) im Diffusfeld erhöhte Aufmerksamkeit bekommen,<br />

da er neben <strong>de</strong>r Richtungsabbildung entschei<strong>de</strong>nd für klangliche Unterschie<strong>de</strong> zwischen<br />

<strong>de</strong>n Dekodierungen ist. Diese bei<strong>de</strong>n Parameter sind allerdings bei <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten<br />

Aufnahme nicht unabhängig, son<strong>de</strong>rn eng miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n. Vergrößert man <strong>de</strong>n<br />

Aufnahmewinkel, steigt auch die Korrelation. In <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Richtcharakteristik <strong>de</strong>r<br />

Mikrofone beeinflusst man die Korrelation und das Abbildungsverhalten. In Abbildung<br />

14 wird <strong>de</strong>r Korrelationsgrad <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten Mikrofonanordnung im Diffusfeld in<br />

Abhängigkeit vom Öffnungswinkel 2 angegeben. Der Korrelationsgrad ist dabei abhängig<br />

von <strong>de</strong>r Richtcharakteristik <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Mikrofone. Abzulesen ist unter an<strong>de</strong>rem, dass <strong>de</strong>r<br />

Diffusfeld-Korrelationsgrad zweier koinzi<strong>de</strong>nter Nieren niemals unter 0.5 sinken kann.<br />

Ist ein Diffusfeld-Korrelationsgrad von 0 gewünscht, kann dies nur mit Richtcharakteristika<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n, die (in etwa) maximal <strong>de</strong>n Kugelanteil <strong>eine</strong>r Superniere haben<br />

(vgl. auch Griesinger [11]).<br />

Abbildung 14 zeigt, dass mit Vergrößern <strong>de</strong>s Öffnungswinkels die Korrelation im Diffusfeld<br />

sinkt. Es muss allerdings beachtet wer<strong>de</strong>n, dass gleichzeitig <strong>de</strong>r Aufnahmewinkel<br />

kl<strong>eine</strong>r wird. Die folgen<strong>de</strong> Tabelle zeigt die Korrelation und <strong>de</strong>n Aufnahmewinkel dreier<br />

Anordnungen mit gleichem Öffnungswinkel, aber verschie<strong>de</strong>ner Richtcharakteristika.<br />

Öffnungswinkel=90° Nieren Supernieren Achten<br />

Korrelationsgrad 0.75 0.49 0.00<br />

Aufnahmewinkel,<br />

(Aufnahmewinkel 75% [31])<br />

180° (142°) 130° (104°) 72° (58°)<br />

1 Zur Klärung <strong>de</strong>r Begriffe und Definition von Korrelation und Kohärenz ist im Anhang<br />

<strong>eine</strong> ausführliche Diskussion enthalten. Die Kohärenz zweier Kanäle ist ein Maß für die<br />

Ähnlichkeit <strong>de</strong>r Signale im Frequenzbereich, ohne Rücksicht auf die Phasenlage. Die<br />

Korrelation zwischen zwei Kanälen ist ein Maß für die Ähnlichkeit <strong>de</strong>r Signale im Zeitbereich.<br />

2 Der Begriff Öffnungswinkel bezeichnet <strong>de</strong>n Winkel, <strong>de</strong>n zwei Mikrofone einschließen.<br />

Es existieren auch an<strong>de</strong>re Begriffe für diesen Winkel, u.a. Hauptachsenwinkel, Versatzwinkel,<br />

etc.<br />

13


Abbildung 14:<br />

Korrelationsgrad <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten Mikrofonanordnung im Diffusfeld in Abhängigkeit<br />

vom Öffnungswinkel <strong>de</strong>r Mikrofonanordnung für verschie<strong>de</strong>ne Richtcharakteristika.<br />

Angegeben ist auch <strong>de</strong>r Kugelanteil <strong>de</strong>s Mikrofons nach <strong>de</strong>r Mikrofonformel:<br />

sens = a + (1-a) * cos (φ)<br />

Abbildung 15: Aufnahmewinkel <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten Mikrofonanordnung in Abhängigkeit vom<br />

Öffnungswinkel zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Mikrofonen für verschie<strong>de</strong>ne Richtcharakteristika.<br />

Es existiert kein Aufnahmewinkel für <strong>eine</strong> koinzi<strong>de</strong>nte Anordnung aus breiten Nieren o<strong>de</strong>r<br />

Kugeln.<br />

14


Interessant wäre es, die Korrelation <strong>de</strong>r Anordnung in Abhängigkeit vom resultieren<strong>de</strong>n<br />

Aufnahmewinkel anzugeben. Dann kann beobachtet wer<strong>de</strong>n, welche Mikrofonanordnung<br />

bei gegebenem Aufnahmewinkel die optimale Dekorrelation im Diffusfeld erreicht.<br />

Dies ist möglich, wenn zunächst <strong>de</strong>r Aufnahmewinkel in Abhängigkeit von Öffnungswinkel<br />

und Richtcharakteristik berechnet wird. Das Ergebnis dieser Berechnung zeigt<br />

Abbildung 15.<br />

Die Berechnung wur<strong>de</strong> folgen<strong>de</strong>rmaßen durchgeführt: Der Aufnahmewinkel wird als <strong>de</strong>r<br />

doppelte kleinste Versatzwinkel <strong>de</strong>finiert, bei <strong>de</strong>m ein Pegelunterschied von mind. 16dB<br />

zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Mikrofonsignalen auftritt.<br />

Mithilfe dieser Werte kann nun <strong>de</strong>r Korrelationsgrad <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten Anordnung aus<br />

zwei Mikrofonen beliebiger Richtcharakteristik in Abhängigkeit vom resultieren<strong>de</strong>n Aufnahmewinkel<br />

angegeben wer<strong>de</strong>n:<br />

Abbildung 16: Korrelationsgrad <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten Mikrofonanordnung im Diffusfeld in Abhängigkeit<br />

vom Aufnahmewinkel <strong>de</strong>r Mikrofonanordnung für verschie<strong>de</strong>ne Richtcharakteristika.<br />

Es existiert kein Aufnahmewinkel für <strong>eine</strong> koinzi<strong>de</strong>nte Anordnung aus breiten Nieren o<strong>de</strong>r<br />

Kugeln.<br />

Abbildung 16 zeigt, dass <strong>de</strong>r Diffusfeld-Korrelationsgrad <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten Mikrofonanordnung<br />

mit festem Aufnahmewinkel durchaus von <strong>de</strong>r Richtcharakteristik <strong>de</strong>r Mikrofone<br />

abhängt. Allerdings ist man beschränkt bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Richtcharakteristik, da<br />

durchaus nicht alle in Abbildung 16 angegebenen Werte <strong>eine</strong> sinnvolle Anordnung ergeben<br />

und schließlich die Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Korrelation oft klein sind. Ob die bestehen<strong>de</strong>n<br />

Unterschie<strong>de</strong> <strong>eine</strong>n hörbaren Effekt haben, kann hier nicht gesagt wer<strong>de</strong>n. Zu groß<br />

sind auch die gleichzeitig auftreten<strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Abbildung <strong>de</strong>s Direktschalls.<br />

Zusammenfassend kann gesagt wer<strong>de</strong>n, dass die Korrelation im Diffusfeld zwischen <strong>de</strong>n<br />

Kanälen <strong>eine</strong>r stereofonen Aufnahme ein wichtiger Parameter für die räumliche Wahrnehmung<br />

ist, <strong>de</strong>r sich allerdings kaum unabhängig vom Aufnahmewinkel steuern lässt.<br />

Damit ist die Korrelation bei koinzi<strong>de</strong>nten Aufnahmen hauptsächlich vom gewünschten<br />

Aufnahmewinkel abhängig.<br />

15


3.2.2. Optimierung <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Systems hinsichtlich <strong>de</strong>r Diffusfeld-<br />

Korrelation<br />

Das <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> System entspricht nach <strong>de</strong>r Dekodierung <strong>eine</strong>r koinzi<strong>de</strong>nten Anordnung<br />

aus 4 o<strong>de</strong>r 5 Mikrofonen erster Ordnung. Größtmögliche Signaltrennung und Gleichmäßigkeit<br />

<strong>de</strong>r Richtungsabbildung sowie kleinstmögliche Diffusfeld-Korrelation zwischen<br />

<strong>de</strong>n Kanälen wird erreicht, wenn folgen<strong>de</strong> For<strong>de</strong>rungen erfüllt wer<strong>de</strong>n:<br />

- <strong>de</strong>r Winkel zwischen <strong>de</strong>n virtuellen Mikrofonen ist maximal<br />

- die Richtwirkung <strong>de</strong>r virtuellen Mikrofone ist maximal<br />

For<strong>de</strong>rung a) lässt sich leicht erfüllen, wenn die Ergebnisse <strong>de</strong>r Dekodierung kontrolliert<br />

wer<strong>de</strong>n. For<strong>de</strong>rung b) führt zur Wahl <strong>eine</strong>r Richtcharakteristik, die <strong>de</strong>n besten Kompromiss<br />

zwischen großer Richtwirkung und stören<strong>de</strong>r Rückkeule darstellt - <strong>de</strong>r Superniere.<br />

Eine diesbezüglich optimale Anordnung ist <strong>de</strong>mnach <strong>eine</strong> Anordnung aus 4 o<strong>de</strong>r 5 Supernieren,<br />

die im Winkel maximal gegeneinan<strong>de</strong>r versetzt sind.<br />

Diese For<strong>de</strong>rungen führen zum Beispiel zu folgen<strong>de</strong>n 4-Kanal und 5-Kanal Dekodierungen:<br />

Abbildung 17a: <strong>eine</strong> optimierte 4-Kanal<br />

Dekodierung <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Systems<br />

16<br />

Abbildung 17b: <strong>eine</strong> optimierte 5-Kanal<br />

Dekodierung <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Systems<br />

Die sich ergeben<strong>de</strong>n Korrelationsgra<strong>de</strong> dieser optimierten <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong>-Dekodierung aus<br />

4 bzw. 5 Supernieren sind:<br />

5-ch Anordnung:<br />

L-C L-R L-LS LS-RS LS-C L-RS<br />

Versatzwinkel 72° 144° 72° 72° 144° 144°<br />

Korrelationsgrad 0.66 0.11 0.66 0.66 0.11 0.11<br />

4-ch Anordnung:<br />

L-C L-R L-LS LS-RS LS-C L-RS<br />

Versatzwinkel - 108° 72° 72° - 198°<br />

Korrelationsgrad - 0.36 0.51 0.66 - 0.04<br />

In obiger Tabelle ist abzulesen, dass <strong>eine</strong> möglichst geringe Diffusfeld-Korrelation beson<strong>de</strong>rs<br />

für die 4-Kanal-Variante erreicht wird. Die Bereiche höherer Korrelation sind<br />

nur im hinteren Bereich. Die 5-Kanal-Variante zeigt <strong>eine</strong> höhere Korrelation durch die<br />

kl<strong>eine</strong>ren Öffnungswinkel <strong>de</strong>r virtuellen Mikrofone.


Es kann vermutet wer<strong>de</strong>n, dass <strong>eine</strong> <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung mit hoher Korrelation eher<br />

für Aufnahmeszenarien eignen, die gute Richtungsabbildung benötigen. Eine gute Abbildung<br />

von Räumlichkeit und Umhüllung („spaciousness“ und „envelopment“) erfor<strong>de</strong>rt<br />

laut Griesinger ([8], [10], [11]) <strong>eine</strong> hohe Dekorrelation <strong>de</strong>r Kanäle.<br />

Bei <strong>eine</strong>r zweikanaligen <strong>MS</strong>-Aufnahme bzw. XY-Aufnahme ist <strong>eine</strong> Diffusfeld-Korrelation<br />

von 0 möglich. Diese Eigenschaft kann allerdings mit <strong>eine</strong>r XY-Anordnung aus zwei<br />

Nieren nicht ausgenützt wer<strong>de</strong>n, da die Korrelation hier nie unter 0.5 sinken kann. Wohl<br />

auch <strong>de</strong>shalb genießt die <strong>MS</strong>- bzw. XY-Aufnahme generell <strong>eine</strong>n schlechteren Ruf als sie<br />

verdient. XY-Aufnahmen wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Fachliteratur oft als mittig, eng und schlecht für<br />

die Abbildung <strong>de</strong>s Raums beschrieben. Diese Eigenschaften sind allerdings die <strong>eine</strong>r XY-<br />

Aufnahme mit hoher Korrelation <strong>–</strong> treffen also auf <strong>eine</strong> optimale XY-Anordnung nicht<br />

o<strong>de</strong>r wesentlich weniger zu.<br />

In Abbildung 14 kann abgelesen wer<strong>de</strong>n, welche Öffnungswinkel <strong>eine</strong> in diesem Sinne<br />

i<strong>de</strong>ale XY-Anordnung ergeben, in <strong>de</strong>m man <strong>de</strong>n jeweiligen Wert auf <strong>de</strong>r x-Achse für <strong>eine</strong><br />

Korrelation von 0 abliest. Folgen<strong>de</strong> Werte lassen sich ermitteln:<br />

- Achten (a=0): 90° (Blumlein-Technik, Aufnahmewinkel 72°)<br />

- Hypernieren (a=0.25): 110° (Aufnahmewinkel 85°)<br />

- Supernieren (a=0.36): 160° (Aufnahmewinkel 64°)<br />

Dies ist auch in [11] beschrieben. Mithilfe <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung können diese und<br />

alle an<strong>de</strong>ren koinzi<strong>de</strong>nten Anordnungen erzeugt und somit auf <strong>de</strong>n Parameter Korrelation<br />

optimiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei mehrkanaliger koinzi<strong>de</strong>nter <strong>Aufnahmetechnik</strong> ist <strong>eine</strong> Diffusfeld-Korrelation von 0<br />

nicht für alle Mikrofonpaare möglich. Je mehr Kanäle erzeugt wer<strong>de</strong>n sollen, <strong>de</strong>sto höher<br />

ist die Gefahr, stark korrelierte Mikrofonpaare zu erzeugen, wie aus obiger Diskussion<br />

hervorgeht.<br />

Die praktischen Konsequenzen für die Aufnahme sind in Abschnitt 4 beschrieben. Es<br />

zeigt sich: Die Gewinnung von 4 Kanälen ist durch geeignete Dekodierung gut möglich.<br />

Eine Gewinnung von 5 Kanälen aus <strong>eine</strong>m koinzi<strong>de</strong>nten System erster Ordnung ist<br />

schwierig und führt nur dann zu guten Ergebnissen, wenn <strong>de</strong>r Tonmeister die Dekodierung<br />

kritisch kontrolliert und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen wie Delay, Pegelsenkung<br />

etc. vornimmt (vgl. Abschnitt 4). Eine Gewinnung von mehr als 5 Kanälen<br />

ohne <strong>eine</strong> starke Ähnlichkeit ist nicht möglich <strong>–</strong> <strong>de</strong>shalb muss davor gewarnt wer<strong>de</strong>n,<br />

allzu vollmundige Versprechungen für neue <strong>Surround</strong>formate wie 7.1 o<strong>de</strong>r 10.2 abzugeben.<br />

Allein die Möglichkeit, beliebig viele Kanäle zu gewinnen sagt noch lange<br />

nichts über <strong>de</strong>ren Qualität aus. Lei<strong>de</strong>r existieren sich auch bestimmte Mikrofonsysteme,<br />

die nur <strong>eine</strong> ungenügen<strong>de</strong> Unabhängigkeit <strong>de</strong>r Kanäle bieten. Dieser Aufsatz versucht,<br />

ein einfaches Mikrofonsystem zu beschreiben, das trotz <strong>de</strong>r Einfachheit hohe Qualität<br />

liefert.<br />

3.3. Crosstalk<br />

3.3.1. Theoretische Analyse<br />

Eine Phantomschallquelle entsteht aus <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>eine</strong>s kohärenten Signals auf<br />

zwei Lautsprechern. Gibt man ein kohärentes Signal zusätzlich auf <strong>eine</strong>m dritten Lautsprecher<br />

wie<strong>de</strong>r, so entstehen verstärkt Kammfiltereffekte, die störend hörbar sein<br />

können.<br />

Dieses dritte Signal wird Crosstalk-Signal genannt. Besteht <strong>de</strong>r Crosstalk aus <strong>eine</strong>m<br />

gegenphasigen Signal, ist dies weniger störend als bei <strong>eine</strong>m gleichphasigen.<br />

In <strong>de</strong>r Literatur wird dieses Thema z.B. von Theile [25] behan<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r Mehrfach-<br />

Abbildungen durch Crosstalk durch geeignete Mikrofonierung vermei<strong>de</strong>n will. Lee und<br />

Rumsey [14] untersuchten verschie<strong>de</strong>ne Mehrkanal-Mikrofonanordnungen und stellten<br />

17


negative Effekte von Crosstalk vor allem auf Aus<strong>de</strong>hnung und Lokalisiertheit <strong>de</strong>r Phantomschallquellen<br />

fest.<br />

Crosstalk bewirkt auch <strong>eine</strong> Verkl<strong>eine</strong>rung <strong>de</strong>r Hörzone, da durch <strong>de</strong>n Präze<strong>de</strong>nzeffekt<br />

schon <strong>eine</strong> geringe Annäherung an diesen Lautsprecher <strong>eine</strong> Fehllokalisation zur Folge<br />

haben kann. Der Effekt auf die Lokalisation abseits <strong>de</strong>s „Sweet Spot“ kann z.B. mit <strong>de</strong>m<br />

Image Assistant [33] simuliert wer<strong>de</strong>n.<br />

Beim Design <strong>eine</strong>r Mikrofonanordnung ist es wichtig, <strong>de</strong>n Crosstalkpegel so gering wie<br />

möglich zu halten. Zur Optimierung <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung im Hinblick auf minimalen<br />

Crosstalk zwischen <strong>de</strong>n Kanälen können dieselben For<strong>de</strong>rungen (a und b) <strong>de</strong>s vorigen<br />

Abschnitts 3.2.2 aufgestellt wer<strong>de</strong>n. Auch hier ist <strong>eine</strong> Anordnung aus virtuellen<br />

Supernieren mit größtmöglichem Winkelversatz optimal.<br />

Die in Abbildung 17 gezeigten optimierten Dekodierungen ergeben folgen<strong>de</strong>s Crosstalkverhalten,<br />

<strong>eine</strong> Illustrierung zeigt Abbildung 18:<br />

Abbildung 18a:<br />

Crosstalkpegel <strong>de</strong>r optimierten 4-Kanal<br />

Dekodierung <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Systems<br />

(schwarz eingefärbte Bereiche: gleichphasig,<br />

rot eingefärbt: gegenphasig)<br />

18<br />

Abbildung 18b:<br />

Crosstalkpegel <strong>de</strong>r optimierten 5-Kanal<br />

Dekodierung <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Systems<br />

(schwarz eingefärbte Bereiche:<br />

gleichphasig, rot eingefärbt: gegenphasig)<br />

Die 4-Kanal Dekodierung aus Abbildung 17a hat <strong>eine</strong>n maximalen Crosstalkpegel von<br />

ca. -7.5 dB. Dieser Pegel wird an zwei Stellen erreicht, jeweils bei gleichzeitiger Wie<strong>de</strong>rgabe<br />

durch die Lautsprecher L, LS und RS bzw. R, RS und LS. Der Crosstalk im vor<strong>de</strong>ren<br />

Bereich besteht aus <strong>eine</strong>m gegenphasigen Signal und hat nur <strong>eine</strong>n geringen Pegel.<br />

Die 5-Kanal Dekodierung aus Abbildung 17b hat <strong>eine</strong>n maximalen Crosstalkpegel von<br />

ca. -5 dB. Dieser Pegel wird an mehreren Stellen erreicht.<br />

Der Vergleich zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Varianten ergibt <strong>eine</strong> bessere theoretische Qualität<br />

<strong>de</strong>r 4-kanaligen Dekodierung gegenüber <strong>de</strong>r 5-kanaligen. In wieweit ein solches<br />

schlechteres theoretisches Verhalten auch tatsächlich schlechtere praktische Eigenschaften<br />

nach sich zieht, soll die Untersuchung <strong>de</strong>r nächsten Kapitel zeigen.<br />

Zu <strong>eine</strong>r optimalen Dekodierung <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Systems gehört nicht zuletzt auch ein<br />

gleichmäßiger Pegel <strong>de</strong>r Phantomschallquellen. Die in Abbildung 17 und Abbildung 18<br />

gestrichelt gezeichneten Linien zeigen die gleichmäßige Verteilung <strong>de</strong>s Summenleistungspegels<br />

in allen Richtungen. Der angegebene Crosstalkpegel ist auf diesen Summenleistungspegel<br />

bezogen.<br />

3.3.2. Praktische Analyse<br />

Zur Ermittlung <strong>de</strong>r Wirkungen <strong>de</strong>s Crosstalks auf verschie<strong>de</strong>ne Attribute <strong>de</strong>r Wahrnehmung<br />

wur<strong>de</strong> ein Hörversuch durchgeführt (zu <strong>de</strong>n Details siehe [11]). Ziel <strong>de</strong>r Untersuchung<br />

war die Ermittlung <strong>de</strong>r Wahrnehmbarkeitsschwelle <strong>eine</strong>s Crosstalksignals in Bezug<br />

auf folgen<strong>de</strong> Attribute <strong>de</strong>r Phantomschallquelle:


- Aus<strong>de</strong>hnung<br />

- Richtung<br />

- Lokalisiertheit („Ist die Quelle leicht zu lokalisieren?“)<br />

- Klangfarbe<br />

Die Phantomschallquelle wur<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Lautsprechern Center und Rechts gebil<strong>de</strong>t,<br />

die Pegeldifferenz betrug ΔL (C/R) = 3.7 dB.<br />

Das Crosstalksignal wur<strong>de</strong> im linken Lautsprecher erzeugt, und zwar mit verschie<strong>de</strong>nen<br />

Pegeln von -20 bis -5 dB.<br />

Die Hörversuchsteilnehmer, die im „Sweet Spot“ saßen, hörten jeweils <strong>eine</strong> Testreihe<br />

aus 2 Vierergruppen <strong>de</strong>r Form A-B-A-B und A-C-A-C. A war das Referenzsignal ohne<br />

Crosstalk, genauso wie <strong>eine</strong>s <strong>de</strong>r Signale B o<strong>de</strong>r C. Das an<strong>de</strong>re Signal war <strong>de</strong>r jeweilige<br />

Stimulus mit Crosstalk. Die Zuordnung zu B o<strong>de</strong>r C war randomisiert, wechselte also<br />

ständig und war <strong>de</strong>n Versuchsteilnehmern nicht bekannt. Mit diesem Verfahren sollte<br />

sichergestellt wer<strong>de</strong>n, dass k<strong>eine</strong> negative Bewertung aufgrund <strong>eine</strong>s Vorurteils <strong>de</strong>s<br />

Versuchsteilnehmers zustan<strong>de</strong> kommen konnte.<br />

Die Teilnehmer sollten auf folgen<strong>de</strong>r Skala die Bewertung vornehmen. Wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Stimulus<br />

in <strong>de</strong>r falsche Vierergruppe vermutet, wur<strong>de</strong> die Bewertung negativ gezählt.<br />

Es nahmen 15 Personen am Versuch teil.<br />

Der Test wur<strong>de</strong> mit verschie<strong>de</strong>nen Testsignalen durchgeführt, darunter trockene Sprache,<br />

Sprachaufnahme im Raum, trockene Kastagnetten und <strong>eine</strong> Kastagnettenaufnahme<br />

im Raum.<br />

Die Ergebnisse dieses Versuchs sind in Abbildung 19 bis Abbildung 23 dargestellt.<br />

Die Abbildungen 18 bis 21 enthalten beispielhaft die Ergebnisse für das Testsignal<br />

Sprachaufnahme im Raum. Die Diagramme zeigen die Hörbarkeit <strong>eine</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

jeweiligen Attributs. Dabei wur<strong>de</strong> die oben gezeigte Skala um eins reduziert, um <strong>de</strong>n<br />

Wert 0 als „k<strong>eine</strong> Än<strong>de</strong>rung“ zu <strong>de</strong>finieren. Die wahrgenommene Än<strong>de</strong>rung wird in Abhängigkeit<br />

vom Crosstalkpegel im dritten Lautsprecher angezeigt.<br />

Abbildung 19: aus [11]:<br />

Hörbarkeit <strong>de</strong>r Aus<strong>de</strong>hnungsän<strong>de</strong>rung.<br />

Signal: Sprache, trocken.<br />

Arithmetischer Mittelwert inkl. 95%-<br />

Konfi<strong>de</strong>nzintervalle.<br />

19<br />

Abbildung 20: aus [11]:<br />

Hörbarkeit <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Lokalisiertheit.<br />

Signal: Sprache, trocken.<br />

Arithmetischer Mittelwert inkl. 95%-<br />

Konfi<strong>de</strong>nzintervalle.


Abbildung 21: aus [11]:<br />

Hörbarkeit <strong>de</strong>r Richtungsän<strong>de</strong>rung.<br />

Signal: Sprache, trocken.<br />

Arithmetischer Mittelwert inkl. 95%-<br />

Konfi<strong>de</strong>nzintervalle.<br />

20<br />

Abbildung 22: aus [11]:<br />

Hörbarkeit <strong>de</strong>r Klangfarbenän<strong>de</strong>rung.<br />

Signal: Sprache, trocken.<br />

Arithmetischer Mittelwert inkl. 95%-<br />

Konfi<strong>de</strong>nzintervalle.<br />

Es zeigt sich, dass Richtungs- und Aus<strong>de</strong>hnungsän<strong>de</strong>rungen eher wahrgenommen wer<strong>de</strong>n<br />

als Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Lokalisiertheit und <strong>de</strong>r Klangfarbe. Die Wahrnehmbarkeitsschwelle<br />

(relativ zum Summenpegel <strong>de</strong>r Phantomschallquelle C/R) liegt für Richtungsän<strong>de</strong>rungen<br />

bei ca. -12 dB, für Aus<strong>de</strong>hnungsän<strong>de</strong>rungen bei ca. -9 dB. Die Lokalisiertheit<br />

nimmt ab ca. -9 dB ab und die Klangfarbe <strong>de</strong>r Phantomschallquelle än<strong>de</strong>rt sich ab<br />

ca. -6 dB.<br />

Abbildung 23 zeigt die Ergebnisse aller Testsignale für das Attribut Aus<strong>de</strong>hnungsän<strong>de</strong>rung.<br />

Abbildung 23: aus [11]:<br />

Hörbarkeit <strong>de</strong>r Aus<strong>de</strong>hnungsän<strong>de</strong>rung, Ergebnisse für alle 4 Testsignale.<br />

Arithmetischer Mittelwerte.<br />

Diese Ergebnisse machen <strong>de</strong>utlich, dass Crosstalk soweit wie möglich vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

sollte, um negative Effekte zu vermei<strong>de</strong>n. Dies ist möglich, wenn das <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Signal<br />

optimal <strong>de</strong>kodiert wird. Der Crosstalk <strong>de</strong>r optimierten Dekodierungen ist, abhängig von<br />

<strong>de</strong>r Variante, allerdings immer noch knapp über <strong>de</strong>r Wahrnehmbarkeitsschwelle für<br />

einzelne Attribute.<br />

4. Praktische Untersuchung anhand von verschie<strong>de</strong>nen<br />

Testaufnahmen<br />

Es gilt zwar: „Nichts ist praktischer als <strong>eine</strong> gute Theorie“ (Gerhard Steinke), aber <strong>de</strong>nnoch<br />

hat die Theorie ihre Grenzen und kann noch lange nicht alles erklären, was unsere<br />

Wahrnehmung bestimmt. Deshalb ist für <strong>eine</strong> Diskussion <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung<br />

auch <strong>eine</strong> praktische Untersuchung notwendig.


Die Zielsetzungen <strong>de</strong>r praktischen Untersuchung sind:<br />

- Test verschie<strong>de</strong>ner Dekodierungsvarianten<br />

- Überprüfung <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n vorangegangenen Kapiteln besprochenen Vor- und<br />

Nachteile <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> <strong>Aufnahmetechnik</strong><br />

- Test <strong>de</strong>r Anwendbarkeit <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> <strong>Aufnahmetechnik</strong> in verschie<strong>de</strong>nen Aufnahmeszenarien,<br />

darunter Musik, Atmo, Theater-Aufzeichnung, Hörspiel, Dokumentation/Film,<br />

Fernsehstudio<br />

- Vergleich <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Systems mit an<strong>de</strong>ren Referenzanordnungen<br />

Die Qualität <strong>eine</strong>r Aufnahme ist mit wissenschaftlichen Mitteln nicht leicht zu bewerten.<br />

Zu sehr schwanken die unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Prioritäten <strong>de</strong>r<br />

verschie<strong>de</strong>nen Hörer. Deshalb sollen hier auch k<strong>eine</strong> allgem<strong>eine</strong>n Ergebnisse postuliert,<br />

son<strong>de</strong>rn nur unsere Erfahrungen und die gesammelten Kommentare an<strong>de</strong>rer beschrieben<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

4.1. Verschie<strong>de</strong>ne Varianten <strong>de</strong>r Dekodierung von <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong><br />

Die folgen<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>n Buchstaben A-F bezeichneten Varianten <strong>de</strong>r Dekodierung <strong>de</strong>r<br />

<strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Signale sind in <strong>de</strong>r praktischen Untersuchung betrachtet wor<strong>de</strong>n (siehe<br />

[13]). Neben <strong>de</strong>n Polardiagrammen und <strong>de</strong>r Beschreibung <strong>de</strong>r Öffnungswinkel <strong>de</strong>r resultieren<strong>de</strong>n<br />

Ausgangskanäle ist jeweils die genaue Pegelmatrix abgebil<strong>de</strong>t, mit <strong>de</strong>r die<br />

Dekodierung erreicht wur<strong>de</strong>.<br />

Außer<strong>de</strong>m wird auch das jeweils verwen<strong>de</strong>te Delay <strong>de</strong>r hinteren Kanäle angegeben.<br />

A) 4 Supernieren � Dekodierung wie MD<strong>MS</strong> U (4ch),<br />

siehe Abschnitt 5 b)<br />

Die Richtcharakteristik Superniere hat sich als guter<br />

Kompromiss herausgestellt. Aufgrund <strong>de</strong>r starken<br />

Richtwirkung <strong>de</strong>r Superniere bei <strong>eine</strong>r maximalen<br />

Schallunterdrückung im hinteren Halbraum ist diese<br />

Einstellung nur von sehr geringem Crosstalk behaftet.<br />

Vorteilhaft ist <strong>de</strong>r Verzicht auf <strong>de</strong>n Center-Kanal, da so<br />

größere Öffnungswinkel möglich wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Richtungsabbildung ist im gesamten Bereich ausgewogen<br />

und präzise. Der Aufnahmewinkel für die<br />

Basis L/R im vor<strong>de</strong>ren Bereich beträgt 110°.<br />

Die Unterdrückung von Direktschall in <strong>de</strong>n hinteren<br />

Kanälen funktioniert gut.<br />

Diese Eigenschaften prä<strong>de</strong>stinieren diese Dekodierung<br />

für Musikaufnahme und Hörspiel, ob allerdings die<br />

Varianten mit Center bevorzugt wer<strong>de</strong>n, hängt nach<br />

<strong>de</strong>r Erfahrung <strong>de</strong>s Autors stark von <strong>de</strong>r Intention und<br />

<strong>de</strong>m Geschmack <strong>de</strong>s einzelnen ab.<br />

21


B) 4 Supernieren, etwas breitere Abbildung<br />

Um <strong>de</strong>n Aufnahmewinkel <strong>eine</strong>r Stereoabbildung zu<br />

verkl<strong>eine</strong>rn, muss entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Versatzwinkel zwischen<br />

<strong>de</strong>n Mikrofonen vergrößert o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Richtwirkung<br />

erhöht wer<strong>de</strong>n. Dieses Beispiel unterschei<strong>de</strong>t sich<br />

nur sehr geringfügig vom vorangegangenen, <strong>de</strong>nn<br />

je<strong>de</strong>r Versuch, <strong>de</strong>n L/R-Aufnahmewinkel wesentlich zu<br />

verkl<strong>eine</strong>rn und gleichzeitig <strong>eine</strong> stereofone Abbildung<br />

in LS/RS zu behalten, wür<strong>de</strong> zu <strong>eine</strong>r sehr ungleichmäßigen<br />

Energieverteilung und starkem Übersprechen<br />

<strong>de</strong>r Kanäle führen. Bei dieser Einstellung beträgt <strong>de</strong>r<br />

L/R-Aufnahmewinkel ca. 90° (im Vergleich zu ca. 110°<br />

im Variante A).<br />

C) „konventionelle“ <strong>MS</strong>-Dekodierung 4ch<br />

Diese Dekodierung wur<strong>de</strong> als Negativbeispiel mit in die<br />

Vergleiche aufgenommen. Die starke Rückwärtsempfindlichkeit<br />

<strong>de</strong>r Mikrofone bewirkt ein <strong>de</strong>utliches Übersprechen<br />

und damit starke klangliche Unregelmäßigkeiten<br />

für Hörer außerhalb <strong>de</strong>s „Sweet Spots“.<br />

Die Energieverteilung ist nicht optimal.<br />

Die Hörergebnisse zeigen, dass diese Variante klanglich<br />

und räumlich schlecht beurteilt wird.<br />

´<br />

D) 5 Supernieren � Dekodierung wie MD<strong>MS</strong> U (5ch),<br />

siehe Abschnitt 5 b)<br />

Um <strong>eine</strong> gleichmäßige Energieverteilung und ausgewogene<br />

Lokalisation zu erhalten, sind die Supernieren<br />

für L/R gegenüber <strong>de</strong>r 4-kanaligen Ausführung weiter<br />

nach außen gedreht. Die Abbildung ist ausgewogen,<br />

die Stabilität durch <strong>de</strong>n Center-Kanal gegeben. Ob<br />

diese o<strong>de</strong>r Variante A für Aufnahmen mit ausgewogener<br />

Abbildung Verwendung fin<strong>de</strong>t ist auch Geschmackssache.<br />

Der Center-Pegel kann reduziert wer<strong>de</strong>n, um Crosstalk<br />

vorne zu vermei<strong>de</strong>n und die Richtungsabbildung zu<br />

verbessern. Klanglich ist die 5-Kanal-Variante ohne<br />

22


weitere Maßnahmen <strong>de</strong>r 4-Kanal-Variante unterlegen,<br />

allerdings kann <strong>de</strong>r Center-Kanal durchaus <strong>eine</strong> wichtige<br />

Rolle bei Programm-wichtigem Inhalt übernehmen,<br />

z.B. für Soloinstrumente o<strong>de</strong>r im Hörspiel. Außer<strong>de</strong>m<br />

kann er Stabilität bieten.<br />

E) „konventionelle“ <strong>MS</strong>-Dematrizierung 5ch<br />

Diese Dekodierung wur<strong>de</strong> ebenfalls als Negativbeispiel<br />

mit in die Vergleiche aufgenommen. In dieser<br />

Einstellung überlappen sich die Kanäle beson<strong>de</strong>rs<br />

stark.<br />

Diese Einstellung zeigt auch im praktischen Versuch,<br />

dass <strong>eine</strong> schlechte Dekodierung ohne Kontrolle<br />

schlechte Ergebnisse liefert. Unangenehme<br />

Klangfarbe und mangeln<strong>de</strong> räumliche Transparenz<br />

sind die Folge. Die Klangfarbe än<strong>de</strong>rt sich schon mit<br />

kl<strong>eine</strong>n Kopfbewegungen.<br />

F) Verzögerte <strong>Surround</strong>kanäle<br />

Diese Einstellung stellt <strong>eine</strong> Verbesserung <strong>de</strong>r 5-<br />

Kanal-Variante D dar, da die Unabhängigkeit <strong>de</strong>r<br />

Kanäle vergrößert wird: sowohl vorne durch die<br />

Vergrößerung <strong>de</strong>s Öffnungswinkels als auch zwischen<br />

vorne und hinten durch das Delay<br />

(Δt=10ms).<br />

Diese Variante kann für viele Aufnahmeszenarien<br />

die optimale Lösung sein, wenn <strong>de</strong>r Center-Kanal<br />

gewünscht wird. Allerdings muss natürlich ein Vorne-bezogenes<br />

Klangbild vorliegen, <strong>de</strong>nn das Delay<br />

verhin<strong>de</strong>rt die stabile Hinten-Ortung.<br />

23


4.2. Subjektive Erfahrungen mit <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Aufnahmen<br />

Die Erfahrungen mit verschie<strong>de</strong>nen Aufnahmeszenarien zeigten in vielen Fällen, dass<br />

die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> <strong>Aufnahmetechnik</strong> durchaus gute bis sehr gute Ergebnisse lieferte. Hier<br />

sind unsere subjektiven Erfahrungen wie<strong>de</strong>rgegeben, die auch mit einigen an<strong>de</strong>ren<br />

diskutiert wer<strong>de</strong>n konnten und sich oft mit <strong>de</strong>ren Erfahrungen <strong>de</strong>ckten.<br />

So war z.B. <strong>eine</strong> Atmo mit vielen Direktschallanteilen in allen Richtungen (Marktplatz)<br />

gut darstellbar und zeigte in <strong>de</strong>r 4-Kanal-Dekodierung ähnliche Qualität wie das simultan<br />

aufgezeichnete IRT-Kreuz. Die Flexibilität <strong>de</strong>r Richtungsabbildung nach <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<br />

<strong>MS</strong> Aufnahme stellte sich für die schräg vorbeifahren<strong>de</strong> Straßenbahn als echter Vorteil<br />

heraus.<br />

Eine Atmo, die mehr auf <strong>eine</strong> effektvolle Räumlichkeit zielte (Feuerwerk am Volksfest),<br />

konnte mit <strong>de</strong>m IRT-Kreuz besser und effektvoller wie<strong>de</strong>rgegeben wer<strong>de</strong>n. Das IRT-<br />

Kreuz kann gleichzeitig <strong>eine</strong> gute 360°-Abbildung liefern und <strong>eine</strong>n guten Eindruck von<br />

Umhüllung und Räumlichkeit liefern.<br />

Einige Musikaufnahmen (Klavierkonzert, Kammermusik, großes Orchester) gelangen<br />

überraschend gut mit <strong>de</strong>m <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> System, das parallel aufgezeichnete OCT <strong>Surround</strong><br />

Setup lieferte jedoch sehr gute, effektvollere und raumbetonte Ergebnisse. Eine<br />

Entscheidung zwischen diesen Verfahren bleibt <strong>de</strong>m Geschmack <strong>de</strong>s Tonmeisters überlassen.<br />

In unserer Erfahrung kann <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> eher kl<strong>eine</strong> Klangkörper darstellen, bei<br />

größeren Klangkörpern in großen Räumen bieten sich eher OCT <strong>Surround</strong> o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Verfahren an. Bei Musikaufnahmen ist die Verwendung <strong>eine</strong>r zusätzlichen Tiefpaßgefilterten<br />

Kugel zur Aufnahme tiefster Frequenzen empfehlenswert. Die Mischung <strong>de</strong>r<br />

<strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Signale mit <strong>eine</strong>r Groß-AB Kugel-Aufstellung im Raum brachte außer<strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>n gewünschten weiträumigen Klang <strong>de</strong>s Raums. Letztere Lösung liefert außer<strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>korrelierte Tieffrequenzsignale.<br />

Ein A-Cappella Ensemble, das <strong>eine</strong> schöne Abbildung zwischen <strong>de</strong>n Lautsprechern erfor<strong>de</strong>rte,<br />

wur<strong>de</strong> mit <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> sehr gut wie<strong>de</strong>rgegeben, bei<strong>de</strong> Dekodierungsvarianten mit<br />

und ohne Center waren möglich.<br />

Ein Jazz-Ensemble in <strong>eine</strong>m Jazzclub mit Publikum wur<strong>de</strong> mit <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> und einzelnen<br />

Mikrofonen für die Instrumente aufgezeichnet. Die Atmosphäre und <strong>de</strong>r Raumklang in<br />

<strong>de</strong>n <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Signalen ergänzte gut die Mischung <strong>de</strong>r Instrumentenmikrofone. Ein<br />

parallel aufgezeichnetes <strong>Doppel</strong>-ORTF-Mikrofon lieferte <strong>eine</strong> ähnlich gute, allerdings<br />

weniger flexible Raumabbildung. Die Flexibilität war wichtig, da in <strong>de</strong>r Mischung <strong>de</strong>r<br />

Wunsch nach <strong>eine</strong>r unterschiedlichen Einstellung <strong>de</strong>r Stereobreite bei Musikpassagen<br />

und Applauspassagen entstand.<br />

Abbildung 24: Testaufnahmen mit <strong>de</strong>m <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> System und Referenzanordnungen:<br />

links: <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> und OCT <strong>Surround</strong> System bei <strong>eine</strong>r Theater-Live-Aufzeichnung<br />

rechts: <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> und IRT-Kreuz bei <strong>eine</strong>r Atmoaufnahme am Durlacher Marktplatz.<br />

Die Theater-Live-Aufnahme gelang mit <strong>de</strong>m <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> besser als mit OCT. Grund dafür<br />

war wohl die schlechte Räumlichkeit, da die Mikrofone schon im Bühnenhaus hängen<br />

24


mussten und <strong>de</strong>ssen Akustik einfingen. Das <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> System stellte <strong>de</strong>n Raum weniger<br />

in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund.<br />

Eine Live-Aufzeichnung <strong>eine</strong>r TV-Sendung mit Publikum gelang sowohl mit IRT-Kreuz<br />

als auch <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> gut.<br />

Die Verwendung <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Setups bei Hörspielaufnahmen bietet sich schon <strong>de</strong>shalb<br />

an, da hier koinzi<strong>de</strong>nte Techniken gerne verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n und die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong><br />

Technik mehr Flexibilität und natürlich die Mehrkanalfähigkeit bietet. Außer<strong>de</strong>m ist<br />

gera<strong>de</strong> bei Hörspielen Abwärts- bzw. sogar Monokompatibilität gefor<strong>de</strong>rt, die mit <strong>de</strong>r<br />

<strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Technik i<strong>de</strong>al erreicht wird.<br />

Die Anwendung <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Technik im Filmton ist seit einiger Zeit bewährte Praxis.<br />

Eine Anwendung <strong>de</strong>s <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Systems im Dokumentarfilm brachte neue I<strong>de</strong>en bei<br />

<strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Mikrofone, siehe auch [37]: Es ist manchmal sinnvoll, die nach vorne<br />

gerichtete Niere durch <strong>eine</strong> stärker gerichtete Kapsel zu ersetzen, da dieses Mikrofon<br />

diskret für das Dialogsignal im Center verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n soll. Deshalb kann entwe<strong>de</strong>r<br />

<strong>eine</strong> Superniere verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r aber es wird ein Rohrrichtmikrofon eingesetzt.<br />

Letzteres erfor<strong>de</strong>rt allerdings <strong>eine</strong> spezielle Anordnung, die weiterhin <strong>eine</strong> optimale<br />

Koinzi<strong>de</strong>nz ermöglicht, siehe Abbildung 25. Die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Technik bewährte sich gut in<br />

dieser Anwendung, die Vorteile <strong>de</strong>s <strong>Surround</strong>-Tons an <strong>de</strong>r Angel zeigten sich vor allem<br />

dadurch, dass bei <strong>de</strong>r Dokumentarfilmproduktion die Authentizität im <strong>Surround</strong>-Ton<br />

<strong>eine</strong> wichtige Rolle spielt und <strong>de</strong>shalb oft die subjektive Tonperspektive verwen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Abbildung 25: Die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung mit Rohrrichtmikrofon<br />

links: Realisierung mit <strong>de</strong>m Schoeps Double-M/S Set „CMIT“<br />

(verwen<strong>de</strong>te Mikrofone: CMIT 5U, CCM 4 und CCM 8)<br />

rechts: bei <strong>de</strong>r Anwendung, [37], Foto: André Zacher<br />

5. Werkzeuge zur Dekodierung von <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong><br />

Da die Anwendungsbereiche <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung sehr verschie<strong>de</strong>n sind, existieren<br />

mehrere Möglichkeiten, die Dekodierung vorzunehmen. Dabei ist es egal, ob während<br />

<strong>de</strong>r Aufnahme o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Nachbearbeitung (Postproduktion) <strong>de</strong>kodiert wird.<br />

Folgen<strong>de</strong> drei grundsätzliche Möglichkeiten zur Dekodierung wer<strong>de</strong>n erläutert:<br />

a) zwei <strong>MS</strong>-Matrizen in Mischpult o<strong>de</strong>r Schnittsoftware<br />

b) Hardware <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Matrix MD<strong>MS</strong> U<br />

c) Software VST Plugin „Double M/S Tool“<br />

zu a) <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Signale können grundsätzlich genauso wie <strong>MS</strong>-Aufnahmen <strong>de</strong>kodiert<br />

wer<strong>de</strong>n, dazu wer<strong>de</strong>n dann zwei statt nur <strong>eine</strong>r <strong>MS</strong>-Matrix verwen<strong>de</strong>t. Außer<strong>de</strong>m<br />

kann die vor<strong>de</strong>re Niere auch als Center-Signal verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Diese Metho<strong>de</strong><br />

wird in vielen Fällen gute Ergebnisse liefern, das Ergebnis sollte aber vom Tonmeister<br />

kontrolliert wer<strong>de</strong>n, da auch ungünstige Dekodierungen entstehen könnten<br />

(vgl. Abschnitt 4). Falls die <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Technik mit <strong>eine</strong>m Rohrrichtmikrofon<br />

25


als M-Signal verwen<strong>de</strong>t wird, wird diese Metho<strong>de</strong> empfohlen, da <strong>eine</strong> Mischung<br />

zwischen hinterer Niere und Rohrrichtmikrofon k<strong>eine</strong>n Sinn macht.<br />

26<br />

Abbildung 26:<br />

konventionelle <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong><br />

Dekodierung nach Variante a)<br />

Wie in <strong>de</strong>n vorigen Abschnitten besprochen, lassen sich die Eigenschaften <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<br />

<strong>MS</strong> Anordnung mithilfe <strong>eine</strong>r geeigneten Dekodierung verbessern. Diese Dekodierung<br />

erfor<strong>de</strong>rt die Einbeziehung aller drei Kapseln zur Synthese <strong>de</strong>r Signale L/R/LS/RS und<br />

<strong>de</strong>r zwei Nieren für <strong>de</strong>n Center-Kanal. Diese Dekodierung ist zwar mithilfe von Pegel-<br />

Matrizen o<strong>de</strong>r im Mischpult möglich, aber generell umständlich. Deshalb ist die Verwendung<br />

spezieller Werkzeuge hilfreich, die diese optimierte Dekodierung ermöglichen:<br />

zu b) Hardware-Matrix Schoeps MD<strong>MS</strong> U<br />

Diese analoge, passive Matrix liefert die 4 bzw. 5 <strong>de</strong>kodierten Kanäle<br />

L/R/C/LS/RS aus <strong>de</strong>n drei <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Signalen. Sie kann direkt bei <strong>de</strong>r Aufnahme<br />

im Mikrofonkabel verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r aber in <strong>de</strong>r Nachbearbeitung. Sie<br />

bietet die bei<strong>de</strong>n Dekodierungsvarianten A und D aus Abschnitt 4. In <strong>de</strong>r Matrix<br />

wird die Empfindlichkeit <strong>de</strong>r Schoeps-Kapseln angeglichen.<br />

Abbildung 27:<br />

Hardware Matrix<br />

Schoeps MD<strong>MS</strong> U<br />

zu c) Software VST PlugIn „Double M/S Tool“<br />

Dieses PlugIn wird in <strong>eine</strong>m Sequencerprogramm mit Multichannel VST-<br />

Schnittstelle verwen<strong>de</strong>t. Es eignet sich hervorragend zur flexiblen und intuitiven<br />

Dekodierung <strong>de</strong>r <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Signale. Die Bedienung ist selbsterklärend, da alle<br />

Än<strong>de</strong>rungen sofort in <strong>de</strong>n Polardiagrammen visualisiert wer<strong>de</strong>n. Auch die Audio-<br />

Ausgangssignale wer<strong>de</strong>n in Echtzeit mit <strong>de</strong>n aktuellen Parametern geän<strong>de</strong>rt.<br />

Ebenso wie die Hardware hat das PlugIn drei Eingangskanäle (die Signale <strong>de</strong>r<br />

<strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Anordnung) und 5 Ausgangskanäle (L/C/R/LS/RS). Im PlugIn wird<br />

automatisch die unterschiedliche Empfindlichkeit <strong>de</strong>r Schoeps-Kapseln angepasst<br />

und <strong>eine</strong> Entzerrung <strong>de</strong>r Kapsel CCM/MK 8 vorgenommen.<br />

Das PlugIn ist kostenlos zum Download verfügbar [21]. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n kurze<br />

Audio-Samples von <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> verfügbar sein, damit das PlugIn ausprobiert wer-


<strong>de</strong>n kann.<br />

Es ist bisher nur für Windows erhältlich.<br />

6. Danksagung<br />

27<br />

Abbildung 28:<br />

VST PlugIn<br />

„Double M/S Tool“<br />

Ich will mich für die hervorragen<strong>de</strong> Arbeit bedanken, die Christopher Haut innerhalb<br />

s<strong>eine</strong>r Diplomarbeit und Daniel Keinath innerhalb s<strong>eine</strong>s Praktikums in ihrer Zeit bei <strong>de</strong>r<br />

Firma Schoeps an diesem Thema geleistet haben.<br />

Herzlicher Dank geht auch an Prof.Dr.Jörg Bitzer vom IHA <strong>de</strong>r Fachhochschule Ol<strong>de</strong>nburg<br />

für s<strong>eine</strong> Unterstützung.<br />

7. Literatur<br />

[1] Benjamin E., Chen T.: “The native B-format Microphone, Part I”, 119th AES Convention,<br />

New York, 2005, Preprint No.6621<br />

[2] Brittain, F. H., Leakey, D. M.: "Two-channel stereophonic sound systems. Wireless World<br />

206-210, 1956<br />

[3] Camerer, F.: „Practical <strong>Surround</strong>-Sound-Production - Part 2: TV-Documentaries“, AES 19th<br />

International Conference, Ellmau, May 2001<br />

[4] Cremer: „Zur Verwendung <strong>de</strong>r Worte Korrelationsgrad und Kohärenzgrad“, ACUSTICA,<br />

Vol.35, No.3, p.215-218, Juni 1976<br />

[5] Damaske, P.: „Subjektive Untersuchung von Schallfel<strong>de</strong>rn“, ACUSTICA, Vol.19, No.4,<br />

p.199-213, 1967/1968<br />

[6] Flock, S.: “Theoretische sowie objektive und subjektive Messungen am Soundfield-<br />

Mikrofon”, Diplomarbeit im Studiengang Ton und Bild, FH Düsseldorf<br />

[7] Gerzon, M.: “Periphony: With-Height Sound Reproduction”, Journal of the Audio Engineering<br />

Society, 21(1):2-10, 1973.<br />

[8] Griesinger, D.: „Spaciousness and Localization in Listening rooms <strong>–</strong> how to make coinci<strong>de</strong>nt<br />

recordings sound as spacious as spaced microphone arrays“, 79th AES Convention, New<br />

York, 1985, Preprint No.2294<br />

[9] Griesinger, D.: „New Perspectives on Coinci<strong>de</strong>nt and Semi Coinci<strong>de</strong>nt Microphone Arrays“,<br />

82nd AES Convention, London, 1987, Preprint No.2464<br />

[10] Griesinger, D.: „Physik, Psychoakustik und <strong>Surround</strong>-Technik“, Production Partner Spezial<br />

21.Tonmeistertagung, Musik-Media-Verlag Ulm, 2000, 2.


[11] Griesinger, D.: „Räumliches Hören in Theorie und Praxis: Wie ergänzt man Tiefe und Halligkeit<br />

mit künstlichem Nachhall ohne Beeinträchtigung <strong>de</strong>r Deutlichkeit - The Theory and<br />

Practice of Perceptual Mo<strong>de</strong>ling - How to use Electronic Reverberation to Add Depth and<br />

Envelopment Without Reducing Clarity”, www.world.std.com/~griesngr, Stand Oktober<br />

2006<br />

[12] Haut, C.: „Programmierung und Evaluierung <strong>eine</strong>r parametrisierbaren <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Dekodierung<br />

für <strong>eine</strong> 5.1 <strong>Surround</strong>-Abmischung“, Diplomarbeit <strong>de</strong>s Studienganges Hörtechnik &<br />

Audiologie an <strong>de</strong>r FH Ol<strong>de</strong>nburg, 2006.<br />

[13] Keinath, D.: „Testaufnahmen mit <strong>de</strong>m <strong>Doppel</strong>-<strong>MS</strong> Verfahren“, interner Praktikumsbericht<br />

<strong>de</strong>r Firma Schoeps, Karlsruhe, 2005.<br />

[14] Lee, H. K. und Rumsey F.: ” Investigation into the effect of interchannel Crosstalk in Multichannel<br />

Microphone Technique”, 119 th AES Convention, New York 2005, Preprint No.6374.<br />

[15] Lipshitz, S.P.: "Stereo Microphone Techniques: Are the Purists Wrong?", AES Convention,<br />

Anaheim, May 1985, Preprint No.2261<br />

[16] Leakey, D. M.: "Further thoughts on stereophonic sound systems". Wireless World, 154-<br />

160, 1960<br />

[17] Martin, G.: „The Significance of Interchannel Correlation, Phase and Amplitu<strong>de</strong> Differences<br />

on Multichannel Microphone Techniques“, 113th AES Convention, 2002, Los Angeles,<br />

Preprint No.5671<br />

[18] Mertens, H.: "Directional hearing in stereophony theory and experimental verification”,<br />

Europ. Broadcasting Union Rev. Part A, 92, 1-14, 1965<br />

[19] Pfanzagl, E.: „Über die Wichtigkeit ausreichen<strong>de</strong>r Dekorrelation bei 5.1 <strong>Surround</strong>-<br />

Mikrofonsignalen zur Erzielung besserer Räumlichkeit“, Bericht zur Tonmeistertagung 2002,<br />

Hannover<br />

[20] Schoeps-website: www.schoeps.<strong>de</strong>, Stand 2006<br />

[21] Schoeps-website: Download <strong>de</strong>s VST-PlugIn „Double M/S Tool“ unter<br />

www.schoeps.<strong>de</strong>/dmsplugin.htm, Stand 2006<br />

[22] Sengpiel, E., Vorlesungsunterlagen: „Theoriegrundlagen:“Intensitäts“-Stereofonie“, „Theoriegrundlagen:<br />

Laufzeitstereofonie“,<br />

http://www.sengpielaudio.com/TheorieGrundlaIntensitaet.pdf,<br />

http://www.sengpielaudio.com/TheorieGrundlaLaufzeit.pdf, Stand 12. Mai 2006<br />

[23] Simonson, G.: Master´s Thesis. Lyngby, Denmark, 1984<br />

[24] Soundfield-website: www.soundfield.com, Stand 2006<br />

[25] Theile, G.: “Multichannel natural recording based on psychoacoustics principles”, 108th AES<br />

convention, 2000, Preprint No. 5156.<br />

[26] Theile, G.: "On the performance of two-channel and multi-channel stereophony", 88th AES<br />

Convention, 1990, Preprint No.2932<br />

[27] Williams, M.: “Multichannel sound recording practice using microphone arrays”, 24th AES<br />

International Conference.<br />

[28] Williams, M.: “The Stereophonic Zoom: A Practical Approach to Determining the Characteristics<br />

of a Spaced Pair of Directional Microphones”, 75 th AES Convention, 1984, Preprint<br />

No.2072<br />

[29] Williams, M.: “Microphone Arrays for Stereo and Multichannel Sound recording”, Il Rostro,<br />

Milan, 2000<br />

[30] Wittek, H., Theile, G.: Investigations on directional imaging using L-C-R stereo microphones.<br />

(German), 21. Tonmeistertagung 2000, Proceedings pp. 432-455<br />

[31] Wittek, H., Theile, G.: „The recording angle <strong>–</strong> based on localization curves“, 112th AES<br />

Convention, Munich 2002, Preprint No.5568<br />

[32] Wittek, H.: „Untersuchungen zur Richtungsabbildung mit L-C-R <strong>Hauptmikrofon</strong>en“, Diplomarbeit<br />

<strong>de</strong>s Studienganges Ton- und Bildtechnik an <strong>de</strong>r FH Düsseldorf, 2000.<br />

28


[33] Wittek, H., „Image Assistant“, Java Applet auf www.hauptmikrofon.<strong>de</strong>, Stand 2006<br />

[34] Wittek, H., Neumann, O., Schaeffler, M, Millet, C.: „Studies on Main and Room Microphone<br />

Optimization“, AES 19th Int.Conference, Ellmau, 2001<br />

[35] Wolfram-Homepage, Lösungen zu Kugelflächenfunktionen,<br />

http://mathworld.wolfram.co<strong>MS</strong>phericalHarmonic.html, Stand: Juni 2006.<br />

[36] Wuttke, J.: Principles of microphones and stereo recordings, in: Mikrofonaufsätze, auf<br />

www.schoeps.<strong>de</strong>, Stand 2006<br />

[37] Zacher, A.: „Dragonsongs <strong>–</strong> Lang Lang in China, Dokumentarischer Dreh“, Bericht auf<br />

http://www.proaudio.<strong>de</strong>/reports/praxis/langlang/in<strong>de</strong>x.html, Stand: Oktober 2006<br />

Anhang<br />

Zur Begrifflichkeit <strong>de</strong>r Korrelation und <strong>de</strong>r Kohärenz im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Analyse<br />

<strong>de</strong>r <strong>Aufnahmetechnik</strong>:<br />

Cremer beschreibt in [4] die Definitionen <strong>de</strong>r Begrifflichkeiten recht anschaulich. Auf<br />

diese Quelle bezieht sich <strong>de</strong>r Autor dieses Aufsatzes.<br />

Die Korrelation ist ein Maß für die Ähnlichkeit zweier Signale im Zeitbereich. Es existieren<br />

zwei wichtige Begriffe: Korrelationsgrad und Korrelationsfunktion.<br />

Der Korrelationsgrad gibt die Korrelation bei <strong>de</strong>r Laufzeit τ = 0 an:<br />

+ T 2<br />

p1(<br />

t)<br />

p2(<br />

t)<br />

1<br />

χ = ~ p ~<br />

mit p 1 ( t)<br />

p2(<br />

t)<br />

= lim<br />

1p<br />

→∞<br />

∫ p1<br />

T<br />

2<br />

T −T<br />

2<br />

29<br />

( t)<br />

p ( t)<br />

dt<br />

Erläuterung: Der Korrelationsgrad χ ist <strong>de</strong>r Quotient aus <strong>de</strong>m Produkt <strong>de</strong>r Signale p1<br />

und p2, gemittelt über <strong>de</strong>r Zeit T, und <strong>de</strong>m Produkt <strong>de</strong>r Effektivwerte<br />

(=Autokorrelationsfunktionen zum Zeitpunkt 0). Der Nenner sorgt dafür, dass <strong>de</strong>r Korrelationsgrad<br />

„normiert“ ist, das heißt, er nimmt nur Werte zwischen -1 und 1 an. Das<br />

heißt auch: Der Korrelationsgrad ist nicht abhängig vom Pegelverhältnis <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

Signale. Der Korrelationsgrad ist kein guter Wert, um Stereofonie mit Laufzeiten zu<br />

überprüfen, da er nur <strong>de</strong>n Zeitpunkt τ = 0 analysiert. Trotz<strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>r Korrelationsgrad<br />

meistens größer 0 sein, wenn AB-Stereofonie verwen<strong>de</strong>t wird, da die tiefen Frequenzen<br />

bei AB-Stereofonie, abhängig vom Abstand, stets korreliert sind.<br />

Die Korrelationsfunktion analysiert nun die Korrelation auch bei allen an<strong>de</strong>ren Werten<br />

für τ :<br />

χ<br />

( τ )<br />

p1( t)<br />

p2(<br />

t + τ )<br />

= ~ p ~ p<br />

1<br />

2<br />

Erläuterung: Es können damit auch solche Signale als „korreliert“ genannt wer<strong>de</strong>n, die<br />

über <strong>eine</strong>n Zeitversatz τ verfügen. Allerdings muss dieser Zeitversatz für alle Frequenzen<br />

gleich sein, da ja im Zeitbereich analysiert wird und damit sonst die Korrelationsfunktion<br />

<strong>eine</strong>n geringeren Wert annimmt. Wenn die Korrelationsfunktion abhängig von<br />

<strong>de</strong>r Frequenz betrachtet wird, das heißt<br />

χ<br />

( τ , ω)<br />

p 1(<br />

t,<br />

ω)<br />

p2(<br />

t + τ , ω)<br />

=<br />

~ p ( ω)<br />

~ p ( ω)<br />

1<br />

2<br />

2


ergibt sich <strong>eine</strong> Funktion, die für je<strong>de</strong> Frequenz separat die Korrelation bestimmen<br />

kann, und dann können auch unterschiedliche τ vorliegen. Damit könnte jetzt auch ab-<br />

Stereofonie analysiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Wenn die Analyse <strong>de</strong>r Ähnlichkeit nicht im Zeitbereich, son<strong>de</strong>rn im Frequenzbereich<br />

passiert, spricht man von <strong>de</strong>r<br />

Kohärenzfunktion:<br />

γ<br />

( ω)<br />

=<br />

[ ] 2<br />

1<br />

Φ ( ω)<br />

Φ ( ω)<br />

11<br />

Φ<br />

12<br />

( ω)<br />

22<br />

Die Kohärenzfunktion ist <strong>de</strong>r Quotient aus <strong>de</strong>r Fourier-Transformierten <strong>de</strong>r Kreuzkorrelationsfunktion<br />

und <strong>de</strong>m Produkt <strong>de</strong>r Fourier-Transformierten <strong>de</strong>r Autokorrelationsfunktionen.<br />

Achtung: Meistens wird die Kohärenz(-funktion) im Quadrat angegeben ( γ 2 (ω) ).<br />

Die Verwandtschaft zur frequenzabhängigen Korrelationsfunktion wird ersichtlich, wenn<br />

bei letzterer das Maximum über <strong>de</strong>r Variable τ für je<strong>de</strong> einzelne Frequenz gesucht wird.<br />

Dann gilt:<br />

( ω)<br />

γ ( ω)<br />

χ ′ =<br />

max<br />

Das „Strichlein“ <strong>de</strong>s χ’ be<strong>de</strong>utet, dass diese Beziehung nur gilt, wenn die Frequenzen<br />

einzeln beobachtet wer<strong>de</strong>n. Der Betrag <strong>de</strong>s Maximums <strong>de</strong>r Korrelationsfunktion kann<br />

also als Maß für die Kohärenz angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Grundsätzlich kann man trennen zwischen <strong>de</strong>r Korrelation, die <strong>eine</strong> Ähnlichkeit <strong>de</strong>r<br />

Signale im Zeitbereich betrachtet und die Gruppenlaufzeiten τ liefert, und <strong>de</strong>r Kohärenz,<br />

die die Ähnlichkeit zweier Signale im Frequenzbereich untersucht und die Phasenbeziehung<br />

dabei außer Acht lässt.<br />

Welches Maß ist nun geeignet, <strong>eine</strong> Aussage über <strong>eine</strong> stereofone Anordnung zu liefern?<br />

Zunächst ist klar: Wird auch Laufzeit-Stereofonie untersucht, muss <strong>eine</strong> frequenzabhängige<br />

Größe gesucht wer<strong>de</strong>n, somit kommt <strong>de</strong>r Korrelationsgrad nicht in Frage. Wenn<br />

von <strong>de</strong>r „Korrelation“ o<strong>de</strong>r „korreliert“ die Re<strong>de</strong> ist, sollte darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, was<br />

damit gemeint wird. Meist ist die Korrelationsfunktion gemeint, und für die gilt zum<br />

Beispiel, dass zwei kohärente Signale mit unterschiedlichen Gruppenlaufzeiten <strong>eine</strong><br />

Korrelation kl<strong>eine</strong>r 1 ergeben. Bei ab-Stereofonie ist die Kohärenzfunktion im Diffusfeld<br />

frequenzabhängig, wie Abbildung 33 zeigt. In diesem Fall zeigt <strong>de</strong>r Korrelationsgradmesser<br />

ungefähr <strong>de</strong>n Wert 0.2. Dies geht aus <strong>de</strong>n Untersuchungen Damaskes [5] hervor.<br />

Der Korrelationsgradmesser liefert also in etwa <strong>eine</strong> gewichtete Mittelung aus <strong>de</strong>n<br />

Einzelkorrelationen, wobei die tiefen Frequenzen <strong>eine</strong> wesentliche Rolle spielen.<br />

Abbildung 29 zeigt <strong>de</strong>n Korrelationsgrad <strong>eine</strong>r ab-Anordnung im diffusen Schallfeld in<br />

Abhängigkeit vom Mikrofonabstand.<br />

Es ist ein Erfahrungswert <strong>de</strong>r Tonmeister, welche angezeigte Korrelation am Korrelationsgradmesser<br />

bei AB-Stereofonie welchen Klang ergibt. Die Aussagekraft <strong>de</strong>r Korrelations-/Kohärenzfunktion<br />

für die räumliche Wahrnehmung ist in höchstem Maße interessant.<br />

Wie nimmt das Gehör die Kohärenz bei unterschiedlichen Frequenzen wahr? Offensichtlich<br />

ist das Gehör in <strong>de</strong>r Lage, <strong>eine</strong> Kohärenz zu erkennen, also die Ähnlichkeit<br />

<strong>de</strong>r Signale trotz unterschiedlicher Gruppenlaufzeiten zu analysieren. Wie wertet das<br />

Gehör die Kohärenz in unterschiedlichen Frequenzbereichen aus?<br />

Zur Erläuterung <strong>de</strong>r Aussagekraft <strong>de</strong>r Kohärenz sind nun drei Beispiele <strong>eine</strong>r Kohärenzfunktion<br />

für verschie<strong>de</strong>ne stereofone Anordnungen abgebil<strong>de</strong>t. Es ist <strong>eine</strong> spannen<strong>de</strong><br />

Aufgabe, diese Daten psychoakustisch o<strong>de</strong>r empirisch (in <strong>de</strong>r Tonmeisterpraxis) auszuwerten.<br />

Die Graphen zeigen die quadrierte Kohärenzfunktion in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r Frequenz.<br />

Diese ist nur bis 1200 Hz gezeichnet. Die Zahl im Graphen gibt die Kohärenz bei f=0 an.<br />

30


Abbildung 30: Kohärenzfunktion γ 2 :<br />

XY, 2 Nieren 90°, b=0cm<br />

Abbildung 32: Kohärenzfunktion γ 2 :<br />

ORTF, 2 Nieren 110°, b=17cm<br />

31<br />

Abbildung 29: aus Damaske<br />

[5]<br />

Abgebil<strong>de</strong>t ist tatsächlich <strong>de</strong>r<br />

Korrelationsgrad, <strong>de</strong>r aus<br />

<strong>de</strong>m Maximum <strong>de</strong>r Korrelationsfunktion<br />

ermittelt wur<strong>de</strong>.<br />

(Definitionen siehe Anhang)<br />

Da anzunehmen ist, dass in<br />

allen Fällen gilt: τ =0, entspricht<br />

dies <strong>de</strong>m Wert, <strong>de</strong>n<br />

ein Korrelationsgradmesser<br />

liefert.<br />

Abbildung 31: Kohärenzfunktion γ 2 :<br />

Blumlein, 2 Achten 90°, b=0cm<br />

Abbildung 33: Kohärenzfunktion γ 2 :<br />

ab, 2 Kugeln, b=80cm


Ein paar Beispiele zum Unterschied korreliert <strong>–</strong> kohärent (korreliert heißt nun, dass die<br />

Korrelationsfunktion bei <strong>eine</strong>m beliebigen τ ein Maximum von 1 hat):<br />

Signal A: sin(φ)<br />

Signal B: sin(φ)<br />

Signal A: sin(φ)<br />

Signal B: -sin(φ)<br />

Signal A: sin(φ)<br />

Signal B: cos(φ)<br />

Signal A: s<br />

Signal B: s, um 10 ms verzögert<br />

Signal A:<br />

ein Ton (mehrere Sinus-Schwingungen<br />

verschie<strong>de</strong>ner Frequenzen)<br />

Signal B:<br />

ein an<strong>de</strong>rer Ton (Sinus-Schwingungen<br />

<strong>de</strong>r gleichen Frequenzen, aber unterschiedlicher<br />

Phasenlagen)<br />

Signal A/Signal B:<br />

zwei Mikrofone im diffusen Schallfeld mit<br />

Abstand r (ab-Stereofonie)<br />

32<br />

kohärent Korreliert Korrelationsgrad<br />

ja Ja 1<br />

ja Ja -1<br />

ja Ja 0<br />

Ja Ja 0<br />

Ja Nein 0<br />

frequenzabhängige<br />

Kohärenz<br />

Nein<br />

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