21.04.2024 Aufrufe

Das betriebliche Magazin für einen nachhaltigen Einkauf "Kleine Kniffe" Ausgabe April 2024

Das betriebliche Magazin für einen nachhaltigen Einkauf "Kleine Kniffe" richtet sich an Einkäufer und Procurement Verantwortliche aus Industrie, Mittelstand und KMU aller Branchen. Halbjährlich berichten wir über Best Practices des nachhaltigen Einkaufs aus Unternehmen, der gesetzlichen Regulation wirtschaftlichen Handelns wie die CSRD und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) und deren Umsetzung in den betrieblichen Alltag und stellen innovative Lösungen nicht nur von Startups vor, welche die digitale und nachhaltige Transformation des Einkaufs unterstützen.

Das betriebliche Magazin für einen nachhaltigen Einkauf "Kleine Kniffe" richtet sich an Einkäufer und Procurement Verantwortliche aus Industrie, Mittelstand und KMU aller Branchen. Halbjährlich berichten wir über Best Practices des nachhaltigen Einkaufs aus Unternehmen, der gesetzlichen Regulation wirtschaftlichen Handelns wie die CSRD und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) und deren Umsetzung in den betrieblichen Alltag und stellen innovative Lösungen nicht nur von Startups vor, welche die digitale und nachhaltige Transformation des Einkaufs unterstützen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Das</strong> <strong>betriebliche</strong> <strong>Magazin</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>einen</strong> <strong>nachhaltigen</strong> <strong>Einkauf</strong><br />

6,80 EURO<br />

<strong>Ausgabe</strong> <strong>April</strong> <strong>2024</strong><br />

Im Interview<br />

Jörg Eigendorf, Deutsche Bank<br />

Best Practice<br />

aus Unternehmen<br />

Top-Themen:<br />

Nachhaltige Lieferketten<br />

Klimawandel und Biodiversität<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe 1<br />

Einstieg in die CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 1 21.04.24 19:26


2 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 2 21.04.24 19:26


Editorial<br />

Heute melde ich mich in eigener Sache zu Wort. Seit dem letzten Jahr konnte man feststellen,<br />

dass das Interesse an Themen der <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung/des <strong>nachhaltigen</strong> <strong>Einkauf</strong>s sprunghaft<br />

gestiegen ist. Die Frage stellte sich, wie man diese erhöhte Nachfrage bedienen kann, ohne ein zu<br />

hohes Risiko durch Kostensteigerungen bei Druck und Versand in Kauf nehmen zu müssen. Es gab<br />

darauf nur eine Antwort: die Digitalisierung der Inhalte. Die digitale Transformation erreicht also<br />

das <strong>Magazin</strong> <strong>für</strong> <strong>nachhaltigen</strong> <strong>Einkauf</strong> „<strong>Kleine</strong> Kniffe“. Ab sofort werden alle <strong>Ausgabe</strong>n des <strong>Magazin</strong>s<br />

nur digital zu lesen sein. Die Konsequenz daraus <strong>für</strong> Sie als Leser*in ist die eines schnelleren<br />

Zugangs zu den Inhalten und eine bequemere Art der Weiterleitung von interessanten Inhalten<br />

an Arbeitskollegen, die Sie darauf aufmerksam machen wollen.<br />

Ich stelle mich der erhöhten Nachfrage nach Inhalten der <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung mit<br />

im Abstand von drei Monaten regelmäßig ersch<strong>einen</strong>den Special Interest <strong>Magazin</strong>en, die den<br />

<strong>nachhaltigen</strong> <strong>Einkauf</strong> in den Warengruppen beleuchten. <strong>Das</strong> erste <strong>Magazin</strong> zur <strong>nachhaltigen</strong><br />

IT-Beschaffung ist Mitte Februar <strong>2024</strong> erschienen und wurde nach nur sechs Wochen bereits<br />

über 200.000 mal abgerufen. Gegenüber einer Auflage von 15.000 pro Heft ist diese Steigerung so<br />

immens, dass dieser 13-fache Gewinn an Reichweite <strong>für</strong> sich spricht. Von einem derart großen<br />

Gewinn an Beachtung profitieren vor allem die Autoren*innen sehr, weil ihre Erfahrungen und<br />

ihr Wissen eine wesentlich höhere Beachtung erfahren.<br />

Den Schwung nutze ich aus. Bereits jetzt in Vorbereitung sind Special Interest <strong>Magazin</strong>e <strong>für</strong><br />

die Warengruppen Bau, Energie und Mobilität. Absolut neu sind passend zu den Themen auf<br />

LinkedIn eingerichtete Erfahrungsgruppen und der monatlich ersch<strong>einen</strong>de Podcast „Procurement<br />

Pioneer“.<br />

Die <strong>Magazin</strong>e erreichen Sie unter dieser Adresse (https://t1p.de/sg8q7), den Podcast unter<br />

dieser Adresse (https://t1p.de/aw09o) und die Erfahrungsgruppe nachhaltiger IT-<strong>Einkauf</strong> auf<br />

LinkedIn unter dieser Adresse (https://t1p.de/dxxt1)<br />

Chefredakteur<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

3<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 3 21.04.24 19:26


08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.<br />

42.ZUKUNFTEINKAUFEN<br />

Impressum<br />

Redaktion<br />

SDG media GmbH<br />

Wagenfeldstraße 7a<br />

44141 Dortmund<br />

Kontakt:<br />

redaktion@kleine-kniffe.de<br />

Chefredaktion und V.i.S.d.P:<br />

Thomas Heine<br />

Textbeiträge von:<br />

Claudia Berti, Holger Berg, Alicia Buß,<br />

Martin Eichenseder, Jörg Eigendorf, Stefan<br />

Gartiser, Moritz Gomm, Peter Heine, Thomas<br />

Heine, Annika Kindler, Heike <strong>Kleine</strong>, Daniel<br />

<strong>Kleine</strong>icken, Christopher von Kuczkowski,<br />

Frederik Lange,Cornelia Merz, Hans-Dieter<br />

Philipowski, Indrani de Silva, Dr. Volker<br />

Teichert, Sarah Tietjen, Dr. Eberhard Witthoff<br />

12<br />

Fotos/Grafiken:<br />

BDI, Deutsche Bahn AG/Benedikt Stahl,<br />

Depositphotos, EY, Heini Karppinen, PwC<br />

Deutschland, Tailorlux, ZWH,<br />

Titelfoto: Deutsche Bank<br />

Internet:<br />

www.nachhaltige-beschaffung.com<br />

Social media:<br />

LinkedIn: https://t1p.de/7xkcw<br />

Twitter: https://t1p.de/z16xt<br />

Facebook: https://t1p.de/fd2fu<br />

11<br />

Digitale <strong>Ausgabe</strong> veröffentlicht unter:<br />

https://t1p.de/sg8q7<br />

Herausgeber<br />

SDG media GmbH<br />

Wagenfeldstraße 7a<br />

44141 Dortmund<br />

www.sdg-media.de<br />

kleine kniffe® ist eingetragene Marke<br />

der IMAGO GmbH, Dortmund<br />

06. PROZESSKOSTEN<br />

SPAREN<br />

DURCH C-TEILE-<br />

MANAGEMENT<br />

08. CASE STUDY<br />

DIGITALISIERUNG<br />

16. NACHHALTIGKEITS-<br />

BERICHT ZUR<br />

STEUERUNG<br />

NUTZEN<br />

18. HOW TO<br />

CSRD BERICHT-<br />

ERSTATTUNG?<br />

12. START-UP<br />

LÖSUNGEN FÜR<br />

DEN NACHHALTI-<br />

GEN EINKAUF<br />

22. INTERVIEW MIT<br />

JÖRG<br />

EIGENDORF,<br />

DEUTSCHE BANK<br />

14. NACHHALTIGKEIT<br />

SCHECKS 360° FÜR<br />

HANDWERKS-<br />

BETRIEBE<br />

26. E-RECHNUNG<br />

WAS SIE WISSEN<br />

MÜSSEN<br />

4 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 4 21.04.24 19:26


08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.08.LOREMIPSUMaecenasnecanteacorcidictumalesuadaeuismod.42.ZUKUNFTEINKAUFEN<br />

16 48<br />

28<br />

34<br />

28. LIEFERANTEN-<br />

DIALOG UND SEINE<br />

HERAUS-<br />

FORDERUNGEN<br />

40. ENFIT-<br />

NACHHALTIGE<br />

VERPACKUNGEN<br />

52. DER BLAUEN ENGEL<br />

FÜR BLUMENERDEN<br />

32. HOW TO LKSG?<br />

44. DAS NEUE KLIMA-<br />

ANPASSUNGS-<br />

GESETZES<br />

54. VOM ESG-<br />

MANAGEMENT ZUR<br />

UNTERNEHMENS-<br />

KULTUR<br />

36. DER DIGITALE<br />

PRODUKTPASS<br />

48. DIE ROLLE VON<br />

BANKEN BEIM<br />

ERHALT DER<br />

BIODIVERSITÄT<br />

56. DER<br />

SUSTAINABILITY<br />

CIRCLE VON<br />

ZÜHLKE:<br />

39. VERMEIDUNG VON<br />

GREENWASH UND<br />

BLUEWASH IM<br />

IT EINKAUF<br />

50. ENTWALDUNG -<br />

THEMA FÜR DEN<br />

EINKAUF<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

5<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 5 21.04.24 19:26


Wirtschaftlichkeit im <strong>Einkauf</strong><br />

Prozesskosten sparen<br />

durch effektives C-Teile Management<br />

Elektronische Beschaffungsmarktplätze steigern die Wirtschaftlichkeit im<br />

<strong>Einkauf</strong>. In den Fokus geraten in diesem Zusammenhang die sogenannten C-Teile. Der<br />

Beschaffungsaufwand <strong>für</strong> diese C-Teile ist gegenüber ihres geringen Warenwertes<br />

unverhältnismäßig hoch. 80 Prozent der erzeugten Kosten stecken bei C-Teilen nicht im<br />

Produktpreis, sondern in den mit der Bestellung einhergehenden Prozesskosten. Hier liegt also<br />

auch der größte Hebel, um zu sparen. Leider wird der oft nicht genutzt.<br />

Interview mit Heike <strong>Kleine</strong>, verantwortlich <strong>für</strong> den Bereich öffentliche Beschaffung bei Unite<br />

Wo stehen wir heute im <strong>Einkauf</strong> dieser sogenannten<br />

C-Teile?<br />

C-Teilen werden Eigenschaften wie geringer Material-Einzelpreis,<br />

kleine Bestellgrößen, viele Lieferanten und Hersteller<br />

zugeordnet. Weil diese Materialien selten strategische Bedeutung<br />

haben, wie zum Beispiel Büroartikel, Reinigungsartikel oder Verpackungsmaterialien,<br />

wurden sie in der Vergangenheit wenig beachtet.<br />

<strong>Das</strong> ändert sich gerade rapide. Warum? Verschiedene Studien haben<br />

herausgearbeitet, dass bei der Beschaffung von C-Teilen ein erhebliches<br />

Einsparpotential zu heben ist. Dies ist gerade <strong>für</strong> öffentliche<br />

Auftraggeber interessant, die mit Herausforderungen wie Ressourcenmangel<br />

sowie einer schwindenden Personaldecke konfrontiert<br />

sind und dies kompensieren müssen. Wir sehen daher immer mehr<br />

öffentliche Einrichtungen und natürlich auch Unternehmen, die<br />

diesen Bereich der Beschaffung aktiver managen.<br />

Worauf fokussiert das C-Teile-Management?<br />

Die Prozesskosten der Beschaffung, die alle Arbeitsschritte von<br />

der Produktsuche über die Bestellanforderung bis hin zur Rechnungsabwicklung<br />

umfassen, haben <strong>einen</strong> viel größeren Einfluss auf<br />

die Gesamtkosten der C-Teile-Beschaffung als die Materialkosten.<br />

Daher liegt der Fokus im C-Teile-Management insbesondere auf der<br />

Prozessoptimierung. Durch die Einführung einer digitalen Lösung<br />

kann die Beschaffung optimiert und damit signifikante Kosteneinsparungen<br />

realisiert werden.<br />

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Beschaffung<br />

von C-Teilen?<br />

Ein einheitlicher digitaler Prozess zum Beispiel über <strong>einen</strong> digitalen<br />

Marktplatz als erste Adresse <strong>für</strong> Bedarfsanforderer bewirkt eine<br />

spürbare Reduzierung der Prozesskosten. <strong>Einkauf</strong>ende müssen <strong>für</strong><br />

geringwertige Produkte nicht mehr manuell verschiedene Online-<br />

Shops oder Kataloge vergleichen. Ein Marktplatz wie Mercateo<br />

von Unite liefert per Mausklick <strong>einen</strong> automatischen Angebotsvergleich<br />

und ermöglicht so, schnell das passende Produkt zu den<br />

besten Konditionen zu finden. Da Produktsuche, Bestellvorgang und<br />

Rechnungsabwicklung in einer Oberfläche stattfinden bzw. sogar<br />

in bereits bestehende <strong>Einkauf</strong>ssysteme integriert werden können,<br />

werden Prozesse verschlankt und optimiert.<br />

Gilt das auch <strong>für</strong> die öffentliche Beschaffung, die an<br />

das Vergaberecht gebunden ist?<br />

Ja, öffentliche Auftraggeber können über <strong>einen</strong> digitalen Marktplatz<br />

beschaffen. <strong>Das</strong> gilt vor allem <strong>für</strong> Direktaufträge, die nach<br />

Paragraph 14 UVgO ohne Vergabeverfahren abgewickelt werden<br />

können. Je nach Bundesland gelten hier verschiedene Wertgrenzen<br />

von 1.000 Euro bis zu 10.000 Euro. In den Bereich der Direktaufträge<br />

fallen typischerweise C-Teile mit geringem Auftragswert.<br />

Öffentliche Auftraggeber müssen dabei die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit<br />

und Transparenz beachten. Die bereits genannten<br />

<strong>Einkauf</strong>sfunktionen stellen dies sicher. Da eine Anmeldung kostenfrei<br />

und ohne IT-Aufwand möglich ist, lohnt sich der Schritt auch<br />

6 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 6 21.04.24 19:26


Foto: unite<br />

<strong>für</strong> kleine Behörden. Experten sehen in Zukunft auch den Einsatz<br />

von Marktplätzen bei Aufträgen mit größerem Volumen über den<br />

Direktauftrag hinaus. Schon jetzt lassen sich Bündelungsrahmenverträge<br />

und eigene Kataloge in den Mercateo Marktplatz integrieren.<br />

Und was ist zu dem Aspekt der Nachhaltigkeit in der<br />

Beschaffung von C-Teilen zu sagen?<br />

Auch beim Thema Nachhaltigkeit lohnt es sich, auf <strong>einen</strong><br />

Marktplatz zu setzen. Dieser schafft Transparenz in Bezug auf<br />

produktbezogene Nachhaltigkeitsinformationen. Über die<br />

Filterfunktion lassen sich Produkte anzeigen, die über ein Nachhaltigkeitssiegel<br />

oder eine Zertifizierung verfügen. <strong>Das</strong> beschleunigt<br />

die Suche nach <strong>nachhaltigen</strong> Produkten enorm. Da Nachhaltigkeit<br />

laut Vergaberecht ein wesentliches Beschaffungsziel im öffentlichen<br />

Sektor ist, müssen öffentliche Einrichtungen sich auch beim<br />

Thema C-Teile Gedanken darüber machen. Vor dem Hintergrund<br />

des Kosten- und Personaldrucks schafft eine digitale Lösung unkompliziert<br />

Transparenz und Orientierung.<br />

<strong>Einkauf</strong>slösungen ein wichtiger Bestandteil im Beschaffungsprozess<br />

sind, weil sie <strong>Einkauf</strong>sprozesse vereinfachen und beschleunigen.<br />

Digitale Tools senken Kosten, schaffen Transparenz und ermöglichen<br />

den Raum <strong>für</strong> die Konzentration auf strategische Aufgaben der<br />

C-Teile Beschaffung, wie die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit.<br />

Heike <strong>Kleine</strong> verantwortet den Bereich öffentliche Beschaffung<br />

bei Unite und bringt langjährige Erfahrung als <strong>Einkauf</strong>sexpertin<br />

sowohl im B2B als auch im B2G mit. Ihr Hauptaugenmerk liegt<br />

darauf, die Bedürfnisse öffentlicher Einrichtungen beim Thema<br />

Beschaffung zu erfüllen. Dazu analysiert sie Marktbedingungen, verfolgt<br />

Trends und entwickelt maßgeschneiderte Lösungen <strong>für</strong> den<br />

öffentlichen <strong>Einkauf</strong>. Sie und das Unite Team beraten Sie gern, wie<br />

Sie Ihre C-Teile-Beschaffung optimieren können.<br />

Wie sehen Sie die Zukunft der <strong>nachhaltigen</strong><br />

C-Teile-Beschaffung?<br />

Wir sehen in Deutschland und anderen Ländern, dass elektronische<br />

Marktplatzlösungen von großen öffentlichen und<br />

<strong>betriebliche</strong>n Beschaffern erfolgreich eingesetzt werden. Vor allem<br />

in der öffentlichen Beschaffung steigt das Bewusstsein, dass digitale<br />

<strong>Das</strong> Interview führte<br />

Thomas Heine<br />

Chefredakteur<br />

www.nachhaltige-beschaffung.com<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

7<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 7 21.04.24 19:26


Case Study Digitalisierung<br />

Schäfer Shop -<br />

die Transformation eines digitalen Handelsplatzes hin zu einem<br />

anerkannten Serviceprovider <strong>für</strong> Beschaffungsabteilungen.<br />

Die Transformation der Beschaffung ist auch eine Herausforderung <strong>für</strong> digitale<br />

Verkaufsplattformen, die sich auf ein verändertes Kundenverhalten einstellen und deshalb ihre<br />

Marktpositionierung anpassen müssen. In den <strong>Einkauf</strong>sabteilungen sind in immer stärkeren Maße<br />

Vertreter von elektronischen Handelsplätzen als Sparringpartner gefragt, weil deren Erfahrungen<br />

und technische Ansätze helfen können, die Beschaffung mit externen Lösungen zu optimieren.<br />

Wir sprachen mit Pascal Kühne über die Herausforderungen, vor denen Schäfer Shop heute steht,<br />

um sich mit neuen Ansätzen zukunftsorientiert aufzustellen.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Thomas Heine<br />

Du bist bei Schäfer Shop<br />

<strong>für</strong> Business Development<br />

verantwortlich. Kannst du<br />

das Unternehmen kurz vorstellen?<br />

Schäfer Shop ist ein Komplettausstatter.<br />

Mit unserem Sortiment<br />

decken wir alles ab, was man zum<br />

besseren Arbeiten in Büro, Lager<br />

und Betrieb benötigt. Vor 50<br />

Jahren im Westerwald gegründet,<br />

ist das Familienunternehmen<br />

heute in neun Ländern mit ins<br />

rund 1.000 Mitarbeiter:innen aufgestellt,<br />

mit denen wir ca. 880.000<br />

Kunden betreuen. Bei uns bestellen<br />

Sie über den Webshop aktuell<br />

benötigte Waren wie Büromaterial,<br />

Reinigungs- und Hygieneartikel und Werkzeuge. Mit unserer<br />

Planungsabteilung „Workplace Solutions“ unterstützt Sie ein interdisziplinäres<br />

Expert:innenteam in der Entwicklung passgenauer<br />

Lösungen wie zum Beispiel neue Raum- und Einrichtungskonzepte<br />

<strong>für</strong> Büros und Lagersysteme.<br />

Überblick<br />

In der dynamischen Zeiten von heute steht die Beschaffung<br />

vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die strategische<br />

Lösungen <strong>für</strong> <strong>einen</strong> <strong>nachhaltigen</strong> Erfolg erfordern. Vom Vertragsmanagement<br />

bis hin zur digitalen Transformation müssen<br />

sich <strong>Einkauf</strong>sabteilungen mit komplexen Fragestellungen<br />

auseinandersetzen, die die Zukunft des Beschaffungswesens<br />

bestimmen.<br />

Die Überwindung von Widerständen, die Verbesserung<br />

digitaler Fähigkeiten und die Förderung starker Partnerschaften<br />

sind entscheidend <strong>für</strong> die Navigation durch das sich entwickelnde<br />

Beschaffungsökosystem. Es gilt, Ineffizienzen zu beseitigen,<br />

Datengenauigkeit zu gewährleisten und transparente Beziehungen<br />

zu fördern, um strategische Initiativen und operative Exzellenz<br />

voranzutreiben.<br />

Was sind aus deiner Sicht<br />

die treibenden Aspekte in den<br />

Procurement-Abteilungen,<br />

die sich auf das Geschäftsmodell<br />

von Schäfer Shop<br />

auswirken?<br />

Die Komplexität moderner<br />

Beschaffungsprozesse veranlassen<br />

Unternehmen immer mehr, ihre<br />

<strong>Einkauf</strong>sabteilungen strategisch<br />

auszurichten, um sie effektiv bewältigen<br />

zu können. Dabei sind die<br />

Haupttreiber <strong>für</strong> <strong>einen</strong> strategischen<br />

Ansatz sicher die Digitalisierung<br />

und Nachhaltigkeit. Aber auch das<br />

Risikomanagement, die Risikovermeidung,<br />

Datentransparenz und<br />

die Entwicklung eindeutiger Compliance-Regeln<br />

genießen heute höchste Aufmerksamkeit.<br />

Welche Auswirkungen hat dieses geänderte<br />

Marktumfeld auf die Positionierung des Unternehmens?<br />

Unsere Hauptaufgabe besteht darin, uns vom externen Dienstleister<br />

hin zu einem anerkannten Sparringspartner des <strong>Einkauf</strong>s zur<br />

Unterstützung seiner strategischen Ausrichtung zu positionieren.<br />

8 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 8 21.04.24 19:26


Foto: Pascal Kühne<br />

Wir wollen helfen, die PS auf die Straße zu bringen. Weil wir seit<br />

vielen Jahren digital aufgestellt sind und mit einer sehr hohen Zahl an<br />

Zulieferern täglich zusammenarbeiten, bringen wir viel Erfahrungen<br />

und sinnvolle Tools in unsere Gespräche mit <strong>Einkauf</strong>sabteilungen<br />

ein. Dazu gehören zum Beispiel ein digitales <strong>Das</strong>hboard zur<br />

<strong>Ausgabe</strong>nkontrolle und Transparenz <strong>für</strong> Entscheidungen von<br />

Kosteneinsparungspotentialen. Wir erleichtern aber auch die<br />

Zusammenarbeit mit Zulieferern und das Workflow-Management.<br />

Denn mit unseren Projektmanagement-Tools, Kommunikationskanälen<br />

und Funktionen zur Interaktion zwischen Anbietern und<br />

Einkäufern, ermöglichen wir eine nahtlose Kommunikation, Aufgabenzuweisung<br />

sowie das Management der notwendigen Prozesse.<br />

Und auf welche Lösungen läuft diese Positionierung<br />

hinaus?<br />

Wer regelmäßig bestellt, braucht Beschaffungswege, die Bestellabläufe<br />

vereinfachen, Zeit sparen und Kosten reduzieren. Mit einer<br />

Investition in E-Procurement spart man Zeit, Geld und Nerven.<br />

Bereits 2015 hat Schäfer Shop den Bereich „Workplace Solutions“<br />

gegründet. Ein Team aus Innenarchitekt:innen bzw. Interieur<br />

Designer:innen und weiteren Projektmanager:innen ist darauf spezialisiert,<br />

die individuellen Bedürfnisse unserer Kundinnen und<br />

Kunden zu bedienen. Diese Kompetenz wollen wir auf die Entwicklung<br />

hochgradig individualisierter Lösungs-, Betreuungs- bzw.<br />

Deploymentkonzepte <strong>für</strong> Unternehmen übertragen. Dies geht nur in<br />

enger Abstimmung mit den Kund:innen. Läuft dieser Abstimmungsprozess<br />

optimal, gelingt es uns, wesentliche Strategieparameter<br />

wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Produktivität <strong>für</strong> das Procurement<br />

schnell umzusetzen. Mit uns gelingt eine erfolgreiche<br />

Umsetzung des Strategiepapiers auch in multinationalen, komplexen<br />

und dezentral agierenden Organisationsstrukturen. Wir entlasten so<br />

den <strong>Einkauf</strong> von vielen Umsetzungsaufgaben.<br />

Welche Rolle spielt dabei der Aspekt der<br />

Nachhaltigkeit?<br />

Nachhaltigkeit ist inzwischen im „Mindset“ von Schäfer Shop<br />

verankert. Es ist nicht nur im Markenkern beschrieben, es ist auch<br />

Teil der Firmenkultur geworden. Wir von Schäfer Shop reden<br />

deshalb nicht nur darüber, wir handeln! Zum Beispiel mithilfe<br />

einer internen Projektgruppe, die sich abteilungsübergreifend mit<br />

allen relevanten Themen beschäftigt und diese vorantreibt – vom<br />

Recyclingbecher in der Betriebskantine bis zu tonnenweiser Papiereinsparung<br />

bei unserer Katalogproduktion. Wir arbeiten ständig<br />

daran, in Sachen Nachhaltigkeit noch besser zu werden, intern, aber<br />

auch unter Betrachtung unserer gesamten Lieferkette sowie unseres<br />

Service- und Produktportfolios. Gleich zu Beginn des Jahres gibt es<br />

erfreuliche Neuigkeiten bei Schäfer Shop: <strong>Das</strong> Unternehmen wurde<br />

erneut von EcoVadis mit der Gold-Medaille ausgezeichnet. Schäfer<br />

Shop gehört damit zu den besten 5 % Großhandelsunternehmen auf<br />

der Bewertungsplattform.<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

9<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 9 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

Was sind die wichtigsten Merkmale <strong>für</strong> ein erfolgreiches<br />

Dienstleistungsangebot einer Beschaffungsplattform<br />

<strong>für</strong> das Procurement?<br />

Egal, ob es sich um ein kleines, ein mittelständisches Unternehmen<br />

oder um <strong>einen</strong> international operierenden Konzern handelt,<br />

wir bieten maßgeschneiderte Lösungen <strong>für</strong> einfache Bestellwege,<br />

optimierte Beschaffungsprozesse und individuelle Preislisten.<br />

Gemeinsam mit unseren Kund:innen entwickeln wir eine optimale<br />

strategische <strong>Einkauf</strong>s-Roadmap und bringen deren internes E-Procurement<br />

hinsichtlich Digitalisierung und Automatisierung weiter<br />

nach vorne. Und wenn ein Unternehmen bereits eine eigene E-Procurement-Lösung<br />

nutzt, dann stellen wir passende elektronische<br />

Produktkataloge in allen Formaten zur Verfügung.<br />

Für jeden Beschaffungsverantwortlichen hat das<br />

Lieferantenmanagement Top-Priorität. Wie könnt ihr<br />

diese Aufgaben unterstützen?<br />

Wir bieten Hilfe beim Lieferantenmanagement mit verschiedenen<br />

Funktionalitäten und Vorteilen. Wir können den Prozess der<br />

Registrierung und Einbindung von Lieferanten automatisieren und<br />

die Zusammenarbeit mit ihnen erleichtern, um eine starke Partnerschaft<br />

aufzubauen. Eine umfassende Analyse der Lieferantendaten<br />

ermöglicht die Identifizierung von Risiken und führt letztendlich<br />

zu Kosteneinsparungs-möglichkeiten durch effiziente Praktiken im<br />

Lieferantenmanagement.<br />

Vor welchen Herausforderungen steht das<br />

Vertriebsteam von Schäfer Shop, wenn es sich als Partner<br />

und Dienstleister <strong>für</strong> die Beschaffung von Unternehmen<br />

positionieren will?<br />

Zu den wichtigsten Herausforderungen gehören der Aufbau<br />

von Vertrauen durch den Nachweis von Fachwissen und Zuverlässigkeit,<br />

das Verständnis <strong>für</strong> Kundenbedürfnisse und die Anpassung<br />

der Dienstleistungen an die speziellen Beschaffungsprozesse jedes<br />

Kunden und jeder Kundin. Deshalb investieren wir in den Aufbau<br />

von Reputation, Branchenkenntnis und die kontinuierliche Verbesserung<br />

unserer Dienstleistungen, um den sich wandelnden<br />

Kundenanforderungen gerecht zu werden.<br />

Welchen Blick hast du auf die Zukunft?<br />

Unternehmen befinden sich in einer Zeit des digitalen<br />

Umbruchs – von kollaborativen Tools in der Kundenansprache,<br />

über das technologisierte Recruiting im War for Talents, bis hin<br />

zur Generierung von Akzeptanz unter den Mitarbeiter:innen <strong>für</strong><br />

New Work. Die kommenden Jahre werden sicherlich noch weitere<br />

Veränderungsprozesse mit sich bringen. Fakt ist aber, dass<br />

der Transformationsprozess von jedem einzelnen abhängt. Die<br />

Roadmap zur Digitalisierung muss von allen im Unternehmen<br />

gleichermaßen akzeptiert und vorangetrieben werden. Digitaler<br />

Wandel ohne kulturellen Wandel im Unternehmen kann und wird<br />

nicht nachhaltig sein<br />

<strong>Das</strong> Interview führte<br />

Thomas Heine<br />

Chefredakteur<br />

www.nachhaltige-beschaffung.com<br />

10 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 10 21.04.24 19:26


Initiativen der <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung<br />

World Sustainable Procurement Day <strong>2024</strong><br />

Am 21. März <strong>2024</strong> kam die Welt der Beschaffung wieder zusammenkommen, um den dritten jährlichen<br />

Welttag der <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung (World Sustainable Procurement Day, WSPD) unter der Leitung des<br />

Sustainable Procurement Pledge (SPP) zu feiern. Unter dem Motto “#collaborate2accelerate” unterstützte<br />

dieser Tag Beschaffungsexperten aus der ganzen Welt auf ihrem Weg zu einer <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung.<br />

Ein Beitrag von Thomas Heine und Peter Köhne<br />

Die WSPD3-Sitzungen befassten sich mit aktuellen Themen<br />

im Bereich der Lieferkette und der Beschaffung, darunter<br />

die Reduzierung von Scope-3-Emissionen, Menschenrechte,<br />

Lieferantenvielfalt und soziale Beschaffung, die Gesetzgebung und<br />

Regulierungslandschaft, die globale Veränderungen in der Beschaffungsbranche<br />

bewirken, sowie aufkommende Themen wie<br />

künstliche Intelligenz und technologische Fortschritte.<br />

Diese Gespräche, die sich an alle Sektoren und Branchen sowie<br />

an Regionen rund um den Globus richteten, vermittelten den<br />

Teilnehmern ein umfassendes Verständnis der aktuellen und zukünftigen<br />

Trends in der <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung.<br />

5.400 Teilnehmer hatten am 21. März <strong>2024</strong> die Möglickeit, sich<br />

in 24 Sitzungen, an denen 99 Panelisten teilnahmen <strong>einen</strong> weltweiten<br />

Eindruck verschaffen, über die Themen, die global das Ringen um<br />

<strong>einen</strong> <strong>nachhaltigen</strong> <strong>Einkauf</strong> in Unternehmen bestimmen.<br />

Immer mehr kommt dem World Sustainability Procurement<br />

Day (WSPD) eine zentrale Bedeutung zu, da er sich auf Menschen,<br />

Planet und Profession konzentriert - ein heikles Gleichgewicht, das<br />

die Vielfalt der Lieferanten, die Menschenrechte sowie die Auswirkungen<br />

und die Befähigung der Lieferanten umfasst.<br />

Um die Komplexität der Messung und des Verständnisses der<br />

Auswirkungen von Scope 3 in der gesamten Wertschöpfungskette<br />

zu bewältigen, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen. Niemand hat<br />

alle Antworten, aber durch Austausch, Zuhören und gemeinsames<br />

Engagement können wir unseren Ansatz <strong>für</strong> diese Herausforderungen<br />

gemeinsam verbessern.<br />

In Zukunft werden die Verantwortlichen <strong>für</strong> Beschaffung und<br />

Lieferkette eng mit den Nachhaltigkeitsteams zusammenarbeiten<br />

müssen, um Strategien abzustimmen und datengestützte Erkenntnisse<br />

zu nutzen. Neue Technologien wie künstliche Intelligenz und<br />

fortschrittliche Analysen versprechen, die nötige Transparenz zu<br />

schaffen, um Nachhaltigkeit zu einem Schlüsselfaktor bei Beschaffungs-<br />

und Lieferantenentscheidungen zu machen.<br />

Der SPP-Leitfaden „The Guide“ beleuchtet die wichtigsten<br />

Voraussetzungen, um <strong>einen</strong> echten Wandel herbeizuführen und ist<br />

dazu gedacht, Denken, Absichten und Fortschritt an den Realitäten<br />

zu messen, mit denen andere konfrontiert wurden.<br />

Wir wollen als Co-Chair von SPP-Germany „The Guide“<br />

dazu nutzen, die Zusammenarbeit der Beschaffungsverantwortlichen<br />

in Deutschland zu stärken: „Wir rufen alle Mitglieder und<br />

Interessierte der Initiative von SPP-Germany dazu auf, den<br />

Schwung vom 3. WSPD zu nutzen und mitzuwirken. Macht<br />

eure Erfahrungen, Ansätze und Instrumente transparent <strong>für</strong><br />

eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten und tragt dazu bei, „The<br />

Guide“ als gemeinsame Plattform der <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung<br />

weiterzuentwickeln.“<br />

Mehr Informationen:<br />

SPP Germany auf LinkedIn:<br />

https: /www.linkedin.com/groups/12700757/<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

11<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 11 21.04.24 19:26


Start-up Lösungen <strong>für</strong> den <strong>nachhaltigen</strong> <strong>Einkauf</strong><br />

Kreislaufwirtschaft<br />

als Alternative zu Elektroschrottbergen<br />

Weltweit wird einem gerade veröffentlichten Uno-Bericht zufolge immer mehr Elektroschrott<br />

produziert - und das Recycling kommt nicht hinterher. Allein im Jahr <strong>2024</strong> fielen 62 Millionen<br />

Tonnen an elektronischem Abfall an, beschreibt der gerade veröffentlichte „Global E-Waste<br />

Monitor“. Laut EU-Richtlinie muss Elektromüll fachgerecht entsorgt oder wiederverwendet werden,<br />

doch die Realität sieht meist anders aus: Nur wenig wird recycelt. Minimise und Closing the Loop,<br />

haben sich entschlossen, ihre Kompetenzen zu bündeln, um Unternehmen eine transparente<br />

Möglichkeit zu bieten, Altgeräte wieder in den Stoffkreislauf zurückzuführen. Wir sprachen mit<br />

Stefan de Linde und Ryan Bark über ihre geschäftlichen Ansätze und den Grund der Kooperation.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Thomas Heine<br />

Stefan was ist die große Idee hinter Minimise?<br />

Minimise ist ein deutsches Start-up-Unternehmen, das die<br />

digitale Infrastruktur <strong>für</strong> die umweltgerechte Sammlung und das<br />

Recycling von Elektroschrott in Entwicklungsländern aufbaut. Unser<br />

Ziel ist es, gemeinsam mit Unternehmen, die elektronische Geräte<br />

verwenden oder herstellen, das schnell wachsende globale Problem<br />

des Elektronikabfalls anzugehen. Wir kümmern uns um diesen<br />

verlorenen Elektroschrott in einem Prozess, den wir Rezirkulation<br />

nennen, indem wir ihn sammeln und der Wertschöpfungskette<br />

wieder zur Verfügung stellen.<br />

Minimise arbeitet mit lokalen Recyclingzentren und Gemeinden<br />

in den Entwicklungs- und Schwellenländern zusammen und<br />

finanziert das ordnungsgemäße Elektroschrott Recycling vor Ort.<br />

Die dortigen Recyclingaktivitäten wiederum werden mittels einer<br />

von Minimise entwickelten zentralen Datenplattform dokumentiert<br />

und zu Wirkungsdaten <strong>für</strong> Unternehmen, die mit Minimise<br />

zusammenarbeiten, aufbereitet. Auf diese Weise baut Minimise eine<br />

globale Infrastruktur <strong>für</strong> dokumentiertes und umweltgerechtes<br />

Elektroschrott Recycling auf. Dieses hochwertige digitale Gut wird<br />

dann unseren Kunden zur Verfügung gestellt. Dank seiner transparenten<br />

und nachvollziehbaren Eigenschaften kann es <strong>für</strong> die<br />

Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Kommunikation Ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen<br />

und vieles mehr verwendet werden.<br />

Hat der geschäftliche Ansatz von Minimise bereits<br />

Früchte getragen?<br />

Ja, wir sind seit Beginn dieses Jahres Partner von refurbed in<br />

Österreich. Wir wollen zusammen mit dem Online-Marktplatz<br />

<strong>für</strong> refurbished Produkte in diesem Jahr 50.000 Handys einsammeln<br />

und korrekt recyceln lassen können. Basierend auf den Daten<br />

früherer Minimise-Projekte erwarten wir nicht nur das umweltgerechte<br />

Recycling von rund 2.600 kg Elektroschrott, sondern auch<br />

die Wiedergewinnung von ungefähr 240 Gramm Gold, 1.24 Kilogramm<br />

Silber und 212 Kilogramm Kupfer. refurbed arbeitet mit uns<br />

zusammen, weil wir den Ausgleich von IT-CO2-Fußabdrücken <strong>für</strong><br />

Unternehmen ermöglichen und die <strong>für</strong> die Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

benötigten Daten liefern.<br />

Ryan, was ist die große Idee hinter Closing the Loop?<br />

Elektronische Geräte wie Handys und Laptops sind ein wesentlicher<br />

Bestandteil unseres Lebens und unserer Arbeit geworden.<br />

Die meisten verfügbaren Optionen <strong>für</strong> nachhaltige Beschaffung<br />

von neue Geräte sind jedoch nicht sehr attraktiv, weil sie riskant<br />

und kostspielig sind. Unser Service One for One ist der einzige<br />

Dienst, der diese Hindernisse überwindet: ein kundenorientierter<br />

Ansatz <strong>für</strong> eine bessere Beschaffung von technischer Hardware. Mit<br />

vielen nachweisbar positiven Effekten in kurzen Zeit. Sehr einfach<br />

zu implementieren und <strong>für</strong> <strong>einen</strong> attraktive Preis. Unser Ansatz ist<br />

sehr einfach. Ein neues Gerät, das auf den Markt gebracht wird, löst<br />

die Sammlung und das Recycling eines Altgeräts aus. Closing the<br />

Loop arbeitet in Ländern ohne sichere Recycling-Systeme. Und sorgt<br />

da<strong>für</strong>, dass Elektroschrott umweltschonend recycelt wird. Durch das<br />

Sammeln und Recyceln dieser Abfälle wird ein neues Gerät „kompensiert“.<br />

Unser Ansatz ist ein Weg zum lokalen Recycling in diesen<br />

Ländern und wird international unterstützt.<br />

Hat dieser geschäftliche Ansatz bereits Früchte<br />

getragen?<br />

Ich freue mich sehr, dass wir in <strong>2024</strong> die Partnerschaft mit Mini-<br />

12 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 12 21.04.24 19:26


mise begonnen haben, um die Sammlung und das Recycling von<br />

Elektroschrott auszubauen. Sie haben mit Refurbed bereits <strong>einen</strong><br />

großartigen Kunden gewonnen, daher besteht eindeutig Bedarf<br />

da<strong>für</strong>.<br />

In den letzten Jahren haben wir mit One for One mehr als<br />

300.000 Mobiltelefone und Laptops im öffentlichen Sektor „kompensiert“,<br />

um die Beschaffung neuer Mobiltelefone und Laptops<br />

nachhaltiger zu gestalten. One for One gilt als Best Practice im<br />

Bereich nachhaltiger IT-Beschaffung.<br />

Letzten Monat veröffentlichte Vodafone in Deutschland eine<br />

kurze Dokumentation über die Ergebnisse der Partnerschaft, die<br />

zeigt, wo und wie wir Handys sammeln und warum dies wichtig ist.<br />

Damit ist One for One schon heute eines der weltweit größten Handy-Recycling-Programme<br />

der Telekommunikationsbranche als 1,5<br />

Millionen Handys <strong>für</strong> fachgerechtes Recycling gesammelt wurden.<br />

An welcher Stelle ergänzen sich die geschäftlichen<br />

Ansätze von Minimise und Closing the Loop?<br />

In Ghana arbeiten wir eng mit unserem Partner Closing the<br />

Loop zusammen, um Handys einzusammeln, bevor sie auf der<br />

Mülldeponie landen. Jeder Schritt der Sammlung und des Recyclings<br />

wird von uns sorgfältig nachverfolgt, um vollständige Transparenz<br />

zu gewährleisten. Zusammen gelingt es uns, eine Alternative zum<br />

CO 2<br />

-Ausgleich anzubieten, die in den Produkten verwendeten Ressourcen<br />

widerspiegelt: das Elektronikschrott-Token.<br />

Im Inneren unserer Token erfassen wir die Reise des Abfalls,<br />

während er wieder in die Wirtschaft gelangt: die Ressourcen im<br />

Inneren der Geräte wie Gold, Silber, Kupfer und<br />

Projekt- und Partnerinformationen <strong>für</strong> Legitimationszwecke.<br />

Im Unterschied zu CO 2<br />

-Zertifikaten sind unsere E-Müll-Token<br />

also rückverfolgbar und nachweisbar. Closing the Loop ist also der<br />

operative Part unserer gemeinsamen Dienstleistung, während wir<br />

von Minimise die Verfügbarkeit der Daten und die Transparenz<br />

gewährleistet.<br />

Wie profitieren Unternehmen von der Kooperation<br />

von Minimise und Closing the Loop?<br />

Mit unserem Ansatz können Unternehmen ihre Strategie zu<br />

mehr Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in ihrer Beschaffung<br />

auf den Weg bringen und sofort Ergebnisse erzielen. Sie laufen nicht<br />

in die Gefahr, Green Washing zu betreiben, weil das Elektronikschrott-Token<br />

eine rückverfolgbare und nachweisbare Leistung<br />

garantiert. Unsere Kunden werden nicht eingeschränkt bei der Wahl<br />

ihrer bevorzugten Geräte und Hersteller und letztendlich bieten wir<br />

<strong>einen</strong> handfesten und kosteneffektiven Ansatz <strong>für</strong> die CSR-Ziele des<br />

Unternehmens und die Reduktion von CO 2<br />

-Emissionen in der Lieferkette.<br />

Die Partnerschaft mit Closing the Loop bringt uns <strong>einen</strong><br />

branchenweit anerkannten Partner mit einer soliden und bewährten<br />

Lösung.<br />

Zweitens hat jedes Stück Elektroschrott, das wir sammeln, <strong>einen</strong><br />

einzigartigen Weg. Von der Sammlung über die Verarbeitung bis<br />

hin zum Recycling dokumentieren wir den Ort und die Zeit jedes<br />

einzelnen Schritts. Unternehmen, die mit Minimise zusammenarbeiten,<br />

können diesen Weg mit ihren Mitarbeitern teilen und so eine<br />

Möglichkeit des Employer Branding nutzen. Ihre Mitarbeiter haben<br />

ein Gerät des Unternehmens in der Hand, sehen aber gleichzeitig<br />

auch das Engagement ihres Arbeitgebers <strong>für</strong> positive Auswirkungen.<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

13<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 13 21.04.24 19:26


Nachhaltigkeit im Handwerk<br />

Bundesweiter Start<br />

des Nachhaltigkeitschecks 360° <strong>für</strong> Handwerksbetriebe<br />

Der Nachhaltigkeitscheck 360° wird nach erfolgreichem Abschluss der Pilotphase im Mai 2023 und<br />

seinem Einsatz in den Betriebsberatungen der nordrhein-westfälischen Handwerkskammern nun<br />

bundesweit starten. Er führt Handwerksbetriebe an die 17 Nachhaltigkeitsziele heran und unterstützt<br />

sie, ihre Stärken und Schwächen zu ermitteln und praktisch nächste Schritte in den Blick zu nehmen.<br />

Der Nachhaltigkeitscheck 360° wurde unter Federführung der Handwerkskammer Dortmund speziell <strong>für</strong><br />

Handwerksbetriebe entwickelt.<br />

Daniel <strong>Kleine</strong>icken im Interview mit Thomas Heine<br />

Warum ist nachhaltiges<br />

Wirtschaften und Handeln<br />

<strong>für</strong> das Handwerk so<br />

wichtig?<br />

Nachhaltigkeit ist ein sehr<br />

weit gefasster Begriff, der zahlreiche<br />

Themen unter sich vereint:<br />

Klima und Umwelt schützen,<br />

Energie sparen, Mobilität gestalten.<br />

Ebenso gehören <strong>für</strong> mich<br />

soziale und kulturelle Aspekte wie<br />

gesunde Mitarbeitende, gute Ausbildung,<br />

faire Bezahlung sowie<br />

ein familiäres Miteinander im<br />

Betrieb dazu. In meiner täglichen<br />

Arbeit stelle ich immer wieder<br />

fest: Im Handwerk werden viele<br />

dieser Themen bereits gelebt,<br />

ohne den Begriff der Nachhaltigkeit<br />

explizit zu verwenden.<br />

Handwerksbetriebe, die seit<br />

Jahren oder sogar Jahrzehnten<br />

verantwortungsvoll wirtschaften<br />

und handeln sind auch heute noch erfolgreich auf dem Markt, sind<br />

attraktive Arbeitgeber und werden geschätzt <strong>für</strong> ihr Engagement, das<br />

oftmals über den eigenen Betrieb hinausgeht. Davon profitieren beispielsweise<br />

soziale Einrichtungen oder Sportvereine. Nachhaltiges<br />

Wirtschaften ist also ein essentieller Beitrag, um die Zukunftsfähigkeit<br />

des eigenen Betriebs, der Umwelt und der Gesellschaft zu<br />

sichern.<br />

Übersicht<br />

Seit Anfang 2021 begleitet die Handwerkskammer (HWK)<br />

Dortmund das Thema Nachhaltigkeit federführend auf Ebene des<br />

Westdeutschen Handwerkskammertages (WHKT), dem Zusammenschluss<br />

aller Kammern in NRW. HWK-Hauptgeschäftsführer<br />

Carsten Harder leitet den WHKT-Arbeitskreis „Nachhaltigkeit,<br />

Umwelt, Klimaschutz und Energie“. Im Rahmen des Arbeitskreises<br />

wurde ein Nachhaltigkeitscheck <strong>für</strong> Handwerksbetriebe entwickelt.<br />

Der kostenfreie Check „Nachhaltigkeit360°“ erfolgt auf Grundlage,<br />

der von der UN festgelegten und von der Deutschen Regierung<br />

adaptierten, sogenannten 17 „Sustainable Development Goals“<br />

(SDGs). Mit Hilfe des Checks bekommen die Betriebe <strong>einen</strong> ersten<br />

Ist-Stand im Hinblick auf Ihre „Nachhaltigkeitsperformance“.<br />

Gleichzeitig erhöhen sie ihre Attraktivität <strong>für</strong> Kunden und Mitarbeiter<br />

gleichermaßen.<br />

Ende 2022 hat die HWK Dortmund die Pilotierungsphase des<br />

Checks gestartet und seitdem rund 40 Betriebe im Rahmen des<br />

Checks begleitet. Wir sprechen mit HWK-Nachhaltigkeitsberater,<br />

Daniel <strong>Kleine</strong>icken.<br />

Wird der Nachhaltigkeitschecks<br />

360° von<br />

Handwerksbetrieben angenommen?<br />

Wir sind begeistert über das<br />

enorme Interesse an diesem Beratungsinstrument.<br />

Nachhaltigkeit ist<br />

ein komplexes und vielseitiges Thema,<br />

das mitunter schwer zu erfassen<br />

ist. Durch den Einsatz des Nachhaltigkeitschecks<br />

360° unterstützen<br />

wir Handwerksbetriebe dabei, ihre<br />

Potenziale zu erkennen und sich <strong>für</strong><br />

die Zukunft zu rüsten. Bereits über<br />

40 Unternehmen im Kammerbezirk<br />

Dortmund konnten erfolgreich<br />

beraten werden, wobei wir durchweg<br />

positive Rückmeldungen erhalten<br />

haben. Dies ist insbesondere auf die<br />

Kombination aus überschaubarem<br />

Zeitaufwand und inhaltlicher Tiefe<br />

des Nachhaltigkeitschecks 360°<br />

zurückzuführen. Wir sind stolz<br />

darauf, unser Fachwissen zu teilen und freuen uns über das Interesse<br />

der Handwerkskammern im gesamten Bundesgebiet an der Nutzung<br />

des Checks zur Unterstützung ihrer Betriebe.<br />

Wobei kann die HWK-Mitgliedsbetriebe in puncto<br />

Nachhaltigkeit unterstützen?<br />

Handwerksbetriebe sind häufig in Schlüsselbereichen tätig und<br />

arbeiten an den großen Herausforderungen der Zukunft. Sie sind<br />

14 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 14 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

Spezialisten, beispielsweise <strong>für</strong> den Bereich Photovoltaik, das Reparieren<br />

technischer Anlagen oder die Bearbeitung nachwachsender<br />

Rohstoffe wie Holz. Wir als Handwerkskammer Dortmund können<br />

Sie dabei unterstützen, erfolgreich in ihre Tätigkeit zu starten und<br />

erfolgreich zu bleiben. Wir vernetzen Unternehmen, besprechen<br />

auf Veranstaltungen die Möglichkeiten des Handwerks zum Beispiel<br />

von <strong>betriebliche</strong>m Mobilitätsmanagement zu profitieren und<br />

beraten unsere Mitglieder ganz konkret zu verschiedensten Fragestellungen:<br />

Wie kann ich mir ein Lastenrad fördern lassen? Wie<br />

kann mein Betrieb mehr Energie sparen? Wie können Geflüchtete<br />

ein Praktikum oder eine Ausbildung bei mir machen? Um den Blick<br />

verstärkt auf das eigene Handeln und den Beitrag jedes einzelnen<br />

Betriebs zu mehr Nachhaltigkeit zu lenken, haben wir außerdem den<br />

Check „Nachhaltigkeit360°“ entwickelt.<br />

Warum sollten Handwerksbetriebe den Nachhaltigkeitscheck<br />

der HWK machen?<br />

kann das Engagement <strong>für</strong> Nachhaltigkeit schließlich Kunden, Mitarbeitenden<br />

und den Fachkräften von morgen gezeigt und der Betrieb<br />

als attraktives Unternehmen präsentiert werden.<br />

Wenn ein Handwerksbetrieb den Check machen will:<br />

mit welchen Kosten und mit welchem Zeitaufwand muss<br />

er rechnen?<br />

Der kostenfreie Check nimmt maximal 3 Stunden in Anspruch<br />

und wird von Betriebsberaterinnen und -beratern der Handwerkskammern<br />

vor Ort im Betrieb durchgeführt. Unternehmen<br />

benötigen hier<strong>für</strong> keinerlei Unterlagen; der Check findet auf Basis<br />

eines intensiven Gesprächs statt. <strong>Das</strong> Ergebnis wird in Form<br />

einer Dokumentation festgehalten und zusammen mit einer Teilnahmebescheinigung<br />

und einem Überblick über die <strong>betriebliche</strong><br />

Nachhaltigkeitsperformance bestätigt.<br />

Der Check ist ein kostenfreies Angebot und orientiert sich an<br />

den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Vor Ort im<br />

Betrieb wird besprochen, welche Bedeutung die jeweiligen Ziele <strong>für</strong><br />

mein Unternehmen haben und welchen Beitrag es bereits leistet.<br />

<strong>Das</strong> geschieht mit Hilfe eines Fragenkatalogs, der auf die unternehmerische<br />

Praxis zugeschnitten ist und im Ergebnis <strong>einen</strong> Überblick<br />

liefert, wo das Unternehmen im Bereich nachhaltiges Wirtschaften<br />

steht. Zudem werden erste Maßnahmenansätze besprochen und<br />

mit konkreten Informations- und Beratungsangeboten verknüpft.<br />

Wenn es zum Beispiel darum geht eine Photovoltaik-Anlage zu<br />

installieren, ein ÖPNV-Jobticket anzubieten, eine tolle Produktidee<br />

zu vermarkten oder die Betriebsnachfolge anzugehen, sind wir <strong>für</strong><br />

unsere Mitgliedsunternehmen da. Der Check bietet Unternehmen<br />

außerdem die Möglichkeit, <strong>einen</strong> neuen umfassenden Blick auf das<br />

Thema Nachhaltigkeit zu bekommen. Mit der Teilnahmeurkunde<br />

Kontakt<br />

Daniel <strong>Kleine</strong>icken<br />

Unternehmensberater <strong>für</strong><br />

Nachhaltigkeit<br />

0231 5493-438<br />

daniel.kleineicken@hwk-do.de<br />

hwk-do.de/nachhaltigkeitscheck<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

15<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 15 21.04.24 19:26


Unternehmensführung<br />

Den Nachhaltigkeitsbericht<br />

zur Steuerung des Unternehmens nutzen<br />

Die neuen Berichtspflichten nach der CSRD-Richtlinie muss nicht <strong>für</strong> alle Unternehmen komplettes<br />

Neuland sein. Denn: Unternehmen, die aus eigenem Interesse oder aufgrund von Kundenanforderungen<br />

Verantwortung übernehmen <strong>für</strong> Ihre internen Abläufe und <strong>für</strong> die Ressourceninanspruchnahme, haben<br />

bislang das Qualitätsmanagementsystem da<strong>für</strong> als Regelwerk schon eingesetzt. Eine Reihe verschiedener<br />

DIN ISO Normen, die inzwischen auch zu EU-Normen geworden sind, bieten die Möglichkeit zur<br />

Standardisierung der Abläufe und zum Fokus z.B. auf Energie, Umwelt, Arbeitsschutz oder Qualität und<br />

werden regelmäßig extern überprüft.<br />

Ein Beitrag von Peter Heine<br />

Diese Regelwerke haben den Zweck,<br />

die Unternehmen besser zu machen in<br />

allen besprochenen Aspekten. Und <strong>für</strong><br />

solche Unternehmen, die bereits <strong>einen</strong><br />

Lagebericht abgeben müssen, sind nach<br />

§289 HGB nicht nur die explizit genannten<br />

Umwelt- und Arbeitnehmeraspekte<br />

zu behandeln, sondern nach DRS20.106<br />

auch solche nicht-finanziellen Aspekte zu<br />

benennen, nach denen sich das Unternehmen<br />

intern steuert wie Kundenbelange,<br />

Information zu R&D oder gesellschaftliche<br />

Reputation des Unternehmens.<br />

Berichtspflicht<br />

als Management<br />

Informationsinstrument<br />

Der neue gesetzliche Rahmen bietet<br />

Abbildung 1<br />

Unternehmen nun die Möglichkeit, ihr<br />

Steuerungssystem neu zu justieren und somit Berichtspflicht einerseits<br />

mit einem Informationsgewinn <strong>für</strong> das Management andererseits<br />

zu kombinieren. Aus dem Blickwinkel heraus werden Berichtspflichten<br />

nicht zum Selbstzweck, sondern können sich zu einer echten<br />

Bereicherung im Unternehmen mit Steuerungsinformationen entfalten.<br />

Dabei ist als einer der wichtigsten Aspekte zu nennen, das<br />

Vertrauen und die Reputation des Unternehmens bei allen Stakeholdern<br />

zu vertiefen, in dem Unternehmen konkret zu übergreifenden<br />

Standards sowie Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsstandards<br />

berichten. So kommen Nachhaltigkeitsaspekte in <strong>einen</strong><br />

inhaltlichen Kontext zur Unternehmens-Mission. Durch die<br />

Veröffentlichkeitspflichten können sich<br />

auch andere Stakeholder informieren. Der<br />

Kapitalmarkt kann die Aktivitäten aus Sicht<br />

seiner Anlageschwerpunkte bewerten und<br />

Talente bekommen <strong>einen</strong> näheren Eindruck<br />

von dem, was wichtig ist <strong>für</strong> das Unternehmen.<br />

Schließlich kann das ESG-Reporting<br />

auch als eine Art Risikomanagement-Instrument<br />

genutzt werden..<br />

Informationsquellen im<br />

Unternehmen nutzen<br />

Bereits heute gibt es eine Vielzahl<br />

an Informationen im Unternehmen. <strong>Das</strong><br />

ESG-Reporting ist nicht dazu gedacht,<br />

eine doppelte Berichtspflicht zu etablieren.<br />

Hier ist vielmehr die nationale Gesetzgebung<br />

gefordert, die Anforderungen von<br />

EU und den nationalen Gesetzen entsprechend<br />

zu harmonisieren (wie das bis Juli <strong>2024</strong> auch im HGB<br />

<strong>für</strong> das ESG-Reporting vorgesehen ist). Ausgehend von der Einbindung<br />

der Nachhaltigkeitsthemen in der Unternehmensstrategie<br />

gilt es als nächstes, relevante KPIs <strong>für</strong> den Nachhaltigkeitsbericht<br />

zu entwickeln. Unternehmen, die schon heute sehr weit in ihrer<br />

Nachhaltigkeitsagenda sind, wird das besonders leichtfallen. Als<br />

Erfolgsfaktor <strong>für</strong> die Durchsetzung der Nachhaltigkeit im Unternehmen<br />

ist es demzufolge, wenn Nachhaltigkeit als eine der zentralen<br />

Säulen des Unternehmenszweckes verstanden wird.<br />

16 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 16 21.04.24 19:26


Abbildung 2<br />

Eine Parallele dazu haben die meisten Unternehmen im<br />

Qualitätsmanagementsystem bereits umgesetzt. Hieraus lassen sich<br />

auch <strong>für</strong> den Nachhaltigkeitsbericht etablierte Informationen nutzen.<br />

Darüber hinaus ist eine Einbindung der Fachabteilungen sinnvoll, da<br />

es dort Zielformulierungen geben kann, die <strong>für</strong> den Nachhaltigkeitsbericht<br />

heranziehbar sind. Erst, wenn diese Quellen systematisch<br />

miteinbezogen wurden, kann, als eine der letzten Aktionen, über<br />

die verbleibenden neuen Anforderungen ein Einführungsplan aufgesetzt<br />

werden.<br />

Umsetzungsplanung als Erfolgsfaktor<br />

Aus dem oben Gesagten wird die Bedeutung einer umfassenden<br />

Einbindung aller Abteilungen im Unternehmen deutlich. Und<br />

so ist es vom Gesetzgeber auch gewollt: Die Möglichkeit einer<br />

Beurteilung des Unternehmens von der quantitativen Ressourceninanspruchnahme,<br />

der qualitativen Ressourcenverwendung sowie<br />

der <strong>betriebliche</strong>n Einflüsse auf die Umwelt. Interne wie externe<br />

Adressaten haben über das neue Nachhaltigkeitsreporting wichtige<br />

Steuerungsinformationen an der Hand zur weiteren Gestaltung und<br />

Bewertung eines <strong>nachhaltigen</strong> Geschäftsmodells.<br />

Für KMU Unternehmen ergibt sich eine<br />

zusätzliche Herausforderung:<br />

Für KMU Unternehmen ergibt sich eine zusätzliche Herausforderung:<br />

Neben der Sicherung des Geschäftes und der<br />

Organisationsentwicklung kommt nun eine weitere verpflichtende<br />

Aufgabe <strong>für</strong> das Management hinzu: Der Nachhaltigkeitsbericht. In<br />

der Regel ist die Organisation da<strong>für</strong> nicht aufgestellt, Kapazität <strong>für</strong><br />

dieses Thema bereitzustellen. Mittelfristig braucht es die aber! Aus<br />

dem Gesagten können im Rahmen eines typischen Projektablaufes<br />

die Phasen der Einführung wie in Abbildung 3 aussehen.<br />

Autor<br />

Peter Heine<br />

Managementberatung<br />

Tel. 0175 – 413 6808<br />

E-Mail: peter-heine@hotmail.com<br />

Abbildung 3<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

17<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 17 21.04.24 19:26


Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

Einstieg in die CSRD-<br />

Nachhaltigkeitsberichterstattung <strong>für</strong> KMU<br />

Unternehmen, die soziale und ökologische Aspekte in ihrem Handeln berücksichtigen, sind bereits<br />

<strong>einen</strong> wichtigen Schritt gegangen. Eine systematische und regelmäßige Berichterstattung über den<br />

Stand der eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten ist eine wertvolle Orientierungshilfe, um Fortschritte<br />

nachvollziehbar zu machen, Risiken und Chancen zu erkennen und Prozesse des eigenen<br />

Nachhaltigkeitsmanagements zu optimieren.<br />

Ein Beitrag von Claudia Berti<br />

Die neue gesetzlich geforderte Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

(Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)<br />

sollte idealerweise nicht nur als reine Berichterstattungsaufgabe<br />

gesehen werden, sondern als Anlass, Nachhaltigkeit strukturiert im<br />

Unternehmen zu verankern und darüber zu berichten. Die Nachhaltigkeitsperformance<br />

einer Organisation hat direkten Einfluss auf<br />

Kapitalbeschaffung, Kostenstrukturen und Absatzvolumen. Deshalb<br />

spiegelt die heutige Nachhaltigkeitsberichterstattung ein Verständnis<br />

einer holistischen Betrachtung der ökonomischen, sozialen und<br />

ökologischen Wirkzusammenhänge wider.<br />

Der langfristige Unternehmenserfolg und -wert<br />

lässt sich nicht mehr allein aus seiner derzeitigen Finanzsituation<br />

beurteilen, sondern muss insbesondere die Auswirkungen,<br />

Chancen und Risiken eines Unternehmens im<br />

Zusammenspiel mit seinem Umfeld reflektieren. Umwelt-, Sozialund<br />

Governance-Belange stehen in enger Wechselwirkung<br />

mit der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und der heutigen<br />

Werthaltigkeit von Investitionen.<br />

Der Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung fällt vielen<br />

Unternehmen jedoch häufig schwer. Verschiedene freiwillige<br />

Berichtsstandards (z.B. die GRI Standards - Global Reporting Initiative<br />

sowie der DNK - Deutscher Nachhaltigkeitskodex) unterstützen<br />

Unternehmen bei den ersten Schritten und dem Aufsetzen der<br />

Nachhaltigkeitserklärung. Die neue europäische Berichtspflicht hat<br />

das Ziel, den Umfang, die Qualität sowie die Vergleichbarkeit von<br />

Nachhaltigkeitsberichten voranzutreiben. Mit der CSRD wird die<br />

Einbindung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Lagebericht<br />

<strong>für</strong> viele Unternehmen verpflichtend. Im Vergleich zur bisherigen<br />

Regelung nach §§ 289b ff. Handelsgesetzbuch (HGB) erweitert sie<br />

den Anwendungsbereich und den Umfang der Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

deutlich. <strong>Das</strong> deutsche Bundesministerium der<br />

Justiz hat am 22. März <strong>2024</strong> den Referentenentwurf eines Gesetzes<br />

zur Umsetzung der CSRD in deutsches Recht vorgelegt. Bundesjustizminister<br />

Dr. Marco Buschmann sagte, die CSRD werde 1:1 in<br />

deutsches Recht umgesetzt.<br />

Für wen und ab wann gilt die Regulierung?<br />

Die europäische Berichtspflicht gilt seit dem 1. Januar <strong>2024</strong> <strong>für</strong><br />

kapitalmarktorientierte Unternehmen, große Kredit institute und<br />

Versicherungen, die bereits unter der Non-Financial Reporting<br />

Directive (NFRD) fallen. Beginnend mit dem Berichtsjahr 2025 sind<br />

große nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen von der CSRD<br />

betroffen, sofern sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: Bilanzsumme<br />

von mindestens 25 Millionen Euro, Nettoumsatzerlöse von<br />

mindestens 50 Millionen Euro und/oder mindestens 250 Beschäftigte.<br />

Zusätzlich werden ab dem Berichtsjahr 2026 kleine und mittelgroße<br />

Unternehmen ab einer Bilanzsumme von 450.000 € und<br />

Umsatzerlöse von 900.000 € oder mit mehr als 10 Mitarbeitenden<br />

berichtspflichtig. Ab 2028 müssen europäische Tochterunternehmen<br />

von Konzernen, die außerhalb der EU <strong>einen</strong> Nettoumsatz von<br />

über 150 Mio. Euro erzielen, ebenfalls Bericht erstatten.<br />

Prinzip der Doppelten Wesentlichkeit<br />

Besondere Bedeutung bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

hat das Kriterium der „Wesentlichkeit“, denn nicht alle Aspekte<br />

der Nachhaltigkeit sind in der Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

18 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 18 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

zu berichten. Hier<strong>für</strong> haben Unternehmen eine Wesentlichkeitsanalyse<br />

vorzunehmen. Zu berichten ist sowohl über die wesentlichen<br />

Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf Menschen<br />

und Umwelt („Wesentlichkeit der Auswirkungen“) als auch über die<br />

finanziellen Risiken und Chancen („finanzielle Wesentlichkeit“), d.h.<br />

wie sich z.B. der Klimawandel auf Finanzlage, finanzielle Leistungsfähigkeit,<br />

Cashflows, Zugang zu Finanzmitteln oder Kapitalkosten<br />

des Unternehmens auswirkt oder auswirken könnte. Finanzielle<br />

und Impact-Perspektive stehen stark in Wechselwirkung zueinander.<br />

Die Auswirkungen des Unternehmens auf Menschen oder<br />

Umwelt zusammen mit Änderungen der Strategie, einschließlich<br />

Investitionen sowie Managemententscheidungen zur Bewältigung<br />

solcher Auswirkungen, können zu Risiken und Chancen führen.<br />

Wesentliche Risiken und Chancen ergeben sich im Allgem<strong>einen</strong> aus<br />

Auswirkungen und Abhängigkeiten. Dabei handelt es sich um das<br />

sogenannte „Prinzip der Doppelten Wesentlichkeit“.<br />

Einheitliche Berichtsstandards: European<br />

Sustainability Reporting Standards (ESRS)<br />

Der Inhalt der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD<br />

wird durch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS)<br />

konkretisiert. Die European Financial Reporting Advisory Group<br />

(EFRAG) hat im Auftrag der EU-Kommission im ersten Schritt<br />

sektorübergreifende Standards (ESRS Set 1) erarbeitet. Sie umfassen<br />

insgesamt 826 pflichtmäßig zu beachtende Datenpunkte und 257<br />

Wahlangaben.<br />

Für die praktische Anwendung der ESRS stehen berichtspflichtigen<br />

Unternehmen drei Entwürfe der Leitlinien zur Verfügung: Der<br />

erste Entwurf (EFRAG IG 1) behandelt die Anforderungen an die<br />

Wesentlichkeitsbewertung in ESRS, der zweite Entwurf (EFRAG<br />

IG 2) befasst sich mit den Aspekten der Wertschöpfungskette in<br />

ESRS. Der dritte Entwurf (EFRAG IG 3) enthält die detaillierten<br />

ESRS-Datenpunkte als Excel-Arbeitsmappe mit einem begleitenden<br />

Erläuterungshinweis. Diese Dokumente sind nicht verbindlich und<br />

dienen nur unterstützend. Darüber hinaus hat EFRAG die Entwürfe<br />

<strong>für</strong> zwei weitere Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

zur Konsultation veröffentlicht. Diese sollen kapitalmarktorientierte<br />

KMU sowie freiwillig berichtende KMU bei der Erfüllung der<br />

CSRD-Anforderungen erleichtern.<br />

Berichterstattung im elektronischen iXBRL-<br />

Format<br />

Nach der CSRD müssen Unternehmen ihre Berichte im iXBRL<br />

(Inline eXtensible Business Reporting Language)-Format einreichen.<br />

Es kombiniert das menschenlesbare HTML-Format mit zusätzlichen<br />

“Tags”, die den Zahlen und Aussagen eine Bedeutung verleihen, die<br />

von Computern verstanden werden können. <strong>Das</strong> maschinenlesbare<br />

Format soll die Vergleichbarkeit und Konsistenz der Daten<br />

verbessern und die Analyse erleichtern. Die genauen technischen<br />

Details und Anforderungen <strong>für</strong> die Nutzung des iXBRL-Formats<br />

sind jedoch noch in der Entwicklung. Die Kennzeichnung nach den<br />

Anforderungen des elektronischen Reporting-Formats wird Teil<br />

einer verpflichtenden Wirtschaftsprüfung.<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

19<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 19 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

Prüfpflicht<br />

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird künftig verpflichtender<br />

Bestandteil des Lageberichts und damit auch der externen Prüfpflicht<br />

unterliegen. Die Prüfungstiefe soll schrittweise erweitert werden:<br />

Ab sofort ist eine Prüfung mit begrenzter Sicherheit (“limited assurance”)<br />

vorgesehen. Ab voraussichtlich 2028 wird eine Prüfung mit<br />

hinreichender Sicherheit (“reasonable assurance”) verlangt, was der<br />

Prüfungstiefe im Rahmen der Finanzberichterstattung entspricht.<br />

Die Prüfung durch eine/<strong>einen</strong> unabhängigen Wirtschaftsprüfer*in<br />

umfasst:<br />

• die Übereinstimmung der Angaben mit der CSRD und den<br />

ESRS<br />

• den vom Unternehmen durchgeführten Prozess zur<br />

Ermittlung der berichteten Informationen<br />

• die Kennzeichnung nach den Anforderungen des<br />

elektronischen Reporting-Formats<br />

• die Indikatoren gemäß Artikel 8 der EU-Taxonomie-<br />

Verordnung<br />

In fünf Schritten zur erfolgreichen Einführung<br />

der CSRD-Berichterstattung<br />

Die Vorgaben der ESRS sind umfangreich und die Vorlaufzeit<br />

<strong>für</strong> die Unternehmen zur Vorbereitung ist minimal. Eine rechtzeitige<br />

Planung ist von entscheidender Bedeutung, um die CSRD-Anforderungen<br />

erfüllen zu können. Aufgrund meiner Erfahrungen in<br />

der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten nach ESRS, GRI und<br />

DNK, rate ich Ihnen bereits in diesem Jahr mit der Durchführung<br />

der Doppelten Wesentlichkeitsanalyse zu beginnen. Planen Sie da<strong>für</strong><br />

3 bis 9 Monate ein, je nach Kontext, Umfang des Engagements der<br />

Beteiligten und der internen Kapazitäten. Die Wesentlichkeitsanalyse<br />

wird Ihnen die relevanten Daten liefern, die Sie ab Januar 2025<br />

erfassen sollten. Auf diese Weise können Sie <strong>einen</strong> CSRD-konformen<br />

Bericht rechtzeitig erstellen und im Jahr 2026 veröffentlichen.<br />

Der Prozess der Berichterstellung erfordert mehrere Stufen. Ich<br />

schlage Ihnen folgende fünf Schritte zur erfolgreichen CSRD-Berichterstattung<br />

vor:<br />

1. Frühzeitige Planung und Kommunikation: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

soll Teil einer zentralen und integrierten<br />

Unternehmensstrategie sein; beginnen Sie den Berichtsprozess,<br />

indem Sie das Mandat der Geschäftsführung <strong>für</strong> die Verankerung<br />

von Nachhaltigkeit auf höchster Ebene sichern. Für die Umsetzung<br />

der Nachhaltigkeitsberichterstattung müssen meist verschiedene<br />

Unternehmensbereiche wie <strong>Einkauf</strong>, Logistik, Infrastruktur mit<br />

einbezogen werden; identifizieren Sie die notwendigen Verantwortlichkeiten<br />

und informieren Sie die mitwirkenden Personen<br />

über die CSRD-Anforderungen, den voraussichtlichen Ablaufplan<br />

und ggfs. die verwendete Softwarelösung.<br />

2. Interne Status quo-Analyse: Identifizieren Sie Bereiche,<br />

wo im Unternehmen bereits einige nachhaltigkeitsbezogene Inhalte<br />

zur Verfügung stehen: Welche Maßnahmen setzen Sie bereits in den<br />

Handlungsfeldern Umwelt, Soziales und Ökonomie um? Bestehen<br />

Unternehmenswerte, Ziele, Regeln (z.B. Code of Conduct) in Ihrem<br />

Unternehmen oder Anforderungen (z.B. Teilnahme an ESG-Ratings)<br />

von der Muttergesellschaft, Lieferanten, Kunden oder NGOs<br />

in Bezug auf nachhaltigkeitsrelevante Themen?<br />

3. Umfeldanalyse: Analysieren Sie Ihre Stakeholder, Mitbewerber<br />

und Wertschöpfungskette: Welche sind direkt betroffen,<br />

wer hat am meisten Einfluss auf Ihrem Unternehmen? Wie weit ist<br />

der Fortschritt Ihrer Mitbewerber anhand der ESG-Kriterien? Ist<br />

Ihr Unternehmen jetzt oder zukünftig von gesetzlichen Regularien<br />

(z.B. CSRD, EU-Taxonomie, Bundesklimaschutzgesetz) betroffen?<br />

Welche sind makroökonomische Trends in Ihrer Branche in Punkto<br />

Nachhaltigkeit (z.B. Circular Economy, emissionsärmere Produkte)?<br />

20 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 20 21.04.24 19:26


4. Doppelte Wesentlichkeitsanalyse: Zur Identifikation<br />

der <strong>für</strong> Ihren Nachhaltigkeitsbericht relevanten Themen dient die<br />

Wesentlichkeitsanalyse gemäß den Vorgaben der ESRS. Zur Unterstützung<br />

dieses Prozesses und zur Sicherstellung der Vollständigkeit<br />

sollten Sie die Liste der Nachhaltigkeitsaspekte in ESRS 1 Absatz<br />

AR16 verwenden. Ebenso wichtig ist es, unternehmensspezifische<br />

Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen, die nicht in dieser Liste<br />

enthalten sind. Je Nachhaltigkeitsaspekt identifizieren Sie tatsächliche<br />

und potenzielle negative sowie positive Auswirkungen aus<br />

der finanziellen und Impact-Perspektive. Beziehen Sie dabei Ihre<br />

priorisierten Anspruchsgruppen ein, z.B. durch Workshops, Befragungen,<br />

Interviews. Für jede identifizierte Auswirkung ist den<br />

relevanten Zeithorizont gemäß ESRS 1, Kapitel 6.4 (Definition<br />

von kurz-, mittel- und langfristig <strong>für</strong> Berichtszwecke) anzugeben<br />

und ob sie sich auf den eigenen Betrieb, die vor- oder nachgelagerte<br />

Wertschöpfungskette bezieht.<br />

Im nächsten Schritt sind die Auswirkungen anhand der in<br />

ESRS festgelegten Bewertungskriterien quantitativ zu bewerten:<br />

Wie schwerwiegend, umfangreich und inwiefern behebbar sind die<br />

tatsächlichen negativen Auswirkungen auf Umwelt und Menschen?<br />

Wie wahrscheinlich sind die potenziellen negativen Auswirkungen?<br />

Wie schwerwiegend und wahrscheinlich sind die finanziellen<br />

Auswirkungen auf die Leistung, die Finanzlage, den Cashflow, den<br />

Zugang zu und die Kosten von Kapital? Dokumentieren Sie dabei<br />

das gesamte Bewertungsverfahren und dessen Ergebnisse.<br />

5. Datenerfassung und Berichterstattung: Es ist sinnvoll,<br />

bei der Datensammlung sowohl Lieferketten als auch Wertschöpfungsketten<br />

zu berücksichtigen. Qualitative Informationen zu<br />

Managementansätzen sowie quantitative Daten müssen von den<br />

Fachabteilungen sowie von externen Anspruchsgruppen wie z.B.<br />

Ihre Lieferanten angefragt werden. Energiemanager*innen oder<br />

das Controlling können zum Beispiel <strong>für</strong> Energieverbrauchsinformationen<br />

zuständig sein, die monatliche Abrechnungen von Strom,<br />

Erdgas und Heizöl auf Jahresbasis zu erfassen. Jährliche Kennzahlen<br />

der Mitarbeitenden können in der Regel von der Personalabteilung<br />

bereitgestellt werden. Bei der Berichterstattung sollen Aspekte<br />

wie das Ausmaß, den Umfang und die Schwere der Auswirkungen<br />

berücksichtigt werden - drei wesentliche Kriterien nach dem ESRS<br />

- sowie Daten zu den Zielen und Kennzahlen. Planen Sie genügend<br />

Zeit, um den Berichtsinhalt ins iXBRL-Format umzusetzen und<br />

anschließend von einer/einem Wirtschaftsprüfer*in prüfen zu<br />

lassen.<br />

Fazit<br />

Die neue europäische Berichtspflicht bringt viele Vorteile mit<br />

sich. Sie ermöglicht es Unternehmen, durch die Umsetzung der<br />

CSRD-Anforderungen ihre Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern.<br />

Dies hilft ihnen nicht nur, ihr Geschäft zu optimieren, sondern<br />

auch den wachsenden Bedürfnissen ihrer Stakeholder gerecht zu<br />

werden. Darüber hinaus sorgt die CSRD <strong>für</strong> Transparenz und Vergleichbarkeit,<br />

was <strong>für</strong> Investoren, Lieferanten und Kunden u.a. von<br />

großem Nutzen ist. Sie unterstützt zudem die Erreichung der Pariser<br />

Klimaziele.<br />

Ein sorgfältig geplanter Zeitplan, der auch die Möglichkeit einer<br />

Wirtschaftsprüfung berücksichtigt, ist ein weiterer Schlüsselfaktor<br />

<strong>für</strong> erfolgreiches Reporting. Dabei ist eine frühzeitige Vorbereitung<br />

entscheidend. Für die Erstanwendung gibt es ausführliche Leitlinien,<br />

die bei der erfolgreichen Nachhaltigkeitsberichterstattung nach<br />

CSRD helfen können. Fangen Sie frühzeitig an und nutzen Sie diese<br />

Chance, um Ihr Unternehmen zeitgemäß und zukunftsfähig auf dem<br />

Markt zu positionieren.<br />

Autorin<br />

Claudia Berti<br />

Consultant Sustainability Services<br />

TÜV Rheinland Consulting<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

21<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 21 21.04.24 19:26


Nachhaltigkeit im Finanzsektor<br />

Nachhaltige Transformation bei der Deutschen Bank<br />

Die Deutsche Bank sieht es als ihre Verantwortung an, Teil der Transformation zu einer<br />

<strong>nachhaltigen</strong> Gesellschaft und Wirtschaft zu sein. Mit ihrer finanziellen Expertise und ihrem<br />

Produktangebot will sie den Weg zu einer nachhaltigeren und klimaneutralen Wirtschaftsweise<br />

ermöglichen.<br />

Jörg Eigendorf, Deutsche Bank im Gespräch mit Thomas Heine<br />

Klimawandel und Umwelt,<br />

soziale Fragen und eine gute<br />

Unternehmensführung –<br />

diese Themen haben auch <strong>für</strong><br />

die Akteure des Finanzsektors<br />

eine hohe Bedeutung.<br />

Allgemein betrifft das Thema<br />

Nachhaltigkeit vier Geschäftsbereiche<br />

einer Bank:<br />

den eigenen Geschäftsbetrieb<br />

und die Integration der<br />

Nachhaltigkeitskriterien in<br />

alle Funktionsbereiche, die<br />

Mobilisierung von Kapital<br />

und damit die Entwicklung<br />

nachhaltiger Finanzprodukte,<br />

die Kommunikation mit<br />

Stakeholdern und die Risiko-Analyse und -Management<br />

und damit auch die Beachtung von ESG-Faktoren bei der<br />

Kreditvergabe. Wie ist die Deutsche Bank beim Thema<br />

Nachhaltigkeit aufgestellt?<br />

Zur Person<br />

Jörg Eigendorf ist seit dem 1. September 2022<br />

Chief Sustainability Officer der Deutschen Bank. Zuvor war er<br />

seit 2016 als Konzernsprecher <strong>für</strong> die Bereiche Kommunikation,<br />

Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit verantwortlich.<br />

Um sich ganz auf die nächste Stufe der Nachhaltigkeitsstrategie<br />

der Bank zu konzentrieren, gab Eigendorf die Führung des<br />

Bereichs Kommunikation und soziale Verantwortung ab Ende<br />

August 2022 ab.<br />

Seither hat die Deutsche Bank mit dem neu geschaffenen<br />

Chief Sustainability Office s<strong>einen</strong> Fokus auf Nachhaltigkeitsaktivitäten<br />

weiter gestärkt.<br />

<strong>Das</strong> Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die Deutsche Bank bereits<br />

seit vielen Jahren. Bis Umwelt- und Sozialaspekte im Sommer<br />

2019 zu einer Management-Priorität wurden, verlief die Entwicklung<br />

eher in Wellen. In den vergangenen fünf Jahren haben wir<br />

nun Schritt <strong>für</strong> Schritt Nachhaltigkeit in unserer Strategie und den<br />

Geschäfts- und Infrastruktureinheiten verankert. In jedem Bereich<br />

gibt es heute Nachhaltigkeitsteams und -experten mit konkreter<br />

Verantwortung zur Umsetzung unsere Ziele. Die Ergebnisse sprechen<br />

in allen vier Säulen unserer<br />

Nachhaltigkeitsstrategie <strong>für</strong> sich:<br />

Von 2020 bis Ende 2023 haben wir<br />

an <strong>nachhaltigen</strong> Finanzierungen<br />

und Anlagen bereits insgesamt<br />

279 Milliarden Euro ermöglicht,<br />

bei denen ein großer Teil auch in<br />

den Kampf gegen den Klimawandel<br />

geflossen ist; wir haben unsere<br />

Richtlinien erheblich verstärkt<br />

– so wie unsere Kohlerichtlinie<br />

im vergangenen Jahr oder unser<br />

Rahmenwerk <strong>für</strong> nachhaltige<br />

Finanzierungen Anfang <strong>2024</strong>.<br />

Wir haben auch unseren eigenen<br />

Geschäftsbetrieb entsprechend<br />

vorangebracht, können heute die<br />

finanzierten Emissionen unseres Unternehmenskreditportfolio viel<br />

besser messen und managen und die Rating-Agentur CDP hat das<br />

zuletzt auch in vielen ihrer Rating-Kategorien anerkannt; und wir<br />

bringen uns sehr in die Debatte ein, wie unsere Partnerschaft mit<br />

sechs deutschen Industrieunternehmen auf der COP28 in Dubai<br />

gezeigt hat. <strong>Das</strong> ist nur ein kleiner Ausschnitt unseres Erfolgs. Aber<br />

wenn wir fünf Jahre zurückschauen, dann entwickelt sich aus vielen<br />

Mosaikst<strong>einen</strong> ein Bild, auf das wir stolz sind.<br />

Der Weg zur Erreichung der Klimaziele ist immer auch<br />

Teamarbeit. Auf welche personellen und technischen<br />

Ressourcen kann sich die Nachhaltigkeitsstrategie der<br />

Deutschen Bank stützen?<br />

22 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 22 21.04.24 19:26


Foto: Mario Andreya Closeup<br />

Nachhaltigkeit ist ganz klar Teamsport. Es ist nicht sinnvoll, eine<br />

zentrale riesige Abteilung aufzubauen, wir müssen es in allen Infrastruktur-<br />

wie auch Geschäftsbereiche hinweg leben. Aber es braucht<br />

eine zentrale Strategie, viel Koordination und eben hier und da auch<br />

eine treibende Kraft – und das muss per Definition das Chief Sustainability<br />

Office sein. Wir haben den Blick über die ganze Gruppe<br />

hinweg und wissen, welche Prioritäten gesetzt werden müssen.<br />

Unser Transitionsplan, den wir im vergangenen Oktober veröffentlicht<br />

haben, ist <strong>für</strong> mich das beste Beispiel <strong>für</strong> dieses Zusammenspiel.<br />

Es bedurfte uns im CSO, die die Richtung vorgeben und das Ambitionsniveau<br />

im Zusammenspiel mit dem Management definieren.<br />

Aber gleichzeitig brauchte es Kolleg*innen in der gesamten Bank,<br />

um diesen ersten Transitionsplan zu Papier zu bringen. Jetzt haben<br />

wir <strong>einen</strong> Referenzpunkt, der Kunden und der Öffentlichkeit zeigt,<br />

was sie von uns erwarten können. Wir wollen damit Vorbild sein,<br />

denn schließlich verlangen auch wir bei bestimmten Finanzierungen<br />

von unseren Kunden <strong>einen</strong> Transitionsplan.<br />

Der vom Markt erzeugte Druck hat die Nachhaltigkeit<br />

der Lieferketten zu einer der wichtigsten Prioritäten <strong>für</strong><br />

Unternehmen auf der ganzen Welt werden lassen und<br />

sie entwickelt sich schnell zu einem der Schlüsselfaktoren<br />

<strong>für</strong> den Erfolg von Unternehmen, unabhängig von<br />

Größe und Branche. Nachhaltige Beschaffung maximiert<br />

die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekte<br />

während des gesamten Lebenszyklus von Produkten und<br />

Dienstleistungen und minimiert gleichzeitig die negativen<br />

Auswirkungen. Bei der Deutschen Bank steht die Lieferkette<br />

im besonderen Fokus der Nachhaltigkeitsstrategie.<br />

Welche strategischen Ziele verfolgt das Procurement der<br />

Deutschen Bank?<br />

Natürlich spielt bei einer Bank das Thema Lieferkette eine etwas<br />

anders gelagerte Rolle als bei einem klassischen Industriebetrieb,<br />

insbesondere wenn auf man auf die entstandenen CO2-Emissionen<br />

schaut. Allerdings möchte ich es auch nicht kleinreden, denn die<br />

Deutsche Bank gibt jährlich natürlich auch <strong>einen</strong> relevanten Betrag<br />

<strong>für</strong> Produkte und Dienstleistungen von Lieferanten aus. Wir wollen<br />

unseren Einfluss nutzen, um in unserer gesamten Lieferkette<br />

Transparenz zu schaffen – und sicher zu stellen, dass alle Lieferanten<br />

die Anforderungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und<br />

Unternehmensführung (ESG) erfüllen. Wir verlangen daher, dass<br />

Lieferanten <strong>für</strong> jeden neuen oder verlängerten Vertrag im Wert von<br />

über 500.000 Euro pro Jahr eine Nachhaltigkeitsbewertung vorlegen<br />

– und zwar durch die externe Ratingagentur EcoVadis oder <strong>einen</strong><br />

von fünf weiteren Anbietern. Lieferanten müssen sich bei dann also<br />

beispielsweise EcoVadis registrieren, um den Bewertungsprozess zu<br />

durchlaufen. Er basiert auf einem vertraulichen Fragebogen sowie<br />

auf dokumentierten Nachweisen zu Nachhaltigkeitskriterien. Die<br />

Agentur vergibt daraufhin eine Punktzahl von Null bis Hundert. Die<br />

Ergebnisse zeigen den Lieferanten, wo sie sich verbessern können.<br />

Unser Beschaffungswesen ist ein gutes Beispiel da<strong>für</strong>, wie wir von<br />

Ambition zu Wirkung gelangen und mit unseren Lieferanten zusammenarbeiten,<br />

um unsere gesamte Wertschöpfungskette abzudecken.<br />

Die globale Finanzwirtschaft spielt als Kreditgeber<br />

und Investor eine große Rolle, um die Wirtschaft nachhaltiger<br />

zu gestalten. Die EU hat dies erkannt und mit dem<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

23<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 23 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

EU-Aktionsplan zu Sustainable Finance weitreichende<br />

Regulierungen in die Wege geleitet. <strong>Das</strong> Ziel: Finanzströme<br />

sollen durch mehr Transparenz, Standardisierung<br />

und verbessertes Risikomanagement in nachhaltige<br />

Wirtschaftsaktivitäten umgelenkt werden. Zu den Regulierungen<br />

gehören die EU-Taxonomie-Verordnung, die<br />

Offenlegungsverordnung (SFDR) und die Richtlinie zur<br />

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen<br />

(CSRD). Worauf müssen sich Unternehmen einstellen, die<br />

bei der Deutschen Bank um Finanzierung ihrer Projekte<br />

anfragen?<br />

Die EU-Taxonomie ist kein Steuerungsinstrument, da<strong>für</strong> deckt<br />

sie noch viel zu wenige Bereiche der Wirtschaft ab. Deshalb darf es<br />

nicht passieren, dass Unternehmen mit derzeit null Prozent Taxonomiefähigkeit/-Konformität<br />

voreilig als nicht umweltfreundlich<br />

eingestuft werden. Gerade bei uns Banken sind die Quoten äußerst<br />

gering, weil einfach viele Aktiva – so zum Beispiel außereuropäische<br />

– ausgeschlossen werden. Für uns als Bank dient die EU-Taxonomie<br />

daher nicht als Steuerungsgröße, sondern vor allem als Orientierungspunkt<br />

<strong>für</strong> unsere eigenen Rahmenwerke, beispielsweise das<br />

Sustainable Finance Framework, das wir erst kürzlich aktualisiert<br />

haben. Allerdings wird sich das regulatorische Umfeld mit Blick auf<br />

die Berichterstattung kontinuierlich weiterentwickeln, vor allem die<br />

CSRD wird an Bedeutung gewinnen – und damit auch die EU-Taxonomie.<br />

Wir alle sind deshalb gut beraten, uns damit zu befassen.<br />

Immer wieder scheitern transformatorische Projekte<br />

am inneren Widerstand oder der Einstellung der Beschäftigten.<br />

Der Mangel an Engagement, der bei vielen<br />

Organisationen nach 12 bis 18 Monaten des Transformationsprozesses<br />

einsetzt, kann überwunden werden,<br />

wenn alle Beteiligten mit einem überzeugenden Narrativ<br />

eingebunden werden. Welche Bedeutung hat die<br />

Kommunikation mit Mitarbeitern, Aktionären, Analysten,<br />

Partnern und Kunden <strong>für</strong> die Transformation und welche<br />

Maßnahmen bestehen dabei im Vordergrund?<br />

Die Transformation bringt <strong>einen</strong> disruptiven Wandel mit sich,<br />

und das stellt auch die Kommunikation in Unternehmen vor große<br />

Herausforderungen. Es geht darum, Nachhaltigkeit positiv aufzuladen,<br />

um die Menschen mitzunehmen – ansonsten droht es schnell zu<br />

einer regulatorischen Pflichtübung zu werden. Und das wäre sehr<br />

schädlich. Denn nur eine Unternehmenskultur, die Nachhaltigkeit<br />

integriert, ist aus meiner Sicht entscheidend <strong>für</strong> den langfristigen<br />

Erfolg. Und da<strong>für</strong> müssen die Mitarbeitenden <strong>einen</strong> Sinn in dem<br />

Weg sehen, den sie einschlagen. Ohne dieses Engagement der Mitarbeitenden<br />

geht es nicht - es geht vielmehr darum, ein positives<br />

Umfeld <strong>für</strong> eine Veränderung zu schaffen, wo immer es möglich<br />

ist. Auch wenn der Wandel oft einschneidend ist. <strong>Das</strong> bedeutet vor<br />

allem auch, dass man im Konfliktfall auf die gemeinsame Suche nach<br />

einem gemeinsamen Nenner geht. <strong>Das</strong> ist aber nicht automatisch der<br />

kleinste gemeinsame Nenner, sondern es ist vielmehr eine Strategie,<br />

hinter der sich die große Mehrheit des Unternehmens ver<strong>einen</strong><br />

kann, weil sie einfach sinnvoll und zielführend erscheint.<br />

24 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 24 21.04.24 19:26


<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

25<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 25 21.04.24 19:26


Digitalisierung im <strong>Einkauf</strong><br />

Die E-Rechnung kommt –<br />

was Sie jetzt wissen müssen<br />

Nach dem Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes sind Unternehmen und die<br />

öffentliche Verwaltung ab dem 1. Januar 2025 dazu verpflichtet, E-Rechnungen zu nutzen. Zwar<br />

wird es eine Übergangsphase bis 2027 geben, doch es ergibt Sinn, schon jetzt die Basis zu<br />

schaffen, um die gesetzlichen Anforderungen erfüllen zu können. Denn mit der Umstellung auf<br />

E-Rechnungen lassen sich massive Einsparungen und Effizienzsteigerungen realisieren. Noch dazu<br />

ist eine elektronische Rechnungsstellung deutlich nachhaltiger. Wer s<strong>einen</strong> Beschaffungsprozess<br />

nachhaltig aufstellen möchte, muss konsequent digitalisieren – auch im Bereich Rechnungen.<br />

Ein Beitrag von Heike <strong>Kleine</strong><br />

Warum ist die E-Rechnung sinnvoll?<br />

Die E-Rechnung macht Abrechnungsprozesse effizienter,<br />

transparenter und sicherer. Schätzungen gehen davon aus, dass<br />

E-Rechnungen Kosteneinsparungen von 60 bis 80 Prozent erzielen<br />

können und sich die Bearbeitungsdauer auf ein Drittel reduzieren<br />

lässt. Besonders bei Bestellungen mit sehr kleinem Volumen im<br />

indirekten <strong>Einkauf</strong> lässt sich so der Aufwand erheblich verringern.<br />

Durch die elektronische Rechnungsstellung und Übermittlung<br />

lassen sich Fehler vermeiden und die Prozesskosten damit weiter<br />

senken. Außerdem ist die Rechnungsabwicklung deutlich transparenter<br />

und nachvollziehbarer, sodass Compliance-Anforderungen<br />

leichter erfüllt werden können. In puncto Sicherheit sind die Rechnungsdaten<br />

durch die Automatisierung besser geschützt.<br />

Was ist jetzt zu tun?<br />

Auf Unternehmen kommen nun zwei Anforderungen zu: Rechnungen<br />

elektronisch zur Verfügung zu stellen und verarbeiten zu<br />

können. Auch wenn noch nicht final definiert ist, welches XML-Format<br />

in Deutschland verpflichtend wird, lohnt es sich schon jetzt, die<br />

Weichen da<strong>für</strong> zu setzen. Der Bereich der Rechnungen wird oft<br />

vernachlässigt, obwohl auch hier Prozesskosten eingespart werden<br />

können. Grundvoraussetzung ist ein ganzheitlich digitalisierter<br />

Procurement-to-Pay-Prozess. Plattformen wie Unite können hierbei<br />

unterstützen, denn sie ermöglichen <strong>einen</strong> einheitlichen digitalen<br />

Prozess von der Produktsuche über die Bestellung bis zur Rechnung.<br />

Außerdem profitieren Sie vom Single Creditor Service. Egal bei wie<br />

vielen Lieferanten Sie auf dem bei Unite angebundenen Mercateo<br />

Marktplatz oder über eingebundene Kataloge bestellen, haben Sie<br />

nur <strong>einen</strong> Kreditor und die Möglichkeit auf <strong>einen</strong> digitalen Rechnungsweg.<br />

<strong>Das</strong> entlastet Ihre Buchhaltung zusätzlich.<br />

Unite und Mercateo bieten die Möglichkeit zur EDI-gestützten<br />

Rechnungsübermittlung in verschiedenen Formaten. Für öffentliche<br />

Auftraggeber ist beispielsweise der Versand im X-Rechnungsformat<br />

über <strong>einen</strong> Serviceprovider an das Peppolnetzwerk möglich. Der<br />

Plattformbetreiber beobachtet die Entwicklungen in Bezug auf die<br />

gesetzten Anforderungen zur E-Rechnung und wird je nach Gesetzeslage<br />

entsprechende Lösungen bereitstellen.<br />

Stellen Sie jetzt schon die Weichen <strong>für</strong> die Pflicht zur E-Rechnung,<br />

indem Sie Ihre <strong>Einkauf</strong>sprozesse digitalisieren. Digitale<br />

Prozesse sind nicht nur nachhaltig, sondern sparen hohe Prozesskosten.<br />

Mit dem Prozesskostenrechner von Unite und Mercateo in<br />

Zusammenarbeit mit der Hochschule <strong>für</strong> Technik, Wirtschaft und<br />

Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) finden Sie heraus, wie hoch Ihr<br />

individuelles Einsparpotenzial ist.<br />

Autorin<br />

Heike <strong>Kleine</strong><br />

Leiterin des Bereichs<br />

öffentliche Beschaffung bei<br />

Unite<br />

26 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 26 21.04.24 19:26


Was ist eine E-Rechnung?<br />

Oft gibt es noch Unsicherheiten, was als E-Rechnung gilt. Hier sehen Sie die Unterscheidung<br />

zwischen einer Papier-, PDF und E-Rechnung im Überblick.<br />

Die Papierrechnung<br />

• Eine Papierrechnung ist keine E-Rechnung<br />

• Auch nicht, wenn diese als Scan oder digitales Foto vorliegt<br />

• Die Rechnungsdaten liegen nicht strukturiert vor<br />

• Es ist keine automatische und elektronische Verarbeitung<br />

möglich<br />

Die PDF-Rechnung<br />

• Eine PDF-Rechnung ist keine E-Rechnung<br />

• Ein PDF ist zwar ein elektronisches Format, allerdings<br />

handelt sich um eine digitale und bildhaft repräsentierte<br />

Rechnung<br />

• Der Schwerpunkt liegt auf der papiergleichen visuellen<br />

Darstellung der Rechnungsinhalte<br />

• Eine automatische und elektronische Verarbeitung ist nicht<br />

möglich<br />

E-Rechnung<br />

• Als reines semantischen Datenformat konzipiert<br />

• Rechnungsdaten können direkt und ohne Medienbruch in die<br />

verarbeitenden Systeme übertragen werden<br />

• Die europäische Norm <strong>für</strong> elektronische Rechnungsstellung<br />

EN-16931 gibt die Verwendung des strukturierten Datenformats<br />

XML vor<br />

• Bisher unterscheidet sich die Ausgestaltung; in den<br />

europäischen Ländern kommen verschiedene XML-Formate<br />

zum Einsatz; welches Datenformat in Deutschland verpflichtend<br />

wird, ist noch nicht klar<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

27<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 27 21.04.24 19:26


Nachhaltige Lieferketten<br />

Auf dem Weg zur <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung -<br />

Lieferantendialog und seine Herausforderungen<br />

Regulatorische Anforderungen, gesellschaftlicher Wandel sowie Initiativen von<br />

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben in den vergangenen Jahren da<strong>für</strong> gesorgt, dass<br />

die Gestaltung einer <strong>nachhaltigen</strong> Lieferkette eine zentrale Herausforderung <strong>für</strong> international<br />

agierende Unternehmen ist. Die Implementierung nachhaltigkeitsbezogener Standards entlang<br />

der Wertschöpfungskette sorgt auf den ersten Blick sowohl <strong>für</strong> Lieferanten als auch <strong>für</strong><br />

Abnehmerorganisationen <strong>für</strong> Vorteile.<br />

Ein Beitrag von Annika Kindler und Indrani de Silva<br />

Nachhaltige Praktiken auf Lieferantenseite führen zu einer<br />

effizienteren Nutzung von Ressourcen und höheren Sozial- und<br />

Umweltstandards. Gleichzeitig können Abnehmerorganisationen<br />

regulatorische und gesellschaftliche Anforderungen bedienen und<br />

aufkommende Reputationsverluste durch nachhaltigkeitsbezogene<br />

Verfehlungen von Lieferanten mindern, wie beispielsweise Umweltverschmutzungen<br />

oder Menschenrechtsverletzungen.<br />

Den beschriebenen beidseitigen Vorteilen zum Trotz gestaltet<br />

sich die Implementierung nachhaltiger Lieferketten jedoch vor allem<br />

in Schwellen- und Entwicklungsländern in der unternehmerischen<br />

Praxis als Herausforderung. In diesem Beitrag möchten wir einerseits<br />

auf Barrieren in der Gestaltung nachhaltiger Lieferketten eingehen<br />

und andererseits konkrete Ansätze und Best-Practice Strategien aufzeigen.<br />

Es wird beleuchtet, wie und warum durch Integration und<br />

Dialog mit Lieferanten Barrieren auf dem Weg zur <strong>nachhaltigen</strong><br />

Beschaffung abgebaut werden können.<br />

Die Herausforderung: Nachhaltige Lieferketten<br />

in der Praxis<br />

Ein typisches Szenario auf dem Weg zur <strong>nachhaltigen</strong><br />

Beschaffung: Ein multinational agierendes Unternehmen hat die<br />

Optimierung der eigenen Lieferkette entlang nachhaltigkeitsorientierter<br />

Kriterien erkannt und fordert den Lieferanten auf, <strong>einen</strong><br />

bestimmten Nachhaltigkeitsstandard zu erreichen. Um diesen<br />

Standard sicherzustellen, setzt die Abnehmerorganisation beispielsweise<br />

auf die Unterzeichnung eines Verhaltenskodexes, das Erlangen<br />

externer Zertifikate, wie SA8000, und/oder die Durchführung von<br />

Audits. Die Praxis zeigt dabei, dass Lieferanten nur in den seltensten<br />

Fällen bei der Erstellung oder Auswahl der geforderten Nachhaltigkeitsstandards<br />

einbezogen werden und die Beweggründe zur<br />

Auswahl eines spezifischen Standards nicht transparent kommuniziert<br />

werden.<br />

Dies hat mitunter drastische Konsequenzen: Die Nichtmiteinbeziehung<br />

führt dazu, dass die Abnehmerorganisation den zu<br />

implementierenden Standard festlegt, ohne zu hinterfragen, ob auch<br />

der Lieferant die gewünschten Vorteile durch die Erreichung des<br />

Standards erkennt. Führen Teile des vorgegebenen Standards aus<br />

Sicht des Lieferanten nicht zur Steigerung seiner eigenen Vorteile,<br />

birgt dies die Gefahr, dass dieser <strong>einen</strong> Anreiz hat, die Vorgaben so<br />

auszulegen - oder eventuell sogar zu umgehen -, dass die bei ihm<br />

anfallenden Implementierungskosten so gering wie möglich gehalten<br />

werden. Dieses Verhalten wird durch den Umstand verstärkt,<br />

dass dem Lieferanten durchaus bewusst ist, dass in der Regel eine<br />

Asymmetrie von Informationen besteht. Der Lieferant hat naturgemäß<br />

mehr Informationen über sein eigenes Handeln und weiß, dass<br />

die Abnehmerorganisation nur durch erheblichen Kostenaufwand<br />

(in Form von effizienten Kontrollen) in der Lage ist, ein mögliches<br />

Fehlverhalten aufzudecken.<br />

Basierend auf den Erkenntnissen aus dem beschriebenen Szenario<br />

ergeben sich in Bezug auf den Dialog mit den Lieferanten<br />

zwei Hebel, an denen Abnehmerorganisationen zur erfolgreichen<br />

Implementierung nachhaltiger Praktiken entlang ihrer Lieferkette<br />

ansetzen können: die Angleichung der wahrgenommenen Vorteile<br />

28 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 28 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

sowie den Abbau von Informationsasymmetrien. Der erste Hebel soll<br />

im Fokus unseres Beitrages liegen.<br />

Lieferantendialog als Schlüssel – Angleichung<br />

der wahrgenommenen Vorteile<br />

Um die Angleichung der wahrgenommenen Vorteile zu erzielen,<br />

sollten Unternehmen im Vorfeld mit den Lieferanten proaktiv kommunizieren<br />

um gegenseitiges Verständnis und beidseitige Akzeptanz<br />

fördern. Denn besonders zwischen Abnehmerorganisationen aus<br />

Industriestaaten und Lieferanten aus Entwicklungs-/Schwellenländern<br />

bestehen wesentliche Barrieren, die zur Divergenz zwischen<br />

wahrgenommenen Vorteilen durch den Nachhaltigkeitsstandard<br />

führen können.<br />

Barrieren: Ursachen <strong>für</strong> Unterschiede in der<br />

Vorteilswahrnehmung<br />

1. Hohe wirtschaftliche Kosten, starker Wettbewerb<br />

und Preisdruck<br />

Bereits die individuellen Kosten <strong>für</strong> die Vorbereitung und Einhaltung<br />

nur eines Standards können zu erhöhten Kosten <strong>für</strong> den<br />

Lieferanten führen. So wird beispielsweise die Anhebung der Löhne<br />

auf den Mindestlohn die Lohnkosten erhöhen und die Sicherstellung,<br />

dass Abfälle legal entsorgt werden, höhere Betriebskosten<br />

verursachen. Oft müssen Lieferanten dabei mehreren Nachhaltigkeitsstandards<br />

von unterschiedlichen Abnehmerorganisationen<br />

genügen, was die Kosten noch weiter in die Höhe treibt, besonders<br />

wenn offizielle Zertifizierungen, wie SA8000, erforderlich sind.<br />

Dabei ist zu beachten, dass Lieferanten in Entwicklungs- und<br />

Schwellenländern oftmals in Branchen mit ausgeprägt starkem<br />

Wettbewerbs- und Preisdruck agieren. Vor diesem Hintergrund<br />

können die zusätzlichen Kosten den wahrgenommenen Vorteil<br />

erheblich mindern.<br />

2. Kulturelle Differenzen<br />

Zudem können kulturelle Differenzen eine Barriere darstellen,<br />

wenn Nachhaltigkeitsstandards von der Kultur der Abnehmerorganisation<br />

in die Kultur der Lieferanten übertragen werden sollen. Es<br />

ist zunächst notwendig, dass die Abnehmerorganisation versteht,<br />

dass der wahrgenommene Vorteil des vorgegebenen Standards<br />

durch unterschiedliche kulturelle Ansätze geprägt wird. Denn<br />

zumeist werden zur Erstellung des Nachhaltigkeitsstandards die<br />

Werte und Normen des Heimatlandes der Abnehmerorganisation<br />

herangezogen. Einen Erklärungsansatz bietet hier der Blick auf zwei<br />

gegensätzliche Positionen: den Kulturrelativismus und den Universalismus.<br />

Aus kulturrelativistischer Perspektive kann es plausibel<br />

sein, Menschenrechte wie den freien Zugang zu Informationen<br />

nicht einzuhalten, wenn diese im Einklang mit der länderspezifischen<br />

Kultur und den allgem<strong>einen</strong> Geschäftspraktiken stehen. Im<br />

Gegensatz dazu steht die Position des Universalismus´, wonach die<br />

Standards der Abnehmerorganisation kulturübergreifend gelten –<br />

und damit universell als Basis <strong>für</strong> dessen Handlungen dienen sollten.<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

29<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 29 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

3. Mangel an Wissen und Bewusstsein<br />

Faktoren wie die oben genannten kulturellen Differenzen, aber<br />

auch der Entwicklungsstatus eines Landes, führen zu unterschiedlichen<br />

Auffassungen von unternehmerischer Sorgfaltspflicht zwischen<br />

Industriestaaten und Entwicklungs- bzw. Schwellenländern. Fordert<br />

die Abnehmerorganisation beispielsweise eine Arbeitszeitbeschränkung<br />

<strong>für</strong> die Mitarbeiter*innen, so kann es sein, dass dies bei den<br />

Lieferanten auf keiner Ebene zu einem wahrgenommenen Vorteil<br />

führt. Die Angestellten einer Fabrik möchten möglicherweise lange<br />

arbeiten, um mehr Geld zu verdienen, und sehen k<strong>einen</strong> Vorteil in<br />

Ruhepausen zwischen den Schichten. In diesem Fall würden weder<br />

die Fabrikmanger*in noch die Angestellten <strong>einen</strong> Vorteil durch eine<br />

Limitierung der Arbeitsstunden sehen.<br />

Die drei aufgeführten Beispiele verdeutlichen, dass sich Abnehmerorganisationen<br />

vor der Erstellung eines Nachhaltigkeitsstandards<br />

verdeutlichen sollten, welche Barrieren auftreten und dazu führen<br />

können, dass die wahrgenommenen Vorteile durch den Lieferanten<br />

möglicherweise von den Vorgaben der Abnehmerorganisation<br />

abweichen. Bei der Auswahl oder Erstellung der Standards sollten<br />

diese Erkenntnisse mit einbezogen werden, um eine erfolgreiche<br />

Implementierung des Standards zu gewährleisten.<br />

Den oben beschriebenen Barrieren könnte<br />

beispielsweise mit den folgenden Strategien<br />

entgegengewirkt werden:<br />

1. Um die Kosten <strong>für</strong> die Lieferanten so gering wie möglich<br />

zu halten, könnte die Abnehmerorganisation prüfen, ob bereits vorhandene<br />

industrieweite Standards von Lieferanten akzeptiert werden<br />

können. Des Weiteren können Unternehmen mit strategischen Lieferanten<br />

Langzeitverträge mit spezifischen Mengenverpflichtungen<br />

aufsetzen, die dazu beitragen, dass sich der Kosten-Nutzen Vergleich<br />

<strong>für</strong> den Lieferanten rentiert.<br />

2. Interkulturelle Kompetenzen sollten im Lieferantendialog<br />

nicht missachtet werden, um kulturelle Differenzen einzubeziehen.<br />

Somit könnten interkulturelle Trainings oder lokale Partner vor Ort<br />

helfen, die Kulturen der Lieferanten zu verstehen.<br />

3. Barrieren, wie das angeführte Beispiel der Einschränkung<br />

der Arbeitszeiten, sollte durch eine transparente ganzheitliche<br />

Lösung entgegengewirkt werden, die den wahrgenommenen Vorteil<br />

aller Beteiligten erhöht. Zum Beispiel durch differenzierte Betrachtung<br />

verschiedener Mitarbeiter*innen oder durch Bildungsarbeit,<br />

die die Bedeutung von Pausen und Arbeitszeitregelungen aufzeigt.<br />

Grundsätzlich kann zusammengefasst werden, dass zur Angleichung<br />

des wahrgenommenen Vorteils die Abnehmerorganisationen<br />

bereits vor Auswahl des Nachhaltigkeitsstandards direkt mit den<br />

Lieferanten zusammenarbeiten sollten, um den aufgezeigten und<br />

weiteren Barrieren entgegenzuwirken. Diesbezüglich besteht neben<br />

der direkten Kommunikation mit einzelnen Lieferanten auch die<br />

Möglichkeit, Partnerschaften mit NGOs, wie z.B. Rainforest Alliance,<br />

einzugehen, um die Bedürfnisse der Lieferanten vor Ort<br />

konkret zu ermitteln. Eine weitere Möglichkeit liegt im Aufbau von<br />

Lieferantennetzwerken, wodurch eine Plattform <strong>für</strong> den Informationsaustausch<br />

entstehen kann. Ein solches Lieferantennetzwerk<br />

kann zu tiefgründigen Einblicken in Verhaltensweisen und generelle<br />

Schwierigkeiten der Lieferanten führen.<br />

30 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 30 21.04.24 19:26


Neben der Zusammenarbeit im Vorfeld sollte ein durchgängig<br />

partnerschaftlicher Ansatz mit Lieferanten gewählt werden.<br />

So könnte zum <strong>einen</strong> die Abnehmerorganisation selbst bei der<br />

Umsetzung der Vorgaben unterstützend tätig werden oder auch<br />

<strong>für</strong> diesen Zweck die NGO oder das Lieferantennetzwerk nutzen.<br />

Für die erfolgreiche Implementierung ist es außerdem notwendig,<br />

dass Abnehmerorganisationen bei Kostenverhandlungen, Auftragsvergabe,<br />

Prognosen, Planung und Beschaffungspraktiken mit<br />

den Lieferanten transparent sind. Transparente <strong>Einkauf</strong>spraktiken<br />

sind einer der wichtigsten Bausteine des Vertrauens und bilden die<br />

Grundlage <strong>für</strong> die Zusammenarbeit mit den Lieferanten. Dies sind<br />

nur Beispiele <strong>für</strong> Ansätze zwischen Abnehmerorganisation und<br />

Lieferant, um die Akzeptanz, das Vertrauen sowie das gegenseitige<br />

Verständnis zu steigern und die wahrgenommenen Vorteile der<br />

Anhebung des Nachhaltigkeitsstandards anzugleichen.<br />

Abbau der Informationsasymmetrie<br />

Einen zweiten unterstützenden Hebel stellt der Abbau der Informationsasymmetrien<br />

dar, der dazu führen soll, dass ein mögliches<br />

Fehlverhalten des Lieferanten aufgedeckt wird. Diesbezüglich bedarf<br />

es einer anderen Strategie: Um Informationsasymmetrien abzubauen,<br />

können wirksame Kontrollmechanismen, wie interne und<br />

externe Audits oder Zertifikate, als Motivatoren dienen. Bei dem<br />

Einsatz von Kontrollmechanismen sollte jedoch zum <strong>einen</strong> immer<br />

zwischen Kosten und Nutzen auf beiden Seiten abgewogen werden.<br />

Zum anderen sollte dem Lieferanten bewusst gemacht werden, dass<br />

die Kontrollen als partnerschaftlicher Ansatz gewertet werden, die<br />

zur langfristigen Optimierung führen sollen, statt ein reines Druckmittel<br />

zu sein.<br />

Gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Abnehmerorganisationen<br />

durch die transparente Angleichung der wahrgenommenen<br />

Vorteile die Basis <strong>für</strong> die erfolgreiche Implementierung nachhaltiger<br />

Praktiken entlang ihrer Lieferkette festlegen. Die Präferenzbildung<br />

<strong>für</strong> nachhaltige Praktiken sollte auf Transparenz, gegenseitigem<br />

Verständnis und Akzeptanz basieren. Parallel dazu ist eine effiziente<br />

Kontrolle unterstützend, um Informationsasymmetrien abzubauen<br />

und die Einhaltung der Standards sicherzustellen. Insgesamt erfordert<br />

nachhaltiges Lieferantenmanagement eine ganzheitliche und<br />

kooperative Herangehensweise, die auf Zusammenarbeit, Vertrauensbildung<br />

und Kontrolle basiert.<br />

Fazit<br />

Durch die gezielte Bewältigung von Barrieren können Unternehmen<br />

<strong>einen</strong> bedeutenden Beitrag zur globalen Nachhaltigkeit<br />

leisten. Und nur im Rahmen einer gemeinsamen Anstrengung<br />

können die Herausforderungen überwunden und nachhaltige Praktiken<br />

entlang der gesamten Lieferkette langfristig etabliert werden.<br />

Autorinnen<br />

Annika Kindler und Indrani de Silva<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

31<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 31 21.04.24 19:26


Lieferkettengesetz (LKSG)<br />

Wie man die neuen Vorschriften zur<br />

Sorgfaltspflicht in der Lieferkette einhält<br />

In Europa und insbesondere in Deutschland schreitet die Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht in der<br />

Lieferkette mit großen Schritten voran. Neue Gesetze wie das Lieferkettengesetz (LkSG) und die CSDDD<br />

legen den Unternehmen neue strenge Verpflichtungen auf. <strong>Das</strong> Hauptziel ist die Förderung nachhaltiger<br />

und verantwortungsvoller Geschäftspraktiken, der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt sowie die<br />

Schaffung einer gerechteren und ausgewogeneren Weltwirtschaft.<br />

Ein Beitrag von Christopher von Kuczkowski<br />

Die Zunahme der modernen Sklaverei, der Umweltverschmutzung<br />

sowie der steigenden Temperaturen und des damit verbundenen<br />

Klimawandels sind die Hauptgründe <strong>für</strong> die neuen Vorschriften. So<br />

schätzte die Internationale Arbeitsorganisation, dass im September<br />

2022 fünfzig Millionen Menschen in moderner Sklaverei lebten - ein<br />

Anstieg um 20 % in nur sechs Jahren.<br />

Die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette verlangt von den Unternehmen,<br />

über die Maßnahmen zu berichten, die sie ergreifen, um<br />

Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihren<br />

Wertschöpfungsketten zu verhindern. Angesichts der drohenden<br />

hohen Strafen ist es wichtig zu wissen, wie Sie Ihr Unternehmen<br />

schützen können.<br />

Tappen Sie nicht in die Falle, zu denken, dass dies nur <strong>für</strong> große<br />

Unternehmen gilt. Auch wenn sie es sind, die letztendlich vom<br />

Gesetzgeber zur Rechenschaft gezogen werden, so sind doch alle<br />

Unternehmen, die die globale Wertschöpfungskette bilden, von<br />

dieser neuen Ära der Verantwortlichkeit und Transparenz betroffen.<br />

Christopher von Kuczkowski, Experte <strong>für</strong> Risikomanagement<br />

in der Lieferkette bei Achilles, einem Unternehmen, das seit mehr<br />

als 30 Jahren im Auftrag führender Unternehmen globale Sorgfaltsprüfungen<br />

in der Lieferkette durchführt, hat folgende Ratschläge <strong>für</strong><br />

Unternehmen.<br />

.<br />

Tipps <strong>für</strong> den Einstieg<br />

in die Supply Chain Due Diligence<br />

Der Einstieg in die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette kann komplex<br />

sein, aber es gibt einige Schritte, die Unternehmen unternehmen<br />

können, um den Einstieg zu schaffen und sicherzustellen, dass sie<br />

vorbereitet sind.<br />

1. Entwickeln Sie eine Sorgfaltspflichtregelung:<br />

Skizzieren Sie die Prozesse und Maßnahmen, die Sie ergreifen<br />

werden, um die Risiken in Ihren Lieferketten zu mindern.<br />

2. Bewerten Sie Ihre Lieferkette: Identifizieren Sie<br />

Lieferanten, Subunternehmer und andere Parteien, mit denen<br />

Sie Geschäftsbeziehungen unterhalten, und bewerten Sie deren<br />

Einhaltung internationaler Standards und Vorschriften.<br />

3. Führen Sie Maßnahmen zur Sorgfaltspflicht ein:<br />

Führen Sie Risikobewertungen und Audits durch, indem Sie<br />

mit den Lieferanten zusammenarbeiten, um die Einhaltung der<br />

Vorschriften zu gewährleisten und gegebenenfalls Maßnahmen<br />

zur Risikominderung zu ergreifen.<br />

4. Überwachen und bewerten Sie die Leistung: Verfolgen<br />

Sie die Leistung der Lieferanten und führen Sie regelmäßige,<br />

laufende Bewertungen durch.<br />

32 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 32 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

5. Berichte veröffentlichen: Beschreibung der<br />

Due-Diligence-Prozesse, der ermittelten Risiken, der Maßnahmen<br />

zur Risikominderung, der Einbindung der Lieferanten, der<br />

Abhilfemaßnahmen, der Überprüfungsmaßnahmen, der<br />

Beschwerdemechanismen, der Transparenz und des<br />

Managementansatzes.<br />

6. Einbindung von Stakeholdern: Beziehen Sie Kunden,<br />

Investoren, Organisationen der Zivilgesellschaft und betroffene<br />

Gemeinden ein. Dies ist wichtig, um Bedenken und Erwartungen<br />

zu verstehen.<br />

7. Holen Sie sich externe Unterstützung: Arbeiten Sie<br />

mit Beratern, Prüfern und anderen Experten zusammen, um die<br />

Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten.<br />

Herausforderungen und Fallstricke<br />

Unternehmen, die auf die Einhaltung der Rechtsvorschriften zur<br />

Nachhaltigkeit und zur Lieferkette hinarbeiten und diese erreichen<br />

wollen, stehen vor einigen allgem<strong>einen</strong> Herausforderungen. Dazu<br />

gehören:<br />

• Komplexität: Die Identifizierung und Bewertung von Risiken<br />

in der gesamten Lieferkette kann schwierig und ressourcen<br />

intensiv sein. Die Komplexität kann auch durch den globalen<br />

Charakter von Lieferketten verstärkt werden, von denen einige<br />

in schwer erreichbaren oder schwer zugänglichen Ländern<br />

operieren.<br />

• Datenerfassung: Die benötigten Daten gehen oft über die<br />

normalen Betriebsgrenzen hinaus. Datenquellen mit fragwürdiger<br />

Herkunft, Genauigkeit und Interpretation werden oft zu<br />

primären Informationsquellen, die die Grundlage <strong>für</strong> die<br />

Berichterstattung untergraben.<br />

• Wahrhaftigkeit der Daten: Die Verwendung von im Internet<br />

gescrapten oder von KI generierten Daten mag auf den ersten<br />

Blick verlockend ersch<strong>einen</strong>, aber Informationen über<br />

Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung<br />

sind nur selten an KI-zugänglichen Stellen zu finden, so dass<br />

sie nicht so genau geprüft werden, wie es <strong>für</strong> ein umfassendes<br />

Verständnis Ihrer Risiken oder eine zuverlässige Berichterstattung<br />

erforderlich ist.<br />

• Datenspeicherung: Daten können auch in verschiedenen<br />

Datenformaten vorliegen, und oft fehlen Systeme zur<br />

methodischen Erfassung von Daten, die zum Nachweis eines<br />

risikobasierten Ansatzes verwendet werden können.<br />

• Begrenzte Kapazität: Vielen Unternehmen fehlen einfach die<br />

Ressourcen, um ein solch intensives und nachhaltiges Lieferkettenmanagement<br />

durchzuführen.<br />

• Zeitliche Beschränkungen: Unternehmen haben unter<br />

Umständen Schwierigkeiten, wirksame Due-Diligence-<br />

Prozesse innerhalb des erforderlichen Zeitrahmens umzuset<br />

zen.<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

33<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 33 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

Ratschläge <strong>für</strong> Lieferanten<br />

In der Vergangenheit haben Lieferanten vielleicht Formulare zu<br />

Themen wie moderne Sklaverei ausgefüllt, um einige Kästchen<br />

anzukreuzen, aber das reicht nicht mehr aus. Ihre größeren Kunden<br />

werden Sie nun auffordern, detaillierte Informationen über Ihre<br />

Umwelt-, Sozial-, Gesundheits- und Sicherheitsrichtlinien, -praktiken<br />

und -verfahren vorzulegen und Nachweise <strong>für</strong> Ihre Angaben<br />

zu verlangen.<br />

Gegebenenfalls wollen Ihre Kunden auch noch weiter gehen, um<br />

Ihre Referenzen zu überprüfen, indem sie <strong>einen</strong> Desktop-Audit oder<br />

Audits vor Ort mit unabhängigen Prüfern durchführen. Sorgfältige<br />

Kunden können auch auf Befragungen der Mitarbeiter bestehen, um<br />

die Arbeitsbedingungen in Ihren Büros und Fabriken zu überprüfen.<br />

Möglicherweise müssen Sie auch in neue Systeme investieren,<br />

um die Transparenz und Rückverfolgbarkeit zu verbessern, und<br />

neue Mitarbeiter einstellen und/oder Schulungen anbieten, um die<br />

geforderten Maßnahmen umzusetzen. Es lohnt sich, eine Lösung<br />

eines Drittanbieters in Betracht zu ziehen, die Ihnen bei der Verwaltung<br />

der zu erfassenden und zu verfolgenden Informationen hilft.<br />

Zusammenfassung<br />

Gesetze wie das LkSG und die CSDDD stehen im Einklang mit<br />

anderen weltweiten Bestrebungen zur Einführung von Gesetzen,<br />

die zur Schaffung einer verantwortungsvolleren Weltwirtschaft beitragen<br />

sollen. Da immer mehr Länder eine Harmonisierung ihrer<br />

eigenen ESG-Gesetzgebung in Erwägung ziehen, ist es wahrscheinlich,<br />

dass Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Lieferkette auf<br />

dem globalen Markt zunehmend an Bedeutung gewinnen werden.<br />

Die gute Nachricht ist, dass diese neue Gesetzgebung <strong>für</strong> Unternehmen,<br />

die dies gut machen, auch Möglichkeiten schafft, sich von<br />

der Konkurrenz abzuheben und neue Kunden zu gewinnen. Indem<br />

sie das Wohlergehen von Arbeitnehmern, Gemeinden und der<br />

Umwelt in den Vordergrund stellen, können die Unternehmen eine<br />

stärkere und widerstandsfähigere Weltwirtschaft <strong>für</strong> die Zukunft<br />

aufbauen.<br />

Autor:<br />

Christopher von Kuczkowski<br />

Director Sales Central Europe<br />

Achilles<br />

34 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 34 21.04.24 19:26


In eigener Sache<br />

Procurement Pioneer - der Podcast zum <strong>Magazin</strong><br />

In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Umweltschutz immer wichtiger werden, erweitert die Redaktion<br />

des <strong>Magazin</strong>s <strong>für</strong> nachhaltige Beschaffung seine digitale Reichweitet. Seit Anfang des Jahres ergänzt ein<br />

monatlicher Podcast namens “Procurement Pioneer” die Berichterstattung des <strong>Magazin</strong>s. Wir befassen uns<br />

mit den aktuellen Themen der Beschaffung. Der inhaltliche Schwerpunkt des Podcast liegt auf den Themen<br />

Klimawandel, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit und Menschenrechte in der Lieferkette.<br />

Der Podcast bietet den Hörern <strong>einen</strong> einzigartigen Einblick in die Welt der <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung<br />

und präsentiert Pofis des <strong>Einkauf</strong>s, die über ihre tägliche Arbeit und Innovationen in ihrem Arbeitsgebiet<br />

berichten.<br />

Ein Beitrag von Thomas Heine<br />

Warum ein Podcast heute wichtig ist<br />

Podcasts haben sich in den letzten Jahren zu einem beliebten<br />

und einflussreichen Medium entwickelt. Sie bieten Zuhörern die<br />

Möglichkeit, sich auf unterhaltsame und informative Weise mit<br />

Themen auseinanderzusetzen, die sie interessieren. Im Bereich der<br />

<strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung ist ein Podcast besonders wertvoll, da<br />

er komplexe Themen verständlich und lebendig vermitteln kann.<br />

Durch die persönlichen Gespräche mit Experten können die Hörer<br />

<strong>einen</strong> authentischen Einblick in die Branche gewinnen und von<br />

deren Erfahrungen profitieren.<br />

Vorteile <strong>für</strong> die Hörer des Podcasts<br />

Der Podcast “Procurement Pioneer” bietet den Hörern zahlreiche<br />

Vorteile. Zum <strong>einen</strong> können sie sich bequem von überall aus über die<br />

neuesten Entwicklungen in der <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung informieren.<br />

Egal ob unterwegs, beim Sport oder in den eigenen vier Wänden<br />

- der Podcast ist jederzeit abrufbar. Zum anderen erhalten die Hörer<br />

exklusive Einblicke in die Arbeit von Vorreitern in diesem Bereich.<br />

Die Interviews mit den Gästen ermöglichen es, deren Motivation,<br />

Herausforderungen und Lösungsansätze kennenzulernen und daraus<br />

selbst Inspiration zu schöpfen.<br />

Podcast als ideale Ergänzung zum <strong>Magazin</strong><br />

Der Podcast “Procurement Pioneer” ist die perfekte Ergänzung<br />

zum digitalen <strong>Magazin</strong> <strong>für</strong> nachhaltige Beschaffung. Während das<br />

<strong>Magazin</strong> die Leser mit ausführlichen Artikeln, Hintergrundinformationen<br />

und Analysen versorgt, bietet der Podcast eine persönlichere<br />

und interaktivere Plattform. Die Hörer können die Protagonisten<br />

direkt erleben, ihre Stimmen hören und so <strong>einen</strong> authentischeren<br />

Eindruck von ihrer Arbeit gewinnen. Gemeinsam schaffen <strong>Magazin</strong><br />

und Podcast ein umfassendes Angebot, das Interessierte umfassend<br />

über Trends, Herausforderungen und Lösungen in der <strong>nachhaltigen</strong><br />

Beschaffung informiert.<br />

Mit dem neuen Podcast “Procurement Pioneer” geht das <strong>Magazin</strong><br />

<strong>für</strong> nachhaltige Beschaffung <strong>einen</strong> mutigen Schritt in die digitale<br />

Zukunft. Im Gespräch mit Profis des <strong>Einkauf</strong>s, die <strong>einen</strong> Einblick in<br />

die tägliche Arbeit und deren Innovationen geben, bietet der Podcast<br />

den Hörern wertvolle Impulse zum Weiterdenken.<br />

Insgesamt bietet ein Podcast wie “Procurement Pioneer” die<br />

Möglichkeit, das Interesse an nachhaltiger Beschaffung auf vielfältige<br />

Art und Weise zu wecken und zu vertiefen. Durch die persönlichen<br />

Einblicke, verständliche Aufbereitung und bequeme Verfügbarkeit<br />

kann er dazu beitragen, dass sich mehr Menschen mit diesem wichtigen<br />

Thema auseinandersetzen.<br />

Mehr Informationen:<br />

Podcast: “Procuremen Pioneer:<br />

https: /nachhaltige-beschaffung.com/podcast.html<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

35<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 35 21.04.24 19:26


Digitaler Produktpass<br />

Der Digitale Produktpass –<br />

Mehr Transparenz <strong>für</strong> ein grünes Procurement<br />

Ein Digitaler Produktpass stellt aktuell eine der wesentlichen digitalen Weiterentwicklungen <strong>für</strong><br />

die Informationsweitergabe in Lieferketten dar. Bei einem solchen Pass handelt es sich um <strong>einen</strong><br />

strukturierten Datensatz, der produkt- oder materialbezogene Informationen enthält. Sowohl der<br />

Umfang als auch der Inhalt dieser Daten sowie die Zugriffsrechte sind dabei im Voraus definiert.<br />

Ein Beitrag von Holger Berg<br />

Produktpässe werden sowohl „Stammdaten“ wie Herkunft,<br />

Zusammensetzung und Inverkehrbringer enthalten, als auch<br />

Lebenszyklusdaten bspw. zu Wartungen, Reparaturen oder Sonderereignissen<br />

wie Unfälle oder ähnlichem. Der derzeit geplante<br />

Umfang des Digitalen Produktpasses umfasst daher auch Informationen<br />

zu Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit sowie zum Werterhalt<br />

durch Maßnahmen wie Wiederverwendung, Remanufacturing und<br />

Recycling. Der DPP soll damit zum zentralen Informationssystem<br />

<strong>für</strong> die Entwicklung der Circular Economy werden. Seine Hauptzielgruppen<br />

sind Unternehmen, Endkunden sowie Behörden und<br />

politische Entscheidungsträger.<br />

Zielsetzung<br />

Die Zielsetzung des digitalen Produktpasses ist vielschichtig. Er<br />

soll die Rückverfolgung der Rohstoffgewinnung und -produktion<br />

ermöglichen und die Erstellung digitaler Zwillinge fördern. Durch<br />

den Produktpass soll zudem der gesamte Lebenslauf eines Produkts<br />

verfolgt werden können. Damit kann der Produktpass die Bereitstellung<br />

von Circular Economy-Dienstleistungen erleichtern, da diese<br />

auf weitaus mehr Daten angewiesen sind, als die lineare Wirtschaft.<br />

Beispielsweise möchte man bei gebrauchten Produkten über Informationen<br />

zu Abnutzung und Ist-Zustand verfügen, <strong>für</strong> das Recycling<br />

sind hingegen Informationen über Zusammensetzung und Störstoffe<br />

wichtig. Liegen solche Daten nicht vor, ist die Kreislaufführung<br />

deutlich erschwert.<br />

Eine weitere Zielgruppe neben Unternehmen sind Marktüberwachungs-<br />

und Zollbehörden. Diese sollen <strong>einen</strong> vereinfachten<br />

Zugriff auf Produktinformationen bekommen, idealerweise kann<br />

dadurch die Produktsicherheit erhöht werden, Plagiate können<br />

besser erkannt werden und Verwaltungsprozesse vereinfacht und<br />

beschleunigt werden. Zudem soll der Digitale Produktpass Bürgerinnen<br />

und Bürgern sowie anderen Endkunden zuverlässige<br />

Informationen über Produkte und ihre Eigenschaften liefern, um<br />

ihnen nachhaltigere Kaufentscheidungen zu ermöglichen. Nicht<br />

zuletzt soll er Behörden und politischen Entscheidungsträgern verlässliche<br />

Daten zur Verfügung stellen, um fundierte Entscheidungen<br />

zur Ermöglichung und Weiterentwicklung einer Circular Economy<br />

zu ermöglichen.<br />

Der Digitale Produktpass in der Regulierung<br />

– Was ist zu erwarten, welche Branchen sind<br />

betroffen<br />

Die Regulierung auf EU-Ebene ist aktuell einer der wesentlichen<br />

Treiber des Digitalen Produktpasses. Insbesondere die neue Ökodesign<br />

Verordnung, welche aktuell in einem fortgeschrittenen Entwurf<br />

vorliegt und im ersten Halbjahr <strong>2024</strong> verabschiedet werden soll,<br />

führt diesen Prozess an. Sie regelt stellvertretend <strong>für</strong> viele andere<br />

kommende Regulierungen die Grundlagen und Zielsetzung der Produktpässe.<br />

Sie beschreibt zudem Anforderungen, die in den digitalen Produktpass<br />

aufgenommen werden müssen. Wie oben beschrieben<br />

stehen diese vielfach im Zusammenhang mit der Ermöglichung<br />

36 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 36 21.04.24 19:26


Foto: SDG media GmbH<br />

zirkulären Wirtschaftens. Vorgesehene Angaben umfassen Aspekte<br />

wie Langlebigkeit, Zuverlässigkeit, Wiederverwendbarkeit und<br />

Upgradability. Ebenso sollen Informationen zu Reparierbarkeit,<br />

Wartung und Refurbishment gegeben werden, um sicherzustellen,<br />

dass Produkte im Falle von Defekten leicht repariert und instandgehalten<br />

werden können. Die vorgenannten Angaben sollen es<br />

ermöglichen, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und<br />

ihren Wert über die Zeit zu erhalten.<br />

Die Verordnung bezieht auch die Bedeutung der Vermeidung<br />

von und den Umgang mit Schadstoffen ein, indem sie die Integration<br />

von Informationen zu Substances of Concern in den Pass<br />

einschließt. Darüber hinaus sollen der Energieverbrauch und die<br />

Energieeffizienz der Produkte adressiert werden und auch Angaben<br />

zu Ressourcenverbrauch und -effizienz sollen ebenso wie die<br />

Verwendung von recycelten Materialien dokumentiert werden. Ein<br />

weiterer wichtiger Punkt betrifft Informationen über Möglichkeiten<br />

des Remanufacturing von Produkten sowie zur Recyclierbarkeit der<br />

verwendeten Materialien und der mit einem Produkt verbundenen<br />

Abfallgenerierung.<br />

Branchen werden nach dieser Verordnung einzeln durch sogenannte<br />

delegierte Rechtsakte näher reguliert. Erste Rechtsakte<br />

werden noch <strong>für</strong> <strong>2024</strong> bzw. Anfang 2025 erwartet und die Branchen<br />

Textil sowie Stahl betreffen. Die Einführung der Produktpässe muss<br />

dann voraussichtlich 42 Monate später, also 2027 bzw. 2028 <strong>für</strong> diese<br />

Branchen erfolgen.<br />

Der Ökodesignverordnung zeitlich voraus aber weniger allgemein<br />

ist die Batterieverordnung. Diese ist bereits seit Sommer 2023<br />

in Kraft und sieht die Einführung eines Digitalen Produktpasses<br />

<strong>für</strong> spezifische Batteriearten bereits ab Februar 2027 vor. Entsprechend<br />

wurde hier schon genauer geregelt, welche Informationen<br />

enthalten sein sollen. Zu diesen gehören allgemeine Batterie- und<br />

Herstellerinformationen und ebenso Angaben zur Konformität,<br />

Kennzeichnungen und Zertifizierungen, um sicherzustellen, dass<br />

die Batterien geltenden Standards und Vorschriften entsprechen.<br />

Der CO 2<br />

-Fußabdruck von Batterien soll ein weiterer Bestandteil des<br />

Passes werden, gleiches gilt <strong>für</strong> die Einhaltung der Sorgfaltspflicht<br />

in der Lieferkette, um zu dokumentieren, ob Batterien unter ethischen<br />

und umweltfreundlichen Bedingungen hergestellt werden.<br />

Informationen über Batteriematerialien und Zusammensetzung<br />

sind ebenfalls gefordert. Wie dargestellt sind diese insbesondere <strong>für</strong><br />

das Recycling relevant. Auch weitere <strong>für</strong> Kreislaufwirtschaft und<br />

Ressourceneffizienz zentrale Aspekte wie Gebrauchsdaten sind vorzuhalten.<br />

Schließlich werden in diesem Zusammenhang Angaben<br />

zur Leistung und Haltbarkeit erfasst.<br />

Für zahlreiche weitere Branchen werden in den nächsten Jahren<br />

zudem Digitale Produktpässe über weitere Regulierungen zu einer<br />

Verpflichtung. Dies wird beispielsweise Spielzeuge, Automobile und<br />

viele chemische Produkte betreffen.<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

37<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 37 21.04.24 19:26


Der Digitale Produktpass in der Beschaffung –<br />

mehr Transparenz und mehr Chancen <strong>für</strong> das<br />

Green Procurement<br />

Der Digitale Produktpass könnte eine große Chance dartsellen,<br />

eine grünere Beschaffung entscheidend voranzubringen. Für Unternehmen,<br />

die ihre Beschaffung umweltfreundlicher und ggf. auch<br />

sozial nachhaltiger gestalten wollen, sollten vor allem Transparenz<br />

und Vergleichbarkeit deutlich gesteigert werden. Damit können<br />

Kaufentscheidungen auf eine sicherere und dokumentierbarere Basis<br />

gestellt werden. Gleichzeitig können auch den Kunden produktrelevante<br />

Informationen leichter zugänglich gemacht werden.<br />

Für Behörden, die u.a. durch spezifische Regulierungen wie<br />

dem Kreislaufwirtschaftsgesetz zu einer nachhaltigkeitsorientierten<br />

Beschaffung verpflichtet sind, sollte dies aus genannten Gründen<br />

durch die Produktpässe auch vereinfacht möglich sein. So lassen sich<br />

aufgrund der im Pass vorgegebenen Inhalte ggf. Ausschreibungen in<br />

Zukunft leichter ausrichten und Produkteigenschaften von Angeboten<br />

besser bewerten.<br />

Einschränkend ist an dieser Stelle noch zu bemerken, dass in<br />

der Entwicklung der Digitalen Produktpässe vieles noch nicht<br />

abschließend geregelt ist. Sowohl Regulierungs- als auch Standardisierungsprozesse<br />

sind noch in vollem Gange. Es lohnt sich also,<br />

ihren Fortgang zu beobachten um ihre Chancen nutzen zu können.<br />

Autor<br />

Holger Berg<br />

Wuppertal Institut fuer Klima,<br />

Umwelt, Energie gGmbH<br />

holger.berg@wupperinst.org<br />

Foto: depositphotos<br />

38 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 38 21.04.24 19:26


“<strong>Kleine</strong> Kniffe” der nachhaltgen Beschaffung<br />

Vermeidung von greenwash und bluewash im IT <strong>Einkauf</strong><br />

Greenwashing und Bluewashing - die Verwendung unzutreffender oder übertriebener<br />

ökologischer oder sozialer Behauptungen – als Einkäufer ungeprüft zu übernehmen, beinhaltetet<br />

ein Risiko. Nachhaltigkeitsangaben, von unabhängiger Seite mit Fachwissen und umfangreiche<br />

Ressourcen überprüft, sind eine Lösung. Ein Umweltzeichen oder eine Zertifizierung kann eine<br />

große Hilfe sein, aber nur, wenn sie glaubwürdig ist. Natürlich sind TCO Certified Kriterien<br />

transparent und kostenlos zugänglich.<br />

Ein Beitrag von Martin Eichenseder<br />

Unabhängige Nachweise helfen Ihnen, falsche<br />

Ansprüche zu vermeiden<br />

Selbst die strengsten Nachhaltigkeitskriterien sind wirkungslos,<br />

wenn kein System zur unabhängigen Überprüfung und Überwachung<br />

der Fortschritte, und das über eine Zeitachse von vielen Jahren,<br />

im Bereich der Nachhaltigkeit vorhanden ist. Für Einkäufer ist es<br />

extrem schwierig, an unabhängig geprüfte Produktinformationen zu<br />

gelangen. Daher sind viele gezwungen, sich auf Selbsterklärungen<br />

der Industrie und ungeprüfte Produktaussagen zu verlassen, was zu<br />

einem hohen Risiko von Greenwashing und Bluewashing führt.<br />

Tests und Audits erfordern große Ressourcen<br />

Nachhaltigkeitsansprüche müssen nachgewiesen werden. Vor,<br />

während und nach dem Kauf. Dies ist eine äußerst zeitaufwändige<br />

Arbeit, die ein hohes Maß an Fachwissen erfordert. Die Angabe<br />

eines Nachhaltigkeitssiegels, das Tests und Audits beinhaltet und von<br />

unabhängigen Experten durchgeführt wird, reduziert die Kosten<br />

und Ressourcen, die von der beschaffenden Organisation verlangt<br />

werden. Sprechen sie mit Beschaffern, die versucht haben, erst zum<br />

Zeitpunkt der Beschaffung, gefundene Problem zu lösen. Oder überhaupt<br />

die verantwortliche Fabrik zu identifizieren.<br />

Die Industrie in die Pflicht nehmen und<br />

motivieren<br />

Bei TCO Certified wird die Einhaltung aller Kriterien von<br />

akkreditierten Experten unabhängig überprüft. Seit 12 Jahren wird<br />

kontinuierlich auditiert, monitored, Schwachstellen aufgedeckt<br />

und die Behebung überprüft. Gleichzeitig wird dieser Aufwand der<br />

Fabriken belohnt, kontinuierlich, nicht nur <strong>für</strong> eine Bestellung, sondern<br />

global durch ein globales Siegel. Und natürlich gibt es, wie im<br />

Steuersystem, wie bei der Straßenverkehrsordung und überall klar<br />

definierte Sanktionen, die auch ohne wenn und aber durchgesetzt<br />

werden. Diese systematische Arbeitsweise bedeutet, dass Sie sich<br />

darauf verlassen können, dass die zertifizierten Produkte, die Sie<br />

kaufen, eine nachhaltigere Wahl auf höchstem Niveau sind.<br />

Autor:<br />

Martin Eichenseder<br />

Ambassador<br />

TCO Certified<br />

martin.eichenseder@<br />

tcodevelopment.com<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

39<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 39 21.04.24 19:26


Nachhaltige Verpackungen<br />

Lebensmittelsicherheit steht an oberster Stelle<br />

Die ENFIT-Arbeitsgruppe „Wiederverwendbare Verpackungen“ will in regelmäßigen, fachübergreifenden<br />

Meetings alle Aspekte der gesamten Lieferkette von Lebensmittelverpackungen nachgehen. Bei Mehrweg<br />

nur den Austausch zwischen Restaurant und Gast zu betrachten, reiche bei Weitem nicht.<br />

Ein Beitrag von Hans-Dieter Philipowski<br />

Seit mehr als einem Jahr gilt in Deutschland die Mehrwegangebotspflicht<br />

<strong>für</strong> Speisen oder Getränke zum Mitnehmen. Alle,<br />

die bisher Einwegverpackungen genutzt haben, müssen ihre Speisen<br />

und Getränke auch in Mehrwegverpackungen anbieten, ihre<br />

Kunden und Gäste auf diese Möglichkeit hinweisen.<br />

Doch wie diese Letztvertreiber die Mehrweglösung umsetzen,<br />

ist ihnen weitestgehend selbst überlassen. Einige arbeiten mit<br />

Anbietern von Mehrwegsystemen zusammen wie Recup, Relevo,<br />

Vytal, Interzero, cup&more oder Sykell. Diese stellen Mehrwegverpackungen<br />

zur Verfügung, organisieren Rücknahme, Reinigung bis<br />

hin zur Rücklieferung an die Letztvertreiber. Doch ist dies nur ein<br />

kleiner, überschaubarer Kreislauf zwischen den gleichen Partnern.<br />

Er verlangt Konsumenten zudem ab, die Verpackungen genau dort<br />

zurückzugeben, wo sie sie erhalten haben.<br />

Um Mehrweg <strong>für</strong> Konsumenten aber attraktiv zu machen, sollte<br />

die Rückgabe an jedem Rückgabeort erfolgen können. Stichwort<br />

„Return anywhere“. In der Praxis bedeutet das, dass ein McDonald’s<br />

Kaffeebecher in einem anderen Restaurant oder einem Rückgabeautomaten<br />

irgendwo im öffentlichen Raum zurückgegeben werden<br />

kann. Damit wird der Kreislauf höchst komplex, wirft viele Fragen<br />

auf und kann zu Problemen führen. Die Beteiligten können und<br />

werden dann ständig wechselnde Partner sein. Ein solches System<br />

funktioniert aus Sicht der Lebensmittelsicherheit, Hygiene und Food<br />

Defense nur, wenn alle Stakeholder nach den gleichen verbindlichen<br />

Standards arbeiten. Food Defense steht <strong>für</strong> Schutz vor Kontamination,<br />

Manipulation und Sabotage.<br />

Gestartet ist die ENFIT-Arbeitsgruppe <strong>für</strong> Lebensmittelsicherheit,<br />

Hygiene, Food Defense und mehr <strong>für</strong> wiederverwendbare<br />

Verpackungen im Mai 2023. Ihr Ziel ist eine verbindliche Guideline<br />

<strong>für</strong> alle.<br />

Bereiche der Kreislaufführung zu erarbeiten Vorschriften <strong>für</strong><br />

Lebensmittelsicherheit, Hygiene und Food Defense gelten <strong>für</strong> die<br />

Hersteller der Verpackungen (Verpackungs-Konformität) und<br />

beinhalten ihre Prüfung und Kategorisierung auf ihre Kreislaufeignung.<br />

<strong>Das</strong> gleiche gilt <strong>für</strong> den Letztvertreiber. Hinzukommen aber<br />

beim anbieterübergreifenden Sammeln alle, die die gebrauchten<br />

Behälter einsammeln, sie spülen, die das gereinigte Geschirr sortieren<br />

und nach Anbietern sortiert wieder neu verpacken. Dabei<br />

kommen wiederum Behälter zum Einsatz, die ebenfalls hygienisch<br />

einwandfrei gereinigt und gehandhabt werden müssen. Eine lange<br />

Verpackungskette inklusiven Transportfahrzeugen und deren Nutzern.<br />

Die Mehrwegbehälter gehen durch so viele Orte und Hände.<br />

<strong>Das</strong> kann kein Gastronom als Letztvertreiber überschauen oder gar<br />

überprüfen.<br />

Denken Sie zusätzlich an die Vorschriften zu Halal und koscherem<br />

Essen! Sind diese Ernährungsformen nicht mit abgedeckt,<br />

können ganz praktisch einzelne Restaurants der muslimischen und<br />

jüdischen Community nicht an einem übergreifenden Kreislaufsystem<br />

teilnehmen. Verantwortlich ist laut Gesetz am Ende der Kette<br />

jedoch der Letztvertreiber. Und natürlich ist die Digitalisierung ein<br />

wichtiges weiteres Thema in der Arbeitsgruppe.<br />

40 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 40 21.04.24 19:26


Foto: Dipl.-Ing. Hans-Dieter Philipowski<br />

Mit mittlerweile über dreißig Teilnehmern wollen wir alle<br />

Aspekte berücksichtigen, eruieren, welche Vorschriften bereits<br />

existieren, wie sie sich überschneiden und wo noch Regelungen und<br />

definierte Prozesse fehlen. Am Ende soll eine Checkliste stehen, die<br />

Letztvertreibern und allen anderen im Kreislaufsystem Sicherheit<br />

geben soll: Was muss ich als Betreiber eines Restaurants beachten?<br />

Was kann ich beeinflussen? Wie kann ich prüfen, ob mein Spüldienstleister<br />

hygienisch einwandfreie Becher und Bowls bei mir<br />

abliefert, ob der Laderaum des Lieferanten hygienisch ist und den<br />

<strong>für</strong> mich gelten Vorschriften entspricht? Wir haben über 100 Regeln<br />

und Vorschriften analysiert und wollen sie leicht und verständlich<br />

<strong>für</strong> den normalen Anwender machen.<br />

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sind Hersteller und in<br />

Verkehrbringer wiederverwendbarer Verpackungen, von Spülmaschinen<br />

und Reinigungsmitteln sowie Systembetreiber und<br />

Spüldienstleister. Außerdem Hersteller von Sekundärverpackungen,<br />

also etwa Behältern, um Spülgut wieder in Umlauf zu bringen, und<br />

automatisierten Inspektionssystemen sowie von Rücknahmeautomaten.<br />

Vertreten sind zudem Experten <strong>für</strong> Lebensmittelsicherheit,<br />

des Fraunhofer Instituts, der Kühne Logistik Universität sowie der<br />

RTG-ReUse To Go Initiative. Als internationale Vereinigung bringt<br />

ENFIT Expertise und umfangreiche Erfahrungen zur Erarbeitung<br />

internationaler Standards mit ein.<br />

Einige Mitglieder der Arbeitsgruppe bringen jahrelange<br />

Erfahrung darin mit, praxisorientiert internationale Guidelines<br />

zu erarbeiten. ENFIT als Siegelgeber hat vor Jahren die erste<br />

Guideline <strong>für</strong> den internationalen Transport von Rohstoffen in<br />

Transportbehältern erarbeitet. Die definierten Anforderungen an<br />

Lebensmittelsicherheit, Hygiene und Food Defense setzen heute<br />

<strong>einen</strong> internationalen Standard.<br />

In der Lebensmittelindustrie stand schon immer das Ergebnis<br />

im Vordergrund und nicht der Prozess. In der EU-Verordnung 178-<br />

2002 ist die Verantwortung der Lebensmittelunternehmer eindeutig<br />

geregelt. Diese tragen eine weitreichende Verantwortung. Leider<br />

gibt es hier in der Gesetzgebung eine gewisse Verantwortungslücke.<br />

Nicht der Spüldienstleister ist nach dem Gesetz verantwortlich <strong>für</strong><br />

die Sauberkeit und Hygiene der Verpackungen, sondern der Letztvertreiber,<br />

der <strong>einen</strong> Spüldienstleister nutzt.<br />

Besonders diese Lücke bearbeitet die ENFIT Arbeitsgruppe. Wir<br />

wollen sicherstellen, dass nicht nur der Lebensmittelunternehmen/<br />

Letztvertreiber weiß, welche Verantwortung er trägt und wie er die<br />

Sicherheit herstellt. Auch die Spüldienstleister sollen nach definierten<br />

ENFIT-Standards arbeiten können.<br />

Wir wollen eine verbindliche Guideline schaffen, die die<br />

Verantwortlichkeit und die Umsetzung <strong>für</strong> jeden der beteiligten<br />

Stakeholder eindeutig beschreibt: Verpackungshersteller,<br />

Letztvertreiber, Automatenhersteller, Transportunternehmen,<br />

Systemanbieter, Spüldienstleister, Auditoren und andere. Einigkeit<br />

herrscht darüber, dass die Kreislaufführung erheblich komplexer ist,<br />

als es sich die meisten gedacht haben und dass hier noch viel zu erarbeiten<br />

ist. Deshalb wünschen wir uns auch weitere Mitstreiter etwa<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

41<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 41 21.04.24 19:26


ENFIT<br />

Der internationale Verband ENFIT e.V. Supply Chain Safety<br />

vertritt die Interessen seiner internationalen Mitglieder und<br />

Kooperationspartner, steht im Austausch mit nationalen und<br />

internationalen Organisationen und Gremien.<br />

Hierzu zählen u.a.: Europäische Kommission, BfR-Bundesinstitut<br />

<strong>für</strong> Risikobewertung, Lebensmittelkontrolle, WHO,<br />

FDA-Food and Drug Administration der USA, Lebensmittelsicherheit<br />

und Verbraucherschutz, Zusammenarbeit mit jüdischen<br />

Rabbinaten zur Umsetzung der spezifischen Koscher-Anforderungen<br />

und den Halal Organisationen zur Umsetzung der<br />

spezifischen Halal-Anforderungen beim Transport und der Reinigung<br />

von Transportbehältern, Chemie- und Logistikverbände,<br />

ADR-Gremien <strong>für</strong> den sicheren Transport von Gefahrgut und<br />

viele andere.<br />

ENFIT ist Siegelgeber und bildet auch Auditoren aus.<br />

Die Webseite www.enfit.eu und www.enfit-mehrweg.eu<br />

bietet neben Informationen Gesetztestexte und Vorschriften zum<br />

PDF-Download.<br />

Foto: depositphotos<br />

Arbeitskreis<br />

„Wiederverwendbare Verpackungen“<br />

von Mehrwegsystemanbietern, die – nicht als Einzige – die Tragweite<br />

eines umfassenden Kreislaufs noch nicht erkannt haben könnten.<br />

Wir haben bereits jetzt die ersten Spüldienstleister nach dem<br />

ENFIT HQF (High-Quality-Food) Standard, mit ENFIT-Gütesiegel,<br />

zertifiziert. Wiederverwendbare Verpackungen sollen in drei<br />

Kreislaufkategorien eingeordnet werden: sehr gut, gut und weniger<br />

gut <strong>für</strong> den Kreislauf geeignet. Danach wird sich die jeweilige Kreislaufumlage<br />

richten, aus der die Kosten <strong>für</strong> Transport, Sortierung und<br />

Reinigung finanziert werden.<br />

Parallel entwickeln wir ein digitales und standardisiertes Ausbildungsprogramm<br />

<strong>für</strong> die beteiligten Stakeholder. Jeder soll Gewissheit<br />

haben über seine Verantwortung und vorhandene Lösungen. Mehrweg<br />

muss <strong>für</strong> alle Beteiligten einfach und sicher sein. Nur dann wird<br />

es vom Konsumenten gerne angenommen.<br />

• Hersteller und in Verkehrbringer: Cup&more,<br />

DishCircle, IQ-Pak, Sykell-Einfach Mehrweg,<br />

circolution, Pfabo, Dotch, Paccon<br />

• Spülmaschinen-Hersteller: Hobart, Meiko<br />

• Reinigungsmittel-Hersteller: Büfa, Remsgold<br />

• Systembetreiber/Spüldienstleister: cup&more,<br />

WastoPAC, DMT-Geschirr, Interzero Pooling Cycle,<br />

WBG-Pooling, Eternity Systems<br />

• Hersteller von Sekundärverpackungen: UTZ-Group<br />

und Beku-Plast<br />

• Hersteller automatisierter Inspektionssysteme:<br />

miho-inspektionssysteme<br />

• Rücknahmeautomaten-Hersteller: Tomra, Sielaff<br />

• Lebensmittelsicherheits-Experten:<br />

Delphi-Lebensmittelsicherheit, CS-Food Safety<br />

• Vertreter von: Fraunhofer Institut, Kühne Logistik<br />

Universität, RTG-ReUse To Go Initiative.<br />

Autor<br />

Hans-Dieter Philipowski<br />

Präsident<br />

ENFIT e.V. International Association<br />

Supply Chain Safety<br />

42 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 42 21.04.24 19:26


<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

43<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 43 21.04.24 19:26


Klimawandel<br />

Klimawandel in Deutschland -<br />

Verabschiedung des Bundes-Klimaanpassungsgesetzes<br />

Die Klimadaten zeigen, dass Deutschland seit 1881 eine signifikante Erhöhung der<br />

durchschnittlichen Lufttemperatur erlebt hat. Ein Anstieg von 1,7°C wurde verzeichnet, der den<br />

globalen Temperaturanstieg von 1,1°C übertrifft und damit vermuten lässt, dass sich Landgebiete<br />

schneller als ozeanische Regionen erwärmen. Besonders in den letzten 50 Jahren hat sich das<br />

Tempo der Erwärmung beschleunigt, mit einer Erwärmungsrate von 0,38°C pro Dekade seit 1971.<br />

Ein Beitrag von Dr. Volker Teichert<br />

Die Abb. 1 verdeutlicht diesen Trend und zeigt die Temperaturanomalien<br />

in Deutschland über die 10-Jahresperioden von 1883<br />

bis 2022 im Vergleich zum Referenzzeitraum von 1881 bis 1910. Es<br />

ist eine klare Zunahme der Temperaturanomalien zu beobachten,<br />

wobei die Periode von 2013 bis 2022 eine auffällige Erhöhung von<br />

über 1,5 K aufweist. Diese Zahlen belegen die zunehmende Erwärmung<br />

und unterstreichen die Notwendigkeit von Maßnahmen<br />

gegen den Klimawandel.<br />

Die historische Entwicklung der Temperaturen zeigt Schwankungen,<br />

die durch jährliche Wetteränderungen und dekadische<br />

Klimavariabilitäten verursacht werden. Diese natürlichen Schwankungen<br />

können die Wirkung von externen Klimaantrieben wie<br />

Sonneneinstrahlung und Vulkanaktivität sowie menschlichen Einflüssen<br />

zeitweise überdecken.<br />

Die Erwärmung in Deutschland ist über die Jahreszeiten hinweg<br />

konsistent, mit dem stärksten Anstieg im Winter. Die räumlichen<br />

Unterschiede sind gering, und die Erwärmung ist in westlichen<br />

Bundesländern sowie in Bayern und Thüringen tendenziell etwas<br />

höher als in Brandenburg und Berlin.<br />

Niederschlag<br />

In Deutschland hat sich das Niederschlagsverhalten im Laufe<br />

der letzten Jahrzehnte merklich verändert. Vor allem im Winter ist<br />

eine klare Zunahme der Niederschlagsmengen zu beobachten, mit<br />

einem Anstieg um etwa 48 mm seit dem späten 19. Jahrhundert, was<br />

einer Zunahme von 26% entspricht. Diese Veränderung zeigt sich<br />

insbesondere in den nordwestlichen Bundesländern. Im Sommer<br />

hingegen ist der Trend weniger eindeutig, mit einem geringen<br />

Rückgang der Niederschlagsmenge um etwa 11 mm, der innerhalb<br />

der natürlichen Schwankungen liegt.<br />

Niederschlagsextreme<br />

Wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, was generell<br />

zu einem Anstieg der Niederschläge führt. Bei Starkniederschlägen,<br />

die durch konvektive Prozesse wie Gewitter entstehen, könnte dies<br />

zu einer Zunahme ihrer Intensität führen. Allerdings ist eine präzise<br />

Analyse von Starkniederschlagsereignissen aufgrund ihrer hohen<br />

Variabilität und regionalen Unterschiede schwierig.<br />

Abb. 2 auf Seite 18 veranschaulicht die Verteilung und Intensität<br />

der Starkniederschläge in Deutschland zwischen 2001 und 2022,<br />

basierend auf den Warnstufen des Deutschen Wetterdienstes. Die<br />

Karte zeigt, dass besonders intensive Niederschläge nicht nur auf<br />

bestimmte Gebiete beschränkt sind, sondern potenziell überall im<br />

Land auftreten können. Obwohl der Beobachtungszeitraum <strong>für</strong> eine<br />

fundierte Trendanalyse noch zu kurz ist, suggeriert der vorläufige<br />

Trend eine Zunahme der Häufigkeit solcher Ereignisse in wärmeren<br />

Jahren.<br />

44 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 44 21.04.24 19:26


Quelle: Umweltbundesamt (2023): Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel – Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe Anpassungsstrategie der Bundesregierung.<br />

Dessau, S. 20<br />

In Deutschland hat sich das Auftreten von extremen<br />

Wetterereignissen in den letzten Jahrzehnten verändert, wie aus<br />

einer Analyse der Radardaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD)<br />

hervorgeht. Die Daten zeigen eine steigende Anzahl von Starkniederschlagsereignissen<br />

mit besonders kurzer Dauer. Die Abbildung<br />

2 verdeutlicht, dass die Zahl dieser Ereignisse, insbesondere<br />

die von einer bis sechs Stunden Dauer, in den Jahren von 2001 bis<br />

2022 zugenommen hat. Auffällig ist das Jahr 2018, in dem trotz eines<br />

überdurchschnittlich trockenen Gesamtjahres eine erhöhte Zahl<br />

an Starkregenereignissen registriert wurde, was auf die verstärkte<br />

Bildung von konvektiven Niederschlägen in wärmeren Perioden<br />

schließen lässt.<br />

Extreme Trockenheit<br />

Die räumliche Verteilung dieser Trockenheit offenbart, dass<br />

insbesondere der Osten Deutschlands sowie das Rhein-Main-Gebiet<br />

von dieser Zunahme betroffen sind. Diese Regionen zeigen in den<br />

letzten Dekaden eine stetig steigende Anzahl an Tagen mit geringer<br />

Bodenfeuchtigkeit, was die landwirtschaftliche Produktivität und<br />

Ökosysteme zunehmend belastet.<br />

Zusammengefasst weisen die Daten auf eine Zunahme extremer<br />

Wetterphänomene wie Starkniederschlag und Trockenheit<br />

hin, die weitreichende Folgen <strong>für</strong> die Umwelt, die Landwirtschaft<br />

und die Gesellschaft in Deutschland haben. Während die Datenlage<br />

<strong>für</strong> Starkregenereignisse zeigt, dass diese Phänomene zunehmend<br />

über das ganze Land verteilt sind, ist die steigende Bodentrockenheit<br />

besonders in bestimmten Regionen problematisch und erfordert<br />

eine Anpassung der landwirtschaftlichen Praktiken und Wasserwirtschaft.<br />

Entwicklung in 2023<br />

Auch 2023 hat sich der Klimawandel weiter fortgesetzt. Dabei<br />

war der 6. Juli 2023 ein außergewöhnlicher Tag: denn an diesem Tag<br />

wurden gleich zwei Rekorde aufgestellt. Erstens kam es an diesem<br />

Tag zu den meisten Flügen weltweit: 134.186 Passagiermaschinen<br />

waren an diesem Tag unterwegs. Gleichzeitig war der 6. Juli 2023 der<br />

bislang wärmste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Bereits<br />

am 3. Juli 2023 überschritt die globale Durchschnittstemperatur<br />

erstmals in der Geschichte die 17-Grad-Schwelle. Drei Tage später<br />

waren es sogar 17,23 Grad Celsius. Als Grund <strong>für</strong> das Ansteigen der<br />

Temperatur wird neben der globalen Erwärmung das Phänomen<br />

El Niño angegeben (vgl. Christ 2023) Der Klimawandel muss also<br />

als unumkehrbar angesehen werden, sodass wir uns vermehrt damit<br />

beschäftigen müssen, was zu tun ist, um sich an den Klimawandel<br />

anzupassen.<br />

Verabschiedung des Bundes-<br />

Klimaanpassungsgesetzes<br />

Der Bundestag hat hierzu im November 2023 das Bundes-<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

45<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 45 21.04.24 19:26


Quelle: Umweltbundesamt (2023): Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel – Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe Anpassungsstrategie der Bun-desregierung.<br />

Dessau, S. 25<br />

Klimaanpassungsgesetz (KAnG) beschlossen. Ziel des Gesetzes<br />

ist, negative Auswirkungen des Klimawandels auf Leben, Gesellschaft,<br />

Wirtschaft, Infrastruktur und Natur zu verhindern oder zu<br />

minimieren. Es soll die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen und<br />

der Gesellschaft gegenüber den Klimaveränderungen erhöhen und<br />

soziale Ungleichheiten verhindern.<br />

Nach § 3 KAnG ist die Bundesregierung dazu verpflichtet,<br />

spätestens bis zum 30. September 2025 eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie<br />

mit messbaren Zielen vorzulegen. Diese Strategie<br />

muss unter Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

alle vier Jahre aktualisiert werden. Die Entwicklung dieser<br />

Strategie basiert insbesondere auf der Klimarisikoanalyse, auf die in<br />

§ 4 KAnG näher eingegangen wird.<br />

In der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie müssen folgende<br />

Cluster und zugeordnete Handlungsfelder berücksichtigt werden:<br />

• Wasser mit Unterfeldern wie Wasserhaushalt, Wasserwirtschaft,<br />

Küsten- und Meeresschutz und Fischerei;<br />

• Infrastruktur mit Gebäuden, Energieinfrastruktur und<br />

Verkehr.<br />

• Land und Landnutzung mit Boden, biologischer Vielfalt, Landwirtschaft<br />

und Wald sowie Forstwirtschaft;<br />

• Gesundheit mit dem Fokus auf der menschlichen Gesundheit;<br />

• Wirtschaft mit Industrie und Gewerbe sowie Finanzwirtschaft;<br />

• Stadtentwicklung, Raumplanung und Bevölkerungsschutz mit<br />

Stadt- und Siedlungsent-wicklung, Raumplanung und<br />

Bevölkerungsschutz;<br />

• Ein Cluster mit übergreifenden Handlungsfeldern.<br />

Diese Strategie muss ambitionierte, messbare Ziele enthalten,<br />

die innerhalb eines festgelegten zeitlichen Rahmens erreicht werden<br />

sollen und einem bestimmten Cluster zugeordnet sind. Zudem muss<br />

<strong>für</strong> jedes Ziel mindestens ein Indikator definiert werden, der den<br />

Fortschritt misst. Die Strategie benennt auch geeignete Maßnahmen<br />

des Bundes zur Erreichung und gibt Empfehlungen <strong>für</strong> Maßnahmen,<br />

die in die Zuständigkeit der Länder fallen. Außerdem wird ein<br />

Mechanismus zur Bewertung der Fortschritte in der Zielerreichung<br />

festgelegt.<br />

Bei der Auswahl der Maßnahmen, wenn es mehrere gleich<br />

geeignete gibt, sollen nachhaltige Anpassungsmaßnahmen Vorrang<br />

haben. Dies betrifft vor allem jene, die Synergien mit den Bereichen<br />

des natürlichen Klimaschutzes, dem Schutz der biologischen Vielfalt<br />

und der <strong>nachhaltigen</strong> Stadt- und Siedlungsentwicklung aufweisen.<br />

Die Länder, Verbände und die Öffentlichkeit sollen in die Festlegung<br />

der messbaren Ziele, Indikatoren und Maßnahmen einbezogen<br />

werden. Die Verantwortlichkeit <strong>für</strong> die Aufstellung, Überprüfung<br />

und eventuelle Aktualisierung der Ziele und Maßnahmen in der<br />

Strategie trägt das jeweilige Bundesministerium, das, in Abstimmung<br />

mit anderen betroffenen Bundesministerien, fachlich überwiegend<br />

46 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 46 21.04.24 19:26


<strong>für</strong> ein Ziel oder eine Maßnahme zuständig ist. Die Zuständigkeitsverteilung<br />

innerhalb der Bundesregierung bleibt dabei unverändert.<br />

Wie bereits erwähnt, ist die Bundesregierung nach § 4 KAnG<br />

dazu verpflichtet, eine Klimarisikoanalyse durchzuführen, die auf<br />

dem aktuellen Stand der Wissenschaft basiert und mindestens alle<br />

zehn Jahre aktualisiert wird. Des Weiteren verpflichtet sich die<br />

Bundesregierung dazu, den Ländern und Kommunen die <strong>für</strong> die<br />

Klimarisikoanalyse verwendeten Daten, fachliche Grundlagen und<br />

methodische Leitfäden zur Verfügung zu stellen.<br />

Die Bundesregierung will darüber hinaus regelmäßig Daten zu<br />

folgenden Aspekten erheben:<br />

• Informationen über die Schadenssummen, die auf Schäden aus<br />

extremen Wetterereignissen zurückzuführen sind.<br />

Die Anpassung der Bundesliegenschaften zielt auf Nachhaltigkeit<br />

ab und legt <strong>einen</strong> Schwerpunkt auf Maßnahmen, die Synergien<br />

mit natürlichen Klimaschutzinitiativen, Kreislaufwirtschaft, dem<br />

Schutz der biologischen Vielfalt und der <strong>nachhaltigen</strong> Entwicklung<br />

von Städten und Siedlungen aufweisen.<br />

Zusätzlich unterstützt die Bundesregierung, innerhalb ihrer<br />

Zuständigkeiten und Haushaltsmög-ichkeiten, Länder und Kommunen<br />

bei der Anpassung ihrer Liegenschaften an den Klimawandel.<br />

Dies wird durch Schulungsangebote, Wissensaustausch und Zertifizierung<br />

nach den Prinzipien des <strong>nachhaltigen</strong> Bauens gefördert.<br />

Im Weiteren werden in den §§ 9 bis 12 die Aufgaben der Bundesländer<br />

beschrieben, die bis zum 31. Januar 2026 eine eigene<br />

Klimaanpassungsstrategie erarbeiten und verabschieden sollen.<br />

• <strong>Ausgabe</strong>n des Bundes im Zusammenhang mit Maßnahmen zur<br />

Anpassung an den Klimawandel.<br />

Die Bundesregierung will in regelmäßigen Abständen <strong>einen</strong><br />

Monitoringbericht vorlegen, der auf dem aktuellen Stand der<br />

Wissenschaft basiert. Dieser Bericht dient dazu, die Öffentlichkeit<br />

über die beobachteten Folgen des Klimawandels in Deutschland zu<br />

informieren und den Stand der Zielerreichung zu verdeutlichen.<br />

Ab dem Inkrafttreten des Gesetzes muss der Monitoringbericht<br />

mindestens alle vier Jahre erstellt und veröffentlicht<br />

werden, vorzugsweise vor der geplanten Vorlage der vorsorgenden<br />

Klimaanpassungsstrategie gemäß § 3 KAnG. <strong>Das</strong> Monitoring<br />

bildet die wissenschaftliche Grundlage, um den Fortschritt bei der<br />

Zielerreichung zu bewerten und die Klimaanpassungsstrategie fortzuschreiben.<br />

Sollte sich auf Grundlage des Monitorings eine Zielverfehlung<br />

ergeben, sind Anpassungen bei den Maßnahmen zur Zielerreichung<br />

im Rahmen der Fortschreibung der Klimaanpassungsstrategie<br />

gemäß § 3 KAnG vorzunehmen.<br />

Literatur<br />

Christ, Johannes (2023):<br />

Nicht nur der wärmste Tag: Diese unrühmlichen<br />

Klimarekorde wurden 2023 schon gebrochen. In:<br />

Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 13. Juli 2023.<br />

URL: https: /www.rnd.de/wissen/klimawandel-dieseunruehmlichen-klimarekorde-wurden-2023-schongebrochen-VBYVFBA6BFBLRDODVBKHCBNMNA.html<br />

Umweltbundesamt (2023): Monitoringbericht 2023 zur<br />

Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel<br />

– Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe<br />

Anpassungsstrategie der Bundesregierung. Dessau.<br />

URL: https: /www.umweltbundesamt.de/sites/<br />

default/files/medien/376/publikationen/dasmonitoringbericht_2023_bf_korr.pdf.<br />

Außerdem werden dabei die Ziele geprüft und gegebenenfalls<br />

aktualisiert. Wenn aufgrund des Monitorings oder anderer Erkenntnisse<br />

eine Zielverfehlung erwartet wird, können die zuständigen<br />

Ressorts geeignete Maßnahmen zur Verbesserung ergreifen, auch<br />

bevor die Klimaanpassungsstrategie nach § 3 KAnG aktualisiert wird.<br />

Nach § 7 KAnG passt der Bund seine Bundesliegenschaften<br />

an die Auswirkungen des Klimawandels an. Dies wird durch die<br />

Umsetzung angemessener Maßnahmen bei der Errichtung und<br />

Modernisierung von Gebäuden auf diesen Liegenschaften erreicht.<br />

Diese Maßnahmen werden anhand eines Bewertungssystems <strong>für</strong><br />

nachhaltiges Bauen durchgeführt, das unter Berücksichtigung der<br />

gesetzlichen Vorgaben kontinuierlich aktualisiert wird.<br />

Autor:<br />

Dr. Volker Teichert<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

an der Forschungsstätte<br />

der Evangelischen<br />

Studiengemeinschaft e.V.<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

47<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 47 21.04.24 19:26


Biodiversität im Finanzwesen<br />

Die Rolle von Banken beim Erhalt der Biodiversität<br />

Neben dem Klimawandel ist die Biodiversitätskrise eine der zentralen Herausforderungen unserer<br />

Zeit. Natur ist unser wertvollstes Kapital – ohne sie wäre menschliches Leben und Wirtschaften<br />

auf unserem Planeten undenkbar. Spätestens seit dem historischen Biodiversitätsübereinkommen<br />

von Kunming und Montreal im Dezember 2022 ist klar, dass der Schutz von Ökosystemen und<br />

Biodiversität in Zukunft in der Wirtschaft keine Nischenrolle mehr spielen darf. Hierbei kommt dem<br />

Finanzsektor und insbesondere den Banken eine wichtige Rolle zu, um Mittel zu mobilisieren, die<br />

im Biodiversitätsabkommen <strong>für</strong> die Finanzierung der biologischen Vielfalt vorgesehen sind.<br />

Ein Beitrag von Frederik Lange<br />

Wenn wir über die globalen Risiken der kommenden Jahre und<br />

Jahrzehnte sprechen, ist ein Thema allgegenwärtig: der Klimawandel<br />

und seine existenziellen Folgen <strong>für</strong> Mensch und Gesellschaft.<br />

Natürlich gibt es unterschiedliche Auffassungen über den richtigen<br />

Weg zur Klimaneutralität. Dennoch steht fest, dass der Kampf gegen<br />

die Erderwärmung spätestens seit dem Pariser Abkommen von 2015<br />

das Bewusstsein und Handeln von Wirtschaft und Politik mehr und<br />

mehr prägt. Seine Dringlichkeit wird heutzutage von kaum jemandem<br />

bestritten.<br />

Dabei wird leicht vergessen, dass der Klimawandel nur eine von<br />

zahlreichen ökologischen Herausforderungen ist. <strong>Das</strong> nicht weniger<br />

wichtige Thema – der Erhalt der Biodiversität – schafft es nur sporadisch<br />

ins Rampenlicht der öffentlichen Wahrnehmung. Dabei sind<br />

die Risiken und Herausforderungen kaum weniger ausgeprägt als<br />

beim Klimawandel. Dies zeigt nicht zuletzt der Global Risks Report<br />

<strong>2024</strong> vom World Economic Forum (WEF), der den Verlust der<br />

biologischen Vielfalt und den Zusammenbruch des Ökosystems als<br />

wesentliche globale Risiken <strong>für</strong> die kommenden zehn Jahre einstuft.<br />

Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache<br />

Biodiversität bezieht sich auf die Vielfalt des Lebens auf der<br />

Erde, einschließlich der Artenvielfalt, der genetischen Vielfalt und<br />

der Vielfalt der Ökosysteme. Diese Vielfalt ist stark bedroht. <strong>Das</strong><br />

Artensterben und der Ökosystemverlust schreiten aktuell in einem<br />

nie gekannten Ausmaß voran, was zahlreiche Studien belegen. So<br />

ging zum Beispiel der Bestand an Wirbeltierarten zwischen 1970<br />

und 2018 um 69 % zurück. Zudem ging allein zwischen 1900 und<br />

2000 rund 75 % der Pflanzenvielfalt verloren. Schätzungen zufolge<br />

sind etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben<br />

bedroht.<br />

Zu den wesentlichen Treibern der Biodiversitätskrise zählen<br />

der Klimawandel, die ausgeweitete Nutzung von terrestrischen,<br />

maritimen und Süßwasserflächen, die Umweltverschmutzung, die<br />

Nutzung und Überbeanspruchung natürlicher Ressourcen und das<br />

Ausbreiten invasiver Arten. Hinzu kommen indirekte Treiber wie<br />

der demografische Wandel, ökonomisch-technologische Entwicklungen<br />

sowie menschliche Verhaltensweisen im Allgem<strong>einen</strong> - etwa<br />

Ernährungsweisen.<br />

Die Auswirkungen auf unsere<br />

Lebensgrundlagen sind massiv<br />

Der fortschreitende Verlust an Biodiversität droht massive<br />

Auswirkungen auf unseren Planeten und die menschlichen Lebensgrundlagen<br />

zu haben. Biodiversität ist von entscheidender Bedeutung<br />

<strong>für</strong> das Funktionieren unseres Planeten, da Biodiversität eine Vielzahl<br />

von ökologischen Dienstleistungen („Ökosystemdienstleistungen“)<br />

bereitstellt. Dazu gehören unter anderem Insektenbestäubung, die<br />

Bereitstellung natürlicher Ressourcen - zum Beispiel Nahrungsmittel<br />

wie Obst, Gemüse, Getreide-, Verwendung von Pflanzen im<br />

Arzneimittelsektor, Reinigung des Wassers und der Luft, der Schutz<br />

vor Naturkatastrophen sowie die Regulierung des Klimas und der<br />

Wasserqualität. So sind 80 % der Nachhaltigkeitsziele (- sogenannte<br />

48 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 48 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

SDGs) nicht erreichbar, wenn die Biodiversität nicht erhalten und<br />

ausreichend geschützt wird.<br />

Auch unsere Wirtschaft wird vom Verlust der Biodiversität stark<br />

betroffen sein. So ist nach Angaben des Weltwirtschaftsforums mehr<br />

als die Hälfte des globalen Bruttoinlandprodukts von Biodiversität<br />

abhängig. Verarmt die Natur, drohen auch Unternehmen empfindliche<br />

finanzielle Einbußen.<br />

Dem Finanzsektor kommt eine wichtige Rolle<br />

zu<br />

Um die Biodiversität zu schützen und soweit möglich<br />

wiederherzustellen, einigten sich fast 200 Länder auf der 15. Weltnaturkonferenz<br />

(COP 15) in Montreal, Kanada im Jahr 2022 auf eine<br />

Reihe neuer Ziele und Vorgaben. Diese beziehen Unternehmen und<br />

Finanzinstitutionen direkt mit ein: So sollen zum Beispiel große und<br />

transnationale Unternehmen und Finanzinstitute zur regelmäßigen<br />

Überwachung, Bewertung und transparenten Offenlegung ihrer<br />

Risiken, Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die biologische<br />

Vielfalt verpflichtet werden.<br />

Banken und Finanzinstitute sind aus verschiedenen Gründen<br />

mit dem Thema Biodiversität befasst. Zum <strong>einen</strong> spielen sie eine<br />

wichtige Rolle bei der <strong>nachhaltigen</strong> Transformation, da sie durch<br />

ihre Investitions- und Finanzierungstätigkeit Kapital <strong>für</strong> nachhaltige<br />

Wirtschaftsaktivitäten bereitstellen können. Zum anderen können<br />

Banken auch direkt von Risiken in Bezug auf Biodiversität betroffen<br />

sein.<br />

Wie auch bei der Bekämpfung des Klimawandels müssen und<br />

wollen Banken daher ein Teil der Lösung sein, um zum Erhalt der<br />

Biodiversität beizutragen. Klar ist jedoch auch, dass der Finanzsektor<br />

das Problem nicht allein lösen kann. Hierzu bedarf es der richtigen<br />

politischen Rahmenbedingungen. Insbesondere muss Regulierung<br />

so konzipiert sein, dass Banken und vor allem die Realwirtschaft<br />

ihren jeweiligen Beitrag zum Schutz der Biodiversität leisten können.<br />

Die Regulierung sollte dabei möglichst direkt beim Verursacher<br />

ansetzen. Politische Maßnahmen sollten zudem Hilfestellung bieten,<br />

um die noch dürftige Datenlage beim Thema Biodiversität zu verbessern.<br />

Der Erhalt der Biodiversität ist eine gesamtgesellschaftliche<br />

Herausforderung. Sie kann nur im Schulterschluss von Politik,<br />

Wirtschaft und dem Finanzsektor gemeistert werden.<br />

Autor<br />

Frederik Lange<br />

Associate Director<br />

Bundesverband<br />

deutscher Banken e.V.<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

49<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 49 21.04.24 19:26


Biodiversität im <strong>Einkauf</strong><br />

Entwaldung -<br />

Warum dies auch ein Thema <strong>für</strong> den <strong>Einkauf</strong> ist<br />

Die Entwaldung schreitet weltweit massiv voran. Vor allem die Zerstörung des tropischen<br />

Regenwaldes in Südamerika, im Kongobecken und in Südostasien steuert auf eine<br />

unwiederbringliche Zerstörung von Ökosystemen zu. Laut der Umweltstiftung WWF wird pro<br />

Minute eine Waldfläche von 4,5 Fußballfeldern zerstört. Bis 2050 könnte allein die Hälfte des<br />

brasilianischen Regenwaldes unwiederbringlich vernichtet sein, wenn die jetzige Entwaldung in<br />

dieser Region ungebremst weiter geht.<br />

Ein Beitrag von Dr. Eberhard Witthoff<br />

Entwaldungsfreiheit mit Stichtagslösung<br />

Für die EU ist die Entwaldung und Waldschädigung schon<br />

seit langem auf der politischen und juristischen Agenda, auch<br />

weil der Anteil des weltweiten Verbrauchs von Produkten, die<br />

auf die Entwaldung zurückgehen, in der EU sehr hoch ist. Mit der<br />

EU-Holzhandels-VO sollten bereits Holz- und Papiererzeugnisse<br />

aus entwaldeten Gebieten verhindert werden. Mit der neuen<br />

Entwaldungs-VO vom Juli 2023 nimmt die EU zusätzlich die landwirtschaftliche<br />

Nutzung der entwaldeten Flächen ins Visier. Hier gilt<br />

<strong>für</strong> die Produkte aus Soja, Kaffee, Kakao, Palmöl, Kautschuk, aber<br />

auch aus der Rinderhaltung mit dem 31.12.2020 ein Stichtag. Wurde<br />

Wald nach diesem Datum gerodet oder zerstört, so dürfen diese Produkte<br />

nicht mehr in die EU ein- oder ausgeführt werden.<br />

Rechtskonformität und<br />

Sorgfaltspflichterklärung<br />

Die Entwaldungsfreiheit ist nicht die einzige Voraussetzung. Die<br />

Verordnung verlangt, dass die betroffenen Erzeugnisse vor allem<br />

unter Wahrung der Menschen- und Landnutzungsrechte gewonnen<br />

werden. Schließlich ist auch die Vorlage einer Sorgfaltserklärung<br />

erforderlich, die neben dem Nachweis der Rechtskonformität auch<br />

durch eine Geolokalisierung den Nachweis erbringen muss, dass die<br />

betroffene Fläche nicht nach dem Stichtag 31.12.2020 gerodet wurde.<br />

Ein- und Ausfuhrverbot sowie Sanktionen<br />

Nach dem jetzigen Stand wird die Entwaldungs-VO ab dem<br />

30.12.<strong>2024</strong> „scharf geschaltet“, d.h. ab dann gelten alle Verbots- und<br />

Sanktionsvorschriften und auch die Kontrollen können durchgeführt<br />

werden. Für den <strong>Einkauf</strong> ist wichtig, dass hier die gesamte<br />

Lieferkette in der Verantwortung steht. Betroffen sind nicht nur alle<br />

Marktteilnehmer, die diese Erzeugnisse gewerblich in den Verkehr<br />

bringen oder ausführen, sondern auch jeder Händler in der Lieferkette.<br />

Neben dem Ein- und Ausfuhrverbot sind Bußgelder bis zu 4%<br />

des jährlichen Umsatzes möglich. Ebenfalls können die betroffenen<br />

Erzeugnisse bei Importeuren und Händlern eingezogen werden und<br />

die betroffenen Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge<br />

ausgeschlossen werden.<br />

50 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 50 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

Folgewirkungen <strong>für</strong> den <strong>Einkauf</strong><br />

Einkäufer sind von potenziellen Import- und Vertriebsverboten<br />

erheblich betroffen. Die Entwaldungs-VO kann tatsächlich zu Engpässen<br />

in der Lieferkette und bei der Verfügbarkeit von bestimmten<br />

Erzeugnissen führen. Neben Preissteigerungen und Themen des<br />

Risiko- und Qualitätsmanagements kann die Anwendung der Entwaldungs-VO<br />

das Lieferantenrisiko beträchtlich erhöhen. Da die<br />

gesamte Lieferkette betroffen ist, sind neben den Bußgeldern auch<br />

überraschende Regressansprüche möglich, wenn sich herausstellt,<br />

dass Produkte oder Erzeugnisse nicht entwaldungsfrei im Sinne der<br />

Verordnung sind.<br />

der EU noch nicht ausreichend <strong>für</strong> ihre Arbeit personell und sachlich<br />

ausgestattet sind. Ebenso fehlt noch das EU-Informationssystem<br />

mit der entsprechenden Schnittstelle, wo die Sorgfaltserklärungen<br />

registriert werden können. Abgesehen von den Kosten der Implementierung<br />

dürfte eine späte Verwaltungsumsetzung auch kritisch<br />

<strong>für</strong> die Importeure und Einkäufer sein, wenn ab dem kommenden<br />

Jahr die rechtssichere Anwendung der neuen Vorschriften<br />

sichergestellt sein soll. In jedem Fall sind Einkäufer gut beraten,<br />

sich bereits jetzt mit dem Risikomanagement rund um das Thema<br />

Entwaldungs-VO zu befassen und mit den Vorbereitungen zur<br />

Umsetzung baldmöglichst zu beginnen.<br />

Aktueller Ausblick<br />

Die verbleibende Zeit <strong>für</strong> die Umsetzung ist mit 8 Monaten<br />

kurz. Die betroffenen Erzeuger- und Importverbände sind bereits<br />

aktiv geworden. Im Mittelpunkt steht hierbei die Forderung nach<br />

einem Moratorium <strong>für</strong> die Umsetzung. Jedoch ist auch die Verwaltungsumsetzung<br />

noch nicht abgeschlossen. So wurde in den Medien<br />

gemeldet, dass die meisten Kontroll- und Überwachungsbehörden in<br />

Autor<br />

Dr. Eberhard Witthoff<br />

CONLEGIS<br />

Rechtsanwaltsgesellschaft mbH<br />

http://www.conlegis.com/<br />

e.witthoff@conlegis.com<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

51<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 51 21.04.24 19:26


Aus nationalen Kompetenzstellen der Beschaffung<br />

Torffrei gärtnern mit dem Blauen Engel <strong>für</strong><br />

organische Kultursubstrate und Blumenerden<br />

Kultursubstrate und Blumenerden bieten Pflanzen den benötigten Wurzelraum und ermöglichen<br />

deren Luft-, Wasser- und Nährstoffversorgung. Im kommunalen Bereich werden sie beispielsweise<br />

zur Park- und Flächengestaltung, zur Straßenbegrünung oder auf Friedhöfen eingesetzt. Der<br />

neue Blaue Engel <strong>für</strong> organische Kultursubstrate und Blumenerden kann zukünftig torffreie<br />

Produkte auszeichnen, welche bei den eingesetzten Materialien Nachhaltigkeitsanforderungen<br />

berücksichtigen, einer regelmäßigen Qualitätskontrolle unterliegen und strenge Anforderungen an<br />

die Schadstoffgehalte erfüllen.<br />

Ein Beitrag von Sarah Tietjen, Cornelia Merz und Stefan Gartiser<br />

Warum Torf(frei)?<br />

Torf hat sich über Jahrzehnte als Substratausgangsstoff<br />

etabliert, da er sehr günstige Eigenschaften <strong>für</strong> die Herstellung von<br />

pflanzenbaulich geeigneten Kultursubstraten besitzt. Allerdings ist<br />

die Nutzung von Torf mit negativen Umweltwirkungen verbunden.<br />

Aufgrund der sehr langsamen Entstehung des Torfkörpers<br />

in Mooren ist Torf ein nicht-nachwachsender Rohstoff. Moore<br />

sind, global betrachtet, wichtige Kohlenstoffspeicher. Aus Klimaschutzgründen<br />

soll der im Torf gebundene Kohlenstoff erhalten<br />

werden. Daher sind die Wiedervernässung trockengelegter Moorböden<br />

und der Ausstieg aus der Torfnutzung wichtige Maßnahmen<br />

im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung.<br />

Torfnutzung in Kommunen<br />

In einer Umfrage zur Torfnutzung in Kommunen der Fachagentur<br />

Nachwachsende Rohstoffe e.V bestätigten 25 % der<br />

befragten Mitarbeitenden aus Stadtgrünämtern, kommunalen<br />

Gärtnereien und Grünflächenverwaltungen, dass die Torffreiheit<br />

von Kultursubstraten in jeder Ausschreibung und bei der Beauftragung<br />

von Dienstleistern berücksichtigt wird. Dabei gaben 77 % der<br />

Befragten an, dass es keine Verwaltungsvorschrift zum bevorzugten<br />

Einsatz torfreduzierter und torffreier Substrate gibt.<br />

Im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen kann auf die Vergabekriterien<br />

des Blauen Engel <strong>für</strong> organische Kultursubstrate und<br />

Blumenerden pauschal verwiesen sowie der Blaue Engel als Nachweis<br />

gefordert werden (§ 34 VgV, § 24 UVgO). Sobald Produkte mit<br />

dem neuen Zeichen am Markt sind, erleichtert dies die Beschaffung.<br />

Anforderungen an die organischen<br />

Kultursubstrate<br />

Der Blaue Engel hat das Ziel, besonders nachhaltige und qualitativ<br />

hochwertige Produkte auszuzeichnen. Torffreie Kultursubstrate<br />

werden in der Regel als Mischungen mehrerer Torfersatzstoffe<br />

hergestellt, da eine gute gärtnerische Qualität nur durch eine<br />

geeignete Kombination erzielt werden kann. Aktuell werden vor<br />

allem Grüngutkomposte, Holzfasern, Rindenhumus und gartenbauliche<br />

Kokosprodukte als organische Torfersatzstoffe eingesetzt.<br />

Der Blaue Engel beschränkt dabei auf den Einsatz von Reststoffen,<br />

wobei insbesondere die Verwertung von Abfällen <strong>einen</strong> Beitrag zur<br />

Kreislaufwirtschaft leistet.<br />

Nachhaltige Herkunft<br />

<strong>Das</strong> neue Umweltzeichen <strong>für</strong> organische Kultursubstrate stellt<br />

Anforderungen an eine verantwortliche, an Nachhaltigkeitskriterien<br />

orientierte Herkunft der Substratausgangsstoffe. Die holzbasierten<br />

Ausgangsstoffe müssen beispielsweise in der Verarbeitung von<br />

Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft anfallen. Gartenbauliche<br />

Kokosprodukte werden aktuell aus Reststoffen der Verarbeitung<br />

von Kokosfasern gewonnen. Damit sie in den mit dem Blauen<br />

Engel zertifizierten Kultursubstraten eingesetzt werden dürfen,<br />

müssen unter anderem soziale Mindestanforderungen bei ihrer<br />

Aufbereitung eingehalten werden.<br />

Zeitgleich mit dem Blauen Engel wird mit HORTICERT ein<br />

Zertifizierungssystem <strong>für</strong> nachhaltige Torfersatzstoffe in den Markt<br />

eingeführt. <strong>Das</strong> Bundesministeriums <strong>für</strong> Ernährung und Landwirtschaft<br />

hat, unter Projektträgerschaft der FNR, die Meo Carbon<br />

Solutions GmbH mit der Entwicklung und Etablierung dieses<br />

52 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 52 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

Systems beauftragt. Die Anforderungen an eine nachhaltige<br />

Herkunft der Torfersatzstoffe <strong>für</strong> den Blauen Engel werden überwiegend<br />

durch eine HORTICERT Zertifizierung abgedeckt.<br />

Qualitätssicherung<br />

Um die Pflanzenverträglichkeit der Kultursubstrate zu<br />

gewährleisten, besteht das am deutschen Markt gut etablierte<br />

System der Gütesicherungen. Der Nachweis über eine regelmäßige<br />

Kontrolle wichtiger Qualitätsparameter <strong>für</strong> die Ausgangsstoffe<br />

und im fertigen Substrat muss auch <strong>für</strong> den Blauen Engel erbracht<br />

werden. Die Qualitätsparameter umfassen beispielsweise eine gute<br />

Pflanzenverträglichkeit, <strong>einen</strong> stabilen Stickstoffhaushalt und die<br />

Beschränkung von Verunreinigungen durch Plastik und keimfähige<br />

Samen.<br />

Blauer Engel <strong>für</strong> organische Kultursubstrate<br />

und Blumenerden<br />

<strong>Das</strong> neue Umweltzeichen wurde nach wissenschaftlichen<br />

Kriterien unter breiter Stakeholderbeteiligung durch das Öko-<br />

Institut und Hydrotox im Auftrag des Umweltbundesamtes<br />

erarbeitet. Dabei wurde auch auf die Anschlussfähigkeit an<br />

neue und bereits am Markt etablierte Systeme geachtet. Die Jury<br />

Umweltzeichen verabschiedete den Blauen Engel <strong>für</strong> organische<br />

Kultursubstrate und Blumenerden (DE-UZ 234) im Dezember 2023.<br />

Erste Produkte können in der Saison 2025 am Markt sein, die Kriterien<br />

jedoch schon unmittelbar bei Ausschreibungen genutzt werden.<br />

Schadstoffanforderungen<br />

Darüber hinaus müssen <strong>für</strong> eine Zertifizierung mit dem Blauen<br />

Engel strenge Schadstoffanforderungen eingehalten werden. Die<br />

Grenzwerte <strong>für</strong> Schwermetalle entsprechen überwiegend denen<br />

der europäischen Öko-Verordnung. Die Stoffgruppe der per- und<br />

polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) umfasst toxische, schwer<br />

abbaubare (persistente) und sehr mobile Stoffe. Für den Blauen<br />

Engel wurde der gesetzliche Grenzwert um das Zehnfache verringert.<br />

Für Mikroplastik (< 1 mm) gibt es aktuell noch keine standardisierte<br />

Nachweismethode in Kultursubstraten. Um die Verunreinigung mit<br />

Kunststoffen möglichst gering zu halten, gilt <strong>für</strong> die eingesetzten<br />

Komposte eine zusätzliche Beschränkung des optischen Verunreinigungsgrads<br />

(RAL-Gütezeichen 251).<br />

Autoren<br />

Sarah Tietjen, Umweltbundesamt<br />

Stefan Gartiser, Hydrotox - GmbH<br />

Cornelia Merz, Öko-Institut e.V.<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

53<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 53 21.04.24 19:26


Change Management<br />

Von ESG-Management<br />

zur <strong>nachhaltigen</strong> Unternehmenskultur<br />

In den vergangenen Jahren hat das Bewusstsein <strong>für</strong> Nachhaltigkeit erheblich zugenommen,<br />

angetrieben durch regulatorische Anforderungen und steigende gesellschaftliche Erwartungen.<br />

Viele Unternehmen erkennen nun die Dringlichkeit, nachhaltige Praktiken zu integrieren. Jedoch<br />

ist die Herangehensweise und Umsetzung der regulatorischen Anforderungen, Sorgfaltspflichten<br />

und Berichtspflichten bezüglich Nachhaltigkeit <strong>für</strong> viele neu und erfordert eine ganzheitliche<br />

Strategie. Angesichts dieser Herausforderungen wird die Harmonisierung von Geschäftszielen und<br />

Nachhaltigkeit unerlässlich<br />

Ein Beitrag von Alicia Buß<br />

Eine umfassende Vision <strong>für</strong> Nachhaltigkeit beginnt mit der<br />

Integration von Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil der Geschäftsziele.<br />

Unternehmen erkennen, dass Nachhaltigkeit nicht länger<br />

als isolierte Initiative betrachtet werden kann, sondern als unverzichtbarer<br />

Bestandteil ihrer langfristigen Strategie dient, um eine<br />

unternehmerische Kultur der Nachhaltigkeit zu etablieren. Diese<br />

Vision fördert langfristige Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und<br />

Wertschöpfung, während sie gleichzeitig positive Auswirkungen<br />

auf Gesellschaft und Umwelt erzielt.<br />

In unserer Beratungspraxis hat sich bewährt, dass eine Nachhaltigkeitsidentität<br />

klare unternehmerische Nachhaltigkeitswerte als<br />

Leitprinzipien erfordert. Indem Nachhaltigkeitswerte gebildet und<br />

reflektiert werden, erschaffen die Mitarbeitenden im Unternehmen<br />

durch die Übernahme der eigenen Verantwortung das Fundament<br />

<strong>für</strong> nachhaltige Strategien, Entscheidungen und Geschäftspraktiken.<br />

Durch die Verankerung von Nachhaltigkeitswerten als<br />

Bestandteil der Unternehmensidentität kann das Unternehmen<br />

sein Nachhaltigkeitsengagement stärken und langfristige positive<br />

Veränderungen vorantreiben.<br />

Es ist von entscheidender Bedeutung, alle Mitarbeitenden des<br />

Unternehmens in den Prozess der Entwicklung und Umsetzung der<br />

Nachhaltigkeitsvision einzubeziehen. Eine Kommunikationsstrategie<br />

spielt hierbei eine Rolle, da sie Transparenz und Engagement<br />

fördert.<br />

<strong>Das</strong> Einbeziehen aller Mitarbeitenden erfordert regelmäßige<br />

Meetings, Schulungen und Workshops. Diese Foren bieten den<br />

Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich über die Nachhaltigkeitsziele<br />

des Unternehmens zu informieren, Feedback zu geben und Ideen<br />

einzubringen. Zusätzlich können interaktive Plattformen wie<br />

Intranets oder soziale Medien genutzt werden, um den Dialog über<br />

Nachhaltigkeit zu fördern und die aktive Beteiligung der Mitarbeitenden<br />

zu unterstützen.<br />

Durch die Einbindung in den Nachhaltigkeitsprozess schafft das<br />

Unternehmen ein Gefühl der Mitverantwortung und fördert eine<br />

Kultur des <strong>nachhaltigen</strong> Handelns, die über einzelne Initiativen<br />

hinausgeht. <strong>Das</strong> Bewusstsein und Engagement <strong>für</strong> Nachhaltigkeit<br />

werden im gesamten Unternehmen gestärkt und die erfolgreiche<br />

Umsetzung der Nachhaltigkeitsvision unterstützt.<br />

Letztendlich liegt die Verantwortung <strong>für</strong> die Umsetzung der<br />

Strategie bei jeder einzelnen Person, nur wenn alle Mitarbeitenden<br />

aktiv dazu beitragen, kann eine nachhaltige Unternehmenskultur<br />

Wirklichkeit werden und langfristige positive Veränderungen<br />

bewirken.<br />

Interdisziplinäre Teams spielen eine entscheidende Rolle <strong>für</strong><br />

nachhaltige und lernende Organisationen. Durch die Zusammenführung<br />

verschiedener Fachkompetenzen wird die Entwicklung<br />

innovativer Lösungsansätze ermöglicht. Dabei wird das Wissen über<br />

Nachhaltigkeit erweitert und das Wissen in den Arbeitsalltag integriert<br />

und eine Kultur der Selbstverantwortung gefördert.<br />

Indem Mitarbeitende ihre individuellen Fähigkeiten um<br />

Nachhaltigkeitsaspekte erweitern, verstehen sie die Visionen der<br />

Organisation und integrieren sie in ihre täglichen Aufgaben. Dies<br />

erfordert ein Bewusstsein <strong>für</strong> die Auswirkungen des eigenen Han-<br />

54 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 54 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

delns sowie die Bereitschaft, Veränderungen anzunehmen und an<br />

der Umsetzung nachhaltiger Praktiken mitzuwirken.<br />

Die Integration der Nachhaltigkeitsvision im<br />

Beschaffungsprozess<br />

Unternehmen erkennen die Bedeutung einer <strong>nachhaltigen</strong><br />

Beschaffungsstrategie <strong>für</strong> ihr Geschäft. Statt sich ausschließlich auf<br />

Kosten und Qualität zu konzentrieren, integrieren sie zunehmend<br />

Nachhaltigkeitskriterien in ihre Beschaffungsprozesse. Schulungen<br />

und Sensibilisierungsmaßnahmen <strong>für</strong> den <strong>Einkauf</strong> und Lieferanten<br />

können dazu beitragen, das Bewusstsein <strong>für</strong> Nachhaltigkeitsfragen<br />

zu schärfen und das Verständnis <strong>für</strong> die Bedeutung von ESG-Kriterien<br />

im Beschaffungsprozess zu fördern.<br />

Dies unterstützen zum Beispiel transparente, ethische und<br />

ökologische Standards bei der Lieferantenauswahl. Durch diese<br />

Strategieanpassung im <strong>Einkauf</strong> verbessern Unternehmen ihre<br />

Nachhaltigkeitsleistung und festigen ihre Unternehmenskultur. Die<br />

Integration von Nachhaltigkeitskriterien bietet die Möglichkeit,<br />

<strong>Einkauf</strong>sprozesse zu optimieren und neue Lieferantenbeziehungen<br />

zu begründen. Dies minimiert Risiken, steigert die Reputation und<br />

kann neue Märkte eröffnen.<br />

Weitere relevante Ansätze umfassen die Festlegung von<br />

ESG-Richtlinien. ESG-Kriterien sollten bei der Auswahl von<br />

Lieferanten und Produkten berücksichtigt werden. Diese Richtlinien<br />

dienen somit als Leitfaden sowohl <strong>für</strong> den <strong>Einkauf</strong> als auch<br />

<strong>für</strong> Lieferanten. Unternehmen können Lieferanten anhand ihrer<br />

ESG-Performance bewerten und auswählen. Dazu können sie Fragebögen,<br />

Audits oder Bewertungssysteme verwenden. Unternehmen<br />

können zusätzlich Nachhaltigkeitsklauseln in ihre Lieferverträge<br />

integrieren, um sicherzustellen, dass Lieferanten die vereinbarten<br />

ESG-Standards einhalten.<br />

Schließlich kann der <strong>Einkauf</strong> durch kontinuierliches Monitoring<br />

der Lieferanten dauerhaft unterstützt werden.<br />

Diese Entwicklung zeigt, dass Unternehmen zunehmend die<br />

Bedeutung einer <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung erkennen und damit<br />

ihre eigene Rentabilität und Resilienz stärken. Sie reflektiert die<br />

Umsetzung der eigenen Nachhaltigkeitsvision und das Versprechen<br />

zur Nachhaltigkeit des Unternehmens, das in allen Abteilungen und<br />

Geschäftsbeziehungen verankert ist, um in Gänze nachhaltig und<br />

wirkungsvoll zu sein.<br />

Autorin<br />

Alicia Buß<br />

ESG Compliance Consultant<br />

alicia.buss@wiacon.de<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

55<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 55 21.04.24 19:26


Initiativen der <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung<br />

Der Sustainability Circle von Zühlke:<br />

Ein Treiber der Nachhaltigkeitstransformation <strong>für</strong> Hersteller in DACH<br />

Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsagenda stehen Unternehmen in Deutschland, der<br />

Schweiz und Österreich vor der Herausforderung, nachhaltigere Produkte, Dienstleistungen<br />

und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Um diesen Wandel zu unterstützen, hat Zühlke im Mai<br />

2021 den Sustainability Circle ins Leben gerufen, eine Initiative, die Hersteller und Partner<br />

aus verschiedenen Branchen zusammenbringt, um die Transformation zur Nachhaltigkeit zu<br />

beschleunigen. Zühlke möchte damit als Innovations- und Entwicklungshaus seine Kunden auch<br />

bei Ihrer Nachhaltigkeitstransformation unterstützen.<br />

Ein Beitrag von Moritz Gomm<br />

Ein Ökosystem<br />

<strong>für</strong> Nachhaltigkeitsinnovation entsteht<br />

Der Sustainability Circle von Zühlke in Zusammenarbeit mit<br />

acht Herstellern und vier führenden Nachhaltigkeitsberatungen<br />

gegründet. Die Partner des Circles sind Prof. Ursula Tischner (econcept<br />

GmbH), Mischa Zschokke (carbotech AG), Prof. Michael Nase<br />

(Institut IBP der Hochschule Hof) und Georg von der Ropp (BMI<br />

Lab AG).<br />

Ziel des Circles ist es, Herstellern dabei zu helfen, schneller und<br />

erfolgreicher nachhaltig zu werden, als allein. Der Grundgedanke<br />

dabei: „Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das schaffen viele.“<br />

Dieses Motto unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit und<br />

des Wissensaustauschs, um gemeinsam die Herausforderungen der<br />

Nachhaltigkeit zu bewältigen.<br />

Nachhaltigkeit erfordert interdisziplinäres<br />

Zusammenspiel<br />

Die Transformation zu nachhaltigeren Produkten, Dienst-leistungen<br />

und Geschäftsmodellen erfordert ein interdisziplinäres<br />

Zusammenspiel im Unternehmen. <strong>Das</strong> Hinzuziehen von Expertenwissen<br />

und die Nutzung praktischer Erfahrungen anderer kann<br />

diesen Lernprozess erheblich beschleunigen.<br />

Genau hier setzt der Sustainability Circle an, indem er Wissen<br />

von Experten aus seinem Partnernetzwerk zusammenbringt,<br />

die Vernetzung fördert und regelmäßige Veranstaltungen mit<br />

Impulsvorträgen und interaktiver Gruppenarbeit im kl<strong>einen</strong> Kreis<br />

organisiert.<br />

Es wird aber nicht nur geredet: Die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen<br />

erfolgt in Zusammenarbeit mit Partnern aus einem<br />

vorqualifizierten Netzwerk von Pionieren der Nachhaltigkeit, die<br />

sich im Circle kennen und schätzen gelernt haben.<br />

Dies bestätigt z.B. Claudia Brasse, Group Director Sustainability<br />

beim Pumpenhersteller Wilo SE: “Die Erreichung unse-rer Nachhaltigkeitsziele<br />

ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Der Sustainability<br />

Circle bietet uns die perfekte Plattform, um Wissen, Erfahrungen<br />

und Kontakte gemeinsam über Abteilungsgrenzen hinweg aufzubauen.“<br />

<strong>Das</strong> Jahresprogramm des Sustainability Circles <strong>Das</strong> Jahresprogramm<br />

des Sustainability Circles umfasst 14 Veranstal-tungen,<br />

darunter sechs dreistündige Online-Roundtables mit Praxisvor-<br />

56 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 56 21.04.24 19:26


Foto: depositphotos<br />

trägen und Breakout-Sessions, in denen Mitglie-der Erfahrungen<br />

austauschen und die Expertise der Referenten nutzen. Zusätzlich<br />

gibt es sechs einstündige Impuls-Talks, in denen relevantes Wissen<br />

kompakt vermittelt wird.<br />

Ein bemerkenswerter Aspekt des Circles ist, dass jedes Mitgliedsunternehmen<br />

pro Veranstaltung bis zu fünf verschiedene Personen<br />

entsenden kann. Dies fördert den Wissensaustausch im Unternehmen<br />

über Abteilungsgrenzen hinweg und trägt dazu bei, eine<br />

nachhaltige Denkweise in der gesamten Organisation zu etablieren.<br />

Die Round-Tables werden typischerweise von Mitarbeitenden<br />

besucht, die sich hauptsächlich mit der Nachhaltigkeit in Ihren<br />

Unternehmen beschäftigen, zu den Impuls-Talks kommen dann<br />

weitere interessierte Menschen dazu, die etwas Relevantes <strong>für</strong> ihre<br />

Arbeit lernen möchten, z.B. der Einsatz von Biomaterialien <strong>für</strong><br />

R&D-Kollegen, nachhaltige Beschaffung <strong>für</strong> den <strong>Einkauf</strong> oder Nachhaltigkeitskommunikation<br />

<strong>für</strong> Marketing-Personal.<br />

Markus Ungerer, Entwicklungsleiter bei DeLonghi/Braun fasst<br />

es so zusammen: „Der Sustainability Circle gibt meinem Team die<br />

Übersicht über die Themen, die sie <strong>für</strong> ihre tägliche Arbeit brauchen,<br />

sowie den Blick über den Tellerrand, um ganzheitliche Lösungen im<br />

Unternehmen voranzutreiben.“<br />

<strong>Das</strong> Netzwerk und die Themen<br />

Die Unternehmen, die am Sustainability Circle teilnehmen, sind<br />

allesamt Hersteller von Produkten, sei es in den Bereichen Industrie,<br />

Haushaltsgeräte, Medizingeräte, Gebäudetechnik oder Zulieferer<br />

<strong>für</strong> diese Branchen. Die Themen sind vielfältig und umfassen unter<br />

anderem:<br />

- Nachhaltige Produktentwicklung, einschließlich Ecodesign und<br />

Cradle-to-Cradle.<br />

- Nachhaltige Elektronik und Medizinprodukte.<br />

Autor<br />

Moritz Gomm<br />

Lead Sustainability Innovator<br />

Zühlke Engineering GmbH<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

57<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 57 21.04.24 19:26


Aus nationalen Kompetenzstellen der Beschaffung<br />

Digitalisierung und nachhaltige Beschaffung<br />

„Digitalisierung“, ein Schlagwort das im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge<br />

vermehrt auftaucht und darauf hoffen lässt, dass Beschaffende Ihre Aufgaben zukünftig einfacher<br />

und besser durchführen können.<br />

Ein Beitrag von Ralf Grosse<br />

Dabei sind aber nicht nur die zugrundeliegenden Prozesse Ziel<br />

einer möglichen Verbesserung, sondern auch die gezielte Aufnahme<br />

unterschiedlicher Anforderungen an das Produkt oder die Dienstleistung<br />

und diese erfolgreich in die Ausschreibung mit einzubinden.<br />

Dies gilt auch <strong>für</strong> die Aspekte der Nachhaltigkeit und betrifft<br />

damit die unterschiedlichen Aspekte der ökologischen, sozialen und<br />

ökonomischen Dimensionen. Eine Berücksichtigung dieser <strong>nachhaltigen</strong><br />

Anforderungen kann bereits in der der Vergabe vorgelagerten<br />

Entscheidungsprozesse, beispielhaft in einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung,<br />

erfolgen und im weiteren Verlauf des Vergabeprozesses<br />

konkretisiert werden.<br />

Der Bund hat zum Beispiel dieses Vorgehen in Bezug zu<br />

Erkenntnissen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in der Allgem<strong>einen</strong><br />

Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher<br />

Leistungen (AVV Klima) in § 2 „Prüf- und Berücksichtigungspflichten<br />

vor Einleitung des Vergabeverfahrens“ <strong>für</strong> die Bundesverwaltung<br />

berücksichtigt.<br />

Vorstellbar ist, dass eine Aufnahme dieser Anforderungen<br />

in eine digitale Komponente des Vergabeprozesses, z.B. in die<br />

Bedarfsanforderung, die Mitarbeitenden in den Vergabestellen entlasten<br />

kann. Weiterführend kann die Möglichkeit bestehen, unter<br />

der Nutzung nachfolgender Automatisierungsprozesse entsprechende<br />

Nachhaltigkeitskriterien zu erkennen und diese selbstständig in<br />

die Vergabeunterlagen aufzunehmen. Unbeantwortet bleibt die<br />

Frage, ob entsprechende Systeme vor der Ausschreibung bereits den<br />

Markt, ggf. unter Nutzung Künstlicher Intelligenz, auf die Anforderungen<br />

hin abprüfen können und damit auch die Erfolgschancen der<br />

Ausschreibung im Vorhinein zu bewerten, oder die entsprechenden<br />

Anforderungen zielgenau anpassen zu können.<br />

Auch eine automatisierte Bewertung der geforderten Nachhaltigkeitskriterien<br />

in den Angeboten kann die Vergabestellen bei der<br />

Zuschlagsentscheidung unterstützen. Letztendlich sind damit auch<br />

die eigenen Bemühungen im Nachhaltigkeitssektor darstellbar, somit<br />

auch beeinflussbar.<br />

Ist dies heute bereits möglich? In Teilen kann dies bejaht werden,<br />

nachhaltige Vorgaben <strong>für</strong> Standardleistungen können heutzutage<br />

bereits in Vergabesystemen abgebildet werden, ähnlich den<br />

Anforderungen aus technischen Lieferbedingungen oder Normen<br />

zu bestimmten Produktbereichen. Eine automatisierte Bewertung<br />

der Angebote ist auch heute schon begrenzt möglich. Beispielhaft<br />

könnten hier<strong>für</strong> Ausschreibungen unter Berücksichtigung einer<br />

Lebenszykluskostenberechnung und die Anwendung eines entsprechenden<br />

Tools sein.<br />

In der weiteren zeitlichen Betrachtung ist auch der vermehrte<br />

Einsatz der Künstlichen Intelligenz zur Einbindung nachhaltiger<br />

Aspekte in Ausschreibungen der öffentlichen Hand zu berücksichtigen.<br />

So stellt der „OECD Beschäftigungsausblick 2023: Künstliche<br />

Intelligenz und der Arbeitsmarkt“ in einer Zusammenfassung dar:<br />

„KI scheint sich in mehrfacher Hinsicht von früheren Veränderungen<br />

auf dem Gebiet der digitalen Technologien zu unterscheiden:<br />

58 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 58 21.04.24 19:26


Grafik: KNB<br />

1. Sie erweitert das Spektrum der automatisierbaren Aufgaben<br />

deutlich über den Bereich der routinemäßigen nichtkognitiven<br />

Tätigkeiten hinaus,<br />

2. KI ist eine Universaltechnologie, was bedeutet, dass fast jeder<br />

Sektor und Beruf davon betroffen sein wird, und<br />

3. das Tempo der Entwicklung ist beispiellos.“<br />

Quelle: https://www.oecd-ilibrary.org/sites/0a37fd48-de/<br />

index.html?itemId=/content/component/0a37fd48-de<br />

Die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz auch in<br />

anderen Bereichen (z.B. im Bereich der Entwicklung von Arzneimitteln)<br />

1 deutet darauf hin, dass deren Einsatz Einfluss auch im Bereich<br />

der <strong>nachhaltigen</strong> Beschaffung haben kann.<br />

Weitere Informationen<br />

Über unsere Webseite www.nachhaltige-beschaffung.<br />

info finden Sie darüber hinaus noch weitere<br />

Informationen zum Thema nachhaltige öffentliche<br />

Beschaffung.<br />

Kompetenzstelle <strong>für</strong> Nachhaltige Beschaffung (KNB)<br />

Hotline: +49 (0)22899 610-2345<br />

Email: nachhaltigkeit@bescha.bund.de<br />

Quellen<br />

OECD Beschäftigungsausblick 2023 :<br />

https: /www.oecd-ilibrary.org/sites/0a37fd48-de/index.<br />

html?itemId=/content/component/0a37fd48-de<br />

Studie: KI beschleunigt Arzneimittel-Entwicklung und<br />

personalisierte Medizin<br />

https: /www.heise.de/news/Studie-KI-beschleunigt-<br />

Arzneimittel-Entwicklung-und-personalisierte-<br />

Medizin-9650800.html<br />

Autor<br />

Ralf Grosse<br />

Kompetenzstelle <strong>für</strong> Nachhaltige<br />

Beschaffung (KNB)<br />

<strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

59<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 59 21.04.24 19:26


60 <strong>Kleine</strong> Kniffe<br />

<strong>Kleine</strong>_Kniffe_04_24_KMU.indd 60 21.04.24 19:26

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!