Convenience Shop 2024 01
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22 | Industrie<br />
30. Jahrgang, Ausgabe 1_<strong>2024</strong><br />
Die Weiße und die<br />
Gelbe Linie<br />
Molkereiprodukte bilden eines der bedeutendsten Segmente<br />
in der deutschen Ernährungswirtschaft. So<br />
werden mit Milchprodukten die zweitmeisten Umsätze erzielt.<br />
Auf dem Spitzenplatz liegen Fleisch und Fleischprodukte.<br />
Bei fast allen Molkereierzeugnissen handelt es sich<br />
um Produkte, die zu einem erheblichen Anteil aus Milch bestehen.<br />
Unter Molkereiprodukte fallen somit zum einen unbehandelte<br />
Milch und zum anderen behandelte und verarbeitete<br />
Milch, die etwa einer Extraktion oder Fermentierung<br />
unterzogen wird. Neben Konsummilch gehören zu den<br />
Milchprodukten auch Sahneerzeugnisse, Joghurt, Trockenmilcherzeugnisse,<br />
wie beispielsweise Milchpulver, Butter,<br />
Hart-, Schnitt- und Weichkäse sowie Frischkäse und Speisequark.<br />
Systematisch unterscheidet man hierbei zwischen<br />
Weißer Linie, also etwa Konsummilch, Sahneerzeugnisse<br />
oder Joghurt, und der Gelben Linie, beispielsweise Käse.<br />
Mit beiden Produktlinien setzten deutsche<br />
Milchverarbeiter 2022 im In- und Ausland 37,3 Milliarden<br />
Euro um. Im Vergleich zum Vorjahr konnte der Umsatz in<br />
der Milchverarbeitung gesteigert werden. Der Auslandsumsatzanteil<br />
lag 2022 bei über 31 Prozent.<br />
Unter dem Strich wurden im vergangenen Jahr weniger Milchprodukte verkauft und konsumiert. Das<br />
lag sicherlich auch an steigenden Preisen, die im abgelaufenen Jahr zu verzeichnen waren.<br />
MILCH KOMMT ÖFTER<br />
NICHT VON DER KUH<br />
Milchprodukte und Käse gibt es für traditionelle Genießer.<br />
Doch auch die Mopro-Produkte gehen mit der Zeit. Newcomer<br />
stürmen den Markt. Und Preise werden sich ändern. Text Silke Hoyer<br />
Einige Trends bei<br />
Milch und Käse<br />
Singles und Personen in kleinen Haushalten mögen Abwechslung.<br />
Interessant sind Verpackungsmaschinen,<br />
die jede einzelne Scheibe einschließen, sodass mehrere Sorten<br />
in einer Verkaufseinheit angeboten werden können. Zudem<br />
wird Frischkäse durch ausgefallene Zutaten aufgepeppt:<br />
etwa durch Vitello Tonnato, mediterran mit Zucchini<br />
oder Radieschen und Schnittlauch. Immer mehr<br />
Produzenten loben auch den Aspekt „ohne Gentechnik“ auf<br />
ihren Packungen aus.<br />
Es waren Plakate mit dramatischen Sprüchen,<br />
mit denen die Bauern in den ersten<br />
Wochen des Jahres auf ihren Traktoren durchs Land rollten:<br />
„Gibt es keine Bauern mehr, bleiben eure Teller leer“ oder<br />
„keine Landwirte, kein Essen, keine Zukunft“ lauteten sie.<br />
Denn die Bauern sind richtig sauer über den Sparkurs<br />
der Ampel-Regierung. Wie hart die Maßnahmen der Regierung<br />
den einzelnen Bauern treffen würden, lässt sich nicht<br />
pauschal sagen. Dass die Streichung der Steuervergünstigungen<br />
auch Auswirkungen auf die Verbraucher haben<br />
könnten – nämlich in Form von steigenden Preisen – ist jedoch<br />
sicher. Das könnte auch Milch und Molkereiprodukte<br />
verteuern. Laut Statista lag 2023 der Indexwert von Milchproduktpreisen<br />
bei 118,8 Punkten. Das heißt, dass die weltweiten<br />
Preise für Milcherzeugnisse im abgelaufenen Jahr um<br />
18,8 Prozent höher ausfielen als im Referenzzeitraum der<br />
Jahre zwischen 2<strong>01</strong>4 bis 2<strong>01</strong>6.<br />
Kein Wunder also, dass bereits 2023 unterm Strich weniger<br />
Milchprodukte gekauft wurden. Sowohl die Weiße –<br />
Milch und Milcherzeugnisse – als auch die Gelbe Linie – Käseprodukte<br />
– haben an Absatzmenge verloren. Das ist ein<br />
Trend, der bereits seit längerem zu beobachten ist. So hat die<br />
Weiße Linie seit 2020 rund 3,6 Prozent, die gelbe Linie 4,7<br />
Prozent verloren. Das zieht sich durch sämtliche Vertriebskanäle.<br />
Auch an den Kassen von Tankstellen, <strong>Convenience</strong>-<br />
Stores und -<strong>Shop</strong>s machte sich diese Entwicklung bemerkbar.<br />
Allerdings mussten nicht alle Produktgruppen ein Absatz-Minus<br />
verkraften, so legten beispielsweise Heu-,<br />
Weidemilch und Feta zu, ebenso wie H-Milch.<br />
Pflanzliche Alternativen legen zu<br />
Auch der Trend zu veganen Produkten hat die Mopro-Welt<br />
längst erfasst. So konnten pflanzliche Alternativen wachsen<br />
– vor allem im Biosegment. Mindestens jedes zweite Produkt<br />
ist „bio“. Der Marktanteil der Milchalternativen liegt<br />
mittlerweile bei rund 6,5 Prozent. Wenig verwunderlich,<br />
schließlich gilt Kuhmilch als Klimasünde. Und auf Käse verzichten<br />
wollen auch viele Veganer nicht. Im Kühlregal von<br />
Tankstellen, <strong>Convenience</strong>-<strong>Shop</strong>s aller Art gibt es mittlerweile<br />
veganen Gouda und veganen Camembert, veganen<br />
Frischkäse sowie veganen Mozzarella.<br />
Ein weiterer Trend ist die Herstellung von Eiweißerzeugnissen<br />
aus Milch und Molke. Diese Produkte konnten<br />
laut Destatis mit einem Plus von rund zehn Prozent überzeugen.<br />
Der Pro-Kopf-Verbrauch stieg bereits 2022 um<br />
knapp vier Prozent auf 610 Gramm und auch 2023 sind<br />
proteinreiche Molkereiprodukte eine deutlich wachsende<br />
Warengruppe, die gut in den Zeitgeist von gesunder Ernährung<br />
und gesundheitlicher Vorsorge passt. Die meisten Verwender<br />
von proteinreichen Molkereiprodukten führen diesen<br />
Lebensstil, wie die Consumer-Insights-Studie des Mafowerk<br />
2022 zeigt: sie treiben regelmäßig Sport, besitzen<br />
Fitnesstracker oder eine Smart-Watch und sind meist zwischen<br />
30 und 39 Jahren alt.<br />
Die Vielfalt wird<br />
noch größer<br />
Immer mehr Käsespezialitäten kommen auf den deutschen<br />
Markt: Gewürzte Käse wie Pepper Jack, Jalapeno<br />
Muenster, Habanero-, Sriracha- oder Meerrettich-Cheddar<br />
werden in den USA gegrillt, auf Sandwiches gelegt und über<br />
Nachos geschmolzen. Und auch in deutschen Kühlregalen<br />
liegen heute oft Käse-Stücke oder Scheiben mit Beinamen<br />
wie Paprika-Knoblauch, Tomate-Oregano oder schlicht<br />
Chili. Auch Raclette-Käse werde in der Schweiz heute gepfeffert<br />
und gewürzt, sagt Käsekenner Michael Spycher von<br />
der Bergkäserei Fritzenhaus im Emmental. Sogar Kaffee-Käse<br />
werde mittlerweile angeboten. Mit seiner halbfesten Konsistenz<br />
erinnert er an den beliebten französischen Morbier,<br />
heißt es auf dem Fachportal Gastro-marktplatz.de. Er sei<br />
aber nicht von Asche, sondern gerösteten und gemahlenen<br />
Kaffeebohnen durchzogen.<br />
Der Marktanteil der Milchalternativen liegt mittlerweile bei<br />
6,5 Prozent. Kuhmilch gilt vielen als Klimasünde.<br />
Ein neuer Trend: Craft-Käse<br />
Dieses gesundheitliche Bewusstsein und der Trend zu<br />
hochwertigen Lebensmitteln vor allem junger Konsumenten<br />
wollen sich auch junge Käsereien zu Nutze machen. So<br />
wollen beispielsweise die Gründer der Münchner Käsemanufaktur<br />
Craft-Käse etablieren. Das Startup will aus Bio-<br />
Milch von einem stadtnahen Hof zunächst Weichkäse und<br />
später auch andere Sorten herstellen. Auch anderswo in<br />
Deutschland versuchen junge Käser das alte Handwerk neu<br />
zu beleben. Beispiel: In der Hafenkäserei in Münster können<br />
Kunden den Meistern von einer gläsernen Empore aus zuschauen.<br />
Im Laden gibt es Käsiges – alles bio, dazu laktoseund<br />
glutenfrei – allerdings zurzeit noch nicht für den Vertrieb<br />
in den <strong>Convenience</strong>-Kanälen gedacht. Bis sich diese<br />
Produkte hier etablieren, braucht es noch etwas Zeit.<br />
Fotos. Getty Images