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Das betriebliche Magazin für nachhaltige Beschaffung, Ausgabe Oktober 2022

Die betriebliche Beschaffung verändert sich zunehmend zu einem strategischen Faktor der Unternehmensentwicklung. Angesichts von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Menschenrechtsverletzungen ist die betriebliche Beschaffung in einer Transformation. Sie sind Teil dieser Transformation und wollen sich über aktuelle Trends, Best Practices und Meinungen der Stakeholder in der betrieblichen Beschaffung informieren? Dann sind Sie hier richtig! Das Magazin für nachhaltige Beschaffung informiert regelmäßig zu den Themen Dekarbonisierung, Product Carbon Footprint, Lieferketten, Supplier Diversity, Biodiversität, regulatorische Anforderungen und Sustainable Finance, veröffentlicht Interviews, Erkenntnisse aus der täglichen Praxis und gibt Tipps zum Einstieg und Vertiefung der nachhaltigen Beschaffung.

Die betriebliche Beschaffung verändert sich zunehmend zu einem strategischen Faktor der Unternehmensentwicklung. Angesichts von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Menschenrechtsverletzungen ist die betriebliche Beschaffung in einer Transformation.

Sie sind Teil dieser Transformation und wollen sich über aktuelle Trends, Best Practices und Meinungen der Stakeholder in der betrieblichen Beschaffung informieren? Dann sind Sie hier richtig!

Das Magazin für nachhaltige Beschaffung informiert regelmäßig zu den Themen Dekarbonisierung, Product Carbon Footprint, Lieferketten, Supplier Diversity, Biodiversität, regulatorische Anforderungen und Sustainable Finance, veröffentlicht Interviews, Erkenntnisse aus der täglichen Praxis und gibt Tipps zum Einstieg und Vertiefung der nachhaltigen Beschaffung.

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<strong>Das</strong> <strong>betriebliche</strong> <strong>Magazin</strong><br />

<strong>für</strong> einen <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf<br />

6,80 EURO<br />

<strong>Ausgabe</strong> <strong>Oktober</strong> <strong>2022</strong><br />

Top-Themen:<br />

<strong>Das</strong> Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

Klimawende und <strong>nachhaltige</strong>s Fuhrparkmanagement<br />

Kleine Kniffe 1<br />

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2 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 2 12.10.22 12:43


Editorial<br />

Wenige Grade scheinen nicht viel zu sein, sie haben aber großen Einfluss auf die Zukunft unserer<br />

Erde. Wenn die globale Erwärmung bis 2050 auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden soll, müssen<br />

die Kohlendioxidemissionen schnell gesenkt werden. Dieses ehrgeizige Ziel kann nur erreicht<br />

werden, wenn Regierungen und Unternehmen diese Herausforderung als Chance nutzen, um<br />

Innovationen voranzutreiben und visionäre Ideen zu entwickeln.<br />

Im Jahr 2010 legte die Bundesregierung <strong>für</strong> Deutschland das Ziel fest, die Treibhausgasemissionen<br />

bis 2050 im Vergleich zu 1990 um 80 bis 95 % zu mindern. Für den Industriesektor bedeutet<br />

das, dass er bis 2030 ca. 40 Millionen Tonnen CO2 einsparen muss. „Während im letzten Jahrzehnt<br />

die Emissionen im Durchschnitt jährlich um 15 Millionen Tonnen gesunken sind, müssen sie<br />

von nun an bis 2030 um 36 bis 41 Millionen Tonnen pro Jahr sinken“, rechnet das Wirtschaftsministerium<br />

vor.<br />

Heute sehen wir: Unser derzeitiges ökonomisches Modell auf der Grundlage ständigen Wirtschaftswachstums,<br />

Rohstoffverbrauchs und billiger Arbeitskraft kommt ins Schlingern. Billige<br />

Energie aus Russland, billige Arbeitskräfte in China und ein weltweites Logistiksystem, das die<br />

Waren zu geringen Kosten um die Welt shippert – das war einmal.<br />

Manch einer mag sich denken, dass diese Markthemmnisse nur von kurzer Dauer sind und<br />

die Welt nach einiger Zeit wieder „ordentlich funktioniert“. Wer als Firmenlenker aber jetzt nicht<br />

erkennt, dass wir in Zeiten einer umfassenden Transformation leben, spielt mit dem Feuer und<br />

setzt die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens aufs Spiel. Um Nachhaltigkeit in alle Aspekte<br />

des unternehmerischen Handelns zu integrieren, ist eine ganzheitliche Sichtweise erforderlich.<br />

Firmenlenker müssen die Imperative einer neuen, sich abzeichnenden Wirtschaftsordnung verstehen<br />

und jetzt handeln.<br />

Der Einkauf mit seinen vielfältigen Schnittstellen zu internen und externen Partnern ist ein<br />

zentraler Lenker des <strong>nachhaltige</strong>n Wirtschaftens. Seine Verantwortung und sein Einfluss werden<br />

durch die Transforamation wachsen.<br />

Chefredakteur<br />

Kleine Kniffe<br />

3<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 3 12.10.22 12:43


Impressum<br />

Redaktion<br />

SDG media GmbH<br />

Wagenfeldstraße 7a<br />

44141 Dortmund<br />

Kontakt:<br />

redaktion@kleine-kniffe.de<br />

Chefredaktion und V.i.S.d.P:<br />

Thomas Heine<br />

Textbeiträge von:<br />

Professor Dr. Ronald Bogaschewsky, Mathias<br />

Bornschein, Cristina Fedato, Ellen Goes,<br />

Theresa Hauck, Thomas Heine, Holger Hembach,<br />

Deborah Kallee, Peter Köhne , Robert<br />

Kreische, Dr. Verena Kröss, Prof. Dr. Daniela<br />

Ludin , Kathrin Maier, Lukas Metzger, Lara<br />

Obst,, Sebastian Olényi, Bernhard Seibold, Anja<br />

Strauß, Mike Tabel, Jörg Tuchen, Thilo von<br />

Ulmenstein, Conrad Wächter, Prof. Dr. Wanja<br />

Wellbrock<br />

16<br />

Fotos/Grafiken:<br />

Korbinian Aßbichler, CSCP, depositphotos,<br />

EcoVadis SAS <strong>2022</strong>, Peter Köhne, Open<br />

Logistocs Foundation, Witt Gruppe<br />

Internet:<br />

www.<strong>nachhaltige</strong>-beschaffung.com<br />

Social media:<br />

Twitter: https://twitter.com/MKniffe<br />

LinkedIn: https://www.linkedin.com/posts/<br />

thomas-heine-866785<br />

Facebook: https://www.facebook.com/Kleine-<br />

Kniffe-1601748926512841/<br />

Höhe der Auflage:<br />

5.000<br />

Distribution<br />

Der Versand der Auflage erfolgte mit finanzieller<br />

Unterstützung des Umweltbundesamtes<br />

Druck:<br />

Produktion mit 100% Ökostrom aus regenerativer<br />

Stromerzeugung und ohne Einsatz<br />

fossiler Brennstoffe.<br />

Druck:<br />

Recyclingpapier<br />

Herausgeber<br />

SDG media GmbH<br />

Wagenfeldstraße 7a<br />

44141 Dortmund<br />

www.sdg-media.de<br />

kleine kniffe® ist eingetragene Marke<br />

der IMAGO GmbH, Dortmund<br />

16<br />

06. <strong>Das</strong> Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

<strong>für</strong> KMU<br />

08. Neuausrichtung<br />

des Risikomanagements<br />

in<br />

der <strong>Beschaffung</strong><br />

12. Neuer Praxislotse<br />

<strong>für</strong><br />

Unternehmen<br />

16. Nachhaltigkeitsdaten<br />

in<br />

globalen<br />

Lieferketten<br />

18. <strong>nachhaltige</strong><br />

<strong>Beschaffung</strong>sstrategie<br />

20. Klimaschutz<br />

durch Mobilitätsmanagement<br />

22. Nachhaltiges<br />

Fuhrparkmanagement<br />

26. Nachhaltige<br />

Verkehrswende<br />

28. Glaubwürdigkeit<br />

und Transparenz<br />

durch<br />

Zertifizierung<br />

30. Open Source <strong>für</strong><br />

das<br />

Procurement<br />

4 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 4 12.10.22 12:43


06 20<br />

18<br />

42<br />

32. der Energiehunger<br />

von<br />

Software<br />

42. 1. Würzburger<br />

Nachhaltigkeitstag<br />

51. Transparenz<br />

durch<br />

zertifizierung<br />

34. nachhaltigkeit<br />

im Rechenzentrum<br />

45. Klima-Check 52. Community<br />

building by SPP<br />

Germany<br />

36. Produkt Carbon<br />

Footprint <strong>für</strong><br />

Innovationen<br />

46. Betrieblicher<br />

Klimaschutz<br />

38. CO 2<br />

-Footprint<br />

<strong>für</strong> den<br />

Wareneinkauf<br />

48. In Kreisläufen<br />

denken und<br />

handeln<br />

41. Recyclat-<br />

Initiative<br />

50. Mission Possible<br />

Partnership<br />

Kleine Kniffe<br />

5<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 5 12.10.22 12:43


Rechtliche Aspekte der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong><br />

<strong>Das</strong> LkSG – was KMUs jetzt beachten sollten<br />

Nicht nur der Name ist sperrig: <strong>Das</strong> Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet Unternehmen<br />

zu umfangreichen Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt. Viele Unternehmen tun<br />

sich schwer damit, diese Maßnahmen in ihren geschäftlichen Abläufen umzusetzen.<br />

Ein Beitrag von Holger Hembach<br />

Die Geschäftsführer von KMUs glauben häufig, sich entspannt<br />

zurücklehnen zu können. Denn das Gesetz gilt nur <strong>für</strong> die größten<br />

deutschen Unternehmen: 01.01.2023 sind Unternehmen mit mehr<br />

als 3.000 Mitarbeitern in Deutschland erfasst; ab 2024 ist das LkSG<br />

auch auf Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten anwendbar.<br />

Aber der Schein trügt: <strong>Das</strong> Gesetz verpflichtet die betroffenen<br />

Unternehmen nämlich, die Einhaltung bestimmter Standards im<br />

Bereich Menschenrechte und Umwelt auch bei ihren direkten<br />

Zulieferern zu garantieren - und diese zu verpflichten, bei deren<br />

Zulieferern auf die Gewährleistung dieser Standards zu achten. Die<br />

Pflichten werden damit entlang der Lieferkette weitergeben – mit der<br />

Folge, dass auch zahlreiche KMUs betroffen sein werden. Deshalb<br />

tun auch die Verantwortlichen kleinerer Unternehmen gut daran,<br />

sich mit den Anforderungen des Gesetzes auseinanderzusetzen.<br />

Worum es beim LkSG geht<br />

<strong>Das</strong> LKSG zielt darauf ab, bestimmte Menschenrechte und<br />

Umweltstandards zu gewährleisten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf<br />

dem Schutz der Menschenrechte. Welche das sind, zählt das Gesetz<br />

auf. Es handelt sich dabei um international anerkannte Rechte, die<br />

in verbindlichen Verträgen festgelegt sind. Beispiele sind das Verbot<br />

der Kinderarbeit, das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit oder<br />

die Gewerkschaftsfreiheit. Anders, als gelegentlich zu hören ist, geht<br />

es also nicht darum „deutsche Standards ins Ausland zu exportieren“.<br />

Darüber hinaus nennt das LkSG einige Vorschriften zum Schutz<br />

der Umwelt. Hier geht es vor allem um bestimmte Formen der Verwendung<br />

von Quecksilber und der Abfallentsorgung.<br />

Die Pflichten und ihre Umsetzung<br />

Um diese Rechte zu schützen, müssen Unternehmen nach dem<br />

LkSG bestimmte Maßnahmen ergreifen. Im Mittelpunkt steht dabei<br />

die Einrichtung eines Risikomanagements. Kurz gesagt bedeutet das:<br />

Unternehmen müssen zunächst einschätzen, welche Risiken <strong>für</strong><br />

Menschenrechte und Umwelt mit ihrer Tätigkeit verbunden sind.<br />

Dann müssen sie auf dieser Grundlage Maßnahmen planen, um<br />

zu verhindern, dass diese Risiken sich realisieren; darüber hinaus<br />

müssen sie ein Konzept <strong>für</strong> den Fall entwerfen, dass es doch einmal<br />

zu Verletzungen kommt: Was wird das Unternehmen tun, um die<br />

Auswirkungen der Verletzung zu minimieren und wie kann es sie<br />

beenden.<br />

Der Ausgangspunkt ist also die Risikoanalyse: Unternehmen<br />

müssen sich ein Bild davon machen, welche menschen- und umweltrechtlichen<br />

Risiken es in ihrem Geschäftsbereich gibt. Dies wird<br />

vor allem von zwei Faktoren beeinflusst. Der erste ist die Art des<br />

Produkts und der Leistung, die das Unternehmen herstellt oder<br />

anbietet. Bestimmte Produkte sind mit bestimmten Risiken verbunden.<br />

Beispielsweise kann Überwachungstechnologie eingesetzt<br />

werden, um in Diktaturen politische Dissidenten ausfindig zu<br />

machen oder zu verfolgen. Hier besteht also ein Risiko <strong>für</strong> Rechte<br />

wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit oder das Recht auf<br />

körperliche Unversehrtheit; das Risiko ergibt sich aus dem Produkt<br />

selbst. In anderen Fällen ist das eigentliche Produkt unproblematisch;<br />

die Risiken resultieren aus der Herstellung: Ein T-Shirt hat<br />

keine menschenrechtlichen Risiken zur Folge. Bei der Herstellung<br />

von Textilien kommt es aber häufig zu Kinderarbeit. Hier resultiert<br />

das Risiko also aus dem Herstellungsprozess.<br />

6 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 6 12.10.22 12:43


Foto: depositphotos<br />

Der zweite wichtige Faktor ist die Region, in der das Produkt<br />

hergestellt oder vertrieben wird. In einigen Regionen sind bestimmte<br />

Risiken weiterverbreitet als in anderen. Daher ist es ein bedeutendes<br />

Element der Risikoanalyse, dass Unternehmen sich darüber Gewissheit<br />

verschaffen,<br />

in welchen Regionen sie tätig sind bzw. auf welche Teile der<br />

Welt sich ihre Lieferkette erstreckt – und welche menschenrechtlichen<br />

Risiken dort vorherrschen.<br />

Abgeschlossen ist die Risikoanalyse damit nicht, denn es geht<br />

immer um die spezielle Situation eines Unternehmens; es geht<br />

hier vielmehr um eine erste Einschätzung. Danach kann sich das<br />

Unternehmen näher mit bestimmten Risiken auseinandersetzen,<br />

die es im Rahmen dieser Einschätzung ermittelt hat.<br />

Dabei muss es die erkannten Risiken priorisieren. <strong>Das</strong> Unternehmen<br />

muss also feststellen, welche Risiken besonders gravierend sind.<br />

<strong>Das</strong> richtet sich nach Faktoren wie der Art des verletzen Rechts, der<br />

Zahl der betroffenen Personen und der Wahrscheinlichkeit, dass das<br />

Risiko eintritt.<br />

Diese Analyse bildet dann die Grundlage <strong>für</strong> die Planung von<br />

Maßnahmen, um zu verhindern, dass das Risiko sich realisiert.<br />

Beispiele <strong>für</strong> solche Maßnahmen sind Verhaltenskodices <strong>für</strong> die<br />

eigenen Mitarbeiter oder Lieferanten oder vertragliche Regelungen,<br />

durch die Geschäftspartner auf bestimmte Standards verpflichtet<br />

werden. Auch Schulungen eigener Mitarbeiter oder der Mitarbeiter<br />

von Partnerunternehmen können eine wichtige Rolle spielen.<br />

Auch die Installation eines Beschwerdeverfahrens ist ein wichtiger<br />

Baustein.<br />

Begrenzung der Pflichten<br />

<strong>Das</strong> klingt aufwendig – und kann es auch sein. Die Pflichten von<br />

Unternehmen sind aber begrenzt auf das, was im Hinblick auf ihre<br />

Größe, die Art ihrer Geschäftstätigkeit und ihr Einflussvermögen<br />

angemessen ist. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Unternehmen<br />

nicht unverhältnismäßig belastet werden. Der Gesetzgeber verlangt<br />

also einem Unternehmen mit 200 Mitarbeitern nicht ab, dass es die<br />

gleichen Maßnahmen zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht<br />

ergreift wie ein Großkonzern.<br />

Festlegung der Zuständigkeiten<br />

Ein erster Schritt zur Umsetzung kann darin bestehen, einen<br />

Menschenrechtsbeauftragten zu ernennen; dieser sollte direkt an die<br />

Geschäftsleitung berichten. Es empfiehlt sich, die zuständige Person<br />

schulen zu lassen. So hat der Menschenrechtsbeauftragte das Rüstzeug,<br />

die Umsetzung im Unternehmen voranzutreiben.<br />

Autor<br />

Holger Hembach<br />

Rechtsanwalt<br />

Kleine Kniffe<br />

7<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 7 12.10.22 12:43


Aus Wissenschaft und Forschung<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz als Chance<br />

<strong>für</strong> eine ganzheitliche Neuausrichtung des<br />

Risikomanagements in der <strong>Beschaffung</strong><br />

Wie in der <strong>Ausgabe</strong> April 2020 der „Kleinen Kniffe“ ausgeführt, stellen E-Tools zur Unterstützung der<br />

operativen <strong>Beschaffung</strong>saufgaben ein quasi unverzichtbares Hilfsmittel zur Steigerung von Effizienz und<br />

Transparenz bei gleichzeitiger lückenloser Dokumentation dar. Nicht nur die Öffentlichen sind hier nicht<br />

immer bereits dort angekommen, wo sie hinwollen oder hinsollten.<br />

Ein Beitrag von Prof. Dr. Wanja Wellbrock, Prof. Dr. Daniela Ludin (Hochschule Heilbronn)<br />

Volatile Lieferketten,<br />

Lieferengpässe und<br />

Produktionsausfälle<br />

Fehlende Vorprodukte in der Lieferkette<br />

führten laut einer Umfrage<br />

des Instituts der deutschen Wirtschaft<br />

(IW) im vierten Quartal 2021<br />

bei 75% der befragten 2.800 Unternehmen<br />

zu Produktionsausfällen.<br />

Gut 50% der Unternehmen haben<br />

mit entsprechenden Ausfällen von<br />

bis zu 10% zu kämpfen, 17% von bis<br />

zu 20% und sechs % sogar mit über<br />

20%. Als Ursachen werden primär<br />

Störungen des internationalen<br />

Warenhandels, bspw. durch die<br />

Schließung von Häfen oder anderen<br />

Infrastruktureinrichtungen sowie<br />

mehrfache Produktionsschließungen<br />

bei Lieferanten weltweit<br />

genannt. Bis Ende 2021 resultierten<br />

diese Ursachen primär aus den<br />

negativen Effekten der sogenannten Corona-Pandemie, die die<br />

gesamte Weltwirtschaft nahezu komplett auf den Kopf gestellt hat<br />

(Bardt und Grömling 2021).<br />

Kernthesen des Beitrags<br />

<strong>Das</strong> vorherrschende Postulat der quasi-maximalen<br />

Kosteneffizienz in der <strong>Beschaffung</strong> wird allmählich vom Postulat<br />

der Resilienz als Unternehmensziel abgelöst werden.<br />

Zunehmende staatliche Maßnahmen und gesetzliche Vorgaben<br />

wie die CO 2<br />

-Bepreisung, die CSR-Berichtspflicht und das<br />

EU-Lieferkettengesetz werden zu Veränderungen in den globalen<br />

Supply Chains in Richtung weniger umweltschädlicher Produktionen<br />

und Lieferanten sowie kürzerer Transportwege führen.<br />

Ein nicht unerheblicher Teil von „Zukunftsrohstoffen“, die<br />

<strong>für</strong> Elektromobilität, Windkraft, Photovoltaik, Elektronik, medizinische<br />

Geräte u.v.a.m., benötigt werden, ist knapp und zwingt<br />

zum Umdenken.<br />

E-Tools zur Unterstützung der operativen <strong>Beschaffung</strong>saufgaben,<br />

die vor allem von jungen Start-ups entwickelt werden,<br />

bieten schon heute ein unverzichtbares Hilfsmittel zur Steigerung<br />

von Effizienz und Transparenz bei gleichzeitiger lückenloser<br />

Dokumentation.<br />

Während Experten Ende<br />

2021 noch von einer Erholung der<br />

Lieferketten bis zur zweiten Jahreshälfte<br />

<strong>2022</strong> ausgingen, hat sich<br />

die Perspektive hierauf seit dem 24.<br />

Februar <strong>2022</strong> komplett geändert.<br />

Der Einmarsch russischer Truppen<br />

in der Ukraine führte nochmals zu<br />

einer deutlichen Anspannung der<br />

Situation in den globalen Lieferketten.<br />

Der Handel mit Russland<br />

und der Ukraine wurde nahezu<br />

komplett eingestellt, wodurch eine<br />

erhöhte Knappheit an Rohstoffen<br />

und Vorprodukten nahezu unausweichlich<br />

ist. Laut einer Befragung<br />

des ifo Instituts hat sich die Belastung<br />

der Lieferketten daher im<br />

Vergleich zum vierten Quartal<br />

2021 nochmals erhöht. Im Mai<br />

<strong>2022</strong> gaben rund 77,2% der befragten<br />

Industrieunternehmen an, von<br />

Produktionsbehinderungen durch<br />

knappe Rohstoffe und Vormaterialien<br />

betroffen zu sein (ifo Institut <strong>2022</strong>). Von einer Entspannung<br />

kann somit bei weitem nicht die Rede sein.<br />

Eine zunehmende Globalisierung der Supply Chain, eine Zentralisierung<br />

von Produktions- und Distributionsstandorten sowie<br />

niedrigere Bestände entlang der Lieferkette führen zu einem immer<br />

08 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

volatileren <strong>Beschaffung</strong>ssystem, wodurch sich kleinere Störeffekte<br />

auf einzelnen Lieferantenstufen unverzüglich beim Endproduzenten<br />

bemerkbar machen. Je volatiler das Gesamtsystem wird, desto mehr<br />

gewinnt ein ganzheitliches Risikomanagement <strong>für</strong> die Lieferkette an<br />

Bedeutung. Gerade bzgl. dieses Punktes besteht allerdings noch ein<br />

erhebliches Verbesserungspotenzial bei vielen Unternehmen. Die<br />

Lehren der Corona-Pandemie und des Ukraine-Konfliktes haben<br />

somit das Potenzial, ein komplettes Umdenken des Risikomanagements<br />

insbesondere im Bereich der <strong>Beschaffung</strong> auszulösen. Eine<br />

wichtige Rolle nimmt hierbei das auf den ersten Blick komplett losgelöste<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ein.<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

als ganzheitliche Aufgabe <strong>für</strong> das<br />

<strong>Beschaffung</strong>smanagement<br />

Ab 2023 stellt das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

erhebliche Anforderungen an die Sorgfaltspflichten bzgl.<br />

Menschenrechte <strong>für</strong> deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000<br />

Mitarbeiter. Ab 2024 wird das Gesetz auch auf alle deutschen Unternehmen<br />

mit mehr als 1.000 Mitarbeiter ausgeweitet.<br />

Ganzheitlich umfasst das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

folgende Anforderungen an die betroffenen Unternehmen (Wellbrock<br />

<strong>2022</strong> in Anlehnung an PROMATIS software GmbH 2021 und<br />

Riskmethods GmbH 2021):<br />

• Errichtung eines auf die Lieferkette gerichteten Risikomanagementsystems.<br />

• Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen in der Lieferkette.<br />

• Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen<br />

Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern.<br />

• Ergreifung konkreter Abhilfemaßnahmen bei auftretenden<br />

Menschenrechtsverletzungen.<br />

• Festlegung eindeutiger betriebsinterner Zuständigkeiten bzgl.<br />

Menschenrechte in der Lieferkette.<br />

• Verabschiedung einer Grundsatzerklärung bzgl. Menschenrechte.<br />

• Einrichtung eines entsprechenden Beschwerdeverfahrens.<br />

• Umsetzung von Sorgfaltspflichten bzgl. Risiken bei mittelbaren<br />

Lieferanten.<br />

• Berichterstattung und Dokumentation menschenrechtsrelevanter<br />

Aspekte und Vorgänge.<br />

Die genannten Anforderungen zeigen bereits deutlich,<br />

dass nahezu alle Bereiche des <strong>Beschaffung</strong>smanagements hiervon<br />

betroffen sind und ausgehend von der Warengruppen- und<br />

Lieferantenstrategie bis zu Personalentscheidungen alles auf den<br />

Prüfstand steht und einer detaillierten Analyse zu unterziehen ist.<br />

Die erheblichen Probleme vieler Unternehmen bei der gesetzeskonformen<br />

Umsetzung des neuen Gesetzes verdeutlichen dabei<br />

gerade die zuvor beschriebene weitverbreitete Schwäche im Risikomanagement<br />

insbesondere in der Lieferkette. Abb. 1 verdeutlich<br />

noch einmal die vollumfängliche Relevanz des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes<br />

<strong>für</strong> die <strong>Beschaffung</strong>. Bis auf den Bereich der<br />

Lieferantenintegration sind in allen Bereichen die entsprechenden<br />

Prozesse und Dokumente zu analysieren und ggf. anzupassen.<br />

Kleine Kniffe<br />

09<br />

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Abbildung 1: Relevanz des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes<br />

auf die <strong>Beschaffung</strong>stätigkeiten<br />

Betrachtet man explizit die normative und strategische Ebene<br />

des <strong>Beschaffung</strong>smanagements wird der erhebliche Umsetzungsaufwand,<br />

aber auch das ganzheitliche Potenzial hinter dem neuen<br />

Gesetz ersichtlich. Auf der normativen Ebene betrifft es primär die<br />

Einkaufspolitik, die elementarer Bestandteil der Unternehmenspolitik<br />

ist und sich mit der Bestimmung von übergeordneten Zielen<br />

der <strong>Beschaffung</strong> und der Festlegung grundlegender Instrumente zur<br />

Zielerreichung beschäftigt. Eine Anpassung ist hierbei im Rahmen<br />

des Corporate Social Responsibility Standards mit einem speziellen<br />

Fokus auf den Bereich Menschenrechte vorzunehmen.<br />

Auf der strategischen Ebene ist anschließend eine grundlegende<br />

Analyse und ggf. Neustrukturierung der Einkaufsstrategie als Basis<br />

<strong>für</strong> die zugrundeliegenden Warengruppen- und Lieferantenstrategien<br />

notwendig. Wesentliches Ziel der Einkaufsstrategie ist hierbei<br />

die Sicherung der Versorgung im Unternehmen mit dem in quantitativer<br />

und qualitativer Hinsicht richtigen Material unter einer<br />

gleichzeitigen Minimierung der Kosten und Optimierung des angestrebten<br />

Risikoniveaus. Qualitätskriterien umfassen hierbei auch<br />

explizite Nachhaltigkeitskriterien.<br />

Auf Ebene der Warengruppenstrategien wird anschließend<br />

festgelegt, wann, wo und vor allem wie die Materialien der entsprechenden<br />

Warengruppen zu beschaffen sind. Exemplarisch sind hier<br />

die unterschiedlichen Sourcing-Strategien als Entscheidungsbasis<br />

zu nennen. Für einzelne Warengruppen kann der Fokus bspw. auf<br />

einer Single-Sourcing-Strategie liegen, <strong>für</strong> andere vielleicht auf einer<br />

Dual- oder sogar Multiple-Sourcing-Strategie. Besonders relevant<br />

im Sinne des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ist zudem die<br />

Implementierung konkreter Länderstrategien. Früher war es üblich,<br />

einen Teil in so genannten Low-Cost-Countries zu beschaffen,<br />

später wurde der Begriff allerdings durch den besser zutreffenden<br />

Begriff „Best-Cost-Countries“ ersetzt. Gerade im Hinblick auf die<br />

Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette ist die Definition<br />

des Begriffs „Best-Cost“ nochmals grundlegend zu hinterfragen<br />

und mit ergänzenden qualitativen Kriterien zu hinterlegen.<br />

Ein weiterer Bestandteil der Einkaufsstrategie ist die Lieferantenstrategie,<br />

die ebenfalls grundlegend analysiert und im Sinne<br />

einer rechtskonformen Umsetzung des neuen Gesetzes ggf. angepasst<br />

werden muss. Gerade die strategische Lieferantenentwicklung<br />

basiert auf umfassenden strategischen Performancezielen, die weit<br />

über rein operative Leistungskennzahlen hinausgehen. Im Fokus<br />

stehen hier exemplarisch Innovations- und Wissenspotenziale,<br />

wobei aber auch explizit nachhaltigkeitsorientierte Indikatoren, im<br />

Sinne des Gesetzes vor allem soziale Aspekte, berücksichtigt werden<br />

können und müssen.<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

als Chance zur Implementierung eines<br />

ganzheitlichen Risikomanagements <strong>für</strong> die<br />

<strong>Beschaffung</strong><br />

Durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sind deutsche<br />

Unternehmen verpflichtet, in einem lange Zeit stark vernachlässigten<br />

Bereich deutlich aufzuholen. Die Schwächen im Risikomanagement<br />

allgemein und speziell in der Lieferkette werden durch das neue<br />

Gesetz und das vorherige Scheitern einer freiwilligen Umsetzung<br />

der Sorgfaltspflichten bzgl. Menschenrechte nochmals deutlich hervorgehoben.<br />

Menschenrechte sind allerdings nur eines von vielen Risiken,<br />

denen Unternehmen gegenüberstehen. Beschaffer entwickeln sich<br />

immer mehr zu expliziten Risikomanagern, die eine ganze Landkarte<br />

unterschiedlicher Risiken in ihren Lieferketten berücksichtigen<br />

müssen. Wie zuvor beschrieben, setzt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

an nahezu allen Stufen des <strong>Beschaffung</strong>smanagements<br />

an und betrifft alle wichtigen normativen und strategischen Entscheidungen<br />

im Unternehmen, sodass sich hieraus die Möglichkeit<br />

ergibt, das Risikomanagement in der Lieferkette weit über die reine<br />

10 Kleine Kniffe<br />

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Weitere Informationen<br />

Literatur<br />

Bardt, H. und M. Grömling (2021): Anhaltende<br />

Produktionsausfälle durch fehlende Vorleistungen, in:<br />

IW-Kurzbericht, 91, 1-3.<br />

Hofmann, E. (2006): Risikomanagement in der Supply<br />

Chain, verfügbar unter: https: /logistik-heute.de/sites/<br />

default/files/public/data-statische-seiten/lm06_<br />

transportvers_01_0.pdf, aufgerufen am 3. Januar <strong>2022</strong>.<br />

Betrachtung von Menschenrechten strategisch ganzheitlich neu aufzustellen.<br />

Gerade eine detaillierte Analyse der einzelnen Warengruppen<br />

und Lieferantenstrukturen liefert konkrete Ansatzpunkte <strong>für</strong><br />

Risikomanagementmaßnahmen, die bei weitem nicht auf Menschenrechtsverletzungen<br />

beschränkt sind, sondern auch klare<br />

ökonomische Perspektiven einnehmen können. Laut einer Studie<br />

der Universität St. Gallen können hierbei folgende strategische Stoßrichtungen<br />

differenziert werden (Wellbrock <strong>2022</strong>, in Anlehnung an<br />

Hofmann 2006):<br />

• Risikovermeidung: vertikale Integration von Lieferanten,<br />

Local Sourcing, detaillierte Lieferantenauswahl, etc.<br />

• Risikotransfer: Lieferzeitverkürzung beim Lieferanten,<br />

Prozess-Outsourcing, etc.<br />

• Risikostreuung: Dual bzw. Multiple Sourcing,<br />

Standardisierung, Marktdiversifikation, etc.<br />

ifo Institut (<strong>2022</strong>): ifo Knappheitsindikator zeigt<br />

Materialmangel an, verfügbar unter: https: /www.<br />

destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/<br />

Industrie-Verarbeitendes-Gewerbe/materialknappheitindustrieaktivitaet.html,<br />

aufgerufen am 26.07.<strong>2022</strong>.<br />

PROMATIS software GmbH (2021): Supply Chain –<br />

Lieferkettengesetz, PROMATIS Group, Ettlingen.<br />

Riskmethods GmbH (2021): <strong>Das</strong> Lieferkettengesetz<br />

kommt. Was Sie jetzt tun können, Riskmethods,<br />

München.<br />

Wellbrock, W. (<strong>2022</strong>): Ganzheitliches Risikomanagement<br />

in der Lieferkette – Strategisches Potenzial des<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, in: ifo<br />

Schnelldienst, 75(1), 12-15.<br />

• Risikoübernahme: Reservierung von Lieferkapazitäten, Aufbau<br />

von Sicherheitsbeständen, etc.<br />

<strong>Das</strong> Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sollte daher trotz all<br />

der hiermit verbunden Herausforderungen auch als eine einmalige<br />

Chance gesehen werden, das Risikomanagement im Unternehmen<br />

bzgl. der <strong>Beschaffung</strong>saktivitäten komplett neu aufzustellen. Eine<br />

grundlegende Analyse der Warengruppen- und Lieferantenstrukturen<br />

wird bzgl. der Thematik Menschenrechte ab 2023 gesetzlich<br />

vorgeschrieben, sodass die Unternehmen hierbei gar nicht mehr vor<br />

einer freiwilligen Entscheidung stehen. Aus diesem Grunde sollten<br />

die Unternehmen vielmehr alles daransetzen, das neue Gesetz als<br />

Ausgangspunkt zu nutzen, ihr Risikomanagement strategisch neu<br />

aufzustellen, um somit vor zukünftigen weiteren externen Effekten<br />

besser geschützt zu sein. <strong>Das</strong> Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

kann hier<strong>für</strong> eine einmalige Möglichkeit darstellen.<br />

Autoren<br />

Prof. Dr. Wanja Wellbrock,<br />

Prof. Dr. Daniela Ludin<br />

Hochschule Heilbronn<br />

Kleine Kniffe<br />

11<br />

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Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

Sorgfalt entlang der Lieferkette:<br />

Neuer Praxislotse unterstützt Unternehmen<br />

Mehr Umweltschutz, bessere Sozial- und Menschenrechtsstandards: Am 1. Januar 2023 tritt das neue<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. Damit wird erstmals die unternehmerische Verantwortung<br />

<strong>für</strong> die Achtung von Menschenrechten in den Lieferketten gesetzlich geregelt. Aktuell stellt das<br />

neue Gesetz viele Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger vor die Frage: Wie kann ich<br />

Menschenrechtsrisiken in meiner Lieferkette identifizieren und adressieren? Abhilfe schafft der neue<br />

Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte, der die wichtigsten Informationen zu zehn menschenrechtlichen<br />

Kernthemen in einem Portal sammelt und Unternehmen praktische Umsetzungshilfen an die Hand gibt.<br />

Ein Beitrag von Sebastian Olényi<br />

Die Uhr tickt <strong>für</strong> viele deutsche<br />

Unternehmen: Nur noch<br />

wenige Monate bleiben hierzulande,<br />

um sich auf die Umsetzung<br />

der Pflichten vorzubereiten, die<br />

aus dem deutschen Lieferkettengesetz<br />

hervorgehen. Denn während<br />

die menschenrechtliche Sorgfalt<br />

entlang globaler Lieferketten in<br />

der Vergangenheit auf freiwilliger<br />

Umsetzung basierte, sind viele<br />

Prozesse <strong>für</strong> Unternehmen nun<br />

verbindlich geregelt – zunächst<br />

<strong>für</strong> Unternehmen ab 3000 Beschäftigten,<br />

ab 2024 gilt das Gesetz<br />

dann auch <strong>für</strong> Unternehmen mit<br />

mindestens 1000 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern. Immer noch<br />

weitverbreitete Praktiken wie<br />

Kinder- und Zwangsarbeit sowie<br />

die Ausbeutung von Beschäftigten<br />

durch prekäre Arbeitsbedingungen<br />

sollen damit nachhaltig bekämpft<br />

werden – weltweit.<br />

Neben der Verabschiedung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

hat auch die Europäische Kommission im Februar <strong>2022</strong><br />

einen Vorschlag <strong>für</strong> eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten<br />

Kernthesen des Beitrags<br />

Nur noch wenige Monate bleiben um sich auf die Umsetzung<br />

der Pflichten vorzubereiten, die aus dem deutschen Lieferkettengesetz<br />

hervorgehen.<br />

Neben der Verabschiedung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

hat auch die Europäische Kommission im<br />

Februar <strong>2022</strong> einen Vorschlag <strong>für</strong> eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten<br />

von Unternehmen veröffentlicht.<br />

Doch wie können Unternehmen vor dem Hintergrund des<br />

bald wirksamen Lieferkettengesetzes Menschenrechtsrisiken in<br />

der Lieferkette effektiv und angemessen angehen?<br />

Hier kommt der Praxislote Wirtschaft & Menschenrechte<br />

ins Spiel. Der Praxislotse gibt Unternehmen themenspezifische<br />

Hintergrundinformationen und Umsetzungshilfen zu zehn der<br />

wichtigsten menschenrechtlichen Themen in Liefer- und Wertschöpfungsketten<br />

an die Hand und stellt durch entsprechende<br />

Praxisbeispiele Anregungen <strong>für</strong> das eigene Handeln bereit.<br />

von Unternehmen veröffentlicht.<br />

Der Entwurf sieht vor, dass Firmen<br />

verpflichtet werden, negative Auswirkungen<br />

ihrer Tätigkeit auf die<br />

Menschenrechte sowie auf die<br />

Umwelt zu ermitteln und gegebenenfalls<br />

zu verhindern, abzustellen<br />

oder zu vermindern.<br />

Nationaler Aktionsplan<br />

soll <strong>nachhaltige</strong>s<br />

Wirtschaften fördern<br />

Grundlage des neuen Gesetzes<br />

ist der bereits 2016 von der Bundesregierung<br />

beschlossene Nationale<br />

Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte<br />

(NAP). Mit dem NAP<br />

will die Bundesregierung gemeinsam<br />

mit Unternehmen einen Beitrag<br />

dazu leisten, die weltweite Menschenrechtslage<br />

zu verbessern und<br />

die Globalisierung mit Blick auf<br />

die Agenda 2030 <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> Entwicklung sozial zu gestalten.<br />

Der Aktionsplan basiert dabei auf den Leitprinzipien <strong>für</strong> Wirtschaft<br />

und Menschenrechte der Vereinten Nationen. Neben staatlichem<br />

Schutz und gerichtlicher sowie außergerichtlicher Abhilfe steht<br />

die Unternehmensverantwortung im Zentrum des Gesetzes. Die<br />

12 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

Erwartung: Alle in Deutschland ansässigen Unternehmen halten die<br />

Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht in einer ihrer<br />

Größe, Branche und Position angemessenen Weise ein und achten<br />

Menschenrechte entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten.<br />

Doch wie können Unternehmen vor dem Hintergrund des<br />

bald wirksamen Lieferkettengesetzes Menschenrechtsrisiken in der<br />

Lieferkette effektiv und angemessen angehen? Informationsangebote<br />

wie der Praxislotse sollen Licht ins Dunkel bringen und Firmen<br />

bei praktischen Fragestellungen unterstützen.<br />

Was wird von Unternehmen jetzt erwartet?<br />

Allerdings gilt: Von Unternehmen wird auch nach dem Inkrafttreten<br />

des neuen Gesetzes keine Garantie erwartet, alle Risiken in<br />

der Lieferkette zu beheben. Erwartet wird aber, dass sich Unternehmen<br />

die Risiken in ihren Lieferketten genau anschauen und sich mit<br />

geeigneten Maßnahmen bemühen, die Risiken zu beheben oder zu<br />

mildern. <strong>Das</strong> Lieferkettengesetz fordert Unternehmen dazu auf, ein<br />

angemessenes und wirksames Risikomanagement zu etablieren, das<br />

in alle maßgeblichen Geschäftsabläufe integriert ist. Sie sollen ein<br />

Sorgfaltsmanagementsystem einrichten, das sich in seiner Grundstruktur<br />

an den Kernelementen menschenrechtlicher Sorgfalt des<br />

NAP anlehnt. Konkret gehört dazu unter anderem die Durchführung<br />

regelmäßiger Risikoanalysen, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen<br />

sowohl im eigenen Geschäftsbereich als auch gegenüber<br />

Zulieferern sowie die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens.<br />

Checkliste: Was wird von meinem<br />

Unternehmen jetzt erwartet?<br />

• Einrichtung eines Risikomanagements<br />

• Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit<br />

• Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (einmal im Jahr<br />

und anlassbezogen)<br />

• Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen<br />

Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern<br />

• Ergreifen von Abhilfemaßnahmen<br />

• Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens<br />

• Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei<br />

mittelbaren Zulieferern<br />

• Dokumentation und Berichterstattung.<br />

Darüber hinaus sind Unternehmen verpflichtet, die Wirksamkeit<br />

der Präventionsmaßnahmen, Abhilfemaßnahmen und des<br />

Beschwerdemechanismus jährlich oder bei wesentlichen Änderungen<br />

zu prüfen.<br />

Was bietet der Praxislotse?<br />

Die Umstellung bekannter und bewährter Prozesse im Produktions-<br />

und Lieferprozess ist herausfordernd <strong>für</strong> viele Unternehmen.<br />

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Foto: depositphotos<br />

Hier kommt der Praxislote Wirtschaft & Menschenrechte ins<br />

Spiel und soll mit seinem umfangreichen Informationsangebot<br />

Abhilfe schaffen. Er ergänzt die bereits bestehenden Online-Tools<br />

des Helpdesks Wirtschaft & Menschenrechte, einem kostenfreien<br />

Unterstützungsangebot der Bundesregierung, wie den KMU-Kompass<br />

und den CSR Risiko-Check.<br />

Der Praxislotse gibt Unternehmen themenspezifische Hintergrundinformationen<br />

und Umsetzungshilfen zu zehn der wichtigsten<br />

menschenrechtlichen Themen in Liefer- und Wertschöpfungsketten<br />

an die Hand und stellt durch entsprechende Praxisbeispiele<br />

Anregungen <strong>für</strong> das eigene Handeln bereit. Dabei liegt der Fokus<br />

auf den Kernthemen Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Sicherheit und<br />

Gesundheit am Arbeitsplatz, Vereinigungsfreiheit, Wanderarbeitende,<br />

Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, Arbeitszeiten,<br />

existenzsichernde Löhne, Gleichstellung der Geschlechter sowie<br />

indigenen Völkern.<br />

Die Inhalte stützen sich auf die UN-Leitprinzipien Wirtschaft<br />

und Menschenrechte, die auch die Grundlage <strong>für</strong> das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

darstellen, und orientieren sich auch an<br />

weiteren international anerkannten Rahmenwerken und Menschenrechtsstandards.<br />

Die zehn Kernthemen des Praxislotsen<br />

<strong>Das</strong> Ziel des Praxislotsen: Unternehmen erhalten die wichtigsten<br />

Informationen zu konkreten Menschenrechtsthemen auf einen Blick<br />

und setzen neu Erlerntes im eigenen Betrieb um. Informationen<br />

umfassen einen Überblick über relevante Definitionen, internationale<br />

Rahmenwerke, Zahlen und Fakten sowie Risikofaktoren und<br />

ihre Auswirkungen <strong>für</strong> Unternehmen und Menschenrechte.<br />

Darüber hinaus zeigt das Online-Tool anhand von Praxisbeispielen,<br />

wie Unternehmen konkret mit risikoreichen Situationen<br />

entlang der Lieferkette umgehen und beispielsweise Arbeits-, und<br />

Gesundheitsschutzmechanismen in die eigenen Prozesse integrieren<br />

können. Die Beispiele aus der Praxis stammen dabei sowohl<br />

von bekannten multinationalen als auch von mittelständischen<br />

Unternehmen und werden aktuell um weitere deutsche Unternehmen<br />

erweitert.<br />

Beispiel: Zwangsarbeit<br />

Wie kann der der Praxislotse Unternehmen bei der Umsetzung<br />

effektiver Sorgfaltsprozesse unterstützen? Ein Beispiel: Die Internationale<br />

Arbeitsorganisation (ILO) schätzt, dass weltweit fast 25<br />

Millionen Menschen Opfer von Zwangs- oder Pflichtarbeit sind,<br />

davon 16 Millionen in der Privatwirtschaft. Die Herausforderung <strong>für</strong><br />

Unternehmen: Wie können sie Zwangsarbeit in ihrem Geschäftsbereich<br />

und in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten erkennen<br />

und sie verhindern?<br />

Der Praxislotse greift diese Thematik auf: So kommt Zwangsarbeit<br />

seltener bei den eigenen Beschäftigten multinationaler<br />

Unternehmen vor, da in der Regel strenge Verfahren zur Gewährleistung<br />

guter Beschäftigungspraktiken vorhanden sind. Zwangsarbeit<br />

kann jedoch in unmittelbarer Nähe des Unternehmens vorkommen:<br />

Selbst in OECD-Ländern sind Beschäftigte, die von Personalvermittlungsagenturen<br />

eingestellt werden oder <strong>für</strong> diese arbeiten, sowie<br />

Beschäftigte von Dienstleistungsanbietern (zum Beispiel Reinigungs-,<br />

Logistik- und Bauunternehmen) dem Risiko der Ausbeutung<br />

ausgesetzt. <strong>Das</strong> Risiko nimmt weiter unten in der Lieferkette zu,<br />

vor allem, wenn Unternehmen Güter oder Dienstleistungen aus<br />

Ländern beziehen, in denen Armut, Ungleichheit, ein großer informeller<br />

Sektor, Korruption, unzureichender Rechtsschutz sowie eine<br />

mangelnde Strafverfolgung vorherrschend sind oder in denen es<br />

gängige Praxis ist.<br />

Neben der Identifizierung von Herausforderungen und<br />

Gefahren stellt der Praxislotse auch aktuelle Zahlen und Trends<br />

sowie deren Auswirkungen auf Unternehmen und Menschenrechte<br />

bereit. Im Zusammenhang mit der Verbreitung von Zwangsarbeit<br />

zeigt beispielsweise eine ILO-Studie: <strong>Das</strong> Risiko der Zwangsarbeit<br />

14 Kleine Kniffe<br />

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Weitere Informationen<br />

Sie möchten menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse<br />

im Kerngeschäft verankern? Sie haben Fragen zur<br />

Bedeutung aktueller rechtlicher Entwicklungen <strong>für</strong> Ihr<br />

Unternehmen?<br />

Der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte berät<br />

Unternehmen jeder Größe kostenfrei, individuell und<br />

vertraulich. Erfahren Sie jetzt, wie Ihr Unternehmen<br />

Umwelt- und Sozialstandards entlang globaler Lieferund<br />

Wertschöpfungsketten integrieren kann.<br />

Als Unterstützungsangebot der Bundesregierung ist der<br />

Helpdesk in der Agentur <strong>für</strong> Wirtschaft & Entwicklung<br />

(AWE) verortet. Finanziert wird das Angebot vom<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

und Entwicklung (BMZ) und durchgeführt von der DEG<br />

(Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft)<br />

sowie der Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong> Internationale<br />

Zusammenarbeit (GIZ).<br />

Jetzt informieren:<br />

ist durch die COVID-19-Pandemie weiter gestiegen. Da Millionen<br />

von Menschen aufgrund der Pandemie ihr Einkommen verloren<br />

haben und weder über Ersparnisse noch sozialen Schutz verfügen,<br />

hat sich die Zahl der Beschäftigten, die durch Schuldknechtschaft und<br />

anderen Formen der Zwangsarbeit gefährdet sind, erhöht.<br />

Für Unternehmen – das schlüsselt der Praxislotse detailliert auf –<br />

birgt diese Entwicklung eine ganze Reihe von rechtlichen, operativen<br />

oder finanziellen Risiken. Auch menschenrechtliche Auswirkungen<br />

von Zwangsarbeit werden im Praxislotsen ausführlich beleuchtet,<br />

sind doch in diesem Zusammenhang gleich sieben Menschenrechte<br />

betroffen. Schlussendlich finden Unternehmen im Praxislotsen handlungsbezogene<br />

Leitfäden und „How-to“-Anleitungen zum Umgang<br />

mit Menschenhandel und der Verhinderung von Zwangsarbeit in<br />

ihren Lieferketten. Bewährte Praktiken können so direkt in die<br />

eigenen Sorgfaltsprozesse einfließen.<br />

Mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes im kommenden<br />

Januar stehen nun viele Firmen in der Verantwortung. Und setzen<br />

damit laut Anosha Wahidi, Beauftragte <strong>für</strong> Nachhaltigkeitsstandards<br />

im Bundesministerium <strong>für</strong> wirtschaftliche Zusammenarbeit, einen<br />

globalen Trend um: „Unternehmerische Sorgfaltspflichten rücken in<br />

den Fokus. Weltweit sehen wir einen Trend zu mehr Verantwortung<br />

der Unternehmen und mehr Verbindlichkeit. Es ist wichtig,<br />

dass sich Unternehmen jetzt auf den Weg machen. Tools wie der<br />

Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte helfen dabei.“<br />

Unsere Tools:<br />

https: /t1p.de/i4d8c<br />

Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte:<br />

Ihr Portal mit exklusiven Fallstudien,<br />

Hintergrundinformationen und Anleitungen aus dem<br />

Unternehmensalltag<br />

https: /t1p.de/5vrxa<br />

CSR Risiko-Check: <strong>Das</strong> kostenlose Online-Tool<br />

unterstützt Unternehmen bei der Einschätzung von<br />

Risiken entlang ihrer Liefer-und Wertschöpfungskette.<br />

https: /t1p.de/z5dde<br />

KMU Kompass: <strong>Das</strong> kostenfreie Online-<br />

Tool unterstützt Unternehmen, die stärker auf<br />

Umweltaspekte und Menschenrechte achten möchten,<br />

konkret und praxisnah. <strong>Das</strong> erleichtert es Ihnen, gezielte<br />

Maßnahmen zu ergreifen und ihre Sorgfaltspflichten<br />

einzuhalten.<br />

https: /kompass.wirtschaft-entwicklung.de<br />

Autor:<br />

Sebastian Olényi<br />

Senior Berater Kommunikation &<br />

Marketing<br />

Helpdesk Wirtschaft &<br />

Menschenrechte der Bundesregierung<br />

Kontakt:<br />

Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte<br />

Am Weidendamm 1A<br />

D-10117 Berlin<br />

+49(0)30 590 099-430<br />

HelpdeskWiMR@wirtschaft-entwicklung.de<br />

https: /t1p.de/fkhcq<br />

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Aus Expertensicht<br />

Nachhaltigkeitsdaten in globalen Lieferketten<br />

Da die Anforderungen der Stakeholder an die Transparenz der Nachhaltigkeitsleistung steigen und die<br />

Risiken in der Lieferkette in allen Branchen zunehmen, müssen Unternehmen neue Wege zur Bewertung,<br />

Einbindung und Überwachung von Lieferanten finden. Die Notwendigkeit <strong>für</strong> <strong>Beschaffung</strong>steams, innovativ<br />

zu sein, wird durch verschiedene Faktoren beschleunigt, von pandemiebedingten Unterbrechungen der<br />

Lieferkette bis hin zur wachsenden Bedeutung von ESG auf den Kapitalmärkten. Einst eine anerkannte Best<br />

Practice, reichen heutzutage Fragebögen zur Selbsteinschätzung von Lieferanten (SAQs) nicht mehr aus,<br />

um diesen sich ständig weiterentwickelnden Anforderungen gerecht zu werden.<br />

Ein Beitrag von Anja Strauß<br />

Da die Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht immer strenger wird<br />

und sich der Geltungsbereich auf alle Regionen und Kategorien<br />

weltweit ausweitet, kommen viele Einkäufer*innen an die Grenzen<br />

der selbstgemachten und selbsterklärten Datenerfassung. In Europa<br />

werden nationale Sorgfaltspflichtgesetze wie das französische Sorgfaltspflichtgesetz,<br />

das deutsche Lieferkettengesetz und das kürzlich<br />

verabschiedete norwegische Transparenzgesetz durch die vorgeschlagene<br />

EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen<br />

im Bereich der Nachhaltigkeit gestärkt, die von den in den Geltungsbereich<br />

fallenden Unternehmen (einschließlich der in der Region<br />

tätigen multinationalen Konzerne) den konkreten Nachweis verlangt,<br />

dass sie sich mit Menschenrechts- und Umweltfragen in ihren<br />

Lieferketten befassen. Wenn sich Unternehmen auf herkömmliche<br />

Methoden wie SAQs verlassen, wird es <strong>für</strong> sie schwierig, sicherzustellen,<br />

dass ihre Zulieferer dieses sich ständig erweiternde globale<br />

Netz von Vorschriften <strong>für</strong> die Lieferkette einhalten. Einige Einkäufer*innen<br />

suchen nach Drittanbietern von SAQs, um ihre internen<br />

Programme zu verbessern. Diese Ansätze decken jedoch oftmals nur<br />

einen geringen Umfang ab und bieten keine angemessene Überprüfung<br />

oder Verifizierung der Antworten und Daten.<br />

Die richtigen Daten <strong>für</strong> die richtigen<br />

Entscheidungen<br />

Lieferantenselbstbewertungen allein reichen nicht mehr aus.<br />

Damit Bewertungsdaten zur Verbesserung wichtiger Nachhaltigkeitsthemen<br />

verwendet werden können, müssen sie so aufbereitet<br />

erden können, dass sie <strong>für</strong> <strong>Beschaffung</strong>steams und Lieferanten gleichermaßen<br />

verständlich, vergleichbar und umsetzbar sind. Um<br />

Risiken effektiv zu managen und Chancen zu erkennen, müssen<br />

<strong>Beschaffung</strong>steams in der Lage sein, die folgenden Fragen zu beantworten:<br />

Wie schneiden Lieferanten bei Nachhaltigkeitsthemen im<br />

Vergleich zu Mitbewerbern ab? Was ist die Norm <strong>für</strong> die Branche<br />

oder die Region, in der sie tätig sind? Verbessern sie ihre Leistung<br />

im Laufe der Zeit?<br />

Lösungen zur Quantifizierung und zum Benchmarking der<br />

Nachhaltigkeitsleistung (z. B. durch Ratings oder Scores) werden<br />

zunehmend eingesetzt. Ratings ermöglichen es den <strong>Beschaffung</strong>steams<br />

- und ihren Lieferanten -, der „Compliance-Falle“ zu<br />

entkommen, in der oft nur unzureichende und sporadische Verbesserungen<br />

umgesetzt werden und stattdessen die praktikablen<br />

Erkenntnisse zu nutzen, um sinnvolle und dauerhafte Auswirkungen<br />

zu erzielen. Mit den aus dem Benchmarking gewonnenen Erkenntnissen<br />

können Einkaufsteams Ziele und Grenzwerte festlegen, um<br />

Lieferanten zu motivieren und ihnen zu helfen, Verantwortung<br />

<strong>für</strong> ihre eigene Leistung zu übernehmen. Die EcoVadis Lösung<br />

ermöglicht es Einkaufsteams beispielsweise, in Zusammenarbeit mit<br />

ihren Lieferanten Korrekturmaßnahmenpläne zu entwickeln, den<br />

Fortschritt zu verfolgen und schließlich denjenigen, die erhebliche<br />

Verbesserungen erzielen, hervorzuheben oder auszuzeichnen.<br />

KI <strong>für</strong> mehr Transparenz und Compliance<br />

Mit der Übernahme von ecotrek, einem in Berlin ansässigen<br />

Start-up, hat EcoVadis im Juli <strong>2022</strong> eine neue technologische Inno-<br />

16 Kleine Kniffe<br />

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Grafik: Copyright EcoVadis SAS <strong>2022</strong><br />

vation in das Gesamtportfolio aufgenommen, um Unternehmen<br />

und Kund*innen nicht nur eine verbesserte Kundenerfahrung zu<br />

bieten, sondern um insbesondere die intrinsische Risikoanalyse<br />

durch Datentechnologie und Informationsanalysen zu erweitern.<br />

Die Sustainability Data Mining-Technologie von ecotrek erfasst,<br />

analysiert und verwaltet im Internet verfügbare Nachhaltigkeitsbemühungen<br />

und -informationen von Unternehmen. Ecotrek, die<br />

sich auf die SDM-Technologie und insbesondere auf ein Lösungsangebot<br />

zur Erfüllung des Lieferkettengesetzes spezialisiert haben,<br />

gehen über intrinsische Risiken hinaus und beziehen Daten ein.<br />

Dadurch wird nicht nur das prädiktive Riskmanagement von Lieferanten<br />

verbessert, sondern auch eine Lösung geboten, die die im<br />

Lieferkettengesetz geforderte Risikoanalyse von Unternehmen mit<br />

verschiedenen Ansätzen bestmöglich erfüllt.<br />

“Gerolsteiner vertreibt ein reines Naturprodukt. Nachhaltigkeit<br />

ist daher seit jeher ein fester und wichtiger Bestandteil unseres<br />

Unternehmens und unseres Handelns. Um entlang der gesamten<br />

Lieferkette nachhaltig zu agieren, setzen wir auf Langfristigkeit und<br />

Partnerschaftlichkeit und haben ambitionierte Ziele in Bezug auf<br />

menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und Klimaschutz definiert,<br />

die wir mit unseren Lieferanten angehen. Wir sind überzeugt, mit<br />

ecotrek und Ecovadis die richtigen Partner zu haben, um Risiken<br />

in unserer Lieferkette zu erfassen und Verbesserungen im Bereich<br />

Nachhaltigkeit Schritt <strong>für</strong> Schritt voranzutreiben,” sagte Marcus<br />

Schuhmacher, Head of Purchasing bei Gerolsteiner Brunnen GmbH<br />

& Co. KG.<br />

Unternehmen erhalten mit EcoVadis IQ, der Riskmappinglösung<br />

von EcoVadis in Kombination mit ecotrek die Möglichkeit,<br />

basierend auf Länder- und Branchenrisiken und den zusätzlichen<br />

von ecotrek durch SDM erstellten Nachhaltigkeitsprofilen ohne<br />

Kontaktaufnahme Nachhaltigkeitsdaten von Lieferanten zu erfassen.<br />

Die Datenbank von ecotrek umfasst aktuell bereits über 5 Millionen<br />

Unternehmensprofile und bietet Unternehmen eine fundierte<br />

Entscheidungsgrundlage in der Erfassung der Netto-Risiken und <strong>für</strong><br />

weiterführende Maßnahmen, wie z.B. die Bewertungsstrategie mit<br />

Ratings und Verbesserungsmaßnahmen.<br />

Um Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der <strong>Beschaffung</strong>sfunktion<br />

von Unternehmen zu bringen, müssen diese in der Lage sein,<br />

sie in alle Prozesse einzubinden, einschließlich der <strong>Beschaffung</strong>,<br />

des Onboardings, der Ausschreibungen und Angebotseinholungen,<br />

des Lieferantenbeziehungsmanagements, der Auftragsvergabe und<br />

der jährlichen Überprüfungen. Da<strong>für</strong> braucht es zuverlässige und<br />

verifizierte Daten.<br />

Autorin<br />

Anja Strauß,<br />

Strategic Account Executive, EcoVadis<br />

www.ecovadis.com/de<br />

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Nachhaltiges Management<br />

Erfolgsfaktor <strong>für</strong> eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>sstrategie<br />

Zertifizierungen, Gütesiegel, Vertragsklauseln, Klimaziele, Arbeitsbedingungen, Sorgfaltspflichten<br />

... – mit diesen und weiteren Themen sind Unternehmen konfrontiert, die ihren<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozess <strong>nachhaltige</strong>r gestalten wollen. Für Entscheidungsträger stellt sich die Frage,<br />

welche Strategien und Maßnahmen machbar sind und den größten Mehrwert bringen.<br />

Ein Beitrag von Cristina Fedato und Mike Tabel<br />

Viele KMU sind bereits heute mit Anfragen von Großunternehmen<br />

an ihr Unternehmen konfrontiert, die sie zu Änderungen<br />

eigener Abläufe oder der Erteilung von Auskünften der eigenen<br />

Lieferantenbeziehung auffordern. Neben den neuen Regeln des<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz spielt der Umstand eine Rolle,<br />

dass sich große Unternehmen immer mehr bewusst werden, dass<br />

sie ihr Geschäft nicht nachhaltig gestalten können, ohne die Nachhaltigkeitsleistung<br />

ihrer Zulieferer zu verbessern.<br />

Wenn Sie noch nicht von Ihren Kunden aufgefordert wurden,<br />

Ihre Produkte und Dienstleistungen auf eine <strong>nachhaltige</strong>re Weise zu<br />

liefern, wird dies bald geschehen. Auch wenn eine weitreichendere<br />

Euopäische Gesetzgebung zu Lieferketten noch in Ausarbeitung<br />

ist, haben viele KMU bereits heute Erfahrungen in der Umsetzung<br />

der deutschen Regelungen aufgrund der Kooperation mit wichtigen<br />

Kunden. Eine proaktive und integrative Umsetzung der <strong>nachhaltige</strong>n<br />

<strong>Beschaffung</strong>sstrategie und eine sinnvolle Priorisierung von<br />

Maßnahmen bringt sie hier ans Ziel. Eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>sstrategie<br />

leitet sich aus der Größe, dem Kontext und den<br />

Möglichkeiten des Unternehmens ab und ist damit „maßgeschneidert“<br />

<strong>für</strong> das jeweilige KMU.<br />

Für Entscheidungsträger stellt sich die Frage, welche Strategien<br />

und Maßnahmen machbar sind und den größten Mehrwert bringen.<br />

Sie sollten gemeinsam mit der Geschäftsführung auf strategischer<br />

Ebene vereinbart und priorisiert werden. Der Unternehmenswert<br />

und die Reputation sind von einer erhöhten Nachfrage nach <strong>nachhaltige</strong>n<br />

Produkten und Dienstleistungen im B2B- und B2C-Markt<br />

betroffen, wenn das Unternehmen den Kunden nicht glaubhaft nachweisen<br />

kann, bei der <strong>Beschaffung</strong> und Produktion auf Nachhaltigkeit<br />

und Zirkularität zu achten. KMU sollten diese Entwicklungen nicht<br />

als Problem verstehen, sondern als Chance, das Unternehmen in<br />

einem Thema weiterzuentwickeln, das auf dem Markt im Trend liegt<br />

und zugleich Ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert.<br />

Die ISO-Norm 20400 gilt <strong>für</strong> alle Unternehmensgrößen und<br />

enthält die wichtigsten Grundsätze, die ein Unternehmen beachten<br />

muss, um eine solide Strategie <strong>für</strong> eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong><br />

zu entwickeln. Sie bietet also auch <strong>für</strong> KMUs einen Orientierungsrahmen<br />

auf dem Weg zur perfekt sitzenden <strong>Beschaffung</strong>sstrategie.<br />

Interne Aspekte: Verbesserungen, die ein Unternehmen auf<br />

strategischer, management- und operativer Ebene vornimmt, um<br />

Nachhaltigkeitsaspekte in den <strong>Beschaffung</strong>sprozess zu integrieren.<br />

Neben der Überprüfung von <strong>Beschaffung</strong>srichtlinien und -zielen<br />

und Produktaspekten spielt die Berücksichtig der <strong>Beschaffung</strong>smitarbeiter<br />

eine wichtige Rolle. Klassische Leistungsziele wie Kosten,<br />

Qualität und Service müssen, um Nachhaltigkeitsaspekte erweitert<br />

werden, um widersprüchliche Botschaften an das Team zu vermeiden.<br />

Stelle Sie sicher, dass die Mitarbeitenden Möglichkeiten<br />

haben, sich an der Neuausrichtung des <strong>Beschaffung</strong>swesens zu beteiligen.<br />

Bei Wissens- oder Kompetenzlücken können Unternehmen<br />

passende Qualifikationsangebote anbieten oder auf externe Beratungsleistungen<br />

setzen.<br />

Externe Aspekte: Maßnahmen, die ein Unternehmen ergreifen<br />

kann, um Lieferanten bei der Erfüllung von Nachhaltigkeitsstandards<br />

zu unterstützen sowie Maßnahmen, die ein Unternehmen<br />

in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren ergreifen kann. Nicht<br />

immer muss eine gänzlich neue <strong>Beschaffung</strong>spolitik formuliert<br />

18 Kleine Kniffe<br />

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Grafik: CSCP<br />

werden. Die bestehende <strong>Beschaffung</strong>sstrategie mit ihren Prozessen<br />

und Zielen kann als Ausgangspunkt <strong>für</strong> eine Überarbeitung und<br />

Weiterentwicklung genutzt werden. Die unmittelbare Integration<br />

von Nachhaltigkeitsaspekten in die <strong>Beschaffung</strong>sprozesse vermittelt<br />

die unmissverständlichen Botschaften an alle Stakeholder: Nachhaltigkeit<br />

steht im Zentrum der Unternehmensaktivitäten und ist<br />

kein Zusatzthema. Nachhaltigkeit im Unternehmensalltag zu leben<br />

und gegenüber Kunden und Partnern zu vermitteln fordert ein<br />

hohes Maß an Engagement und Eigenverantwortung der <strong>Beschaffung</strong>smitarbeiter<br />

– und wirkt so häufig auch sinnstiftend.<br />

mit strategischen Lieferanten, mit Wettbewerbern und mit lokalen<br />

Partnern kann eine entscheidende Rolle spielen und die Ergebnisse<br />

entscheidend verbessern. Ein weiterer Erfolgsfaktor <strong>für</strong> eine solide<br />

<strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>sstrategie ist, dass der <strong>Beschaffung</strong>sbereich<br />

den Prozess selbst in die Hand nimmt, gut vorbereitet ist und von<br />

der Geschäftsführung unterstützt wird. Es geht hierbei nicht um<br />

entweder effizient oder nachhaltig, im Gegenteil: Nachhaltigkeit<br />

hilft der <strong>Beschaffung</strong>, Risiken zu vermeiden, die Gesamtleistung der<br />

Lieferkette langfristig zu verbessern und stabile, wettbewerbsfähige,<br />

kooperative und zukunftssichere Belieferung zu fordern.<br />

Einen Einblick in die eigene Lieferketten kann ihr Unternehmen<br />

aber nur geben, wenn sie an der Transparenz der Lieferkette arbeiten<br />

und hohe soziale und ökologische Anforderungen gegenüber den<br />

Lieferanten festlegen und aktiv managen. Genauso wie ein großes<br />

Unternehmen nur gemeinsam mit seinen Lieferanten <strong>nachhaltige</strong>r<br />

werden kann, muss auch ein KMU seine Lieferkette mit einbeziehen,<br />

zumindest die strategisch wichtigen Lieferanten.<br />

Grundlage einer <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> ist die genaue Kenntnis<br />

der Lieferanten und der bezogenen (Vor-)Produkte. Ein<br />

Unternehmen muss wissen, was es kauft, wie es kauft und von<br />

wem es kauft. Nachhaltiges <strong>Beschaffung</strong>smanagement umfasst<br />

<strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> und <strong>nachhaltige</strong> Lieferanten und fordert<br />

so resilientere Lieferketten. Für kritische <strong>Beschaffung</strong>skategorien<br />

bedeutet dies, mit wenigen Lieferanten zu arbeiten, die weniger<br />

Risiken eingehen, und langfristige Beziehungen und Vertrauen<br />

aufzubauen. Vertrauensvolle Kooperation ist der Schlüssel bei der<br />

Entwicklung <strong>nachhaltige</strong>r Lieferketten, denn kein Unternehmen<br />

wird alleine zum Nachhaltigkeitschampion. Die Zusammenarbeit<br />

Autoren<br />

Christina Fedato und<br />

Mike Tabel<br />

COLLABORATING CENTRE ON SUSTAINABLE<br />

CONSUMPTION AND PRODUCTION (CSCP)<br />

Kleine Kniffe<br />

19<br />

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Aus Unternehmensinitiativen<br />

Klimaschutz durch <strong>nachhaltige</strong>s<br />

<strong>betriebliche</strong>s Mobilitätsmanagement<br />

Mobilität ist ein wichtiger Aspekt <strong>für</strong> erfolgreiche Unternehmen und ein zentraler Bestandteil der<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Transformation der Wirtschaft. <strong>Das</strong> Unternehmensnetzwerk Klimaschutz (UNK) greift das<br />

Thema <strong>nachhaltige</strong>s <strong>betriebliche</strong>s Mobilitätsmanagement durch generelle Informationen und konkrete<br />

Angebote auf.<br />

Ein Beitrag von Deborah Kallee<br />

<strong>Das</strong> Unternehmensnetzwerk Klimaschutz<br />

Im UNK engagieren sich bereits über 500 Unternehmen, um<br />

gemeinsam <strong>betriebliche</strong>n Klimaschutz voranzubringen. Die Netzwerkmitglieder<br />

verbindet, dass sie Verständnis <strong>für</strong> den Einfluss ihres<br />

Unternehmens auf das Klima haben, sich eigene Klimaschutzziele<br />

setzen, konkret Verbesserungsmaßnahmen umsetzen und Klimaschutz-Knowhow<br />

aufbauen wollen. Die Mitgliedschaft im<br />

Unternehmensnetzwerk Klimaschutz ist kostenlos. Nach einer<br />

erfolgreichen Auftaktveranstaltung im Mai und der ersten Jahresveranstaltung<br />

Ende Juni werden aktuell insbesondere die Angebote <strong>für</strong><br />

Unternehmen im Bereich des <strong>betriebliche</strong>n Klimaschutzes weiterentwickelt.<br />

Kern ist eine Austauschplattform <strong>für</strong> Unternehmen, die<br />

ähnlich wie ein soziales Netzwerk funktioniert und die Möglichkeit<br />

zu fachlichen und regionalen Gruppen bietet. Eines der acht fachlichen<br />

Themenbereiche des Netzwerkes ist <strong>nachhaltige</strong>s <strong>betriebliche</strong>s<br />

Mobilitätsmanagement.<br />

Nachhaltige Mobilität als ein Bereich des<br />

<strong>betriebliche</strong>n Klimaschutzes<br />

Der Verkehrssektor verursacht rund 20 % der CO 2<br />

-Emissionen<br />

in Deutschland. Betriebliches Mobilitätsmanagement hilft, diese<br />

Emissionen zu reduzieren. Dabei steht die effiziente Gestaltung von<br />

Arbeitswegen, Dienstreisen und dem Lieferverkehr im Vordergrund.<br />

Dadurch ergeben sich auch finanzielle Einsparpotenziale <strong>für</strong><br />

Unternehmen sowie weitere positive Auswirkungen auf Mitarbeitende<br />

und die Umgebung.<br />

Generell gilt dabei: Verkehr vermeiden, Verkehr verlagern<br />

und Verkehr verträglich abwickeln. So kann zum Beispiel durch<br />

Betriebsräder, Stellplätze, Duschen und die Aufwertung von Wegen<br />

der Fahrrad- und Fußverkehr gestärkt werden und durch ein<br />

Jobticket gewinnt die Nutzung des öffentlichen Verkehrs an Attraktivität.<br />

Dort, wo sich der PKW-Verkehr nicht vermeiden lässt,<br />

können Fahrgemeinschaften aktiv unterstützt werden. Außerdem<br />

sollte die Elektromobilität, zum Beispiel durch E-Fahrzeuge und die<br />

entsprechende Ladeinfrastruktur, gefördert werden. Wichtig ist, die<br />

Mitarbeitenden über die Maßnahmen und ihre Vorteile zu informieren<br />

und mit einzubinden.<br />

Qualifizierungsmöglichkeiten bei den IHKs und<br />

dem UNK<br />

<strong>Das</strong> Thema <strong>nachhaltige</strong>s <strong>betriebliche</strong>s Mobilitätsmanagement<br />

wird bereits von vielen IHKs voran-getrieben. So gibt es einen<br />

IHK-Zertifikatslehrgang Betriebliches Mobilitätsmanagement, der<br />

schon jetzt von einigen IHKs und dem IHK-Netzwerk Betriebliche<br />

Mobilität NRW angeboten wird. Dabei werden Mitarbeitende<br />

von Unternehmen in etwa sieben Workshoptagen zu Betrieblichen<br />

Mobilitätsmanager:innen fortgebildet. Die Teilnehmenden lernen<br />

Optimierungspotenziale im Bereich <strong>betriebliche</strong> Mobilität in ihrem<br />

Betrieb zu erkennen, ein Mobilitätskonzept zur Verbesserung zu<br />

erstellen und umzusetzen. In einem Praxisprojekt werden die erworbenen<br />

Kenntnisse im Unternehmen umgesetzt und zum Ende des<br />

Lehrgangs in einem Test abgefragt.<br />

20 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 20 12.10.22 12:43


Foto:©depositphotos<br />

Darauf aufbauend wird das UNK mit IHKs die Qualifizierungsmaßnahme<br />

„Betriebliche:r Mobilitätsmanger:in“ in ein bis zwei<br />

bundesweiten Durchgängen anbieten. Diese sollen teilweise digital<br />

und teilweise in Präsenz an zwei verschiedenen Orten, z.B. in<br />

Nord- und Süddeutschland durchgeführt werden, und richten sich<br />

in Summe an bis zu 30 Mitarbeitende aus Mitgliedsunternehmen des<br />

UNK. Dabei können die Mobilitätskonzepte mit dem Planungstool<br />

klimeva begleitet werden, um Kennwerte zu generieren und<br />

datengestützte Maßnahmen zu entwickeln sowie deren Wirkung<br />

abzuschätzen. Bei klimeva handelt es sich um eine Anwendung zur<br />

Evaluation von Klimaschutzmaßnahmen im <strong>betriebliche</strong>n Mobilitätsmanagement.<br />

Mit dem digitalen Tool wird die Wirksamkeit<br />

von Klimaschutzmaßnahmen hinsichtlich Kosten- und Treibhausgaseinsparungen<br />

bewertet.<br />

Mit gutem Beispiel voran gehen<br />

Wie ein <strong>nachhaltige</strong>s <strong>betriebliche</strong>s Mobilitätskonzept erfolgreich<br />

umgesetzt werden kann, zeigt das UNK-Mitgliedsunternehmen<br />

und Gutes Beispiel, die Prior1 GmbH aus Sankt Augustin. <strong>Das</strong><br />

Unternehmen berät, plant, baut und betreut die technische Gebäudeinfrastruktur<br />

von Rechenzentren. Der <strong>betriebliche</strong> Verkehr ist<br />

<strong>für</strong> einen entscheidenden Teil des TGH-Ausstoßes im Unternehmen<br />

verantwortlich. Im Jahr 2021 waren es über 150 Tonnen CO 2<br />

.<br />

Um die Emissionen zu reduzieren, hat das Unternehmen ein umfassendes<br />

Mobilitätskonzept entwickelt. Dazu gehört das Vermeiden<br />

von Dienst- und insbesondere Flugreisen, sowie ein kostenloses<br />

Jobticket. Zudem gibt es eine Prämie <strong>für</strong> die Wahl kleinerer Autos,<br />

wobei der Mitarbeitende die Hälfte des eingesparten Geldes (ca. 200-<br />

300 Euro monatlich) erhält, welche sich durch die Differenz zum<br />

größeren Auto ergibt. Jedem Mitarbeitenden wird eine Bahncard 50<br />

zur Verfügung gestellt und bei Verzicht auf ein eigenes KFZ sogar<br />

eine Bahncard 100 1.Klasse. Außerdem werden E-Mobilität und<br />

Fahrrad fahren unterstützt. <strong>Das</strong> UNK hat am Unternehmensstandort<br />

in Weitefeld mit dem Geschäftsführer Stefan Meier und zwei<br />

langjährigen Mitarbeitenden über das Mobilitätskonzept gesprochen<br />

und einen kurzen Film gedreht, der auf dem YouTube-Kanal<br />

und der Webseite des UNK zu sehen ist. Dort befindet sich mit den<br />

Energie-Scouts der Wulff Textil-Service GmbH bereits ein weiteres<br />

Gutes Beispiel aus dem Themenfeld Qualifizierung.<br />

Auch <strong>für</strong> die anderen Themenfelder Klimaziele und -strategien,<br />

CO 2<br />

-Bilanzierung, Ressourcen sparen, erneuerbare Energien<br />

nutzen, Lieferkette und Energieeffizienz sucht das UNK Unternehmen,<br />

die bereits entsprechende Klimaschutzmaßnahmen umsetzen.<br />

Weitere Informationen zum UNK, den Guten Beispielen und wie Sie<br />

Ihre Praxiserfahrung teilen können, finden Sie auf der Homepage:<br />

Unternehmensnetzwerk Klimaschutz (klima-plattform.de).<br />

Autorin<br />

Deborah Kallee<br />

Projektreferentin<br />

Unternehmensnetzwerk Klimaschutz<br />

Kleine Kniffe<br />

21<br />

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Nachhaltiges Fuhrparkmanagement<br />

Car Policy - Wesentlicher Hebel<br />

<strong>für</strong> kosteneffiziente und <strong>nachhaltige</strong> Firmenwagen<br />

Sie werden sich fragen, was die Car Policy mit dem Fuhrpark-Einkauf zu tun hat. Aber in diesem Dokument<br />

werden wichtige Weichen gestellt, die sowohl die Kosten als auch die Nachhaltigkeit Ihres Fuhrparks<br />

maßgeblich beeinflussen. Nachfolgend möchte ich Ihnen diese Wirkung anhand von Beispielen aufzeigen<br />

und typische Regelungen anhand einer Umfrage aufzeigen.<br />

Ein Beitrag von Thilo von Ulmenstein<br />

Firmenwagen stellen unverändert<br />

die Arbeitstiere in der<br />

Mehrzahl der Unternehmen dar. Sei<br />

es <strong>für</strong> die Vertriebsmannschaft eines<br />

Unternehmens oder die „rollenden<br />

Werkstätten“ von Servicetechnikern.<br />

Die von fleetcompetence in<br />

Zusammenarbeit mit der BMENet<br />

GmbH, einer Tochter des Bundesverband<br />

Materialwirtschaft,<br />

Einkauf und Logistik e.V. (BME),<br />

durchgeführte Dienstwagenumfrage<br />

hat dies wieder eindrucksvoll<br />

bestätigt. Firmenwagen sind die<br />

wesentliche Säule der <strong>betriebliche</strong>n<br />

Mobilität.<br />

Kernthemen rund um das<br />

Management des Fuhrparks sind<br />

regelmäßig Kosten und -mit<br />

deutlich steigender Tendenz- die<br />

Nachhaltigkeit der Fahrzeugflotte.<br />

Ein wesentlicher Stellhebel ist<br />

hier die Fuhrpark-Richtlinie, oder moderner, die Car Policy. Im<br />

Rahmen unserer Projekte stoßen wir immer wieder auf Organisationen,<br />

bei denen diese aus einem oder zwei Seiten bestehen, auf<br />

denen Fahrzeugmodelle den verschiedenen Funktionsgruppen und<br />

Hierarchieebenen des Unternehmens zugeordnet sind. Mehr nicht.<br />

Mit einer solchen Reduzierung wird aber ein wichtiges Instrument<br />

Kernthesen des Beitrags<br />

Kernthemen rund um das Management des Fuhrparks sind<br />

regelmäßig Kosten und -mit deutlich steigender Tendenz- die<br />

Nachhaltigkeit der Fahrzeugflotte.<br />

Ein wesentlicher Stellhebel ist hier die Fuhrpark-Richtlinie, oder<br />

moderner, die Car Policy. In Bezug auf die Kostenwirkungen der<br />

Car Policy ist es insbesondere von Bedeutung, dass die wählbaren<br />

Fahrzeugmodelle auf Basis einer Gesamtkostenbetrachtung festgelegt<br />

werden. Dabei ist es wichtig, die Gesamtkosten des Fuhrparks<br />

zu kennen.<br />

Wesentlicher Faktor <strong>für</strong> die Gesamtkosten des Fuhrparks sind<br />

die Regelungen zur Fahrzeugausstattung, die Sie in der Car Policy<br />

verankern.<br />

<strong>Das</strong> Gleiche gilt <strong>für</strong> das Thema Nachhaltigkeit. Hier hat das<br />

Unternehmen einen breiten Fächer an Möglichkeiten, um insbesondere<br />

den CO 2<br />

-Ausstoß des Fuhrparks zu reduzieren.<br />

<strong>für</strong> einen kosteneffizienten und<br />

umweltverträglichen Fuhrpark aus<br />

der Hand gegeben. Es ist dabei gar<br />

nicht notwendig eine 50-seitiges<br />

Regelwerk zu entwickeln, wie ich<br />

es z. B. bei einem Energieversorger<br />

erlebt habe (hier war die Policy aber<br />

zugleich auch Prozesshandbuch <strong>für</strong><br />

das Fuhrparkmanagement). Was<br />

hier sinnvoll geregelt werden sollte,<br />

um Kosten und Nachhaltigkeit<br />

sicherzustellen, möchte ich nachstehend<br />

erläutern.<br />

Die Fuhrpark-Richtlinie ist<br />

ein strategisches Dokument, auch<br />

wenn es meist sehr operativ daherkommt.<br />

Aber bei einer sauberen<br />

Entwicklung der Car Policy spielen<br />

die strategischen Zielsetzungen<br />

der Organisation eine wesentliche<br />

Rolle. Denn diese bilden den wichtigen<br />

Rahmen, die Leitplanken, in<br />

Bezug auf Auswahl, <strong>Beschaffung</strong><br />

und Nutzung der Firmenwagen. Daher ist es unerlässlich, dass die<br />

Unternehmens- oder Organisationsleitung <strong>für</strong> sich Klarheit gewonnen<br />

hat, wie dieser Rahmen aussehen soll.<br />

22 Kleine Kniffe<br />

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Exkurs: Gesamtkostenbetrachtung ist der<br />

Schlüssel<br />

In Bezug auf die Kostenwirkungen der Car Policy ist es insbesondere<br />

von Bedeutung, dass die wählbaren Fahrzeugmodelle auf<br />

Basis einer Gesamtkostenbetrachtung festgelegt werden. Der Begriff<br />

„Total Cost of Ownership“ (TCO) oder Fahrzeugnutzungskosten ist<br />

zwar schon länger im Markt verbreitet. Gleichwohl stoßen wir in<br />

Fuhrparks immer noch auf Car Policy-Regelungen, die sich auf Listenpreise<br />

stützen. Dies liegt häufig an einer starken Fokussierung auf<br />

Einkaufspreise und Nachlässe. Hier wird verkannt, dass die Anschaffungskosten<br />

bzw. die Abschreibung eines Fahrzeugs gerade einmal<br />

die Hälfte der gesamten Nutzungskosten ausmachen. Die Festlegung<br />

eines wählbaren Fahrzeugs aufgrund des Listenpreises kann daher<br />

leicht zu hohen Gesamtkosten führen. Nachfolgend ein Beispiel <strong>für</strong><br />

einen Fuhrpark von 50 Fahrzeugen (durchschnittlicher Fahrzeug-Preis<br />

30.000 EUR / Nutzungsdauer 4 Jahre / 30.000km p.a.). In<br />

Szenario 1 wird der Rabatt auf den Einkaufspreis um 5% verbessert.<br />

In Szenario 2 werden stattdessen <strong>für</strong> den Fuhrpark Fahrzeuge<br />

gewählt, deren durchschnittlicher Treibstoffverbrauch um 1 Liter<br />

per 100 km tiefer liegt.<br />

Im Szenario 2 können die Kosten um 20% stärker abgesenkt<br />

werden, als bei der Verhandlung eines besseren Rabatts. Da letzteres<br />

in der aktuellen Situation (Lieferengpässe der Hersteller und<br />

Senkung von Rabatten) ohnehin kaum möglich ist, ist es wichtig,<br />

die Betriebskosten im Blick zu haben.<br />

Unternehmen, die Ihre Fahrzeuge leasen haben den Vorteil, dass<br />

sie hierzu auf die Unterstützung ihres Leasinggebers zurückgreifen<br />

können. Denn aus der monatlichen Full-Service-Leasing-Rate<br />

lässt sich das Gesamtkostenbudget nach Hinzurechnung der Treibstoffkosten<br />

leicht ermitteln. Ist der Fuhrpark gekauft, ist dies oft<br />

deutlich schwieriger, da eine auswertbare Datenbasis fehlt.<br />

Bedeutung der Fahrzeugausstattung<br />

Zurück zur Car Policy: Je Berechtigtengruppe sollten Sie daher<br />

ein entsprechendes Gesamtkostenbudget festlegen. Idealerweise<br />

leiten Sie dieses Budget von einem (oder mehreren) Referenzfahrzeugmodell(en)<br />

ab, dass tiefe Gesamtkosten aufweist. Dadurch haben<br />

Sie einen Maßstab, an dem Sie sich gerade auch bei Preisveränderungen<br />

orientieren können. Denn wenn Sie z. B. erfolgreich neue tiefere<br />

Nachlässe mit Ihrem Fahrzeuglieferanten vereinbaren (ein zurzeit<br />

eher unrealistisches Szenario am Markt), sollen diese Einsparungen<br />

ja dem Unternehmen zugutekommen. Sinken also die Gesamtkosten<br />

des Referenzfahrzeugs, korrigieren Sie das Gesamtkostenbudget<br />

nach unten – und umgekehrt, sollten Kosten steigen.<br />

Wesentlicher Faktor <strong>für</strong> die Gesamtkosten des Fuhrparks sind<br />

die Regelungen zur Fahrzeugausstattung, die Sie in der Car Policy<br />

verankern. Nachfolgend aus der Dienstwagenumfrage die typischen<br />

Features im Firmenwagen.<br />

<strong>Das</strong> Beispiel macht deutlich, dass es wichtig ist, die Gesamtkosten<br />

des Fuhrparks zu kennen. Neben den Betriebskosten ist<br />

dabei der sog. Restwert ein wichtiger Bestandteil. Dieser gibt den<br />

Wert des Fahrzeugs am Nutzungsende an. Der Restwert beeinflusst<br />

maßgeblich die Gesamtkosten. Denn er bestimmt, wie hoch der zu<br />

amortisierende Betrag während der Nutzungsdauer ist.<br />

Zum einen gibt es Ausstattungen, die den Restwert des Fahrzeugs<br />

nach Nutzungsende positiv beeinflussen. Damit sind sie ein<br />

wichtiger Hebel <strong>für</strong> tiefe Fuhrparkkosten. Daneben sollten sie<br />

Kostentreiber bei der Ausstattung ausschließen, die unmittelbaren<br />

Einfluss auf die Gesamtkosten haben. Dies sind z. B. breite Reifen<br />

oder Sportausstattungslinien. Auch hierzu sollten Sie daher Regelungen<br />

treffen in der Car Policy: entweder den Ausschluss dieser<br />

Kleine Kniffe<br />

23<br />

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Kostentreiber oder die Kostenübernahme durch den Fahrer. Die<br />

nachfolgende Abbildung zeigt die Ergebnisse bei bestimmten Ausstattungen<br />

hinsichtlich Kostenübernahme oder Ausschluss.<br />

stärker sein. Langsam wandelt sich hier aber die Einstellung.<br />

Auf der regulatorischen Seite können Unternehmen auch<br />

Restriktionen bei der Fahrzeugwahl vornehmen, z. B. bestimmte<br />

Fahrzeugkategorien mit hohem Kraftstoffverbrauch ausschließen.<br />

Nachfolgend die in der Dienstwagenumfrage genannten erlaubten<br />

Fahrzeugarten.<br />

Diese Beispiele machen deutlich, welche wesentlichen Kostenhebel<br />

in der Car Policy liegen und das es sich lohnt diese mit Sorgfalt<br />

zu entwickeln.<br />

Weiteres wesentliches Feld der Car Policy – der<br />

umweltfreundliche Fuhrpark<br />

<strong>Das</strong> Gleiche gilt <strong>für</strong> das Thema Nachhaltigkeit. Hier hat das<br />

Unternehmen einen breiten Fächer an Möglichkeiten, um insbesondere<br />

den CO 2<br />

-Ausstoß des Fuhrparks zu reduzieren. Als ersten<br />

Punkt gilt es die entsprechenden Unternehmensziele zu formulieren<br />

und in der Policy zu verankern. Da die Fahrzeugtechnologie sich<br />

ständig weiterentwickelt, macht es Sinn, einen Reduzierungspfad <strong>für</strong><br />

die CO 2<br />

-Emissionen des Fuhrparks festzulegen. Dieser legt fest, in<br />

welchem Maß die CO 2<br />

-Obergrenzen jährlich abgesenkt werden <strong>für</strong><br />

die jeweils dann zu beschaffenden Neufahrzeuge.<br />

Ist dieser Rahmen gesetzt, gibt es weitere Instrumente, mit<br />

denen die Berechtigten motiviert werden können. Immer häufiger<br />

genutzt werden dabei sog. Bonus-Malus-Konzepte, bei denen die<br />

Fahrer belohnt werden, wenn sie Fahrzeuge mit tieferem CO 2<br />

-Ausstoß<br />

wählen als in der Car Policy vorgesehen. Der Bonus liegt dabei<br />

meist in einem höheren Budget, dass z. B. <strong>für</strong> zusätzliche Ausstattung<br />

genutzt werden kann. Werden dagegen Fahrzeuge mit höheren<br />

Emissionen gewählt, gibt es entsprechende Abzüge vom Budget.<br />

Ein weiteres Mittel ist die Förderung des Downsizings, bei dem<br />

der Mitarbeitende ein Fahrzeug einer tieferen Berechtigtenkategorie<br />

wählt (also z. B. einen VW Golf anstatt dem ihm zustehenden VW<br />

Passat). Für mich ist es unverständlich, dass Unternehmen häufig<br />

hier noch an starren Hierarchieregeln festhalten und eine Niedrigstufung<br />

nicht akzeptieren. Denn der Effekt des Downsizings hat<br />

Kosten- und Umweltvorteile <strong>für</strong> das Unternehmen. Noch unverständlicher<br />

ist es, dass Unternehmen, wenn sie downsizing zulassen,<br />

den Kostenvorteil nicht zumindest anteilig an den Mitarbeitenden<br />

ausschütten. Denn dann kann der Effekt im Unternehmen deutlich<br />

Dieser Weg ist in der Regel aber eher bei Funktions- als bei sog.<br />

Statusfahrzeugen möglich. Typischerweise wird in Unternehmen<br />

zwischen Funktions-Fahrzeugen, die <strong>für</strong> die Ausübung der Tätigkeit<br />

notwendig sind, und den sog. Benefit- oder Status-Fahrzeugen unterschieden.<br />

Letztere werden aufgrund der Stellung des Mitarbeiters<br />

im Unternehmen vergeben und stellen einen Bestandteil des Anstellungsvertrags<br />

bzw. des Gehaltspakets dar. Bei dieser Gruppe sind<br />

Begrenzungen daher in der Regel schwieriger umzusetzen. Hier gilt<br />

es die oben beschrieben Motivationsmittel einzusetzen. Grundsätzlich<br />

gilt bei diesem meist sensiblem Thema eher den motivierenden<br />

als den regulierenden Weg einzuschlagen. Gerade in Zeiten des sich<br />

verschärfenden Mangels an qualifizierten Mitarbeitenden ist dies der<br />

bessere Weg. Aus der Dienstwagenumfrage ergab sich interessanterweise,<br />

dass noch mehr als die Hälfte der Unternehmen in 2021 keine<br />

Förderung von E-Mobilität vorsahen. <strong>Das</strong> dürfte sich mittlerweile<br />

stark verändert haben.<br />

Wie immer bei gewünschten Veränderungen sollte zudem<br />

beachtet werden, welche Strahlkraft die Unternehmensleitung hat,<br />

hier mit gutem Beispiel voranzugehen. Diese Bereitschaft beobachte<br />

ich allerdings nur selten. Zu lieb gewonnen sind die hergebrachten<br />

Privilegien und Statussymbole.<br />

24 Kleine Kniffe<br />

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Schließlich gilt es bei der Neuausrichtung einer Car Policy auch<br />

zu Bedenken, dass wir vor einem tiefgreifenden Wandel der <strong>betriebliche</strong>n<br />

Mobilität stehen. Jetzt können Sie sagen: „Ich bin bereits mit<br />

Volldampf dabei, unseren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umzustellen.<br />

Dann bin ich doch auf dem richtigen Weg, oder?“ Auch wenn das<br />

richtig ist, kann diese Maßnahme nur ein erster Ansatzpunkt sein.<br />

Denn es ist absehbar, dass sich die Regulierungs- und Steuerungsmaßnahmen<br />

über die Fahrzeugflotte hinaus auf andere emittierende<br />

Bereiche im Unternehmen konzentrieren werden.<br />

Die CO 2<br />

-Emissionen von Firmenfahrzeugen gehören zu den<br />

sog. „direkten Emissionen“, die im Scope 1 des Greenhouse Gas Protocol<br />

aufgeführt sind. Scope 2 betrifft eingekauften Strom, Wärme<br />

und Dampf. Der interessanteste Bereich ist jedoch der Scope 3, der<br />

u. a. auch die Geschäftsreisen und den Arbeitsweg umfasst. Scope<br />

3-Emissionen machen bei vielen Unternehmen 75 % oder mehr der<br />

CO 2<br />

-Emissionen aus. Ein Blick in den jüngsten Umweltfortschrittsbericht<br />

2020 von Apple zeigt beispielsweise, dass Mobilität im<br />

Zusammenhang mit Geschäftsreisen und Pendeln mehr als das<br />

30-fache der CO 2<br />

-Emissionen im Vergleich zu Firmenwagen verursacht.<br />

Bislang mussten Unternehmen nur über Scope-1-Emissionen<br />

berichten. Es ist daher erstaunlich, dass viele Unternehmen die<br />

CO 2<br />

-Emissionen des Fuhrparks gar nicht ermitteln. Laut der<br />

Umfrage tun dies nur etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen.<br />

erreichen. Dazu muss ich mir die gesamte Mobilität anschauen, die<br />

unser Unternehmen verursacht.“ Er hatte klar erkannt: Wir stehen<br />

vor einem bedeutenden Wandel, der es erfordert, dass wir unsere<br />

Sichtweise auf die reinen Firmenfahrzeuge revidieren.<br />

Es ist also an der Zeit, den Blick über den Fuhrpark hinaus zu<br />

weiten und ein umfassendes Mobilitätskonzept <strong>für</strong> das Unternehmen<br />

zu entwickeln. <strong>Das</strong> bedeutet, dass sich die Unternehmen darüber klar<br />

werden müssen, wie sie auch Veränderungen bei den Geschäftsreisen<br />

umsetzen können. Vor allem aber müssen sie auch die “graue Flotte”<br />

der Pendler oder Bezieher einer Autopauschale in den Blick nehmen<br />

und prüfen, wie diesen Mitarbeitern im Rahmen einer innovativen<br />

Mobilitätspolitik Angebote gemacht werden können, die zu einer<br />

deutlichen Reduzierung der Emissionen führen können. Die Pandemie<br />

hat hier bereits ungewollte Veränderungen herbeigeführt, die<br />

zu einem deutlich höheren Anteil von Home-Office-Arbeit führen.<br />

Denn dadurch wird Pendlermobilität vermieden.<br />

Diesen Wandel anzunehmen bedeutet, breit zu denken. Ich<br />

war beeindruckt zu sehen, wie im Rahmen eines Beratungsprojekts<br />

eines unserer Partner in Spanien tiefgreifende Veränderungen bei<br />

den Pendlern angedacht wurden und ein Bündel von Maßnahmen<br />

wie Job Bikes, Busshuttle, geschäftliche und private Carsharing-Apps<br />

entwickelt wurden. Um das Feuer zu entfachen, wurde ein ständiger<br />

Mobilitätsausschuss eingerichtet und ein Mobilitäts-Newsletter<br />

herausgegeben.<br />

Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen. Fangen Sie an, kreative<br />

Konzepte zu entwickeln, um Herausforderungen zu begegnen -<br />

bevor der Wandel an Ihre (Auto)Tür klopft.<br />

Die Initiativen z. B. der EU-Kommission zielen jedoch eindeutig<br />

auf eine Ausweitung ab, die ab 2026 alle börsennotierten Unternehmen<br />

in die Pflicht nehmen soll.<br />

Kommen wir also zurück zur Umstellung des Fuhrparks<br />

auf Elektrofahrzeuge. Natürlich ist das ein richtiger und wichtiger<br />

Schritt. Er kann aber nur der erste Schritt auf dem Weg zur<br />

Reduktion der CO 2<br />

-Emissionen im Bereich der Mobilität sein. Der<br />

österreichische Fuhrparkleiter, der <strong>für</strong> mehr als 1.000 Dienstwagen<br />

eines deutschen Konzerns verantwortlich ist, sagte mir schon vor<br />

zwei Jahren: “<strong>Das</strong> Unternehmensziel der CO 2<br />

-Neutralität werde ich<br />

mit der Umstellung des Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge allein nicht<br />

Autor:<br />

Thilo von Ulmenstein<br />

fleetcompetence Group<br />

Kleine Kniffe<br />

25<br />

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Nachhaltige Mobilität<br />

Die Verkehrswende nachhaltig und fair gestalten<br />

Der rasant voranschreitende Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.<br />

Um das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen, die Erderwärmung auf möglichst unter 1,5<br />

Grad zu beschränken, muss der Ausstoß von Treibhausgasen schnellstmöglich stark reduziert<br />

werden. Hier<strong>für</strong> ist unter anderem der Verkehrssektor von entscheidender Bedeutung. Dieser ist in<br />

Deutschland <strong>für</strong> rund zwanzig Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich.<br />

Ein Beitrag von Dr. Verena Kröss<br />

Zudem ist es der einzige Sektor, der in den vergangenen Jahrzehnten<br />

seine Emissionen nicht dauerhaft senken konnte. Es gibt<br />

also dringenden Handlungsbedarf bei der Gestaltung der Verkehrswende.<br />

Vergabestellen in Behörden, staatlichen Institutionen und<br />

öffentlichen Unternehmen kommt dabei eine wichtige Rolle zu.<br />

Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie <strong>für</strong> saubere Fahrzeuge<br />

in deutsches Recht wurden öffentliche Vergabestellen verbindlich<br />

in bestimmte Aspekte der Verkehrswende mit einbezogen. <strong>Das</strong> im<br />

vergangenen Jahr erlassene Gesetz über die <strong>Beschaffung</strong> sauberer<br />

Fahrzeuge (SaubFahrzeugBeschG) legt Mindestquoten an emissionsarmen<br />

und sauberen Fahrzeugen in öffentlichen Auftragsvergaben<br />

<strong>für</strong> die nächsten Jahre fest.<br />

Die prognostizierten Wachstumsraten der Branche und das<br />

erwartete Investitionsvolumen der öffentlichen Hand in E-Mobilität<br />

sind enorm. Doch der rasant steigende Bedarf an Akkus <strong>für</strong> die<br />

E-Mobilität geht auch mit einer Verschärfung menschenrechtlicher<br />

und ökologischer Problematiken, insbesondere beim Abbau der<br />

benötigten Rohstoffe, einher. Dies wurde zuletzt auch in der breiten<br />

Öffentlichkeit vor allem mit Blick auf den Abbau von Kobalt in der<br />

Demokratischen Republik Kongo und die Gewinnung von Lithium<br />

in Chile und Argentinien verstärkt diskutiert.<br />

Die Umstellung des öffentlichen Fuhrparks und insbesondere<br />

der Busse im öffentlichen Nahverkehr auf elektrische Antriebe ist<br />

dringend notwendig <strong>für</strong> die Erreichung der Klimaschutzziele.<br />

Mit Blick auf das enorme Investitionsvolumen und die besondere<br />

Vorbildfunktion ist es jedoch auch wichtig, die Verantwortung<br />

der öffentlichen Hand <strong>für</strong> die Gestaltung einer ganzheitlichen Verkehrswende<br />

zu betonen. Ganzheitlich ist die Verkehrswende dann<br />

erst, wenn sie neben den wichtigen klimapolitischen auch anderen<br />

ökologischen und menschenrechtlichen Gesichtspunkten gerecht wird.<br />

Vergabestellen sollten daher versuchen, auch bei der <strong>Beschaffung</strong> von<br />

E-Mobilitätsprodukten ihre Hebelwirkung zu nutzen, um Einfluss auf<br />

den wachsenden Markt zu nehmen und damit einen Beitrag zu einer<br />

langfristigen Verbesserung der Herstellungsbedingungen zu leisten.<br />

Dies ist zunächst einmal leichter gesagt als getan. Bei Fahrzeugen<br />

handelt es sich um komplexe Produkte mit weit verzweigten internationalen<br />

Wertschöpfungsketten, in denen es häufig an Transparenz<br />

mangelt. Die Frage, was der Markt eigentlich alles bereits liefern kann,<br />

lässt sich zum Teil nicht immer leicht beantworten, da es bisher keine<br />

etablierten Gütesiegel oder Zertifikate <strong>für</strong> Fahrzeuge oder die Batterie<br />

als Ganzes gibt. Die Standardsetzung erfolgt aktuell vor allem anhand<br />

einzelner Rohstoffe. Die Berücksichtigung sozialer und ökologischer<br />

Kriterien im Vergabeprozess steht bei solch komplexen Produkten ohne<br />

etablierte weitreichende Gütesiegel vor einigen Herausforderungen. <strong>Das</strong><br />

bedeutet aber nicht, dass Vergabestellen nichts tun können.<br />

Wenn Sie überlegen, in Ihrer Kommune E-Mobilitätsprodukte sozial<br />

und ökologisch verantwortlich zu beschaffen, ist es wichtig dies als langfristige<br />

Aufgabe anzunehmen und schrittweise vorzugehen. Ein erstes<br />

Ziel ist dabei der Aufbau interner Kapazitäten und Kompetenzen <strong>für</strong> die<br />

Beschäftigung mit sozialen und ökologischen Aspekten in der <strong>Beschaffung</strong><br />

von E-Mobilitätsprodukten. Offene Fragen zu sozialen Aspekten<br />

und zur Herstellung größerer Transparenz sollten zunehmend auch in<br />

den häufig bereits bestehenden Austausch mit Lieferanten und in ggf.<br />

bereits geplante Marktdialoge mit aufgenommen werden. So gewinnen<br />

Sie einen Eindruck davon, was Unternehmen am Markt bereits liefern<br />

können und bereiten ihre Lieferanten auf neu entstehende Anforderungen<br />

vor.<br />

26 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

Wichtig ist auch, dass Sie sich der Herausforderung, E-Mobilitätsprodukte<br />

sozial und ökologisch verantwortlich zu beschaffen,<br />

natürlich nicht allein stellen müssen und nicht alle Antworten neu<br />

finden müssen. Die gute Nachricht ist, dass es auf diesem Feld aktuell<br />

einige Pilotprojekte gibt, von denen andere Vergabestellen lernen<br />

können. Die Hamburger Hochbahn AG hat bereits Erfahrungen<br />

mit der Verankerung sozialer Kriterien in Ausschreibungen <strong>für</strong><br />

elektrische Busse gesammelt und ist bemüht, diese stetig weiterzuentwickeln.<br />

Vor kurzem hat auch die Stadt Malmö (Schweden) einen<br />

Fahrplan <strong>für</strong> die <strong>Beschaffung</strong> „besserer Batterien“ veröffentlicht, der<br />

die Problemstellungen und Handlungsfelder <strong>für</strong> Vergabestellen<br />

analysiert. Äußerst vielversprechend ist auch das kürzlich gestartete<br />

Programm zu emissionsarmen Fahrzeugen der unabhängigen<br />

Monitoring-Organisation Electronics Watch. In diesem Programm<br />

wird Electronics Watch ihr erfolgreiches Wirkmodell, das über viele<br />

Jahre im Bereich der sozial-verantwortlichen IT-<strong>Beschaffung</strong> entwickelt<br />

wurde, auf die Fahrzeugbranche übertragen.<br />

Weiterführende Links zu den genannten<br />

Pilotprojekten:<br />

Artikel zur Ausschreibung der Hamburger Hochbahn:<br />

https: /t1p.de/400q9<br />

Fahrplan der Stadt Malmö (englisch):<br />

https: /t1p.de/bijen<br />

Electronics Watch “Low Emission Vehicle Programme”:<br />

https: /t1p.de/gmpq4<br />

Möchten Sie nun mehr über die Probleme und Ansatzpunkte<br />

einer <strong>nachhaltige</strong>n und fairen Gestaltung der Verkehrswende erfahren?<br />

Wir, die NGO Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung<br />

(WEED) arbeiten bereits seit mehreren Jahren zum Thema der<br />

fairen und ökologischen <strong>Beschaffung</strong> und bieten Beratungen <strong>für</strong><br />

Kommunen an. In einem aktuell laufenden Projekt widmen wir uns<br />

vor allem den beiden Produktgruppen IT und E-Mobilität. In den<br />

kommenden Wochen geben wir auch unsere Studie zur sozial-verantwortlichen<br />

<strong>Beschaffung</strong> von E-Mobilitätsprodukten heraus. Die<br />

Studie und weitere Informationen zu unserem Projekt finden Sie<br />

hier:<br />

https://t1p.de/01m9n<br />

Autorin<br />

Dr. Verena Kröss<br />

Referentin <strong>für</strong> internationale<br />

Finanzen, Wirtschaft und<br />

Menschenrechte<br />

Weltwirtschaft, Ökologie &<br />

Entwicklung – WEED e.V.<br />

https://www.weed-online.org/<br />

Kleine Kniffe<br />

27<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 27 12.10.22 12:43


Unternehmensinitiativen der Nachhaltigkeit<br />

Für mehr Glaubwürdigkeit und Transparenz:<br />

Witt-Gruppe setzt auf GOTS-Zertifizierung<br />

Vor einigen Monaten hat die Witt-Gruppe, eines der führenden textilen Omnichannel-Unternehmen <strong>für</strong> die<br />

Zielgruppe 50plus, die GOTS-Zertifizierung (Global Organic Textile Standard) erhalten. Die anspruchsvollen<br />

GOTS-Richtlinien garantieren die Verwendung von Bio-Fasern, die umwelt- und sozialverträgliche<br />

Herstellung der Textilie sowie Transparenz entlang der gesamten Lieferkette. Ellen Goes, Corporate<br />

Responsibility-Managerin bei der Witt-Gruppe, über die Motive <strong>für</strong> die Zertifizierung, den Prozess selbst<br />

und damit verbundene Herausforderungen.<br />

Thomas Heine im Gespräch mit Ellen Goes<br />

Inwieweit hat diese wachsende Erwartungshaltung<br />

der Kunden die Entscheidung <strong>für</strong> die GOTS-Zertifizierung<br />

beeinflusst?<br />

Ellen Goes: Anhand von Befragungen und Erfahrungswerten<br />

aus unserem Kundenservice wissen wir, dass die Produktionsbedingungen<br />

tatsächlich eine zunehmend wichtige Rolle bei der<br />

Kaufentscheidung spielen. <strong>Das</strong> Bewusstsein <strong>für</strong> den Wert von Kleidung<br />

im Allgemeinen wächst, faire Arbeitsbedingungen und eine<br />

umweltschonende Herstellung sowie Qualität sind unseren Kundinnen<br />

und Kunden besonders wichtig. Gleichzeitig wünschen sich<br />

Kundinnen und Kunden, dass nachhaltig hergestellte Artikel auf den<br />

ersten Blick erkennbar sind, beispielsweise durch eine Auslobung mit<br />

relevanten und bekannten Siegeln. Insofern war die Entscheidung<br />

<strong>für</strong> die Zertifizierung auch eine Entscheidung <strong>für</strong> mehr Kundenservice<br />

und <strong>für</strong> die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden.<br />

Im Nachhaltigkeitsbereich gibt es mittlerweile eine Vielzahl an<br />

Siegeln mit unterschiedlichen Kriterien. GOTS gilt als besonders<br />

streng und vereint ökologische mit sozialen Vorgaben – entsprechend<br />

umfangreich sind die Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Zertifizierung.<br />

Warum hat sich die Witt-Gruppe dennoch gerade <strong>für</strong><br />

diesen Standard entschieden?<br />

Ellen Goes: Wir kommen traditionell aus dem Wäschebereich<br />

und gerade in diesem Segment legen Kundinnen und Kunden<br />

großen Wert auf nachhaltig produzierte Artikel. Gerade bei<br />

körpernahen Produkten haben wir bereits ein starkes GOTS-zertifiziertes<br />

Sortiment. Man muss wissen: Ab Mitte dieses Jahres darf<br />

das GOTS-Siegel nur noch verwendet werden, wenn die gesamte<br />

Lieferkette zertifiziert ist. <strong>Das</strong> heißt, wir dürften Artikel, die nach<br />

dem GOTS-Standard hergestellt werden, nicht als nachhaltig beziehungsweise<br />

mit dem GOTS-Siegel kennzeichnen, solange wir als<br />

Händler nicht selbst zertifiziert sind. Wir haben uns nach sorgfältiger<br />

Betrachtung bewusst dazu entschieden, den Standard einzusetzen<br />

– und ihn offensiv zu bewerben. Unsere primäre Motivation der<br />

Zertifizierung war also, unseren Kundinnen und Kunden zu signalisieren:<br />

„Die Witt-Gruppe steht <strong>für</strong> Nachhaltigkeit und wir arbeiten<br />

daran, unser <strong>nachhaltige</strong>s Angebot weiter auszubauen.“ Der Global<br />

Organic Textile Standard ist international bekannt und unsere<br />

Kundinnen und Kunden können sich sicher sein, dass die gesamte<br />

Lieferkette von der Verarbeitung bis hin zum Handel zertifiziert ist.<br />

GOTS-zertifizierte Produkte stammen also aus einer<br />

äußerst transparenten Lieferkette. Inwieweit ist das mit<br />

Blick auf das kommende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

<strong>für</strong> die Witt-Gruppe von Nutzen?<br />

Ellen Goes: Die Zertifizierung war <strong>für</strong> uns eine echte<br />

Win-Win-Situation, denn der Zertifizierungsprozess und die Struktur<br />

des Standards gewähren ein hohes Maß an Transparenz, wie es<br />

sonst entlang gewöhnlicher Lieferketten nur sehr schwer erreicht<br />

werden kann. Sobald ich das Siegel verwende, schaffe ich die Transparenz<br />

in der gesamten Lieferkette, von der Verarbeitung bis zum<br />

Vertrieb. Perspektivisch ist das <strong>für</strong> uns hilfreich: Diese Transparenz<br />

28 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 28 12.10.22 12:43


Foto: Witt Gruppe<br />

geht hinsichtlich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bereits in<br />

die richtige Richtung, die Sorgfaltspflicht wird abgedeckt. Mit GOTS<br />

können wir also zumindest in Teilen die zukünftigen Anforderungen<br />

im Rahmen des neuen Lieferkettengesetzes erfüllen. Wir haben mit<br />

der Zertifizierung bereits eine gute Basis geschaffen und wichtige<br />

Erfahrungswerte gesammelt, was ein großer Vorteil ist.<br />

Wie läuft der Zertifizierungsprozess ab? Was gilt es<br />

dabei zu berücksichtigen?<br />

Ellen Goes: Um ein sogenanntes Betriebszertifikat zu erhalten,<br />

muss nachgewiesen werden, dass alle GOTS-Kriterien erfüllt werden<br />

und damit Produkte nach dem GOTS-Standard hergestellt werden<br />

dürfen. Was konkret geprüft wird ist abhängig vom Verarbeitungsschritt<br />

– die Anforderung an Betriebe, die etwa Garne herstellen,<br />

unterscheiden sich in einigen Punkten natürlich deutlich von den<br />

Anforderungen an uns als Händler. Es gibt aber auch andere Prüfkriterien,<br />

die sich <strong>für</strong> alle Verarbeitungsschritte anwenden lassen, etwa<br />

das Umweltmanagement. Der wichtigste Schritt der Inspektion ist<br />

die Überprüfung des Warenflusses der GOTS-zertifizierten Artikel<br />

und der dazu gehörigen Zertifikate. Diese Zertifikate belegen, dass<br />

die Produkte selbst alle GOTS-Produktkriterien erfüllen. Letztlich<br />

geht es bei diesem Prüfschritt um Transparenz, Glaubwürdigkeit<br />

und lückenlose Nachverfolgbarkeit. Nach dem erfolgreichen Audit<br />

erhält man das Betriebszertifikat, das jährlich durch eine Rezertifizierung<br />

erneuert werden muss.<br />

Was müssen Unternehmen im Vorfeld beachten,<br />

wenn sie sich zertifizieren lassen wollen? Welche Tipps<br />

können Sie anderen mit auf den Weg geben?<br />

Ellen Goes: Für eine optimale Vorbereitung und das Bestehen<br />

des Audits müssen sich Unternehmen zunächst darüber klar sein,<br />

was sie bei diesem Prozess erwartet. Hauptaugenmerk liegt auf der<br />

Prüfung der Dokumentation: Zertifizierer wollen beispielsweise das<br />

Zertifikatsmanagement von Vorstufen sehen, es muss bereits im<br />

Vorfeld eine lückenlose Dokumentation vorhanden sein. Wichtig<br />

sind allgemein ein gutes Management, eine gute Struktur und ein<br />

hohes Maß an Transparenz. Außerdem muss bei allen relevanten<br />

Schnittstellen im Unternehmen ein ausgeprägtes Verständnis <strong>für</strong><br />

die Wichtigkeit dieser Dokumentation und die Sorgfaltspflicht vorhanden<br />

sein. Wir hatten bereits eine gute Vorarbeit, haben uns um<br />

ehrlich zu sein trotzdem lange und intensiv auf das Audit vorbereitet.<br />

Im Zweifelsfall lohnt es sich, eine externe Beratung hinzuzuziehen.<br />

Interview-Partnerin<br />

Ellen Goes<br />

Corporate Responsibility-Managerin<br />

bei der Witt-Gruppe<br />

Kleine Kniffe<br />

29<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 29 12.10.22 12:43


Aus Expertensicht<br />

Open Source – neues Mindset <strong>für</strong> den IT-Einkauf<br />

Der Einsatz von Open-Source-Software, deren Quellcode frei zugänglich ist, ist aus den meisten<br />

Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Der aktuelle Open Source Monitor 2021 des Bitkom<br />

kommt zu dem Ergebnis, dass 71 Prozent aller Unternehmen in Deutschland bereits Open-Source-<br />

Software nutzen. Eingesetzt wird sie vor allem in Unternehmensbereichen, die sich in der digitalen<br />

Transformation befinden, wie Cloud Computing oder Big Data & Analytics. Auch <strong>für</strong> Logistik und<br />

Supply Chain Management ist der Ansatz interessant<br />

Ein Beitrag von Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Henke<br />

Dachser, DB Schenker, duisport und Rhenus haben deshalb im<br />

<strong>Oktober</strong> 2021 gemeinsam die Open Logistics Foundation gegründet.<br />

Die gemeinnützige Stiftung verfolgt das Ziel, den Open-Source-Gedanken<br />

in der Logistik zu realisieren. Zweck ist der Aufbau einer<br />

europäischen Open-Source-Community, um die Digitalisierung in<br />

Logistik und Supply Chain Management auf der Basis von Open<br />

Source voranzutreiben. Dutzende von Unternehmen haben bereits<br />

ihre Mitarbeit angekündigt. Eine derartige Technologieinitiative<br />

ist bis dato nicht nur einmalig in der Logistik, die Stiftungsgründer<br />

nehmen damit auch eine Vorreiterrolle beim Zukunftsthema<br />

Open Source ein. Zusammengebracht hat sie das Fraunhofer IML.<br />

Prof. Michael Henke, Institutsleiter des Fraunhofer IML, sieht im<br />

Open-Source-Ansatz auch ein großes Potenzial <strong>für</strong> den Einkauf.<br />

Dieser hat künftig eine Schlüsselrolle, aber das Mindset der Wirtschaft<br />

muss sich ändern und die große Zeit der Savings geht ihrem<br />

Ende entgegen.<br />

Weshalb haben Sie den Anstoß zur Gründung<br />

der Open Logistics Foundation gegeben?<br />

Wir haben mit Silicon Economy Logistics Ecosystems und<br />

Blockchain Europe zwei große Projekte, die mit öffentlichen Geldern<br />

finanziert sind. Dementsprechend werden wir die Ergebnisse<br />

diskriminierungs- und barrierefrei zur Verfügung stellen, wobei<br />

der Schwerpunkt auf kleinen und mittleren Unternehmen liegt. Es<br />

ist doch völlig ineffizient, wenn jedes Unternehmen <strong>für</strong> sich immer<br />

wieder insbesondere Commodities, die jeder braucht, komplett<br />

eigenständig entwickelt. Deshalb entwickeln wir diese Lösungen<br />

open source und stellen sie allen zur Verfügung. Es geht dabei in<br />

erster Linie um Software und um Baupläne <strong>für</strong> Hardware.<br />

Ein praktisches Beispiel?<br />

Wir haben beispielsweise eine KI-basierte Lösung <strong>für</strong> Estimated<br />

Time of Arrival entwickelt, die allen frei zur Verfügung steht. So<br />

können wir in gewisser Weise De-Facto-Standards realisieren, denn<br />

wenn alle an diesen Lösungen partizipieren, dann sind sie eben auch<br />

schnell überall im Einsatz. Die Ressourcen, die bei den beteiligten<br />

Unternehmen dadurch frei werden, können diese dann wiederum<br />

<strong>für</strong> proprietäre Lösungen nutzen, um ihr eigenes Geschäft weiter<br />

zu entwickeln. <strong>Das</strong> ist doch ein ganz wichtiger Punkt <strong>für</strong> sehr viele<br />

Unternehmen: Wie kann ich meine knappen Ressourcen, insbesondere<br />

wenn es um Softwareentwicklung geht, zielführend einsetzen?<br />

Für kleine und mittlere Unternehmen funktioniert das sicher nicht,<br />

indem jeder seine eigene Softwarelösung entwickelt und dann hofft,<br />

dass sie international zum Standard wird – das wird nicht passieren.<br />

Darüber hinaus schafft eine Open-Source-Software eine gewisse<br />

Vertrauensbasis, weil jeder den dahinter liegenden Code oder die<br />

Baupläne einsehen kann.<br />

Wie könnte eine Open-Source-Lösung im<br />

Einkauf aussehen?<br />

Ich gehe davon aus, dass sich auch der Einkauf in Richtung Open<br />

Source entwickeln wird. Der Einkauf ist es nach wie vor gewohnt und<br />

wird teilweise auch danach incentiviert, Dinge günstig zu beschaf-<br />

30 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 30 12.10.22 12:43


Foto: Open Logistocs Foundation<br />

fen, um die Budgets seiner internen Kunden möglichst auskömmlich<br />

zu gestalten. Er bezahlt <strong>für</strong> bestimmte Güter und Dienstleistungen<br />

und definiert darüber seine Arbeit und seine Erfolge, beispielsweise<br />

in Form von Savings. Nun bekommen Open-Source-Lösungen<br />

in den Unternehmen immer mehr Raum, und die Commodities,<br />

die der Einkauf früher eingekauft hat, sind heute open source<br />

verfügbar. Kostenlos. Was macht der Einkauf dann mit seinem<br />

Instrumentenkasten? Da ist nichts drin, was die <strong>Beschaffung</strong> von<br />

Open-Source-Lösungen adressiert. <strong>Das</strong> ist eine sehr spannende Diskussion,<br />

denn es betrifft sein klassisches, ureigenes Tätigkeitsfeld: die<br />

<strong>Beschaffung</strong> von Gütern und Dienstleistungen, die das Unternehmen<br />

braucht, um seine eigenen Produkte herzustellen.<br />

Die Preise würden sich also massiv verändern?<br />

Die Preise verändern sich auf jeden Fall, denn, vor allem nicht<br />

wettbewerbsdifferenzierende Software- aber auch Hardware ist<br />

dann kostenlos. Viel wichtiger ist aber, dass durch Open Source die<br />

Entwicklungsgeschwindigkeit steigt, und damit auch Wettbewerbsfähigkeit<br />

und Effizienz. Entscheidend sind die Entwickler, die diese<br />

Open-Source-Lösungen verstehen und weiterentwickeln können,<br />

gemeinsam mit der Community, aber auch zu proprietären Lösungen<br />

<strong>für</strong> das eigene Unternehmen. Der Fokus wird sich verschieben von<br />

Einkäufern, die gut verhandeln können zu denen, die Open-Source-Entwicklungen<br />

beurteilen und entscheiden können, diese oder<br />

jene Lösung <strong>für</strong> das eigene Unternehmen zugänglich zu machen und<br />

auf dieser Basis die eigenen Produkte zu entwickeln. <strong>Das</strong> Skill-Level<br />

wird also breiter werden – gefragt sind nicht nur Text Scouting und<br />

Data Analytics, sondern auch die Fähigkeit, Open-Source-Lösungen<br />

aller Art richtig einschätzen und weiterentwickeln zu können.<br />

Die Kompetenz, Preise richtig einzuschätzen und gut verhandeln zu<br />

können, wird dagegen weniger relevant werden.<br />

Muss sich der Einkauf neu erfinden?<br />

Nicht grundsätzlich. Innovationsgespür beispielsweise wird<br />

heute schon von einem Einkäufer erwartet. Was wir brauchen, ist<br />

eine Veränderung im Mindset der Unternehmen, von denen die<br />

meisten ja nach wie vor den Einkauf nach Savings incentivieren. <strong>Das</strong><br />

wird zunehmend unwichtiger, weil man aufgrund der Open-Source-Verfügbarkeit<br />

gar keine Savings mehr generieren kann. Open<br />

Source ist der Schlüssel <strong>für</strong> den größten Effizienzgewinn seit der<br />

globalen <strong>Beschaffung</strong>. Jetzt kommt es darauf an, was der Einkauf<br />

daraus macht.<br />

Autor<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Henke<br />

Institutsleiter Fraunhofer-Institut <strong>für</strong><br />

Materialfluss und Logistik IML |<br />

Die Fragen stellte Ulrike<br />

Dautzenberg, freie Journalistin aus<br />

Wiesbaden<br />

Kleine Kniffe<br />

31<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 31 12.10.22 12:43


Aus nationalen Kompetenzstellen der <strong>Beschaffung</strong><br />

Der unbemerkte Einfluss<br />

von Software auf unsere Umwelt<br />

Die Digitalisierung hat einen enormen Einfluss auf unseren ökologischen Fußabdruck und den<br />

Energie- und Ressourcenverbrauch. Die Produktion digitaler Endgeräte, der höhere Strombedarf<br />

der IT-Infrastruktur oder die Übertragung großer Datenmengen über das Glasfaser- oder<br />

Mobilfunknetz sind schon heute eine ernst zu nehmende Umweltbelastung. So wie bisher können<br />

wir nicht weiter machen! Doch es reicht nicht, CO 2<br />

-Emissionen zu reduzieren – wir müssen<br />

Ressourcen in Zukunft effektiver und effizienter nutzen.<br />

Ein Beitrag von Mathias Bornschein<br />

Software ist allgegenwärtig und weit mehr als<br />

ein Programmcode<br />

Software bestimmt, wie energie- und<br />

ressourceneffizient unsere Geräte sind.<br />

Digitalisierung kann dabei unterstützen. Sie ist ein zentraler<br />

Schlüssel, um unsere gesteckten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.<br />

Klar ist, dass die Digitalisierung selbst auch nachhaltig gestaltet<br />

werden muss. Der Fokus bei diesem Thema fällt jedoch schnell auf<br />

die Herstellung oder den Betrieb von Infrastruktur oder Hardware.<br />

Software hingegen spielt in diesem Zusammenhang eine bisher<br />

wenig beachtete Rolle.<br />

Dabei brachte der Autor Marc Andreessen schon im Jahr 2011<br />

deren wachsende Bedeutung in der heutigen Zeit auf den Punkt. In<br />

seinem Essay „Why Software Is Eating The World“ (Andreessen,<br />

2011) beschreibt er den stetig wachsenden Einfluss von Software<br />

und großer Softwarefirmen und wie uns diese in vielen Bereichen<br />

des täglichen Lebens schier auffressen.<br />

Software bestimmt dabei schon lange nicht mehr nur darüber,<br />

wie wir unsere Texte am Computer verfassen oder unsere digitalen<br />

Bilder bearbeiten. Sie verändert vielmehr, wann und wie wir<br />

Informationen und Daten suchen, finden, konsumieren, weiterverarbeiten<br />

und speichern. Im Hintergrund und häufig unbemerkt ist<br />

Software jedoch noch viel mächtiger.<br />

Am Ende verbraucht zwar weiterhin die Hardware die Energie,<br />

aber Software löst diesen „Energiehunger“ in der Regel aus. Computer<br />

und die wachsende Anzahl smarter Endgeräte vom T-Shirt mit<br />

Mikrochip bis zur Brille mit Display, können immer nur so energieeffizient<br />

sein, wie es ihnen die Software ermöglicht.<br />

Softwareentwicklung und Datenverarbeitung unterliegen dabei<br />

keinen Beschränkungen. Generell bestimmen heute noch immer die<br />

Regeln der Wirtschaftlichkeit, dass Programmierzeit über Rechenzeit<br />

gestellt wird. Dies führt dazu, dass ineffiziente Programmierung<br />

akzeptiert und durch schnellere und leistungsfähigere Hardware<br />

kompensiert wird.<br />

Daneben haben Softwaredesign und Programmierung, zusätzlich<br />

zum „Energiehunger“, auch durch Updatepolitik oder die<br />

Implementierung zahlreicher nützlicher und unzähliger ungenutzter<br />

Funktionen (Software-Bloat) einen maßgeblichen Einfluss, wie<br />

kurz oder lang Geräte genutzt werden können. Die Forschung zeigt,<br />

dass dies im schlimmsten Fall sogar dazu führen kann, dass voll<br />

funktionstüchtige Hardware erneuert werden muss (softwarebedingte<br />

Hardwareobsoleszenz).<br />

32 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_10_22_KMU.indd 32 12.10.22 12:43


Diese Entwicklungen können wir so nicht<br />

weiter hinnehmen<br />

Wir müssen vorhandene Potenziale identifizieren und ausnutzen.<br />

Auch beim Thema Software bieten sich <strong>für</strong> jeden von uns<br />

Möglichkeiten, diesem Energie- und Ressourcenverbrauch aktiv<br />

entgegenzuwirken.<br />

Einen großen Beitrag können hierbei natürlich Programmierer:innen<br />

leisten. So kann schon durch die Auswahl der richtigen<br />

Programmiersprache zu Beginn eines Softwareprojektes bei gleichen<br />

Ergebnissen eine deutlich bessere Energiebilanz erzielt werden.<br />

Studien zeigen, dass systemnahe Programmiersprachen (z.B. C#) im<br />

Gegensatz zu interpretierten Programmiersprachen (z.B. Python)<br />

effizienter sein können, da Rechenoperationen direkt ausgeführt<br />

und nicht erst aufwändig kompiliert oder übersetzt werden müssen<br />

(siehe Pereira et al., 2021).<br />

<strong>Das</strong> Umweltbundesamt versucht genau hier Expertise zu bündeln<br />

und Tatsachen zu schaffen. Mit dem Vorhaben „SoftAWERE<br />

: Energieeffizienz-Kennwerte von Komponenten und Werkzeugen<br />

der Softwareentwicklung und Vorarbeiten zur Etablierung einer<br />

Kennzeichnung <strong>für</strong> energieeffiziente Software“ soll mehr Transparenz<br />

in der Softwareentwicklungsgemeinschaft geschaffen werden.<br />

Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens sollen Softwareentwickler:innen<br />

als Werkzeug dienen, einfach und ohne großen Aufwand<br />

den Energieverbrauch ihres Programmcodes zu ermitteln und im<br />

Nachgang zu optimieren.<br />

Mit der richtigen Software lässt sich mit jedem<br />

Punkt und Komma Energie sparen.<br />

Aber nicht nur die Auswahl der Programmiersprache, sondern<br />

auch die Auswahl eingesetzter Anwendungsprogramme kann einen<br />

positiven Einfluss auf unseren ökologischen Fußabdruck haben. So<br />

zeigt ein weiteres Forschungsvorhaben des Umweltbundesamts,<br />

dass zwei Textverarbeitungsprogramme bei gleichem Nutzungsszenario<br />

einen unterschiedlichen Energieverbrauch aufweisen können,<br />

der bis zu 4x höher ausfallen kann (siehe Gröger et al., 2018).<br />

Kurzfristiges Ziel muss es sein, solche Softwareprodukte zu identifizieren<br />

und perspektivisch als Standardsoftware im täglichen<br />

Arbeitsalltag zu etablieren.<br />

Einen ersten Schritt geht dabei das Umweltzeichen Blauer<br />

Engel <strong>für</strong> Ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte<br />

(DE-UZ 215). <strong>Das</strong> Umweltzeichen möchte einen Beitrag leisten,<br />

um den Energieverbrauch der IKT insgesamt zu reduzieren und<br />

die Ressourceneffizienz zu steigern. Konsument:innen, sowie die<br />

öffentliche <strong>Beschaffung</strong> sollen Gewissheit erlangen, dass die ausgezeichneten<br />

Softwareprodukte „[...] im besonderen Maße sparsam<br />

mit den Hardwareressourcen umgehen und in ihrer Nutzung einen<br />

sparsamen Energieverbrauch aufweisen [...] ohne eine vergleichende<br />

Wertung zwischen verschiedenen Produkten vorzunehmen.“ (vgl.<br />

RAL, 2020).<br />

Mit dem universellen Dokumentenbetrachter KDE Okular<br />

konnte hier bereits ein Softwareprodukt ausgezeichnet werden.<br />

Diese Software ermöglicht es zum Beispiel, auch beim Lesen von<br />

PDF-Dateien etwas <strong>für</strong> die Umwelt zu tun.<br />

Dieser Blaue Engel <strong>für</strong> Software befindet sich derzeit in der<br />

grundlegenden Überarbeitung und soll perspektivisch bis Ende 2023<br />

neben reinen Desktopanwendungen auch auf App- und Cloudanwendungen<br />

erweitert werden.<br />

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass das Thema Software auch<br />

im Zusammenhang mit Green IT mitgedacht werden muss und die<br />

ersten Schritte bereits gegangen wurden. Es wird aber auch deutlich,<br />

dass wir unsere gesteckten Nachhaltigkeitsziele nur erreichen, wenn<br />

alle von uns mithelfen.<br />

Quellen:<br />

1. ANDREESSEN, M. 2011. Why Software Is Eating The World : Essey.<br />

The Wallstreet Journal. [s.l.].<br />

2. GRÖGER, J., KÖHLER, A., NAUMANN, S., FILLER, A., GULDNER, A.,<br />

KERN, E., HILTY, L. M. & MAKSIMOV, Y. 2018. Entwicklung und<br />

Anwendung von Bewertungsgrundlagen <strong>für</strong> ressourceneffiziente Software<br />

unter Berücksichtigung bestehender Methodik : Abschlussbericht,<br />

Dessau, Umweltbundesamt.<br />

3. PEREIRA, R., COUTO, M., RIBEIRO, F., RUA, R., CUNHA, J., FERN-<br />

ANDES, J. P. & SARAIVA, J. 2021. Ranking programming languages by<br />

energy efficiency. Science of Computer Programming, 205.<br />

4. RAL 2020. Ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte : DE-UZ<br />

2015 ; Vergabekriterien, Bonn, RAL Umwelt.<br />

Autor<br />

Mathias Bornschein<br />

Umweltbundesamt,<br />

Referat Digitalisierung und<br />

Umweltschutz, E-Government<br />

www.uba.de<br />

Kleine Kniffe<br />

33<br />

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Nachhaltige Produktinnovationen<br />

Nachhaltigkeit:<br />

Rechenzentren energetisch sanieren und planen<br />

Eine der wichtigsten Erkenntnisse in Krisenzeiten ist die enorme Abhängigkeit unserer alltäglichen<br />

Abläufe von der digitalen Infrastruktur. Diese Entwicklung rückt Rechenzentren zunehmend<br />

in den Blick: Es stellt sich die Frage nach deren Umwelteinfluss und Vereinbarkeit mit einer<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Zukunft. Auch die effizienteste Hardware braucht Kühlung – und genau an dieser<br />

Stelle verschenken Unternehmen noch zu oft viel Potenzial. Denn ein energetisches Ende-zu-Ende-<br />

Konzept schont Hardware, Umwelt und Geldbeutel.<br />

Ein Beitrag von Bernhard Seibold und Conrad Wächter<br />

Kosten, Ökologie, mehr energetische Unabhängigkeit – es gibt<br />

viele gute Gründe, ein Rechenzentrum nicht nur im Hinblick auf die<br />

Leistung, sondern auch auf den Stromverbrauch zu optimieren. Je<br />

geringer der Kühlaufwand von leistungsstarken Chipsätzen und je<br />

mehr nutzbare Wärme abgeführt werden kann,<br />

umso besser <strong>für</strong> die Gesamtenergiebilanz. Doch<br />

selbst beim besten Wirkungsgrad entstehen<br />

immer Verluste. Daher muss ein ganzheitliches<br />

Energiekonzept auch die Frage beantworten:<br />

Wie kann die Abwärme nicht nur reduziert,<br />

sondern vom Verlust zum Gewinn werden?<br />

Die Lösung kann in einer Vielzahl von Fällen<br />

eine Heißwasserkühlung in Kombination mit<br />

entsprechender Zweit- oder Nebennutzung<br />

sein.<br />

Damit eine solche Nachverwertung erfolgreich<br />

funktioniert, ist die effektive Ableitung<br />

der Wärme von den Chip-Oberflächen die<br />

Grundvoraussetzung. Die erwähnte Heißwasserkühlung<br />

stellt hierbei das derzeitige<br />

technische Optimum dar: Wasser ist aufgrund<br />

seiner hervorragenden Wärmetransporteigenschaften als Kühlmedium<br />

ca. 3.800-mal besser als Luft; und die Nutzung des bereits im<br />

Kühlsystem befindlichen heißen Wassers ist energetisch ideal <strong>für</strong><br />

Folgeprozesse wie die Abgabe der Energie in ein Nahwärmenetz<br />

oder die Heizung von direkt angeschlossenen Gebäudeteilen.<br />

Planung und Realisierung<br />

Prinzipiell ist eine Realisierung auf der grünen Wiese dabei<br />

ebenso möglich wie eine Nachrüstung von Bestandssystemen; um<br />

die energetischen Vorteile eines solchen Kühlkonzepts<br />

bestmöglich nutzen zu können, ist <strong>für</strong> beide Varianten<br />

eine gewisse Vorplanung auch über die IT selbst hinaus<br />

nötig, etwa in baulicher Hinsicht. Besondere Kompetenz<br />

in Form von Expertenwissen ist jedoch vor allem<br />

bei der Planung der Kühlpfade erforderlich sind – die<br />

Fertigung und Verwendung von Kühlkörpern ist kein<br />

Kinderspiel: Temperaturen, Druckniveaus, Dauerlasten<br />

etc. müssen <strong>für</strong> ihre Produktion bestimmt und berücksichtigt<br />

werden. Lösungen gibt es dabei heutzutage<br />

allerdings <strong>für</strong> jede Anwendung.<br />

Wie bei den meisten IT-Projekten gilt auch<br />

hier: Erfahrung, Kommunikation, Transparenz und<br />

gute Beratung machen den Unterschied. Die häufig<br />

bediente Urangst vor Undichtigkeiten und ausgelaufenen<br />

Flüssigkeiten ist nur in den Köpfen ein Thema.<br />

Wichtig ist es vielmehr, das Gesamtkonzept im Auge<br />

zu behalten und von der Anwendung aus zu denken. Im Idealfall<br />

können Geräte zum Einsatz kommen, die bereits ab Werk über eine<br />

Heißwasserkühlung verfügen. Auch ist sinnvollerweise auf belegte<br />

Energieeffizienz zu achten; ein Tipp: Die Thomas-Krenn.AG hat als<br />

erster und bisher einziger Anbieter den „Blauen Engel“ des Umweltbundesamtes<br />

<strong>für</strong> einen Server erhalten. In den allermeisten Fällen<br />

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Foto: depositphotos<br />

ist jedoch auch eine vergleichsweise günstige Umrüstung möglich,<br />

wobei allerdings auf etwaige Gewährleistungsfragen zu achten ist<br />

(Hersteller vs. „Umrüster“).<br />

Externes Know-how sollte besonders bei der Aufnahme und<br />

Konzepterarbeitung genutzt werden, etwa bei der Berücksichtigung<br />

einer Nah- oder Fernwärmeeinbindung, der Verwendung<br />

von Wärmespeichern, der Nutzung im Gebäude usw. Auch sollte<br />

bei der Umrüstung auf Heißwasserkühlung der Partner operativ<br />

mit im Boot sein, um etwa Steuerung bzw. Regelung sowie eine<br />

gesicherte Inbetriebnahme mit definierten Testroutinen durchführen<br />

zu können. Empfehlenswert ist es hier auf jeden Fall, sowohl<br />

einen Factory-Acceptance-Test als auch einen Site-Acceptance-Test<br />

anzufragen – so ist sichergestellt, dass alle Bauteile frei von Produktions-<br />

und Transportfehlern sind. Tipp: Erfahrene Dienstleister<br />

können meist auch Hilfe <strong>für</strong> Vertragsverhandlungen vermitteln,<br />

wenn es zum Beispiel an die Vergütung von eingespeister Wärme<br />

in ein fremdes Netz geht.<br />

bis zehn Prozent Mehrkosten sind entsprechend einzukalkulieren.<br />

Die Gesamtrentabilität bei den Betriebskosten entsteht durch die<br />

geringeren Stromkosten – direkter Betrieb, Klimaanlage – sowie die<br />

Vergütung über eine Sektorenkopplung (s. o.). Als weiterer positiver<br />

Nebeneffekt ergibt sich nicht selten eine so mögliche höhere<br />

Pack-Dichte, die eine optimierte Nutzung des häufig knappen Platzes<br />

im Rechenzentrum ermöglicht.<br />

Kosten und Ertrag<br />

Grundsätzlich sollte sich die Heißwasserkühlung bei einer<br />

TCO-Betrachtung stets gegen andere Konzepte durchsetzen. Bei<br />

der Anschaffung fallen zunächst durchaus etwas höhere Kosten<br />

an, etwa beim Bezug von Servern mit Liquid Cooling oder der<br />

entsprechenden Nachrüstung; hier sind auch die leider nach wie<br />

vor vergleichsweise geringen Stückzahlen noch ein Hemmnis auf<br />

dem Weg zur Preisparität bei den <strong>Beschaffung</strong>skosten; rund fünf<br />

Autoren<br />

Bernhard Seibold verantwortet das Produktmanagement<br />

bei der Thomas-Krenn.AG<br />

Conrad Wächter ist Team Lead Hardware & Cybernetics<br />

bei der Cloud&Heat Technologies GmbH<br />

Kleine Kniffe<br />

35<br />

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Unternehmensinitiativen der Nachhaltigkeit<br />

Die Erstellung des Produkt Carbon Footprint als Grundlage<br />

<strong>für</strong> Produktinnovationen und Anforderungen des Marktes<br />

Immer mehr Unternehmen setzen sich quantitative CO 2<br />

-Einsparverpflichtungen - will man aber als<br />

Einkäufer zum Erreichen dieser CO2-Reduktionsziele beitragen, setzt das natürlich zuvorderst das Wissen<br />

um die Treibhausgasbilanzen der zu kaufenden Waren voraus. Unternehmen erhalten immer mehr Anfragen<br />

von Kunden nach den CO 2<br />

-Emissonen der von ihnen bezogenen Produkte. Aber wie kann der da<strong>für</strong><br />

notwendige Produkt Carbon Footprint ermittelt werden?<br />

Ein Beitrag von Robert Kreische<br />

Am Thema Nachhaltigkeit kommt man in der <strong>Beschaffung</strong><br />

nicht mehr vorbei, das betrifft vor allem chemische Reinigungsmitteln.<br />

Es existieren zwar Leitlinien zur <strong>nachhaltige</strong>n<br />

<strong>Beschaffung</strong> des Umweltbundesamts, diese spiegeln aber hauptsächlich<br />

die Gefahr des Produkts <strong>für</strong> Mensch und Umwelt ab dem<br />

Zeitpunkt seiner Anwendung wider, nicht aber die Auswirkung<br />

des gesamten Produktlebenszyklus auf das Klima. Auch andere<br />

anerkannte Zertifizierungen wie das europäische Umweltzeichen<br />

(„EU-Ecolabel“) tun sich in diesem Bereich noch sehr schwer und<br />

bieten <strong>für</strong> einen Entscheidungsträger hinsichtlich Reduktion<br />

klimaschädlicher Treibhausgase keine adäquate Entscheidungsgrundlage.<br />

Eine wahre Flut von anderen Zertifizierungen und von den Herstellern<br />

selbstverliehenen Claims bieten ebenfalls keine Lösung – ist<br />

beispielsweise ein Tensid auf Basis nachwachsender Rohstoffe von<br />

den man zur Erreichung der gleichen Reinigungsleistung die dreifache<br />

Menge im Vergleich zu einem Hochleistungstensid auf fossiler<br />

Basis benötigt per se besser <strong>für</strong> das Klima?<br />

Der Einfluss auf das Weltklima kann standardisiert über<br />

den Produkt Carbon Footprint (PCF), also die Summe aller im<br />

Kyoto-Protokoll festgelegten Treibhausgase des Produkts, bestimmt<br />

werden. In diesem Bereich können viele Unternehmen zwar schon<br />

ihre jeweiligen direkten und indirekten Emissionen der eigenen<br />

Organisationen bestimmen, sogenannte Scope 1 und Scope<br />

2 Emissionen, aber nur sehr begrenzt die vorgelagerten Prozesse,<br />

beispielsweise ihrer bezogenen chemischen Rohstoffe (Scope 3<br />

Emissionen) - aber gerade diese machen bei den Produzenten von<br />

chemischen Gemischen, wie beispielsweise Reinigung- und Pflegemitteln,<br />

mehr als 90% des Product Carbon Footprints (PCF) eines<br />

Fertigproduktes aus.<br />

Auch unser Unternehmen, die Dr. Schnell GmbH & Co<br />

KGa, erreichen immer mehr Anfragen von Kunden nach den<br />

CO 2<br />

-Emissonen der von ihnen bezogenen Produkte. Während durch<br />

jahrelange Zertifizierung nach ISO 14001 und EMAS alle organisationsbezogenen<br />

Emissionen bekannt waren, konnten (und können)<br />

zum jetzigen Zeitpunkt nur weniger als 1% der eigenen Rohstofflieferanten<br />

eine Treibhausgasbilanz ihrer Produkte vorweisen bzw. sind<br />

diese nicht zur Veröffentlichung ihrer Werte bereit.<br />

Fehlen die Daten der Vorlieferanten musste die Bestimmung<br />

des Product Carbon Footprints (PCF) bislang über ein externes<br />

Beratungsunternehmen erfolgen, eine vollständige PCF-Erfassung<br />

aller 1100 Verkaufsartikel von Dr. Schnell war aufgrund<br />

vier- bis fünfstelliger Kosten je Artikel nicht praktikabel, da dies<br />

zusätzlich nur den Ist-Zustand erfasst hätte und eine Annäherung an<br />

den klimaidealen Soll-Zustand jedes Mal eine erneute kosten- und<br />

zeitintensive Berechnung notwendig gemacht hätte: Denn das eigentliche<br />

Ziel einer PCF-Berechnung ist nicht das Wissen um die Höhe<br />

der CO 2<br />

-Emission, sondern das Aufzeigen von Optimierungs- und<br />

Einsparpotenzial innerhalb der Zusammensetzung des Reinigungsmittels.<br />

Um trotzdem <strong>für</strong> jeden Verkaufsartikel einen PCF bereitstellen<br />

zu können, erfolgte die CO 2<br />

-Bianzierung aller eingesetzten und aller<br />

zum möglichen Austausch in Betracht zuziehenden Rohstoffe aus<br />

36 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

nachwachsenden Quellen (insgesamt ca. 600) und aller Gebinde und<br />

Etiketten (ca. 2.000) in Eigenregie durch die hauseigene Forschung<br />

& Entwicklungsabteilung.<br />

Um eine valide Datengrundlage zu verwenden, wurde auf<br />

entsprechende Datenbanken und Studien zurückgegriffen, welche<br />

durch eine eigens da<strong>für</strong> entwickelte Software automatisiert abgegriffen<br />

und somit immer auf dem aktuell verfügbaren Stand gehalten<br />

werden. Die Implementierung der berechneten Daten in die Rezepturverwaltungssoftware<br />

der F&E sowie in die ERP-Software folgte.<br />

So kann die CO 2<br />

-Bilanz jedes Verkaufsartikels automatisiert<br />

und tagesaktuell erstellt werden und alternative Rohstoffe beziehungsweise<br />

neue Rezepturen können mit einem Mausklick auf ihre<br />

tatsächliche Auswirkung auf die Umwelt untersucht werden. Im<br />

Laufe der Ermittlung der CO 2<br />

-Bilanzen konnten durch Optimierung<br />

in der Lieferkette und minimalen Rezepturanpassungen, welche<br />

ohne die diese Auseinandersetzung mit den Treibhausgasemissionen<br />

gar nicht bemerkt wurden wäre, bereits eine jährliche Einsparung<br />

von 2 Millionen kg CO 2<br />

erzielt werden.<br />

Bei der Berechnung wurde der komplette Produktlebenszyklus<br />

nach dem Cradle to Grave-Ansatz - Herstellung der Einzelkomponenten,<br />

Transport, Produktion im Werk von Dr. Schnell<br />

und Entsorgung bzw. Recycling – berücksichtigt und die gesamte<br />

Bilanzierung der PCFs gemäß ISO 14067 „Carbon Footprint<br />

von Produkten - Anforderungen an und Leitlinien <strong>für</strong> Quantifizierung„<br />

durchgeführt und erfolgreich durch das Unternehmen<br />

GUTcert zertifiziert, sodass eine Vergleichbarkeit mit anderen<br />

Reinigungsmitteln, welche nach diesem Standard bilanziert wurden,<br />

gegeben ist.<br />

Es hat sich gezeigt, dass auch ein mittelständiges Unternehmen<br />

mit bereits heute verfügbaren Daten und Mitteln valide und von<br />

unabhängiger Stelle zertifizierte PCFs selbst berechnen kann - man<br />

muss nur einfach damit anfangen.<br />

Durch die PCF-Ermittlung konnte ein Klimaidealsortiment<br />

geschaffen werden, das bezüglich des Anteils <strong>nachhaltige</strong>r Rohstoffe<br />

und geringerer CO 2<br />

-Emissionen optimiert wurde. Kunden können<br />

ihr bezogenes Sortiment entsprechend anpassen lassen und so bis<br />

zu 50 Prozent tatsächliche CO 2<br />

-Emissonen einsparen. Die bislang<br />

unvermeidbaren Emissionen können durch unseren CO 2<br />

-Rechner<br />

(https://www.dr-schnell.com/Co2calculator) ermittelt und<br />

mithilfe von Zertifikaten kompensiert werden.<br />

Autor<br />

Robert Kreische<br />

Stellv. Laborleiter<br />

DR.SCHNELL GmbH & Co. KGaA<br />

Kleine Kniffe<br />

37<br />

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Aus Expertensicht<br />

Betrieblicher CO 2<br />

-Footprint mit Fokus auf Wareneinkauf:<br />

Eine Anleitung <strong>für</strong> den Mittelstand<br />

Je nachdem ob Sie und Ihr Unternehmen bereits fortgeschritten sind in Sachen <strong>betriebliche</strong>r Klimaschutz<br />

oder sich dem Thema vorsichtig nähern, werden Sie sich fragen, wozu Sie einen <strong>betriebliche</strong>n CO 2<br />

-Footprint<br />

benötigen. Die kurze Antwort lautet: Was nicht gemessen wird, kann nicht optimiert werden.<br />

Ein Beitrag von Jörg Tuchen<br />

Die ausführliche Antwort lautet: Um ihren <strong>betriebliche</strong>n<br />

CO 2<br />

-Fußabdruck zu senken, benötigen Sie Transparenz. Diese<br />

erhalten Sie durch eine schrittweise Analyse der anfallenden Treibhausgas-Emissionen<br />

in Form eines CO 2<br />

-Footprints.<br />

Im Folgenden erläutern wir Ihnen, wie Sie Ihren <strong>betriebliche</strong>n<br />

CO 2<br />

-Footprint ermitteln und so aktiven Klimaschutz leben. Wir<br />

verwenden CO 2<br />

als Maßeinheit und subsummieren darunter alle im<br />

Kyoto Protokoll genannten Treibhausgase, schreiben aber weiterhin<br />

vereinfachend CO 2<br />

.<br />

Übrigens - dieser Einsatz zahlt sich aus: immer mehr Kund:innen<br />

sind bereit, mehr <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> Produkte und Dienstleistungen<br />

zu bezahlen oder verlangen entsprechende Nachweise von Unternehmen.<br />

Auch gegenüber anderen Zielgruppen wie Investoren und<br />

(potenziellen) Mitarbeitenden gewinnen Sie so überzeugende Argumente.<br />

Die Basis: anerkannte Standards verstehen<br />

und nutzen<br />

<strong>Das</strong> Greenhouse Gas (GHG) Protocol ist der internationale Standard<br />

<strong>für</strong> die CO 2<br />

-Bilanzierung. Darin werden die Emissionsarten in<br />

drei Bereiche (sog. Scopes) unterteilt, wodurch Doppelzählungen<br />

vermieden und die Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen, Branchen<br />

und Ländern erhöht wird.<br />

Scope 1 erfasst alle direkt im Unternehmen freigesetzten stationären<br />

Emissionen, bspw. eigene Kraftwerke oder Fahrzeugflotten.<br />

Scope 2 erfasst indirekte Emissionen durch Energie, die außerhalb<br />

erzeugt und eingekauft wird, wie Strom, Wärme und Kühlung.<br />

Scope 3 umfasst alle indirekten Emissionen, die aus Unternehmensaktivitäten<br />

hervorgehen, aber nicht unter der alleinigen<br />

Kontrolle des Unternehmens stehen, also zum Beispiel bei Zulieferern,<br />

Mitarbeitenden oder Endverbraucher:innen entstehen. Hierzu<br />

zählen auch die CO 2<br />

-Emissionen aus der vorgelagerten Wertschöpfungskette<br />

inkl. Wareneinkauf <strong>für</strong> die Herstellung von Produkten.<br />

Diese sind wegen der Vielzahl der involvierten Unternehmen oft<br />

komplexer zu erfassen, machen aber <strong>für</strong> produktionsorientierte<br />

Unternehmen oft 80-90% der Emissionen aus.<br />

Die Erfassung der Scope-1- und -2-Emissionen ist bei der<br />

Erstellung des CO 2<br />

-Footprints anhand des GHG Protokolls<br />

verpflichtend. Die Erfassung der Scope-3-Emissionen ist<br />

Unternehmen freigestellt.<br />

Systemgrenzen definieren<br />

Für die Ermittlung des CO 2<br />

-Footprints legen Sie organisatorische,<br />

zeitliche und operative Systemgrenzen fest. Diese dienen<br />

als transparente und konsistente Grundlage <strong>für</strong> die Definition von<br />

Klimazielen und Reduktionsplänen und bilden die Basis <strong>für</strong> den<br />

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Foto: depositphotos<br />

Vergleich Ihrer Klima-Performance in Folgejahren sowie <strong>für</strong> die<br />

Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten oder produktbezogenen<br />

CO 2<br />

-Footprints.<br />

• Ein Beispiel <strong>für</strong> eine organisatorische Systemgrenze: der<br />

Geschäftsbetrieb des zentralen Standorts sowie fünf ausgewählte<br />

Produktions- bzw. Lagerstätten.<br />

• Als zeitliche Systemgrenze dient meist der Geschäftsbetrieb des<br />

abgeschlossenen Kalenderjahres.<br />

• Als operative Systemgrenze <strong>für</strong> Mittelständler liegt der Fokus<br />

meist auf Scope 1, Scope 2 und ausgewählten Scope 3<br />

Emissionen wie Geschäftsreisen, Arbeitswegen der<br />

Mitarbeitenden, Verbrauchsmaterial im Büro, Wasser und<br />

Abfallaufkommen, IT-Hardware – und oftmals eingekaufte<br />

Waren.<br />

Daten erfassen<br />

Für Scope 1 sammeln Sie die Aktivitätsdaten Ihres Unternehmens<br />

bzgl. der stationären Emissionen sowie des Fuhrparks, nach<br />

Energieträger und verbrauchter Menge.<br />

Beispiel: im Jahr 2021 wurden 120 m3 Heizöl, 5 tsd. Liter<br />

Biodiesel und 700 Liter Benzin verbraucht.<br />

Für Scope 2 sammeln Sie die Aktivitätsdaten bzgl. indirekter<br />

Emissionen.<br />

Beispiel: im Jahr 2021 wurden 32 tsd. kWh Ökostrom und<br />

keine Fernwärme bezogen.<br />

Für Scope 3 sammeln Sie die Aktivitätsdaten bzgl. Ihrer ausgewählten<br />

Kategorien. Für den Wareneinkauf summieren Sie die<br />

Menge der Produkte, ihre Transportwege und -arten.<br />

Beispiel <strong>für</strong> Wareneinkauf: im Jahr 2021 wurden 23<br />

verschiedene Produktgruppen eingekauft, davon 20 t Plastikgranulat,<br />

die via LKW auf 1.300 km Strecke geliefert wurden.<br />

Hier<strong>für</strong> sprechen Sie typischerweise mit einer Vielzahl involvierter<br />

Unternehmen.<br />

CO 2<br />

-Footprint berechnen<br />

Die Berechnung der Emissionen variiert je nach Scope und Kategorie.<br />

Gültig bleibt in jedem Fall, dass Sie Ihre Aktivitätsdaten mit<br />

Emissionsfaktoren multiplizieren.<br />

Aktivitätsdaten sind Unternehmensdaten, während Emissionsfaktoren<br />

Erfahrungs- und Durchschnittswerte sind, die oft aus<br />

externen Quellen stammen (z.B. professionelle Datenbanken). So<br />

ermitteln Sie die Bereiche Ihres Unternehmens, welche die meisten<br />

Emissionen verursachen, und erkennen Handlungsfelder und Kosten-Reduktionspotenziale,<br />

die wichtige zusätzliche Informationen<br />

<strong>für</strong> die Auswahl Ihrer einzukaufenden Produkte und Lieferanten<br />

darstellen.<br />

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Zusätzlich zu den Scopes 1 und 2 sind <strong>für</strong> den Wareneinkauf die<br />

folgenden Schritte wichtig:<br />

• Kommunikation, z.B. Informations-Kampagnen und bei<br />

Bedarf spezielle Roadmaps <strong>für</strong> Key-Lieferanten<br />

• Kollaboration & Unterstützung, z.B. Konzeption und<br />

gemeinsame Ausarbeitung von Nachhaltigkeits-Prozessen <strong>für</strong><br />

Key-Lieferanten, ggf. Coaching-Maßnahmen<br />

• Monitoring & Verstärkung, z.B. Verbesserungsprogramm <strong>für</strong><br />

Key-Lieferanten, Lieferanten-spezifische Abfragebögen<br />

Herzlichen Glückwunsch - Sie haben den Grundstein <strong>für</strong> Ihre<br />

Klimastrategie entwickelt und können in Zukunft den Erfolg Ihrer<br />

definierten Maßnahmen messen!<br />

Herausforderungen und Ausblick<br />

Die Erhebung von Emissionsdaten in der Lieferkette ist mitunter<br />

komplex, aber lohnt sich: Klimaschutz fördert die Resilienz eines<br />

Unternehmens und reduziert Risiken. Außerdem werden durch<br />

Effizienzsteigerungen im Stromverbrauch nicht nur CO 2<br />

-Emissionen,<br />

sondern auch erhebliche Kosten gesenkt. Letztlich sprechen Sie<br />

durch glaubwürdigen Klimaschutz eine größere Zahl Ihrer immer<br />

mehr auf Nachhaltigkeit achtenden Kundengruppen an.<br />

Werden Sie aktiv – Klimaschutz zahlt sich <strong>für</strong> Sie aus!<br />

Autor<br />

Jörg Tuchen<br />

Go.Blue.Now.<br />

Managing Director<br />

www.gobluenow.com<br />

Foto: depositphotos<br />

40 Kleine Kniffe<br />

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Unternehmensinitiativen der Nachhaltigkeit<br />

Recyclat-Initiative <strong>für</strong> eine kreislauffähige Zukunft<br />

<strong>Das</strong>s das Ausmaß an Plastikmüll auf unserem Planeten und vor allem in den Meeren mit das<br />

wichtigste Thema rund um den Klimawandel ist, liegt auf der Hand. Unmengen an Plastik werden<br />

jährlich vergraben, verbrannt oder landen im Ozean. Plastik ist nicht abbaubar, gelangt es in die<br />

Umwelt, hat es verheerende Folgen <strong>für</strong> Flora und Fauna.<br />

Ein Beitrag von Theresa Hauck<br />

Dabei ist Plastik nicht das Problem an sich. Es sind die gigantischen<br />

Müllmengen, die durch den leichtfertigen Umgang mit<br />

Kunststoff entstehen. Eine Lösung <strong>für</strong> dieses menschengemachte<br />

Problem stellt Recycling dar – ein Begriff, der nun seit geraumer<br />

Zeit in aller Munde ist und mit dem sich zahlreiche Unternehmen<br />

schmücken. Doch Recycling ist nicht gleich Recycling, denn nur ein<br />

geschlossener Wertstoffkreislauf ist eine <strong>nachhaltige</strong> Lösung <strong>für</strong> das<br />

weltweite Plastikproblem.<br />

Mit hochwertigem Kunststoff-Recycling im Zeichen der Kreislaufwirtschaft<br />

befasst sich das Reinigungsunternehmen Werner<br />

& Mertz nun schon seit Jahren. Von dem Wunsch getrieben,<br />

gemeinsam das Thema branchenübergreifend nach vorne zu treiben,<br />

gründete das Unternehmen 2012 mit mehreren Partnern die Recyclat-Initiative<br />

– und das mit einer klaren Vision: Der Gelbe Sack soll<br />

als neue Materialquelle zur Herstellung von Verpackungen dienen.<br />

Denn was sich echtes Recycling nennen will, muss auch die 5,2 Millionen<br />

Tonnen Plastikabfall bewältigen, die jedes Jahr in deutschen<br />

Haushalten anfallen. Dies ist der Ansatz der Recyclat-Initiative.<br />

Gemeinsam arbeiten wir an innovativen Lösungen <strong>für</strong> einen<br />

effektiven Wertstoffkreislauf, der auf Ressourcenschonung und der<br />

sinnvollen, also <strong>nachhaltige</strong>n Gestaltung von Produkten aufbaut. Je<br />

<strong>nachhaltige</strong>r ein Produkt gestaltet ist, umso weniger Müll verursacht<br />

es, umso weniger wird die Umwelt belastet, umso <strong>nachhaltige</strong>r<br />

sorgen wir <strong>für</strong> die Zukunft.<br />

Die größte Herausforderung beim Thema Recycling ist, den<br />

täglichen Plastikmüll in den hochwertigen Rohstoff Recyclat umzuwandeln.<br />

Dank einer innovativen Sortiertechnologie wird der Inhalt<br />

des Gelben Sacks so aufbereitet, dass ein hochwertiger Rohstoff <strong>für</strong><br />

neue Verpackungen entsteht: das Post-Consumer-Recyclat. Konkret<br />

sortieren da<strong>für</strong> Müllanlagen den Inhalt des Gelben Sacks und<br />

schreddern ihn zu kleinen Flakes. Mehrere aufwendige Waschgänge<br />

entfernen Etikettenreste und andere Fremdstoffe und stellen<br />

schließlich sauberes, sortenreines Plastik zur Verfügung. Verpackungshersteller<br />

nutzen das Recyclat als Ausgangsmaterial <strong>für</strong> neue<br />

Verpackungen. So müssen sie kein Neuplastik aus der begrenzten<br />

fossilen Quelle Erdöl verwenden. Dazu kommt: Je mehr Recyclat aus<br />

dem Gelben Sack gewonnen wird, desto weniger Plastikmüll wird<br />

thermisch verwertet, sprich verbrannt oder gelangt schlimmstenfalls<br />

als Müll sogar in die Umwelt oder ins empfindliche Ökosystem der<br />

Meere.<br />

Getreu dem Motto „Bei uns zählt das Erreichte und das Erzählte<br />

allein reicht nicht“ spricht unser Weltrekord <strong>für</strong> sich: Wir haben<br />

über 630 Millionen (Stand August <strong>2022</strong>) zu 100 % recycelte PET-<br />

Flaschen bereits im Einsatz – und es werden täglich mehr.<br />

Erfahren Sie mehr: www.wir-fuer-recyclat.de<br />

Autorin<br />

Theresa Hauck<br />

WERNER & MERTZ/<br />

VERGABE-INSIDER<br />

Kleine Kniffe<br />

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Berichte von Konferenzen<br />

Nachhaltigkeit als einziger Ausweg<br />

Erkenntnisse vom 1. Würzburger Nachhaltigkeitstag<br />

<strong>Das</strong>s Nachhaltigkeit das Gebot unserer Zeit ist, sollte inzwischen nahezu jeder und jedem mehr<br />

als klar sein. Nicht zuletzt der aktuelle Bericht des Weltklimarats IPCC dürfte einige der letzten<br />

Klimawandelzweifler aufgeschreckt haben. Die ExpertInnen warnen seit vielen Jahren und wurden<br />

weitgehend ignoriert. Nunmehr aber finden sie zunehmend Gehör in Politik und Wirtschaft –<br />

zumindest in Deutschland und in vielen Ländern der EU.<br />

Ein Beitrag von Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky<br />

Ob dies ausreicht, um unseren Planeten und damit uns selbst zu<br />

retten, wird man sehen. Immerhin kehren wir nun stärker vor der<br />

eigenen Haustüre und machen damit einen Anfang. Durch politische<br />

Instrumente wird der Versuch unternommen, das Prinzip Nachhaltigkeit<br />

global auszurollen. Gleichsam gerät die Wirtschaft unter<br />

zunehmenden Druck, Ökologie und Soziales ernst(er) zu nehmen.<br />

Was sind die Ursachen und was die Herausforderungen, die sich stellen<br />

und wie kann man diesen begegnen? Dies waren Leitfragen des<br />

1. Würzburger Nachhaltigkeitstags vom 28. Juni.<br />

Druck im „Klimakosten-Kessel“<br />

Nachhaltigkeit wird als ausgewogene Kombination ökologischer,<br />

sozialer und ökonomischer Ziele verstanden. Über viele Jahre hinweg<br />

wurden ökologische Ziele oftmals als notwendiges Beiwerk angesehen<br />

und es wurde viel Green Washing betrieben. Lediglich dort, wo<br />

Ökologie auch die Wirtschaftlichkeit befruchtete, wie beispielsweise<br />

bei der Vermeidung kostenpflichtiger Abfälle oder um spezifische<br />

Kundengruppen anzusprechen, hatte Umweltschutz über die rechtlichen<br />

Verpflichtungen hinaus seine Bedeutung. Heute bereits relevant<br />

und <strong>für</strong> die nahe Zukunft avisiert ist die stärkere Internalisierung<br />

negativer externer Effekte, sprich von Umweltbeeinträchtigungen,<br />

deren Kosten in der Vergangenheit der Gemeinschaft aufgebürdet<br />

wurden. Prominentes Beispiel ist die CO 2<br />

-Bepreisung, auch<br />

wenn diese mit einem Startpreis von 25 und nunmehr 30 Euro<br />

je Tonne CO 2<br />

alles andere als eine klimafolgenadäquate Höhe hat.<br />

Dazu müsste der Preis laut Umweltbundesamt bei über 200 Euro je<br />

Tonne CO 2<br />

liegen und bei Zugestehen desselben Wohlfahrtniveaus<br />

<strong>für</strong> folgende Generationen sogar bei rund 700 Euro. „Enkelsicher“ ist<br />

unser aktueller Klimaplan also offenbar nicht! Auch das europäische<br />

Handelssystem <strong>für</strong> Emissionszertifikate EU-ETS kann dies in seiner<br />

aktuellen Ausgestaltung mit großen Anteilen kostenlos zugeteilter<br />

Zertifikate kaum heilen.<br />

Trotzdem „jammern“ viele Unternehmen über diesen zusätzlichen<br />

Kostendruck. Dies ist insofern berechtigt, da der Wettbewerb<br />

fast überall heute global stattfindet und man daher komparative<br />

Nachteile gegenüber kostengünstigeren Anbietern aus dem Ausland,<br />

die solche Klimakosten nicht oder nur in geringerem Umfang<br />

tragen müssen, be<strong>für</strong>chtet. Die EU hat daher eine „EU-Grenzsteuer“,<br />

die den CO 2<br />

-Fussabdruck importierter Produkte besteuern soll,<br />

erdacht. Dieser Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)<br />

soll vermeiden, dass heimische Produzenten durch internalisierte<br />

Klimakosten Nachteile erleiden oder sogar komplett abwandern<br />

(Carbon Leakage). Der CBAM ist nicht einfach umzusetzen, denn<br />

es ist eine extrem aufwendige Aufgabe, den CO 2<br />

-Gehalt eines Produkts<br />

über die gesamte Wertkette zu bestimmen. Zudem droht<br />

die Welthandelsorganisation WTO mit ihrem Veto und Entwicklungsländer<br />

klagen ihr – durchaus begründbares – Recht auf niedrigere<br />

Umweltstandards ein. Daher wurde der CBAM zunächst<br />

nur <strong>für</strong> Produkte aus einigen wenigen Sektoren vorgesehen. Die<br />

Regelung soll 2023 in Kraft treten und bis 2030 komplett umgesetzt<br />

sein. Damit alles WTO-konform ist, soll die Steuer auf alle Bereiche,<br />

<strong>für</strong> die es EU-ETS-Zertifikate gibt, ausgeweitet und gleichzeitig die<br />

kostenlose Zuteilung dieser eingestellt werden.<br />

Es ist also ordentlich „Druck im Klimakosten-Kessel“. Eine<br />

große Rolle spielen die seit einigen Jahren wiederholten Ankündigungen<br />

großer Investmentfirmen, nicht mehr in „schmutzige“, also<br />

klimafeindliche Industrien zu investieren. Hier dürfte die Sorge<br />

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Foto: Korbinian Aßbichler<br />

um den Planeten vielleicht nicht der Haupttreiber sein, sondern<br />

schlichtweg die Erkenntnis, dass die Rendite aus Investitionen<br />

in nicht-nachhaltig agierende Unternehmen mittel- bis langfristig<br />

(deutlich) schlechter ist als die in <strong>nachhaltige</strong> und damit eher<br />

zukunftssichere Firmen. Die moderne Managementforschung hat<br />

sich bereits seit geraumer Zeit von dem einseitigen Shareholder-Ansatz,<br />

der nur die Anteilseigner im Fokus hat, verabschiedet, zugunsten<br />

eines Stakeholder-Konzepts, der den Nutzen der Unternehmensaktivitäten<br />

<strong>für</strong> alle Betroffenen und damit letztlich <strong>für</strong> die Gesellschaft<br />

fokussiert. Diesen „Sinn“ (Purpose) auch zu kommunizieren ist laut<br />

Matthias Brey, Supply Chain-Verantwortlicher <strong>für</strong> Sustainability bei<br />

EY, wichtig.<br />

Neue Lieferkettengesetze und Berichtspflichten<br />

Parallel zu diesen Entwicklungen werden die Anforderungen an<br />

die nicht-finanzielle Berichterstattung und damit zu ökologischen<br />

und sozialen Aspekte deutlich verschärft. Auch dies resultiert aus der<br />

Erkenntnis heraus, dass Chancen und Risiken eines Unternehmens<br />

nur unter Einbeziehung dieser Aspekte realistisch und umfänglich<br />

beurteilt werden können. Schließlich definiert das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

diverse „Risiken“ im sozialen Bereich,<br />

die auf dem UN-Menschenrechten und den Kernarbeitsnormen<br />

der Internationalen Arbeitsorganisation ILO basieren. Auf diese<br />

müssen Unternehmen konkret reagieren, also diese erfassen,<br />

darüber berichten und Maßnahmen zu deren Abstellung ergreifen.<br />

Was davon in der Realität umsetzbar sein wird, bleibt abzuwarten<br />

angesichts systematischer Menschenrechtsverletzungen in einigen<br />

Ländern. Der EU Supply Chain Act wird diese Anforderungen um<br />

diverse andere zu ökologischen Aspekten erweitern, woraus sich<br />

weitere große Herausforderungen ergeben.<br />

<strong>Das</strong>s die Wertschöpfung in Deutschland stark vom Import<br />

von Vorprodukten aus der ganzen Welt abhängt, dürfte jedem<br />

angesichts der aktuellen Corona-Pandemie sowie kriegsbedingten<br />

Lieferkettenproblemen überdeutlich geworden sein. Somit steckt<br />

auch der Hauptteil der CO 2<br />

-Belastung in den Vorprodukten, also<br />

in der vorgelagerten Supply Chain. Diese machen als sogenannte<br />

Scope 3-Emissionen nicht selten 80 % des gesamten CO 2<br />

-Fussabdrucks<br />

aus. Ergo: Die Unternehmensbereiche Einkauf und Supply<br />

Chain Management sind die wichtigsten „Spieler“, wenn es darum<br />

geht, CO 2<br />

-Emissionen zu verringern. Nur stellt sich die Frage, wie<br />

das effektiv und möglichst effizient gehen kann. Hier ausgeklammert<br />

werden soll, aber auf der Tagung ebenfalls thematisiert, die kritische<br />

Fragestellung, wie die Sicherstellung der Rohstoffversorgung in<br />

Zukunft angesichts der globalen politischen Gemengelage erfolgen<br />

kann.<br />

Reduzierung der Scope 3-Emissionen in der<br />

Lieferkette<br />

Die Erfassung des CO 2<br />

-Fussabdrucks in allen zugekauften (Vor-)<br />

Produkten kann angesichts von Tausenden Lieferanten und Teilen<br />

zu einigen Millionen Datenpunkten <strong>für</strong> einzelne Unternehmen<br />

führen. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass diese Daten korrekt<br />

und vollständig sind, also dass beispielsweise ein Lieferant nicht –<br />

aufgrund ungenauer Datenerhebung – unabsichtlich oder<br />

vorsätzlich – um sich <strong>für</strong> den Abnehmer attraktiver zu machen –<br />

Kleine Kniffe<br />

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Foto: Korbinian Aßbichler<br />

geringere CO 2<br />

-Werte ausweist als diese in Wahrheit sind. Um die<br />

mit einer ordnungsgemäßen und korrekten Erfassung einhergehenden<br />

Anforderungen sicherzustellen, bedarf es spezifischer<br />

Softwarelösungen. Heute begegnet man solchen Herausforderungen<br />

mit plattformbasierten Software-as-a-Service-Lösungen, die oftmals<br />

unter Einsatz Künstlicher Intelligenz und smarter Algorithmen<br />

aus riesigen Datenmengen (Big Data) verwertbare Informationen<br />

machen. Über eine solche Lösung berichtet der Gründer von carbmee,<br />

Prof. Dr. Christian Heinrich, und betont, dass eine bloße<br />

Erfassung von Lieferantenfragebögen in keiner Weise <strong>für</strong> die Aufgabenstellung<br />

ausreichend sein könne. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass die im Falle fehlender Informationen angesetzten durchschnittlichen<br />

CO 2<br />

-Belastungen in Produkten je Herstellerland, um den<br />

Faktor 4 bis 5 unterboten werden können, wenn die Lieferkette<br />

entsprechend klimaeffizient aufgestellt ist.<br />

Management bei Infarm, stellte dar, wie ein komplettes Unternehmen<br />

samt Geschäftsmodell nachhaltig ausgerichtet sein kann. In<br />

einer mit Josip Tomasevic, Senior VP & CPO bei AGCO, Hans<br />

Krug, Senior VP Procurement bei Miele, Christian Holzer, CPO<br />

Siemens Energy, Mauricio Jankoski da Cunha, Modulleiter Sustainability/Raw<br />

Materials bei der Volkswagen AG und Peter Köhne, VP<br />

Procurement Viessmann und Chair Germany von Sustainable Procurement<br />

Pledge, hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion, wurde<br />

überdeutlich, dass es ohne Nachhaltigkeit keine lebenswerte und<br />

„Enkel-sichere“ Zukunft geben kann. Dies fußt nicht nur auf rationalen<br />

betriebswirtschaftlichen Erwägungen, sondern war auch bei<br />

nahezu alle TeilnehmerInnen eine tiefe persönliche Überzeugung,<br />

die auch im privaten Bereich von jeder und jedem gelebt wird.<br />

Aus dem Sektor Chemie hat sich in Deutschland eine Initiative<br />

mehrerer großer Unternehmen entwickelt, die mit<br />

Together-for-Sustainability (TfS) eine Harmonisierung der Scope<br />

3-Emissions-Richtlinie anstreben. Hierüber berichtete Dr. Thomas<br />

Römer, CPO bei Covestro. Allein in der vorgelagerten Wertkette<br />

geht es in seinem Unternehmen um 18,5 Millionen Tonnen CO 2<br />

und<br />

damit um ein Vielfaches der in der nachgelagerten Supply Chain (3,4<br />

Mio. to) sowie der bei der eigenen Produktion anfallenden Scope 1-<br />

und der energiebedingten Scope 2-Emissionen (5,4 Mio. to).<br />

Autor:<br />

Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky<br />

Peter Hagenow, Head of Strategic Group Procurement bei<br />

KWS Saat, berichtete von der Dekarbonisierungsstrategie in<br />

seinem Hause und Alexandra Morton, Global EVP Supply Chain<br />

Lehrstuhlinhaber<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> BWL und<br />

Industriebetriebslehre<br />

Universität Würzburg<br />

44 Kleine Kniffe<br />

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Klima-Check<br />

Klima-Check erleichtert Zusammenarbeit mit Lieferanten<br />

Um erfolgreich mit Lieferanten an Klimazielen zusammenzuarbeiten, braucht es grundlegende Daten über<br />

ihren jeweiligen Klimareifegrad. Doch die wenigsten Lieferanten verfügen über das nötige Know-How und<br />

die Ressourcen, um ihre klimarelevanten Daten zu managen und offenzulegen. Um dieses Problem zu lösen,<br />

hat das Startup The Climate Choice einen niedrigschwelligen, digitalen und skalierbaren Klima-Check<br />

entwickelt.<br />

Ein Beitrag von Lara Obst<br />

Zusammenarbeit ist der Schlüssel, um die größte Herausforderung<br />

des 21. Jahrhunderts, die Klimatransformation, zu bewältigen.<br />

Nirgends trifft dies mehr zu als in der global vernetzten Wirtschaft,<br />

wo bis zu 90 % der Emissionen eines Unternehmens in der Lieferkette<br />

entstehen. Damit rückt die <strong>Beschaffung</strong> ins Zentrum unternehmerischer<br />

Klimastrategien und steht vor der großen Aufgabe, die eigenen<br />

Lieferanten an Bord <strong>für</strong> gemeinsame Reduktionsmaßnahmen zu<br />

holen.<br />

Ein Unterfangen, das viele Herausforderungen mit sich bringt.<br />

Denn Wertschöpfungsketten sind komplex und bestehen mitunter<br />

aus Tausenden von kleinen und mittelständischen Unternehmen,<br />

die nur begrenzt Möglichkeiten haben, um ihr Klimamanagement<br />

strukturiert umzusetzen. Wie können Unternehmen dennoch<br />

grundlegende Daten über den Klimareifegrad ihrer Lieferanten<br />

erheben und sie dazu befähigen, den ersten Schritt in Richtung einer<br />

erfolgreichen Klimatransformation zu gehen?<br />

Klima-Check erleichtert skalierbare<br />

Datenerfassung entlang der Lieferkette<br />

Diese Frage haben wir uns bei The Climate Choice gestellt und<br />

als Antwort den digitalen Climate Readiness Check entwickelt. <strong>Das</strong><br />

Software-Tool adressiert die zentralen Einstiegsbarrieren in das Klimadatenmanagement<br />

<strong>für</strong> kleine und mittelständische Lieferanten:<br />

fehlendes Know-How und Ressourcen. Um diese zu überwinden,<br />

braucht es einfach anzuwendende Erkenntnisse und Einblicke bei<br />

gleichzeitig minimalem Zeit- und Kostenaufwand. Der Climate Readiness<br />

Reck bietet daher genau das: eine kostenlose und 5-minütige<br />

digitale Befragung, welche die wichtigsten Dimensionen des unternehmerischen<br />

Klimaschutzes abdeckt.<br />

Unternehmen können ihre Lieferanten einladen, den digitalen<br />

Klima-Check durchzuführen und aufgrund des geringen Aufwands<br />

skalierbar und mit hoher Rückmeldequote klimarelevante Daten<br />

ihrer Lieferkette erfassen. Über einen kostenlosen Basis-Zugang<br />

zur Climate Intelligence Platform können die Lieferanten einfach<br />

und sicher die erhobenen Daten mit ihren Geschäftspartnern teilen.<br />

Auf der digitalen Plattform erhalten sie eine Analyse und erste<br />

Orientierung über ihren Klimareifegrad sowie Benchmarks und<br />

Verbesserungsvorschläge. Diese Daten bilden die Grundlage, damit<br />

Unternehmen in Zusammenarbeit mit ihren Lieferanten konkrete<br />

Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Lieferkette planen und<br />

umsetzen können.<br />

Klima-Transparenz entlang der Lieferkette jetzt<br />

umsetzen<br />

Die Lieferkette ist der größte Hebel <strong>für</strong> eine erfolgreiche Klimatransformation<br />

und wir müssen jetzt starten, die notwendige<br />

Datengrundlage <strong>für</strong> ihre Dekarbonisierung zu schaffen. Spezialisierte<br />

Software-Tools wie der Climate Readiness Check erleichtern<br />

die Datenerhebung und können gerade <strong>für</strong> kleine und mittelständische<br />

Lieferanten die notwendige Transparenz und Know-How<br />

liefern, die es <strong>für</strong> eine erfolgreiche Zusammenarbeit an gemeinsamen<br />

Reduktionsmaßnahmen und den Übergang zur Low-Carbon-Economy<br />

braucht.<br />

Autorin<br />

Lara Obst<br />

Mitgründerin und Geschäftsführerin<br />

bei The Climate Choice<br />

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Aus Unternehmensverbänden<br />

Betrieblicher Klimaschutz –<br />

die Transformation gemeinsam angehen<br />

<strong>Das</strong> Thema Nachhaltigkeit und insbesondere der <strong>betriebliche</strong> Klimaschutz, spielen in der<br />

Wirtschaft eine immer größere Rolle. <strong>Das</strong> spüren wir auch bei unserer Arbeit in der IHK zu<br />

Dortmund.<br />

Ein Beitrag von Lukas Metzger<br />

Woher kommt das wachsende Interesse an der<br />

Thematik bei den Unternehmen?<br />

Einerseits steigt der Druck durch die Politik deutlich: Schon 2045<br />

soll Deutschland klimaneutral sein. Mit dem Green Deal sollen die<br />

Emissionen in der EU bis 2030 um 55 Prozent sinken, in Deutschland<br />

sogar um 65 Prozent, was nur mit einer gewaltigen Transformation<br />

unserer Wirtschaft einhergehen kann. Den Zielen folgen strenge<br />

Vorgaben. Beispielsweise werden die CO 2<br />

-Preise deutlich ansteigen<br />

und durch die Taxonomie-Verordnung erhöht sich auf der Finanzierungsseite<br />

der Druck auf die Unternehmen.<br />

Außerdem ist das gesellschaftliche Bewusstsein <strong>für</strong> die Dringlichkeit<br />

des Themas in den letzten Jahren stark gestiegen. Auch<br />

viele Unternehmen wollen Verantwortung übernehmen und einen<br />

Beitrag zum Klimaschutz leisten. Gleichzeitig werden Nachhaltigkeit<br />

und Klimafreundlichkeit immer mehr zum Verkaufsargument bei<br />

den Kunden. Dies gilt auch im B2B-Bereich, denn viele große<br />

Unternehmen verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz der Treibhausgasminderung,<br />

was auch die Vorprodukte in den Lieferketten<br />

betrifft.<br />

Klimaschutz kann sich außerdem auch heute schon finanziell<br />

auszahlen. Durch die Steigerung der Energieeffizienz und die<br />

Nutzung Erneuerbarer Energien kann viel Geld gespart und die<br />

Energieversorgung auf sichere Füße gestellt werden. Eine höhere<br />

Unabhängigkeit von den Energiemärkten macht die Kosten planbarer<br />

und das Unternehmen insgesamt resilienter. Durch die aktuelle<br />

Energiekrise gilt dieses Motiv umso mehr.<br />

Es gibt also viele Gründe <strong>für</strong> Unternehmen sich mit dem<br />

Thema Klimaschutz so schnell wie möglich auseinanderzusetzen.<br />

Eine klimafreundliche Produktion bietet in Zukunft große Wettbewerbsvorteile.<br />

Langfristig werden nur Unternehmen am Markt<br />

bestehen, die sich rechtzeitig umstellen. Eine solche <strong>betriebliche</strong><br />

Transformation bedeutet aber auch eine große Herausforderung<br />

und kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Viele<br />

Unternehmen stehen noch am Anfang und benötigen Orientierung.<br />

Insbesondere <strong>für</strong> KMU ist die Umstellung eine große Herausforderung,<br />

denn sie verfügen nicht über die gleichen Ressourcen,<br />

wie größere Unternehmen. Deswegen bieten wir als IHK unsere<br />

Unterstützung an.<br />

Was empfehlen Sie Unternehmen <strong>für</strong> den<br />

Einstieg?<br />

Ich rate Unternehmen, die Informationsangebote z.B. durch<br />

die IHKs zu nutzen. <strong>Das</strong> neu gegründete kostenlose Unternehmensnetzwerk<br />

Klimaschutz – eine IHK Plattform bietet eine ganze<br />

Reihe von Informations- und Weiterbildungsangeboten und die<br />

Möglichkeit sich deutschlandweit zu vernetzen. Im Austausch mit<br />

ExpertInnen und anderen UnternehmerInnen kann die Transformation<br />

leichter gelingen.<br />

Es gibt verschiedene Standards <strong>für</strong> die Erfassung und Verwaltung<br />

von Treibhausgas-Emissionen, nach denen sich die Unternehmen<br />

richten können, wie z.B. das global anerkannte Greenhouse Gas Protokoll.<br />

Am Anfang steht immer die Bestandsaufnahme: Es gilt den<br />

eigenen CO 2<br />

-Abdruck ehrlich zu messen. Die Effizienzagentur NRW<br />

bietet hier<strong>für</strong> den kostenlosen CO 2<br />

-Rechner, Ecocockpit. Die gewonnen<br />

Daten geben einen ersten Überblick über die Emissionshöhe und<br />

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Foto: depositphotos<br />

-verteilung. Daraus lassen sich Potenziale und Maßnahmen ableiten.<br />

Abhängig von der Branche und der Tätigkeit des Unternehmens<br />

können die Maßnahmen sehr unterschiedlich ausfallen und priorisiert<br />

werden.<br />

Aktuell suchen viele Unternehmen händeringend nach kurzfristigen<br />

Lösungen, die Energiekrise zu bewältigen. Trotz der<br />

Dringlichkeit würde ich ihnen empfehlen, wenn möglich, das<br />

Thema Klimaneutralität gleich mitzudenken, damit sie von ihren<br />

Maßnahmen auch langfristig profitieren. Zurzeit gibt es eine Reihe<br />

von Förderprogrammen von Bund und Land, die sie dabei als Unterstützung<br />

in Anspruch nehmen können.<br />

Welches Potenzial sehen Sie in der<br />

klimafreundlichen <strong>Beschaffung</strong>?<br />

Zunächst sollten die Unternehmen Maßnahmen zur Reduzierung<br />

ihrer eigenen Emissionen umsetzen. Allerdings ist das<br />

Potenzial zur CO 2<br />

-Reduzierung in der <strong>Beschaffung</strong> zum Teil enorm,<br />

weshalb es sich lohnt, das Thema anzugehen. Änderungen in der<br />

<strong>Beschaffung</strong> können dabei auch bedeuten, dass man die Beschaffenheit<br />

des eigenen Produkts umdenkt. Lässt sich das Design so<br />

ändern, dass weniger Ressourcen und Energie verbraucht werden?<br />

Kann man auf <strong>nachhaltige</strong>re Ressourcen umsteigen und somit den<br />

Treibhausgas-Abdruck mindern? <strong>Das</strong> Thema ist also eng mit der<br />

Kreislaufwirtschaft verknüpft. Unternehmen sollten dann auf ihre<br />

Lieferanten zugehen und ihre Vorstellungen kommunizieren, damit<br />

diese sich entsprechend umstellen können. Ich denke, dass beide<br />

Seiten von einer solchen Kooperation profitieren können.<br />

Wie sehen Sie sie die Rolle der IHK dabei?<br />

Wir wissen um die große Herausforderung und merken,<br />

dass viele Unternehmen etwas tun wollen. Gleichzeitig betreten<br />

sie damit relativ neues Terrain und sind auf der Suche nach Orientierung.<br />

Für uns als IHK ist es selbstverständlich, dass wir den<br />

Unternehmen hierbei unterstützend zur Seite stehen. Da<strong>für</strong> bieten<br />

wir eine ganze Reihe von Angeboten und beraten und informieren<br />

z.B. auf Veranstaltungen über Möglichkeiten, die Transformation<br />

anzugehen. Außerdem unterstützen wir durch die Weiterbildung<br />

von Auszubildenden zu Energiescouts, damit diese Energie- und<br />

Ressourceneffizienzprojekte im Unternehmen umsetzen können.<br />

Hier liegt ein großes Potenzial, denn die jungen Auszubildenden<br />

stehen noch am Anfang ihres Berufslebens. Daneben bieten wir mit<br />

unseren Energieeffizienznetzwerken, Schulungen zum <strong>betriebliche</strong>n<br />

Mobilitätsmanagement und dem bereits genannten Angebot des<br />

Unternehmensnetzwerks Klimaschutz die Möglichkeit, sich zu dem<br />

Thema deutschlandweit auszutauschen und von ExpertInnen und<br />

anderen UnternehmerInnen zu lernen..<br />

Nicht zuletzt nehmen wir die Anliegen der Unternehmen auf<br />

und vertreten ihre Interessen vor der Politik, wenn es darum geht,<br />

praxistaugliche Regelungen bei der Gesetzgebung zu finden.<br />

Autor:<br />

Lukas Metzger<br />

Industrie- und Handelskammer zu<br />

Dortmund<br />

Referat Mobilität, Energie,<br />

Nachhaltiges Wirtschaften<br />

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Unternehmensinitiativen der Nachhaltigkeit<br />

In Kreisläufen denken und handeln<br />

Der Papierkonsum pro Kopf in Deutschland beträgt etwa 250 Kilogramm im Jahr. Und Deutschland ist damit<br />

in der Liste der weltweit größten Papierimporteure hinter den USA auf Platz zwei. Da die Produktion dieser<br />

Papiermengen wertvolle Ressourcen wie Holz, Energie und Wasser benötigt, sind die Papierhersteller<br />

gefragt, ihre Produktion nachhaltig darzustellen. Steinbeis Papier ist europäischer Marktführer <strong>für</strong><br />

grafische Recyclingpapiere aus 100 Prozent Altpapier. Wir haben mit Andreas Steenbock aus dem<br />

technischen Marketing bei Steinbeis Papier gesprochen und nachgefragt, wie das Unternehmen den<br />

Herausforderungen der Zukunft begegnet und in der Papierproduktion Nachhaltigkeit umsetzt.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Thomas Heine<br />

<strong>Das</strong> Umweltbundesamt stellt fest, dass bei der Produktion<br />

von Recyclingpapier etwa 50 Prozent weniger an<br />

Energie und rund 33 Prozent weniger an Wasser benötigt<br />

wird im Vergleich zu einem Primärfaserpapier. Außerdem<br />

werden durch den Einsatz von Altpapier bis zu 2,2 Kilogramm<br />

Holz eingespart. (Quelle: Umweltbundesamt)<br />

Wenn Recyclingpapier von Steinbeis in diesem Maße<br />

schon so nachhaltig ist, wo kann dann noch optimiert<br />

werden?<br />

Wir stellen uns permanent den Herausforderungen der Nachhaltigkeit<br />

in vielfältiger Weise, indem sämtliche Produktionsschritte<br />

in Kreisläufen gedacht und dahingehend verbessert werden. Ein<br />

Beispiel ist die Rohstoffbeschaffung. Wir haben ein ganzheitliches<br />

Konzept rund um die Papierentsorgung, -verwertung und -herstellung<br />

entwickelt. Altpapiere werden von uns aus der Region zum<br />

Re- und Upcycling beschafft. Unseren Kunden bieten wir zudem<br />

den Service „Circular Economy – Back to Use“ an, bei dem das Altpapier<br />

bei Unternehmen, Ministerien und Verwaltungen abgeholt<br />

und daraus wieder neues Papier <strong>für</strong> eben jene Zielgruppen hergestellt<br />

wird.<br />

Die aktuelle Energiekrise belastet Unternehmen sehr<br />

stark. Welche Lösungsansätze bietet Steinbeis Papier?<br />

Wir haben in der Produktion einen relativ hohen Energiebedarf.<br />

Deshalb ist Energieeffizienz eine unabdingbare Voraussetzung. Wir<br />

haben schon früh in ein hochmodernes Kraftwerk mit innovativer<br />

Wirbelschichttechnologie und Kraft-Wärme-Kopplung investiert<br />

und nutzen damit heute einen besonders <strong>nachhaltige</strong>n Energiebereitstellungszyklus.<br />

<strong>Das</strong> Kraftwerk erzeugt 100 Prozent der benötigten<br />

thermischen Energie in Form von Dampf und 50 Prozent der benötigten<br />

elektrischen Energie.<br />

Trockenperioden und Wasserknappheit. Wie stellen<br />

Sie einen ressourcenarmen Einsatz von Wasser sicher?<br />

Wasser ist <strong>für</strong> sämtliche Produktionsschritte essentiell. Deshalb<br />

haben wir auch hier Techniken entwickelt, um in weitestgehend<br />

geschlossenen Wasserkreisläufen und lediglich mit Oberflächenwasser<br />

aus der Elbe zu arbeiten: In der Altpapieraufbereitung wird<br />

das Wasser mehrfach intern gereinigt und genutzt, bevor es über<br />

unsere vollbiologische Kläranlage in die Elbe zurückgeführt wird.<br />

Diese Technik hilft uns in hohem Maße, den Wasserverbrauch zu<br />

reduzieren.<br />

Wie geht Steinbeis Papier mit Reststoffen aus der<br />

Produktion um?<br />

Reststoffe finden bei uns weitere Verwendung. Wir führen sie<br />

unmittelbar dem Kreislauf wieder zu: In der Altpapieraufbereitung<br />

abgetrennte Metalle, wie beispielsweise Heftklammern und Bügel<br />

aus Aktenordnern, werden der stofflichen Verwertung zugeführt.<br />

Die eingedickten Papierfaserschlämme aus der Produktion dienen<br />

uns bei der Energiegewinnung. Sie werden verbrannt und die entstehende<br />

Asche dient als Rohstoff <strong>für</strong> den Straßenbau.<br />

Steinbeis Papier denkt und arbeitet in Kreisläufen,<br />

und leistet so einen entscheidenden Beitrag zur Nachhaltigkeit.<br />

Wie kommunizieren Sie Ihre Philosophie nach<br />

außen und insbesondere an Ihre Kunden?<br />

Wir schaffen intern und extern einen Diskurs zu konsequentem<br />

Umdenken beim Thema Ressourcenschonung. Zahlen und Fakten<br />

auf der Produktverpackung, auf blog.stp.de und shop.stp.de bieten<br />

Orientierung und machen sofort deutlich, wie viel an natürlichen<br />

Ressourcen bei der Nutzung von grafischen Papieren von Steinbeis<br />

gespart wird.<br />

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Foto: depositphotos<br />

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Unternehmensinitiativen <strong>für</strong> Nachhaltigkeit<br />

Industrieführer unterstützen Pläne <strong>für</strong> emissionsfreies<br />

Aluminium, Ammoniak und Stahl<br />

Mehr als 200 führende Industrievertreter haben die Strategien der Mission Possible Partnership<br />

(MPP) unterstützt, um einige der weltweit am schwersten abzubauenden, kohlenstoffintensiven<br />

Industrien in diesem Jahrzehnt zu dekarbonisieren.<br />

Neue Pläne, die auf der New Yorker Klimawoche <strong>für</strong> die Produktion<br />

von Materialien mit nahezu Emissionensfreien Materialien<br />

- Aluminium, Ammoniak und Stahl - vorgestellt wurden, haben die<br />

Unterstützung von mehr als 60 Unternehmen erhalten. Damit steigt<br />

die Zahl der Be<strong>für</strong>worter der von MPP veröffentlichten Sektorübergangsstrategien<br />

(STS), die auch den Luftverkehr, die Schifffahrt und<br />

den Lkw-Verkehr umfassen, auf mehr als 200.<br />

Die Unterzeichner spiegeln die wachsende Dynamik unter den<br />

ehrgeizigen Unternehmen wider, darunter die Stahlhersteller ArcelorMittal,<br />

Companhia Siderúrgica Nacional (CSN), Liberty Steel,<br />

SSAB, Rio Tinto, Tata Steel, thyssenkrupp und Vale; die Aluminiumhersteller<br />

Alcoa, Rio Tinto und EGA; und im Ammoniaksektor<br />

CF Industries, BASF, SABIC und Yara sowie die Anbieter erneuerbarer<br />

Energien Ørsted, Iberdrola und ACWA Power. Diese drei<br />

Sektoren tragen zusammen etwa 17 % zu den weltweiten Treibhausgasemissionen<br />

bei.<br />

Jede STS setzt den Einsatz verfügbarer Technologien bis 2030<br />

voraus, ein Datum, das <strong>für</strong> die etablierten Unternehmen der Branche,<br />

die Anlagen der alten Generation betreiben, immer näher rückt. Die<br />

Berichte enthalten spezifische Anforderungen - mit realwirtschaftlichen<br />

Meilensteinen - <strong>für</strong> saubere Energie, neue oder nachgerüstete<br />

Industrieanlagen und politische Reformen, um sektorale Kohlenstoffbudgets<br />

zu erreichen, die auf das Ziel des Pariser Abkommens<br />

abgestimmt sind, die globale Erwärmung bis 2050 auf 1,5 Grad über<br />

dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.<br />

MPP, sagte dazu: „Die Unterstützung dieser Strategien durch mehr<br />

als 200 führende Unternehmen der Branche ist ein Zeichen der Hoffnung:<br />

Unternehmen auf der ganzen Welt sind bereit, in großem<br />

Umfang in eine emissionsfreie Wirtschaft zu investieren. Die von<br />

ETC zusammen mit den MPP-Partnern entwickelten Daten werden<br />

den Unternehmen in den wichtigsten Wertschöpfungsketten sowie<br />

den Finanzinstituten und Regierungen als Grundlage <strong>für</strong> ihre Ziele<br />

und Maßnahmen dienen und uns allen helfen, die Entscheidungsträger<br />

zur Rechenschaft zu ziehen.”<br />

Im Stahlsektor sind frühzeitige Fortschritte bei bahnbrechenden<br />

Projekten und ein erhöhtes Angebot an Primärstahl, der fast keine<br />

Emissionen verursacht, von entscheidender Bedeutung, um das in<br />

Paris festgelegte sektorale Kohlenstoffbudget einzuhalten. MPP<br />

schätzt, dass die Kommerzialisierung von Netto-Null-Technologien<br />

bis zu 200 Milliarden Dollar pro Jahr kosten würde, was eine deutlich<br />

höhere Nachfrage nach Wasserstoff, sauberem Strom und Erdgas,<br />

aber einen starken Rückgang der Kohlekraft bedeuten würde.<br />

Sanjiv Paul, Vizepräsident <strong>für</strong> Sicherheit, Gesundheit und<br />

Nachhaltigkeit bei Tata Steel, sagte: „Diese Strategie hat die Herausforderungen<br />

<strong>für</strong> die Stahlindustrie bei der Dekarbonisierung<br />

festgelegt. Wir arbeiten mit Zulieferern, nachgelagerten Partnern,<br />

Start-ups, der Wissenschaft und den Gemeinden in unserem Einflussbereich<br />

zusammen, um die Bedrohung durch den Klimawandel<br />

zu mindern.”<br />

Faustine Delasalle, stellvertretende Vorsitzende der Energy<br />

Transitions Commission (ETC), einem Gründungspartner von<br />

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Nachhaltiugkeitszertifizierung<br />

Ohne Verifizierung machen es sich Unternehmen unnötig<br />

schwer, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen<br />

Wie messen Unternehmen ökologische Nachhaltigkeit? Nicht klar und eindeutig, wie die<br />

Ergebnisse einer Umfrage des Assurance-Dienstleisters LRQA zeigen. Denn nur 38 Prozent der<br />

befragten Nachhaltigkeitsexperten gaben an, dass ihr Unternehmen mindestens einen Standard<br />

<strong>für</strong> das Nachhaltigkeitsmanagement nutzt, um seine Bemühungen und Fortschritte in diesem<br />

Bereich zu unterstützen.<br />

Für die Studie Klima im Fokus wurden weltweit über 1.100<br />

Fachleute <strong>für</strong> Nachhaltigkeit in Unternehmen aus dreizehn Branchen<br />

und elf Ländern befragen. Dabei zeigte sich, dass oft nicht nur ein<br />

einheitlicher Ansatz zur Umsetzung anerkannter Standards fehlt,<br />

sondern auch die Verifizierung in vielen Unternehmen zu wünschen<br />

übriglässt.<br />

Bemerkenswert ist, dass mehr Unternehmen (55 Prozent) ihren<br />

Zulieferern eine externe Überprüfung abverlangen, als selbst eine<br />

solche durchführen lassen. Nur 46 Prozent lassen ihre Daten und<br />

Informationen unabhängig prüfen. Beseitigen ließe sich dieser<br />

Mangel an Transparenz dadurch, dass globale Organisationen auf die<br />

unabhängige Überprüfung durch Dritte als ein wesentliches Instrument<br />

setzen und so zeigen, dass sie Best Practices befolgen, um <strong>für</strong><br />

transparente Lieferketten zu sorgen.<br />

<strong>Das</strong> derzeitige Vorgehen könne das Vertrauen von Investoren<br />

schmälern und dazu führen, dass sie noch genauer hinsehen. So<br />

erklärte Heather Moore, technische Direktorin <strong>für</strong> Nachhaltigkeit<br />

in der Lieferkette bei LRQA:<br />

“Die Ergebnisse unserer Umfrage sind insofern positiv, als<br />

sich die Unternehmen der Notwendigkeit bewusst sind, ihre Verpflichtungen<br />

zur ökologischen Nachhaltigkeit zu messen und zu<br />

steuern. Aus unseren Ergebnissen geht jedoch klar hervor, dass sich<br />

viele auf die eigene Verifizierung verlassen, die schwer zu überwachen<br />

ist und kaum präzise Berichte zulässt. Dabei könne jedes<br />

Anzeichen von mangelnder Transparenz schwerwiegende Folgen<br />

haben und das Vertrauen von Investoren und Kunden untergraben.”<br />

Die Umfrage ergab auch, dass mit 93 Prozent fast alle befragten<br />

Nachhaltigkeitsverantwortlichen mindestens ein internes Hindernis<br />

<strong>für</strong> die Verwirklichung ökologischer Nachhaltigkeitsziele sahen. Als<br />

Probleme wurden Kompetenzmangel, fehlende Ressourcen, Komplexität<br />

und Kosten genannt.<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass es stärkerem Rückhalt von der<br />

Führungsebene bedarf, damit mehr Ressourcen bereitgestellt<br />

werden. “Trotz des relativ positiven Feedbacks von Nachhaltigkeitsexperten<br />

zeigt die Umfrage eindeutig, dass Unternehmen hier vor<br />

Herausforderungen stehen”, so Heather Moore. “Besonders besorgniserregend<br />

ist, dass die Nachhaltigkeitsverantwortlichen den<br />

Mangel an Ressourcen als Haupthindernis <strong>für</strong> die Überprüfung von<br />

Umweltzielen und -verpflichtungen nannten, obwohl anerkannt<br />

wird, wie wichtig die standardkonforme Verifizierung ist.”<br />

Moore weiter: “Die Studie zeigt, dass noch viel zu tun ist, damit<br />

die ökologischen Nachhaltigkeitsziele umgesetzt werden können.<br />

Wesentlich ist dabei, dass Unternehmen diese Aufgaben nicht alleine<br />

angehen müssen und sollten. Forderungen nach belegbarem Nachhaltigkeitsengagement<br />

werden voraussichtlich noch zunehmen, und<br />

die Überprüfung durch unabhängige Dritte kann dazu beitragen, die<br />

Glaubwürdigkeit von Unternehmen zu untermauern und das Vertrauen<br />

von Kunden und Stakeholdern zu stärken.”<br />

Zum Download der Studie:<br />

https://t1p.de/7zpc8<br />

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Initiativen der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong><br />

Community building by SPP Germany<br />

„Purpose matters“, da sind sich Vorstände und Führungskräfte einig. Ethisches Hinterfragen<br />

unternehmerischen Handelns und die Suche nach dem tieferen Sinn in einer Wertschöpfungskette, die in<br />

weiten Teilen auf expansionistischen Optimierungswahn, Kostenreduktion, statusgetriebenen Hyperkonsum<br />

und aggressive Ressourcenallokation fixiert ist, sind brandaktuell. Im immer stärkeren Maß ist auch der<br />

Einkauf im Unternehmen von diesen Fragen betroffen. Aber was ist eigentlich sinnhaft? Der Druck steigt,<br />

konkrete Entwürfe zu entwickeln, wie eine gerechte und würdevolle Zukunft eines vernetzten Planeten zu<br />

gestalten ist. Ein auf Nachhaltigkeit gerichteter Einkauf ist dabei eine starke Option.<br />

Ein Beitrag von Thomas Heine und Peter Köhne<br />

Ein Beispiel <strong>für</strong> diese Tendenz ist die Initiative „Sustainable Procurement<br />

Pledge“ (SPP), eine globale Nachhaltigkeitsinitiative <strong>für</strong><br />

Einkäufer, die vor zwei Jahren von zwei Einkaufsleitern namhafter<br />

und weltweit agierender Konzerne ausgerufen wurde, weil ihnen<br />

bewusst war, welche enormen Einflussmöglichkeiten der Einkauf<br />

auf Nachhaltigkeitsaspekte hat. Mittlerweile engagieren sich weltweit<br />

mehr als 8.000 SPP-Botschafter:innen da<strong>für</strong>, eine <strong>nachhaltige</strong><br />

<strong>Beschaffung</strong> anzuwenden.<br />

SPP-Botschafter:innen vernetzen sich vor allem über LinkedIn<br />

und über gemeinsame weltweite Online-Events, die in der Regel<br />

vom Steering Komitee der Initiative entwickelt werden. Nachdem<br />

die weltweite Community innerhalb von nur zwei Jahren eine sehr<br />

große Wertschätzung erhalten hatte, war es notwendig, Strukturen<br />

aufzubauen, die geeignet sind, die allgemeinen SPP Aktivitäten zu<br />

spezialisieren und zu lokalisieren. Dementsprechend wurden Anfang<br />

dieses Jahres sogenannte Chapter gebildet, die jeweils von zwei Co<br />

Chairs geführt werden.<br />

Ihre Aufgabe besteht darin, das allgemeine Ziel von SPP auf<br />

inhaltliche oder regionale Aspekte herunter zu brechen, um damit<br />

das Gesamtprofil zu bereichern und zu schärfen und letztendlich<br />

auch neue Menschen <strong>für</strong> die Initiative eines <strong>nachhaltige</strong>n Einkaufs<br />

zu gewinnen. <strong>Das</strong> Ziel der Chapter ist also die Erhöhung der Beteiligungsbereitschaft,<br />

der Motivation und der Fähigkeit, sich <strong>für</strong> die<br />

gemeinsame Grundüberzeugung einzusetzen.<br />

<strong>Das</strong> SPP Chapter Deutschland stellt sich diesen Erwartungen,<br />

indem es sich nicht nur an gemeinsamen internationalen Events<br />

aktiv beteiligt, sondern auch darum bemüht ist, ein eigenes Profil zu<br />

entwickeln. Daher bauen die Verantwortlichen <strong>für</strong> dieses SPP Chapter,<br />

Thomas Heine und Peter Köhne, Strukturen auf, die es ihnen<br />

gestatten, schnell ein eigenes Profil zu entwickeln, sich mit anderen<br />

zu verbinden und damit den Bekanntheitsgrad zu erhöhen und eine<br />

größere Wirkung zu erzielen.<br />

Konkret kooperieren sie mit Leitmessen und -konferenzen<br />

der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong>, Online-Events des Klimawandels<br />

und den Zusammenschlüssen von Experten, zum Beispiel dem der<br />

Energieeffizienz in Deutschland. Darüber hinaus streben sie die<br />

Zusammenarbeit mit Unternehmensverbänden und staatlichen<br />

Organisationen an, indem sie diesen die weltweite Expertise des SPP<br />

Netzwerks und ihre Fähigkeit der Kommunikation und Qualifikation<br />

<strong>für</strong> einen <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf in Unternehmen anbieten. In<br />

naher Zukunft können damit mithilfe dieser Zusammenarbeit Veranstaltungen<br />

der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> direkt in der Zielgruppe<br />

von KMU angeboten und Arbeitskreise zu diesem Thema aufgebaut<br />

werden.<br />

In der Online-Kommunikation beschränkten sich die Möglichkeiten,<br />

auf LinkedIn in der Community der SPP Ambassadors und<br />

im jeweils eigenen Profil der Co Chairs Nachrichten zu posten. Da<br />

die großen Streuverluste dieser Kommunikationsart vermieden<br />

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Foto: Peter Köhne<br />

werden sollen, entwickeln Thomas Heine und Peter Köhne nun in<br />

Zusammenarbeit mit dem Steering Komitee den Ansatz der länderspezifischen<br />

Gruppenbildung auf LinkedIn, um in Zukunft direkter<br />

kommunizieren zu können.<br />

Wie aber kommt man in den direkten Kontakt mit Menschen,<br />

die sich da<strong>für</strong> interessieren, sich auch in der SPP Community <strong>für</strong><br />

den <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf einzusetzen? Als Antwort auf diese Frage<br />

entwickelte das SPP Chapter Deutschland zwei Ansätze. Zunächst<br />

einmal wurde <strong>für</strong> die Ansprache der Interessenten ein Überblick<br />

über die Vorteile entwickelt, die der kostenfreie Beitritt zur SPP<br />

Community ermöglicht. Auf einen Blick können so die Argumente<br />

erfasst werden, die zusätzlich zum generellen Ziel der <strong>nachhaltige</strong>n<br />

<strong>Beschaffung</strong>, einen Mehrwert <strong>für</strong> die Interessenten bieten.<br />

In einem zweiten Schritt wurde das Format eines TOP-Events<br />

„Lunch & Learn“ by SPP Germany entwickelt. Ziel dieses Kommunikationsformates<br />

sind die Vernetzung der SPP Ambassadors in<br />

Deutschland, das gegenseitige Kennenlernen und die persönliche<br />

Kommunikation mit ihnen.<br />

„Lunch & Learn“ Events werden in den Großstädten Deutschland<br />

veranstaltet. Die Motivation zur Teilnahme erfolgt durch eine<br />

Auswahl von Referenten, die aufgrund ihrer beruflichen Position<br />

oder aufgrund ihrer spezifischen Sachkenntnis einen Mehrwert <strong>für</strong><br />

die verantwortlichen im <strong>Beschaffung</strong>swesen von Unternehmen sind.<br />

„Lunch & Learn“ Events sind werbefrei. Die Kosten <strong>für</strong> das Mittagessen<br />

und die Getränke werden von den Gästen des Events getragen.<br />

Thomas Heine und Peter Köhne organisieren den Event, die Vortragenden<br />

und die Facility und moderieren diese Veranstaltungen auch.<br />

Als Beispiel <strong>für</strong> ein Mittagessen mit Gesprächen rund um die<br />

<strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> in der eigenen Region ist die erste Lunch<br />

& Learn Veranstaltung von SPP Germany, die Mitte August im<br />

Industrieclub Düsseldorf stattfand. 20 CPOs und Einkaufsleiter<br />

aus verschiedenen Sektoren und Branchen trafen sich zu einem<br />

entspannten Mittagessen und tauschten sich zum Thema „Nachhaltige<br />

<strong>Beschaffung</strong>“ aus. Ein entspanntes Treffen von Entscheidern, die<br />

<strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>spraktiken unterstützen. U. a. dabei waren<br />

Einkaufsverantwortliche von RWE, Bayer, Grohe, E.ON, thyssenkrupp,<br />

Vonovia, Rheinmetall und Ineos.<br />

Dr. Götz Lauschke, CPO Evonik, gab Einblicke in die <strong>nachhaltige</strong><br />

<strong>Beschaffung</strong>spraxis bei Evonik. Er zeigte auf, welche Anstrengungen<br />

Evonik unternimmt, um nachhaltig die Produkte ökologischer zu<br />

produzieren und anzuwenden. Dabei wird nicht nur bis zum Produktverkauf<br />

derselben gedacht, sondern der gesamte Lebenszyklus der<br />

Produkte betrachtet. Wie können Chemische Produkte und deren<br />

Anwendung in Ihrem gesamten Lebenszyklus, die Auswirkungen auf<br />

Umwelt, Mensch und Plant positiv beeinflussen. Welcher Umgang<br />

mit Chemikalien ist nachhaltig? Wie kann in der Landwirtschaft<br />

durch spezifische Analysen und gezieltes Datenmanagement der<br />

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Düngebedarf optimiert werden und somit die aufgebrachte Menge<br />

reduziert werden? Wie können chemische Produkte besser recycelt<br />

werden?<br />

Die zentralen Fragestellungen inspirierten die Teilnehmenden<br />

zu weitergehenden Gesprächen.<br />

• Welche Daten benötigen wir <strong>für</strong> unsere Analysen, um eine<br />

<strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> weiter zu etablieren?<br />

• Wie kann der Einkauf seine Lieferanten motivieren, sich <strong>für</strong><br />

eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> zu engagieren?<br />

• Welche Herausforderungen ergeben sich durch vordefinierte<br />

Lieferanten?<br />

• Wie überzeuge ich Management und Vertrieb?<br />

• Können Bonus-/Malusvereinbarungen Lieferanten zu einer<br />

<strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> motivieren?<br />

Kommentare von Teilnehmern zur<br />

Veranstaltung:<br />

- „Diese Eventserien von SPP Germany helfen das Bewusstsein<br />

dieses Themas zu schüren.“<br />

- Großartiges Event. Schön zu sehen, was wir gemeinsam erreichen<br />

können.“<br />

Danke an die Teilnehmenden der Veranstaltung: Dr. Götz Lauschke,<br />

Alexander Peuser, Andreas Voss, Björn Müschen, Christoph<br />

Broecker, Dr. Ulrich Piepel, Gundula Ullah, Gunnar Büchter, Irini<br />

Varvouzou, Kristin Barev, Marco Carella, Michael von Holtum, Nhu<br />

Tourgman, Peter Henk Heijstra, Ralf Jacke, Stefan Ortmeier, Ulrike<br />

Pawelec und SPP Co-Gründer Thomas Udesen<br />

• <strong>Das</strong> Thema Nachhaltigkeit wird <strong>für</strong> junge Fachkräfte immer<br />

wichtiger. Wie kann sich ein Unternehmen durch <strong>nachhaltige</strong><br />

Praktiken/<strong>Beschaffung</strong>spraktiken attraktiv präsentieren?<br />

• Wie können wir mittelständische Unternehmen inspirieren?<br />

Die Erkenntnisse aus der Veranstaltung waren: Die Herausforderungen<br />

im Einkauf nehmen zu und der Einkauf verändert sich<br />

vom Cost-Cutter zum Value-Creator. Es besteht Einigkeit bei den<br />

Teilnehmenden, dass Nachhaltigkeit heute schon eine wichtige Rolle<br />

spielt und zukünftig noch wesentlich mehr Gewicht bei der Auswahl<br />

der Lieferanten spielt.<br />

Eines wurde von allen Teilnehmern bestätigt: Der persönliche<br />

Einsatz und die Vorbildfunktion der Führungskräfte im. Unternehmen,<br />

ist der wichtigste Faktor <strong>für</strong> die Implementierung von<br />

Nachhaltigen <strong>Beschaffung</strong>spraktiken.<br />

Autoren<br />

Thomas Heine, Co Chair SPP Germany und Herausgeber<br />

des <strong>Magazin</strong>s <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> „Kleine Kniffe“<br />

Peter Köhne<br />

Sr. Leader Strategic Projects Supply Chain Management<br />

bei Viessmann<br />

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Foto: depositphotos<br />

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