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Das betriebliche Magazin für nachhaltige Beschaffung, Ausgabe April 2022

Die betriebliche Beschaffung verändert sich zunehmend zu einem strategischen Faktor der Unternehmensentwicklung. Angesichts von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Menschenrechtsverletzungen ist die betriebliche Beschaffung in einer Transformation. Sie sind Teil dieser Transformation und wollen sich über aktuelle Trends, Best Practices und Meinungen der Stakeholder in der betrieblichen Beschaffung informieren? Dann sind Sie hier richtig! Das Magazin für nachhaltige Beschaffung informiert regelmäßig zu den Themen Dekarbonisierung, Product Carbon Footprint, Lieferketten, Supplier Diversity, Biodiversität, regulatorische Anforderungen und Sustainable Finance, veröffentlicht Interviews, Erkenntnisse aus der täglichen Praxis und gibt Tipps zum Einstieg und Vertiefung der nachhaltigen Beschaffung.

Die betriebliche Beschaffung verändert sich zunehmend zu einem strategischen Faktor der Unternehmensentwicklung. Angesichts von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Menschenrechtsverletzungen ist die betriebliche Beschaffung in einer Transformation.

Sie sind Teil dieser Transformation und wollen sich über aktuelle Trends, Best Practices und Meinungen der Stakeholder in der betrieblichen Beschaffung informieren? Dann sind Sie hier richtig!

Das Magazin für nachhaltige Beschaffung informiert regelmäßig zu den Themen Dekarbonisierung, Product Carbon Footprint, Lieferketten, Supplier Diversity, Biodiversität, regulatorische Anforderungen und Sustainable Finance, veröffentlicht Interviews, Erkenntnisse aus der täglichen Praxis und gibt Tipps zum Einstieg und Vertiefung der nachhaltigen Beschaffung.

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<strong>Das</strong> <strong>betriebliche</strong> <strong>Magazin</strong><br />

<strong>für</strong> einen <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf<br />

6,80 EURO<br />

<strong>Ausgabe</strong> <strong>April</strong> <strong>2022</strong><br />

Themen<br />

Nachhaltige Lieferketten, Umweltbilanz von Streaming, Videokonferenz & Co,<br />

Mitarbeitende <strong>für</strong> Klimaschutz begeistern<br />

Top-Themen:<br />

Nachhaltiger Einkauf und Digitalisierung<br />

Nachhaltiger Einkauf und Klimaschutz<br />

Kleine Kniffe<br />

1<br />

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2 Kleine Kniffe<br />

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Editorial<br />

Der Krieg überschattet alles. Russland überfällt ein Land, Millionen von Menschen sind<br />

gezwungen zu fliehen, Städte und Infrastruktur werden sinnlos zerstört. Dem Entsetzen folgt<br />

Hilfsbereitschaft und Initiativen der Unterstützung. Der Finne Sammeli Sammalkorpi startet in<br />

Zusammenarbeit mit dem Ukrainischen Verband in Finnland eine Initiative in seinem Netzwerk<br />

der Verantwortlichen <strong>für</strong> <strong>Beschaffung</strong> und Lieferketten: die berufsbezogene Initiative procure4peace,<br />

die sich über social networks schnell weltweit verbreitet. Und Stefan Krojer von ZUKE baut<br />

in enger Zusammenarbeit mit den Ministerien in Deutschland eine Internet-Plattform <strong>für</strong> den<br />

Krankenhausbereich auf. Krankenhäuser aus der Ukraine können dort ihren Bedarf an medizinischem<br />

Gerät, Medikamenten und Hilfsgütern posten, damit man in Deutschland den konkreten<br />

Bedarf erkennen kann. Geliefert werden die Güter zentral in die Ukraine, die Verteilung dort<br />

erfolgt mit eigener Kraft.<br />

Beide Initiativen zeigen, wie zentral das Wissen von <strong>Beschaffung</strong>sverantwortlichen ist, um die<br />

weltweite Hilfsbereitschaft in konkrete Lieferungen umwandeln zu können.<br />

Es stellt sich heraus, dass die Unsicherheiten in den Lieferketten, die durch COVID verursacht<br />

wurden, durch den Krieg dramatisch steigen. Über die Unsicherheiten in Logistik und<br />

Materialbeschaffung hinaus, stellt sich heute in aller Wucht die Frage, ob das exportorientierte<br />

Wirtschaftsmodell Deutschlands in der Zukunft noch tragfähig ist. Was ist, wenn sich neben<br />

Russland nun auch China vom globalen Markt abschottet? Keine andere Wirtschaft auf der Welt<br />

ist wie die deutsche im Im- und Export so stark global vernetzt. Chemie- Automobil- und Maschinenbau-Industrie<br />

sind vor die Frage gestellt, wie sie ihre Absatz- und <strong>Beschaffung</strong>spolitik ändern<br />

müssen, um zukunftsfähig zu bleiben.<br />

Wir alle spüren im Privat- und Berufsleben die Auswirkungen der krisenhaften Situation.<br />

Steigende Energiepreise, leerstehende Regale, steigende Produktpreise. Die Verantwortung der<br />

<strong>Beschaffung</strong>sverantwortlichen steigt und ihr Fachwissen über Rohstofflieferanten, politische Rahmenbedingungen,<br />

persönliche Kontakte zu Zulieferern und Akquisition neuer Zulieferer werden<br />

immer mehr zu einem strategischen Faktor in Unternehmen. <strong>Beschaffung</strong>sverantwortliche sind<br />

<strong>für</strong> den Aufbau und Erhalt stabiler Lieferketten und einen <strong>nachhaltige</strong>n, sicheren Einkauf unersetzlich.<br />

Bleiben Sie gesund und optimistisch!<br />

Chefredakteur<br />

Kleine Kniffe<br />

3<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 3 04.04.22 11:43


Impressum<br />

Redaktion<br />

SDG media GmbH<br />

Wagenfeldstraße 7a<br />

44141 Dortmund<br />

Kontakt:<br />

redaktion@kleine-kniffe.de<br />

Chefredaktion und V.i.S.d.P:<br />

Thomas Heine<br />

Textbeiträge von:<br />

Markus P. Beham, Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky,<br />

Kevin Cordshagen, Martin Eichenseder,<br />

Laurin Flörke, Michael Frank, Ralf Grosse,<br />

Gabriella Gyori, Frank Hagedorn, Berthold Hofbauer,<br />

Deborah Hümpfner, Dr. Anne Hübner,<br />

Judith Jung, Joachim Klühspies, Marina Köhn,<br />

Friedeman Kühn, Stefan Krojer, Torben Link,<br />

Caterina Marcucci, Jil Munga, Lara Obst,<br />

Felix Pohl, Susanne Sadremoghaddam, Dr.-<br />

Ing. Robert Schmidt, Rüdiger Senft, Stefanie<br />

Tornow, Nina Tremel<br />

16<br />

Fotos/Grafiken:<br />

depositphotos, Thomas Heine, IHK Nürnberg,<br />

IMAGO Thomas Heine GmbH, National Footprint<br />

an Biocapacity Acconds 2021, Theclimate<br />

Choice,<br />

16<br />

Internet:<br />

www.<strong>nachhaltige</strong>-beschaffung.com<br />

Social media:<br />

Twitter: https://twitter.com/MKniffe<br />

LinkedIn: https://www.linkedin.com/posts/<br />

thomas-heine-866785<br />

Facebook: https://www.facebook.com/Kleine-<br />

Kniffe-1601748926512841/<br />

Höhe der Auflage:<br />

5.000<br />

Distribution<br />

Der Versand der Auflage erfolgte mit finanzieller<br />

Unterstützung des Umweltbundesamtes<br />

Druck:<br />

Produktion mit 100% Ökostrom aus regenerativer<br />

Stromerzeugung und ohne Einsatz<br />

fossiler Brennstoffe.<br />

Druck:<br />

Recyclingpapier<br />

Herausgeber<br />

SDG media GmbH<br />

Wagenfeldstraße 7a<br />

44141 Dortmund<br />

www.sdg-media.de<br />

kleine kniffe® ist eingetragene Marke<br />

der IMAGO GmbH, Dortmund<br />

06. Smarte Lösungen<br />

<strong>für</strong> einen <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf<br />

07. Procure4Peace<br />

Interview<br />

08. Zukunft der<br />

<strong>Beschaffung</strong><br />

ist „GRÜN“<br />

10.Nachhaltigkeit<br />

als Prinzip<br />

IHK Wiesbaden<br />

12.Standardisierung<br />

in der <strong>Beschaffung</strong><br />

14. Die Übermorgen<br />

Strategie<br />

HWK Schwaben<br />

16. Die Rolle des<br />

Einkaufs<br />

<strong>für</strong> die Klimaziele<br />

18. Betrieblicher<br />

Klimaschutz<br />

Unternehmensnetzwerk<br />

Klimaschutz<br />

20. Mitarbeiter<br />

Begeistern<br />

<strong>für</strong> Klimaschutz<br />

22. Klimaschutz und<br />

Bundesbehörden<br />

KNB<br />

4 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 4 04.04.22 11:43


08 16<br />

52<br />

48<br />

24. Nachhaltigkeits-<br />

Mainstreaming<br />

im Recht<br />

32. Ecocockpit<br />

IHK Südlicher Oberrhein<br />

42. Engagement in<br />

der Lieferkette<br />

ist essentiel <strong>für</strong> Nachhaltigkeit<br />

26. Interview<br />

mit Lara Obst zum 3. Climate<br />

Transformation Summit<br />

33. Interview<br />

mit Eveline Lemke zur<br />

Kreislaufwirtchaft<br />

44. Streaming,<br />

Videokonferenz<br />

& Co.<br />

Klimabilanzen<br />

28. Klimaschutz und<br />

Wirtschaftlichkeit<br />

34. Nachhaltigkeit<br />

und Transparenz<br />

in digitalen Lieferketten<br />

48. E-Vergabe<br />

Prof. Bogaschewsky<br />

29. Zertifizierung<br />

von IT-Hardware<br />

30. Nachhaltige<br />

Lieferkette<br />

zentrale Treiber<br />

36. SPP Germany<br />

stellt sich vor<br />

40. European<br />

Energy Manager<br />

IHK Nürnberg<br />

52. Digitale<br />

Unterstützung<br />

<strong>für</strong> klimafreundliche<br />

<strong>Beschaffung</strong><br />

Kleine Kniffe<br />

5<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 5 04.04.22 11:43


Aus Unternehmen<br />

Smarte Lösungen <strong>für</strong> einen <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf<br />

Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit und eine deutliche Kostenführerschaft – das sind die Unternehmensziele<br />

bei Steinbeis Papier. Und der Einkauf steht in der Verantwortung, vor allem letzteres Ziel unter<br />

Berücksichtigung der Nachhaltigkeit zu erreichen. Ein Einblick in die <strong>Beschaffung</strong> bei Steinbeis Papier<br />

verrät, dass die Arbeit primär von lösungsorientierten Strategien geprägt ist und mit Transparenz und<br />

digitaler Anbindung langfristige Partnerschaften mit Lieferant:innen eingegangen werden.<br />

Ein Beitrag von Torben Link<br />

Steinbeis Papier ist Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit und<br />

europäischer Marktführer <strong>für</strong> grafische Recyclingpapiere aus 100<br />

Prozent Altpapier, die alle mit dem Blauen Engel ausgezeichnet<br />

sind. Dieser Erfolg beruht auf der konsequenten Umsetzung einer<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Kreislaufwirtschaft, aber eben auch auf einem lösungsorientierten<br />

und effizienten Management in vielen Bereichen des<br />

Unternehmens und – übergeordnet – der Steinbeis-Gruppe. Eine<br />

entscheidende Einheit dabei ist der Steinbeis Einkauf. Hier kümmert<br />

sich ein fünfköpfiges Team um die <strong>Beschaffung</strong> <strong>für</strong> vier Unternehmungen:<br />

Steinbeis Papier, Steinbeis Energie, EBS Concept und B+S<br />

Papenburg Energie. Sie alle werden mit unterschiedlichsten Gütern<br />

und Dienstleistungen im Wert von ca. 100 Millionen Euro pro Jahr<br />

ausgestattet. In dieser Verantwortung fokussiert sich der Einkauf<br />

insbesondere auf das Unternehmensziel der Kostenführerschaft,<br />

ohne dabei die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie aus den<br />

Augen zu verlieren.<br />

Besondere Arbeitsweise im Einkauf<br />

Im Einkauf hat sich ein Team aus Generalist:innen zusammengefunden.<br />

Sie behalten zwar den operativen Bereich im Auge, widmen<br />

sich jedoch in erster Linie der Umsetzung von Projekten und Entwicklung<br />

neuer Strategien, um letztlich ein kosteneffizientes und<br />

<strong>nachhaltige</strong>s Lieferantenmanagement zu betreiben. Was bedeutet<br />

das in der Praxis? Hier sind vor allem Eigenverantwortung und Kreativität<br />

von allen Teammitgliedern gefragt. Jeder wird dazu ermutigt<br />

und befähigt, eigene Ideen und Prozessoptimierungen vorzustellen,<br />

und darf Verbesserungsprozesse implementieren. Ein besonderer<br />

Verantwortungsbereich kommt dem Einkauf bei der Versorgungssicherheit<br />

zu. Mit digitalen Lösungen und smarten Ideen geht es um<br />

die Optimierung von Liefermengen, Lieferplänen und der Bevorratung.<br />

Der Einkauf bietet einen ganzheitlichen 24/7-Service <strong>für</strong> die<br />

verschiedenen Unternehmungen. Im Hintergrund schaut das Team,<br />

wer da<strong>für</strong> die richtigen Partner:innen sind, welche Regeln gelten und<br />

wie dann der Wettbewerb sichergestellt werden kann.<br />

Innovative Zusammenarbeit<br />

Der Steinbeis Einkauf setzt auf langfristige Beziehungen mit Lieferant:innen.<br />

Eine ehrliche und transparente Kommunikation ist die<br />

Basis <strong>für</strong> eine gute Zusammenarbeit. Gerade in herausfordernden<br />

Zeiten – wie der Pandemie – führt der Einkauf bei Steinbeis intensive<br />

Gespräche mit Lieferant:innen, um zielführende Lösungen zu<br />

erarbeiten. Regionalität ist ebenso ein wichtiger Faktor in der strategischen<br />

Ausrichtung des Einkaufs. Lieferat:innen aus der Umgebung<br />

stellen sich dann wie alle anderen bestimmten Anforderungen: <strong>Das</strong><br />

reicht von der Digitalisierung des Angebotskatalogs bis hin zu kosteneffizienten<br />

Lieferoptionen. Wichtig ist, dass die Partner:innen<br />

den Wert ihrer Produkte und Dienstleistungen kennen, die Qualität<br />

dieser hochhalten und letztendlich mit Zuverlässigkeit und Innovationsgeist<br />

überzeugen. <strong>Das</strong> geschieht jedoch nicht von heute auf<br />

morgen. Lieferant:innen werden vom Einkauf langfristig aufgebaut,<br />

stark gemacht, digital angebunden und in die Lage versetzt, Performance<br />

im Sinne einer <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> abzuliefern. Mit<br />

dieser Strategie verbindet der Einkauf die Unternehmensziele der<br />

Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit und Kostenführerschaft erfolgreich<br />

miteinander.<br />

Autor<br />

Torben Link<br />

Leiter Einkauf<br />

Steinbeis Papier<br />

www.stp.de<br />

6 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 6 04.04.22 11:43


Procurement Initiativen<br />

Procure4Peace:<br />

How Can Procurement Professionals Help Ukrainians?<br />

Sammeli Sammalkorpi, CEO of SIEVO, started reaching out to his network of procurement and<br />

supply chain professionals. Together with the Ukrainian Association in Finland, supplies were<br />

quickly transported to Poland free of charge. The focus then quickly expanded to how the Global<br />

Procurement community could help. Global procurement professionals have extra inventory, supply<br />

chain channels, and sourcing talent which can be mobilized to help Ukraine. Procure4Peace hopes<br />

to connect those looking to help with the real needs in Ukraine.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Thomas Heine, Chefredakteur „Kleine Kniffe“<br />

have a positive influence. Social platforms, such as LinkedIn, enable<br />

mobilization and coordination of professionals at a speed that was<br />

not possible before.<br />

What is your main work in the initiative? Are you collecting<br />

money ore donations?<br />

By and large, money is not an issue right now in Ukraine - there’s<br />

lot of donations coming in. The unique value that global procurement<br />

community in is skills to turn needs and money to concrete<br />

supplies - basically, doing procurement work to support Ukraine.<br />

How do you recognize the needs in Ukraine?<br />

This comes from Ukrainians that are part of the initiative. There<br />

are different networks in Ukraine thta consolidate the needs. We are<br />

trying to bridge these needs to the awareness of global procurement<br />

community.<br />

Congratulation for your commitment towards the<br />

people in Ukraine. You have established a global procurement<br />

initiative for help: procure4peace. I have never seen<br />

such a quick response from procurement professionals in<br />

order to help people in danger. How could that happen?<br />

How can people join your initiative? And what can<br />

they do?<br />

Join procure4peace LinkedIn group, and visit procure4peace.<br />

org. The concrete help people can give, is to act on hep requests.<br />

Exaemplary requests solved this far inclue e.g. providing assistance<br />

in explaining custom procedure to linking people at certain suppliers.<br />

Putin administration’s horrible attack against Ukraine has created<br />

strong willingness by west to support. This level of willingness<br />

to help is something that at least I haven’t seen in my lifetime. What<br />

we are trying to do is merely to channel this energy so that it would<br />

Kleine Kniffe<br />

7<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 7 04.04.22 11:43


Nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> im Bereich Health Care<br />

Die Zukunft der <strong>Beschaffung</strong> ist GRÜN<br />

Neben dem Megatrend Digitalisierung wird die kommenden Jahre der Megatrend Nachhaltigkeit<br />

die <strong>Beschaffung</strong> stark verändern. Nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> berücksichtigt die bestmöglichen<br />

Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft über den gesamten Lebenszyklus<br />

(ISO 20400:2017). Der Gesundheitssektor weist einen Anteil von 4,4 Prozent an den globalen<br />

Treibhausgasemissionen auf. <strong>Das</strong> entspricht 2 Gt CO 2<br />

-Äquivalenten. Ein Krankenhausbett<br />

hat ungefähr den Energiebedarf eines Doppelhauses. Somit haben die im Gesundheitssektor<br />

entstehenden CO 2<br />

-Emissionen erhebliche Auswirkungen auf den Klimawandel.<br />

Ein Beitrag von Stefan Krojer<br />

Insbesondere Krankenhäuser verursachen mit ihrem kontinuierlichen<br />

24/7-Betrieb, der höchste technische Anforderungen<br />

und einen hohe Ressourcenverbrauch erfordert, hohe Umweltbelastungen.<br />

Deutschland will im Jahr 2050 Klimaneutral sein. <strong>Das</strong><br />

Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) setzt konkrete Ziele bis 2030<br />

und ab <strong>2022</strong> auch von 2031 bis 2050. Diese Ziele muss auch der<br />

Gesundheitssektor insbesondere Krankenhäuser erreichen. Der<br />

Einkauf trägt hierbei eine wesentliche Verantwortung. Denn: Der<br />

Einkauf kann bis zu 70 Prozent der im Krankenhaus entstehenden<br />

Emissionen beeinflussen. Dazu kommt die Verantwortung einer<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Lieferkette unter Einhaltung von Menschenrechten<br />

und Umweltstandards. <strong>Das</strong> Sorgfaltspflichtengesetz (Lieferkettengesetz)<br />

wurde am 12.2.2021 beschlossen. Ab 2023 müssen auch<br />

Kliniken mit mehr als 3.000 Mitarbeiter – ab 2024 mit mehr als<br />

1.000 Mitarbeiter – sich an die Rechtspflichten der Einhaltung von<br />

Menschenrechten und Umweltstandards halten. Kurzum: Es ist Zeit,<br />

etwas zu tun.<br />

Deshalb will die Initiative »Zukunft Krankenhaus-Einkauf« mit<br />

dem Format »ZUKE Green« einen Beitrag leisten. Durch unsere<br />

praktische Erfahrung im Krankenhaus- und Pflege-Einkauf wissen<br />

wir, dass Kliniken Ihre <strong>Ausgabe</strong>n begrenzen müssen. Deshalb liegt<br />

unser besonderes Augenmerk darauf, über <strong>nachhaltige</strong> Lösungen<br />

und Konzepte wie zum Beispiel PEGreen zu informieren, die wirtschaftlich<br />

sind.<br />

Ansatzpunkte <strong>für</strong> eine <strong>nachhaltige</strong><br />

<strong>Beschaffung</strong><br />

Eine effizientere Anlieferungsroutine der Produkte ist ein<br />

großer Hebel. Hier hilft eine bessere Bestellplanung. Kohlenstoffarme<br />

Substitutionen und Produktinnovationen die Dekarbonisierung<br />

der Lieferantenprozesse sind weitere Hebel. Über 1,4% der Emissionen<br />

in der Lieferkette sind auf Einweggeräte zurückzuführen,<br />

von denen einige wiederverwendet oder repariert werden könnten,<br />

wodurch die Einrichtungen sowohl Kohlenstoff als auch Geld sparen.<br />

Einweg-Plastikgegenstände können entfernt werden. Hier kann die<br />

Umwelt und der Geldbeutel geschont werden, da weniger Verpackungs-,<br />

Liefer- und Entsorgungskosten anfallen. Grundsätzlich<br />

sollten Einrichtungen im Gesundheitswesen ein Lieferantenmanagement<br />

einführen nach dem Prinzip «Vorbeugen – Identifizieren<br />

– Reagieren«:<br />

Vorbeugen: Nachhaltigkeitsanforderungen werden in Verträgen<br />

und Lastenheften verankert, insbesondere im Code of Conduct<br />

<strong>für</strong> Geschäftspartner; Lieferanten werden qualifiziert und sensibilisiert.<br />

Identifizieren: Die Nachhaltigkeitsrisiken in der Lieferkette<br />

werden systematisch ermittelt und priorisiert. Nachhaltigkeit wird<br />

in den wesentlichen Vergabeentscheidungen verankert und ein<br />

Rating der Nachhaltigkeitsperformance der potenziellen Lieferanten<br />

genutzt. Grundlage da<strong>für</strong> sind Selbstauskünfte sowie risikobasierte<br />

Vor-Ort-Checks.<br />

8 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 8 04.04.22 11:43


Foto: depositphotos<br />

Reagieren: Um auf die ermittelten Risiken und Auswirkungen<br />

zu reagieren, stehen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung.<br />

Dazu gehören ein standardisierter interner Prozess zur Aufarbeitung<br />

von Verstößen einzelner Lieferanten und Maßnahmenpläne aus<br />

Vor-Ort-Checks. Zentrales Ziel ist es, Verstöße zu beheben und zu<br />

verhindern sowie die Nachhaltigkeitsperformance der Lieferanten<br />

aktiv und wirksam zu verbessern.<br />

Umfrage<br />

ZUKE Green hat die User des Netzwerks LinkedIn befragt:<br />

“Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Argument, warum Kliniken<br />

<strong>nachhaltige</strong>r werden sollten?”. <strong>Das</strong> Ergebnis ist eindeutig: Die Erde<br />

zu retten wählten 70% der Befragten. Aber auch neue Mitarbeiter<br />

<strong>für</strong> die Klinik und das Pflegeheim zu gewinnen und zu binden wird<br />

immer wichtiger.<br />

Vision <strong>für</strong> einen <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf<br />

• arbeitet trotz Einhaltung sozialer und ökologischer Standards<br />

wirtschaftlich. Kostensteigerungen sind minimiert, Fördermöglichkeiten<br />

genutzt und Risiken gemanagt.<br />

Mit ZUKE Green wollen wir einen Beitrag leisten zur Erreichung<br />

dieses anspruchsvollen, aber absolut notwendigen Zielbildes<br />

<strong>für</strong> unser Gesundheitssystem. <strong>Das</strong> zentrale Ziel: Decarbonisierung<br />

des Gesundheitssektors bis 2050. Der Einkauf und die <strong>Beschaffung</strong><br />

ist hierbei eine zentrale Schlüsselposition einer <strong>nachhaltige</strong>n Wirtschaft<br />

und Gesundheitseinrichtung. Er ist Multiplikator nach innen<br />

und nach außen. Aber alleine kann der Einkauf die Ziele nicht erreichen.<br />

Deshalb vernetzen sich die Nachhaltigkeitsbotschafter:innen<br />

intern und extern, um gemeinsam mehr zu erreichen. Funktionierende<br />

Erfolgsbeispiele zur Verbesserung des sozialen, ökologischen<br />

und wirtschaftlichen Fußabdrucks werden untereinander geteilt.<br />

Wir wollen, dass Nachhaltigkeit im Supply Chain Management im<br />

Gesundheitswesen zum Standard wird.<br />

Wie kann eine Vision <strong>für</strong> einen <strong>nachhaltige</strong>n Einkauf aussehen?<br />

Die Vision von Zukunft Krankenhaus-Einkauf ist: Jede Gesundheitseinrichtung...<br />

• ist im Jahr 2040 klimaneutral (direkte Emissionen) und im<br />

Jahr 2050 komplett klimaneutral inklusive der Decarbonisierung<br />

der Lieferkette (Scope 3 Emissionen = net zero)<br />

• trägt ihre soziale Verantwortung innerhalb der eigenen<br />

Einrichtung und der Lieferkette<br />

Autor:<br />

Stefan Krojer<br />

Gründer ZUKE Green<br />

www.zukunft-krankenhaus-einkauf.de<br />

Kleine Kniffe<br />

9<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 9 04.04.22 11:43


Aus Unternehmensverbänden<br />

Nachhaltigkeit als Prinzip – Die IHK Wiesbaden<br />

gestaltet die Transformation zum <strong>nachhaltige</strong>n<br />

Wirtschaften vielseitig<br />

Nachhaltigkeit ist bei der IHK Wiesbaden eines von drei strategischen Leitthemen. Dabei<br />

bestimmt die Transformation zum <strong>nachhaltige</strong>n Wirtschaften zunehmend, wie wir unsere<br />

Mitgliedsunternehmen beraten und interne Prozesse gestalten. Besonderes Augenmerk liegt dabei<br />

auf der Rolle unserer Mitarbeiter:innen.<br />

Ein Beitrag von Felix Pohl, IHK Wiesbaden<br />

Wie werden wir in Zukunft wirtschaften? Was müssen wir<br />

lernen? Wo gilt es, Veränderung zu akzeptieren und mehr noch,<br />

sie zu gestalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Bei den Strategiethemen<br />

Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Fachkräfte suchen<br />

wir Antworten auf diese Fragen.<br />

Damit die Transformation zum <strong>nachhaltige</strong>n Wirtschaften<br />

gelingt, unternehmen wir seit gut zehn Jahren viele große und<br />

kleine Schritte, sowohl in der Beratung unserer Mitglieder als auch<br />

in unserem Arbeitsalltag. Eine Ökoprofit-Zertifizierung, die Einrichtung<br />

des bundesweit ersten IHK-Ausschusses zur „Gesellschaftlichen<br />

Verantwortung“ in 2014, die Verankerung von Nachhaltigkeit im<br />

„Leitbild der Ehrbaren Kaufleute“ oder die Kampagne zu den 17<br />

„hessischen“ SDG’s wurden von vielen Beteiligten aus Haupt- und<br />

Ehrenamt gemeinsam gestaltet und getragen. Aktuell prägen<br />

Themen wie das Lieferkettengesetz und die CSR-Berichtspflicht die<br />

externe IHK-Arbeit. Mit Workshops und Netzwerkveranstaltungen<br />

sowie einem monatlich stattfindenden Sprechtag stehen wir unseren<br />

Mitgliedsunternehmen bei der Transformation zur Seite.<br />

Zudem blicken wir nach innen: Stellschrauben bei <strong>Beschaffung</strong><br />

und Einkauf sind schnell gedreht, z.B. der Bezug von Ökostrom<br />

oder die Einführung von Jobtickets. Mitarbeiter:innen zu sensibilisieren<br />

und zu motivieren hingegen ist ein langfristiger Prozess.<br />

Seit 2021 entwickelt eine Arbeitsgruppe Lösungen nicht nach Aufgabenstellung<br />

durch das Management, sondern aus sich heraus im<br />

Bottom-Up-Ansatz. Im Fokus der Projekte stehen tägliche Routinen<br />

der Mitarbeiter:innen. Regelmäßige Intranet-Posts zum Projektstand<br />

geben allen Kolleg:innen die Möglichkeit eigene Ideen einzubringen<br />

und sich zu informieren.<br />

So ist eine Recycling- und Verleih-Station entstanden, die<br />

Prinzipien von Kreislaufwirtschaft und Sharing Economy aufgreift.<br />

Fünf verschiedene Wertstoffe können derzeit darin recycelt<br />

(Brillen, Handys, Tonerkartuschen, Kork, leere Stifte/Marker)<br />

sowie verschiedene Gegenstände zur Nutzung entnommen werden<br />

(überschüssige Werbestifte und -blöcke, wiederverwendbare Einkaufsbeutel<br />

und Büromaterial aus Vornutzung). Schreibmaterial, ob<br />

neu oder gebraucht, und Einkaufsbeutel sind besonders nachgefragt.<br />

Im Sinne der Verkehrswende organisierte die Gruppe kostenfreie<br />

E-Bike-Probewochen mit Unterstützung des hessischen Förderprogramms<br />

„bike+business“. Rund ein Viertel der Beschäftigten nahm<br />

teil und konnte über jeweils mehrere Tage den Arbeitsweg neu kennenlernen.<br />

Unterstützt wurden sie dabei von den ortskundigen und<br />

raderfahrenen Kolleg:innen. Manche pendelten so zum ersten Mal<br />

per Rad, die längste Anfahrt lag bei 15 Kilometern. Auch kurze Strecken<br />

auf diese Weise zu bewältigen war <strong>für</strong> viele ein Erfolgserlebnis.<br />

Inzwischen wird selbst im Winter mehr zur Arbeit geradelt und wir<br />

prüfen die Einrichtung eines Radleasingprogramms.<br />

Mit Blick auf die Verpflichtung zum Angebot von Mehrwegbehältern<br />

<strong>für</strong> Essen und Getränke ab 2023 unterstützte die Gruppe<br />

unsere Kantine bei der <strong>Beschaffung</strong> von Mustern und der Evaluation<br />

von Anbietern. Ende 2021 wurde ein Pfandsystem eingeführt, dass<br />

inzwischen bei rund der Hälfte der to-go-Bestellungen zum Einsatz<br />

kommt.<br />

Es sind gerade diese „kleinen Kniffe“, die uns helfen, Nachhaltigkeit<br />

zum Prinzip zu machen und die Transformation aus allen<br />

Blickwinkeln zu gestalten.<br />

Autor<br />

Felix Pohl<br />

Leiter Nachhaltigkeit<br />

IHK Wiesbaden<br />

Telefon 0611-1500-189<br />

E-Mail f.pohl@wiesbaden.ihk.de<br />

10 Kleine Kniffe<br />

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Kleine Kniffe<br />

11<br />

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Aus Kompetenzzentren der <strong>Beschaffung</strong><br />

Standardisierung <strong>für</strong><br />

mehr Innovationen in der öffentlichen <strong>Beschaffung</strong><br />

Wieso sollte ausgerechnet eine Standardisierung zu mehr Innovationen in der öffentlichen<br />

<strong>Beschaffung</strong> führen? Würde man nicht eher vermuten, dass durch das Setzen von Standards die<br />

systematische <strong>Beschaffung</strong> von Innovationen gehemmt wird? <strong>Das</strong> Kompetenzzentrum innovative<br />

<strong>Beschaffung</strong> (KOINNO) wird sich in den nächsten Monaten diesen Fragen verstärkt widmen und<br />

gemeinsam mit Experten aus der Praxis mögliche Standards erarbeiten.<br />

Ein Beitrag von Judith Jung<br />

Gerade in den frühen Phasen des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses erkennt<br />

man eine eher heterogene Ausgestaltung. Dies betrifft insbesondere<br />

die Phasen vor der eigentlichen Ausschreibung. Dazu zählen vor<br />

allem das Bedarfsmanagement sowie die <strong>Beschaffung</strong>smarktforschung<br />

(oder auch Markterkundung).<br />

Neben der <strong>Beschaffung</strong> spielen zwei weitere Akteure hier eine<br />

besonders wichtige Rolle: die Bedarfsträger sowie die potenziellen<br />

Lieferanten. Gerade an diesen beiden entscheidenden Schnittstellen<br />

entstehen häufig Informationsasymmetrien und Unsicherheiten.<br />

Die Ideen zur <strong>Beschaffung</strong> von Innovationen kommen meist<br />

von den Bedarfsträgern. Sie verfügen in der Regel über alle nötigen<br />

Informationen bezogen auf die Problemstellung, d.h. sie sind in der<br />

Lage, ihren Bedarf zu beschreiben. Potenzielle Lieferanten hingegen<br />

verfügen über Informationen hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur<br />

Problemlösung. Aufgabe der <strong>Beschaffung</strong> ist es nun, diese beiden<br />

Informationsstände zu kombinieren und so Bedarfsträger und potenzielle<br />

Anbieter zusammenzuführen, um letztendlich Innovationen zu<br />

realisieren. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn die <strong>Beschaffung</strong><br />

frühzeitig über Bedarfe in Kenntnis gesetzt wird und so bereits bei<br />

der Ideenentwicklung involviert ist.<br />

Die Entwicklung eines systematischen Vorgehens, eines sog.<br />

Standards, könnte hier Abhilfe schaffen.<br />

Wie kann Standardisierung zu mehr<br />

Innovationen führen?<br />

Bei einem Standard handelt es sich um eine vergleichsweise<br />

einheitliche oder vereinheitlichte, von bestimmten Kreisen anerkannte<br />

und meist auch angewandte (oder zumindest angestrebte)<br />

Art und Weise, etwas herzustellen oder durchzuführen, die sich<br />

gegenüber anderen Arten und Weisen durchgesetzt hat . Ein<br />

wichtiges Unterscheidungsmerkmal zur sog. Norm ist, dass der<br />

Standardisierungsprozess nicht zwingend unter Einbeziehung<br />

aller interessierten Kreise und der Öffentlichkeit abläuft. Derartig<br />

entwickelte Standards können aber durchaus die Basis <strong>für</strong> spätere<br />

Normen sein.<br />

Die Entwicklung von Standards verfolgt in erster Linie das<br />

Ziel, die Effizienz und Effektivität von Geschäftsprozessen innerhalb<br />

und zwischen Unternehmen zu steigern. Überträgt man dieses<br />

Verständnis auf die öffentliche <strong>Beschaffung</strong>, ergeben sich mehrere<br />

Ansatzpunkte <strong>für</strong> eine Standardisierung. Innerhalb von KOINNO<br />

möchten wir den Fokus zunächst auf die drei folgenden Hebel legen:<br />

• Standardisierung des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses unter Berücksichtigung<br />

der Anforderungen <strong>für</strong> die <strong>Beschaffung</strong> von Innovationen.<br />

• Standardisierung der Art und Weise der Bedarfsspezifikation<br />

von Innovationen, d.h. die Art und Weise wie Bedarfe an die<br />

<strong>Beschaffung</strong>sstelle kommuniziert werden.<br />

• Standardisierung der Interaktion mit der Anbieterseite<br />

Entstehen von Standards<br />

Die Entstehung eines Standards folgt in der Regel einem festen<br />

Vorgehen. Die im nachfolgenden beschriebene Vorgehensweise orientiert<br />

sich am Standardisierungsmodell nach de Vries .<br />

Standards werden üblicherweise von Unternehmen oder<br />

anderen Organisationen <strong>für</strong> den internen Gebrauch entwickelt. Aber<br />

auch Unternehmenskonsortien oder Regierungsstellen entwickeln<br />

Standards.<br />

12 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

Standards beinhalten typischerweise technische Spezifikationen<br />

oder andere präzise Kriterien, die sicherstellen, dass Materialien,<br />

Produkte, Prozesse, Dienstleistungen, Systeme oder Personen <strong>für</strong><br />

den vorgesehenen Zweck geeignet sind. Sie können aber ebenfalls<br />

Prüfverfahren, Verfahrensregeln, Managementsystemnormen,<br />

Empfehlungen oder Leitlinien <strong>für</strong> eine vereinbarte „Best-Practice“<br />

sein.<br />

Wenn ein Standard in die Geschäftsprozesse der breiten Öffentlichkeit<br />

implementiert und dort genutzt wird, können daraus<br />

diverse positive Effekte resultieren. Bezogen auf die Prozesse können<br />

dies u.a. sein:<br />

• Erhöhte Prozessqualität<br />

• Reduzierte Durchlaufzeiten<br />

• Reduzierte Prozesskosten<br />

• Verbesserte Reaktionszeiten<br />

Können Standards also tatsächlich <strong>für</strong> mehr Innovationen in der<br />

öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> sorgen? Ziel ist es zumindest, dass Beschaffer,<br />

Bedarfsträger und Anbieter auf dem Weg hin zur Innovation<br />

besser miteinander in den Austausch kommen können.<br />

Autorin<br />

Judith Jung<br />

Projektmanagerin im<br />

Kompetenzzentrum<br />

innovative <strong>Beschaffung</strong><br />

Die KOINNO-Standardisierung als neues Element im<br />

Leistungsportfolio<br />

KOINNO wird zukünftig Standardisierungspotenziale<br />

im <strong>Beschaffung</strong>sprozess sowie in den<br />

Schnittstellenprozessen untersuchen.<br />

Ziel ist es, gemeinsam mit Expertinnen und<br />

Experten aus der Praxis Standards im öffentlichen<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozess zu definieren, die als<br />

Orientierungshilfe <strong>für</strong> öffentliche Auftraggeber zur<br />

Umsetzung einer innovativen öffentlichen <strong>Beschaffung</strong><br />

dienen sollen.<br />

Werden Sie Teil einer unserer vier Arbeitsgruppen<br />

• Bedarfsmanagement<br />

• <strong>Beschaffung</strong>smarktforschung<br />

• <strong>Beschaffung</strong>svergabe<br />

• <strong>Beschaffung</strong>sabwicklung<br />

und tragen Sie dazu bei, eine Orientierungshilfe<br />

<strong>für</strong> öffentliche Auftraggeber zur Umsetzung einer<br />

innovationsorientierten öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> zu<br />

erstellen.<br />

Unterstützen Sie das KOINNO bei dem Vorhaben,<br />

Innovationspotenziale <strong>für</strong> öffentliche Auftraggeber<br />

sichtbar und intuitiv anwendbar zu machen.<br />

Bei Interesse freuen wir uns über Ihre<br />

E-Mail an judith.jung@bme.de<br />

Kleine Kniffe<br />

13<br />

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Aus Unternehmensverbänden<br />

Die Übermorgen-Strategie - Mit der HWK Schwaben<br />

in eine <strong>nachhaltige</strong> Unternehmenszukunft<br />

Nachhaltigkeit wird im Handwerk schon längst gelebt. Doch werden die zahlreichen Aktivitäten im<br />

wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bereich nicht als Beitrag zu einer <strong>nachhaltige</strong>n Entwicklung,<br />

sondern als ganz selbstverständlicher Teil der Arbeit und der Betriebskultur angesehen. Gerade das macht<br />

das Handwerk so spannend: Ohne dass künstlich aufgesattelt werden muss, trägt es erheblich zu einer<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Entwicklung bei und ist in vielen Bereichen sogar der entscheidende Motor zur Erreichung von<br />

Nachhaltigkeitszielen.<br />

Ein Beitrag von Susanne Sadremoghaddam<br />

Die Umsetzung von Klimaschutzzielen wäre ohne das Handwerk<br />

z. B. im Bereich energetischer Sanierung oder beim Einsatz Erneuerbarer<br />

Energien, völlig undenk bar. Die erforderlichen Experten<br />

bilden das Handwerk selbst aus. Als wichtiger Stützpfeiler der dualen<br />

Ausbildung sorgt es <strong>für</strong> wirtschaftliche Stabilität und hat sich in der<br />

Krise bewährt.<br />

Warum ist es aktuell wichtiger denn je, seinen<br />

Betrieb nachhaltig zu gestalten?<br />

Zur Zeit der industriellen Revolution dachten wir, jedes Wachstum<br />

sei machbar. Über Verfügbarkeiten von Rohstoffen oder<br />

Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft haben wir uns beim<br />

Streben nach Gewinn wenig Gedanken gemacht. Heute sind wir<br />

Gott sei Dank schlauer. Wir wissen, dass nur ein radikales Umdenken<br />

in Politik und Gesellschaft die Zerstörung unserer Umwelt<br />

aufhalten kann. Zudem werden Themen wie Mitarbeitergesundheit<br />

und ökonomisches Wirtschaften immer wichtiger. Auch Kunden<br />

und Geschäftspartner haben verschiedene Forderungen: das Unternehmen<br />

muss ökonomisch erfolgreich wirtschaften, soll aber auch<br />

die Umwelt schützen und die Gesellschaft positiv beeinflussen.<br />

Daher ist die <strong>nachhaltige</strong> Unternehmensführung heute ein zentraler<br />

Erfolgsfaktor.<br />

Beratungsangebot „Nachhaltige<br />

Unternehmenszukunft“<br />

Den meisten Betrieben ist bewusst, dass sie vom Fachkräftemangel<br />

und dem Klimawandel betroffen sind und dass die Digitalisierung<br />

eine enorme Herausforderung darstellt. Im Alltag fehlt jedoch oft<br />

die Zeit, sich mit diesen Herausforderungen auseinanderzusetzen.<br />

Und die Frage steht im Raum: was sind die ersten Schritte und wo<br />

soll ich anfangen? <strong>Das</strong> Beratungsangebot Nachhaltige Unternehmenszukunft<br />

(NUZ) der Handwerkskammer <strong>für</strong> Schwaben (HWK<br />

Schwaben) setzt genau dort an, gibt Orientierung und unterstützt die<br />

Betriebe bei der Umsetzung geeigneter Maßnahmen.<br />

Die NUZ-Beratung ist einfach, pragmatisch und individuell:<br />

Handwerksbetriebe erhalten ein Konzept, das zum jeweiligen Unternehmen<br />

und Gewerk passt. Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit<br />

- Ökonomie, Ökologie und Soziales - erscheinen in der NUZ-Beratung<br />

unter den fünf Zukunftsfeldern Strategie, Markt, Umwelt,<br />

Mitarbeiter und Gesellschaft.<br />

Tue Gutes und rede darüber – 3 Tipps, die<br />

leicht umzusetzen sind<br />

Viele Betriebe sind schon nachhaltig – oft ohne es zu wissen.<br />

Wir empfehlen zu Beginn eine Bestandsaufnahme zu machen. Was<br />

ist schon alles nachhaltig in meinem Unternehmen oder wo gibt es<br />

gute Ansätze mit mehr Potential? Vielleicht sponsern Sie den Fußballverein<br />

in Ihrer Region oder Sie haben <strong>für</strong> Ihre Mitarbeiter ein<br />

spezielles Angebot zur Gesundheitsförderung? Fördern Sie die Biodiversität,<br />

indem Sie Ihre Grünflächen naturnah gestalten?<br />

Bevor man mit neuen Maßnahmen loslegt, ist es hilfreich, sich<br />

Ziele zu setzen und dann daraus Maßnahmen abzuleiten. Zum<br />

Beispiel: Ziel: Mein Unternehmen ist bis Ende des Jahres 2024<br />

klimaneutral. Maßnahme: Daten sammeln, CO 2<br />

-Bilanz erstellen,<br />

Maßnahmen zur CO 2<br />

-Reduktion festlegen und CO 2<br />

-Emissionen<br />

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Foto: depositphotos<br />

ausgleichen. Und vor allem die Mitarbeiter mit einbeziehen. Oft<br />

haben diese sehr gute Ideen, die leicht umzusetzen sind. Kleiner<br />

Nebeneffekt: sie fühlen sich wertgeschätzt.<br />

Wer sich mit <strong>nachhaltige</strong>r Unternehmensführung befasst, sieht<br />

erstmal einen großen Berg an Aufgaben vor sich. Die „Arbeit am<br />

Unternehmen“ bedeutet Mehraufwand, <strong>für</strong> den man neben dem Alltagsgeschäft<br />

viel Zeit braucht. Oft haben Unternehmen auch keine<br />

speziellen Mitarbeiter, die sich ausschließlich um solche Dinge<br />

kümmern können. Es gibt viel Unterstützung und praktische Instrumente,<br />

die Unternehmen helfen, sich nachhaltig aufzustellen. Und<br />

zwar vom Anfang bis zum Ende – also von der Bestandsaufnahme<br />

bis hin zum umfassenden Nachhaltigkeitsbericht. Hier unterstützt<br />

die HWK Schwaben und bietet Handwerksbetrieben ihre Beratung<br />

zur <strong>nachhaltige</strong>n Unternehmensführung an.<br />

HWK Schwaben setzt Maßstäbe in Sachen<br />

Nachhaltigkeit und Klimaschutz<br />

Die HWK Schwaben möchte mit den schwäbischen Handwerksbetrieben<br />

glaubwürdig und auf Augenhöhe kommunizieren. Darauf<br />

setzt die HWK Schwaben: „Mit der Beratung zur <strong>nachhaltige</strong>n Unternehmenszukunft<br />

unterstützen wir die Handwerksbetriebe bei der<br />

Umsetzung von <strong>nachhaltige</strong>m Handeln. Da können und wollen wir<br />

keinesfalls hinterherhinken und gehen mit gutem Beispiel voran“,<br />

sagt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der HWK Schwaben.<br />

„Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind <strong>für</strong> uns kein „nice-to-have“,<br />

sondern eine wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> den Erfolg unserer Arbeit“,<br />

ist Wagner überzeugt.<br />

So ist die HWK Schwaben zum Beispiel die erste klimaneutrale<br />

Handwerkskammer in Deutschland. Sie hat <strong>für</strong> das Jahr 2019<br />

eine CO 2<br />

-Bilanz erstellt und den unvermeidbaren CO 2<br />

- Ausstoß mit<br />

ihrem Engagement in einem Allgäuer Bergwaldprojekt kompensiert.<br />

Doch nicht nur der Klimaschutz, sondern der gesamte Komplex<br />

der Nachhaltigkeit wird bei der HWK Schwaben gelebt und<br />

ist seit Jahren fester Bestandteil der Unternehmensphilosophie. Als<br />

einzige Handwerkskammer in Deutschland hat die HWK Schwaben<br />

bereits zum zweiten Mal eine Erklärung zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex<br />

(DNK) veröffentlicht. So soll die eigene <strong>nachhaltige</strong><br />

Unternehmensführung vorangebracht und nach außen sichtbar und<br />

vergleichbar werden.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.hwk-schwaben.de/nachhaltigkeit<br />

Autorin<br />

Susanne Sadremoghaddam<br />

Beauftragte <strong>für</strong> Innovation und<br />

Technologie<br />

Handwerkskammer <strong>für</strong> Schwaben<br />

Tel.: 0821/3259-1567<br />

E-Mail: nachhaltigkeit@hwk-schwaben.de<br />

Kleine Kniffe<br />

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Aus Expertensicht<br />

Die Rolle des Einkaufs<br />

bei der Erreichung von Klimazielen<br />

Rund 15.000 Unternehmen, Investoren und Organisationen in 127 Ländern haben sich<br />

laut UN- Klimasekretariat bislang öffentlich dazu entschieden, einen aktiven Beitrag zum<br />

Klimaschutz zu leisten. Auf Deutschland entfallen davon rund 500 Protagonisten, darunter acht<br />

Landesregierungen und 90 Städte.<br />

Ein Beitrag von Rüdiger Senft<br />

Neben einem Beitrag zum Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung<br />

spielen steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie<br />

regulatorische Anforderungen eine zunehmend wichtige Rolle.<br />

Auch Finanzierungen hängen <strong>für</strong> Organisationen inzwischen immer<br />

stärker vom Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken ab.<br />

Drei Elemente einer Klimastrategie<br />

Die Einführung einer organisationsweiten Klimastrategie kann<br />

eine Organisation bei aktivem Klimaschutz, Ressourceneffizienz, der<br />

Vorbereitung auf regulatorische Anforderungen in der Nachhaltigkeits-Berichterstattung<br />

und dem Management von Klimarisiken<br />

unterstützen. Ebenso kann sie ein wichtiger Baustein in einer organisationsweiten<br />

Nachhaltigkeits-Strategie sein, die neben Klima<br />

auch andere Umwelt- und Sozialziele beinhaltet.<br />

Die Entwicklung einer Klimastrategie umfasst im Grunde drei<br />

Elemente:<br />

• Festlegen eines Klimaziels,<br />

• Nullmessung der organisationsweiten Treibhausgas-<br />

Emissionen (THG) und<br />

• das Ableiten von Maßnahmen zur Erreichung des festgelegten<br />

Klimaziels.<br />

SMARTE Ziele <strong>für</strong> eine auf das Pariser<br />

Klimaziel ausgerichtete Strategie<br />

Um eine Klimastrategie zu entwickeln, die nicht nur ambitioniert,<br />

sondern auch glaubwürdig ist kommt es dabei auf die Details<br />

an. Ziele sollten grundsätzlich „SMART“ formuliert sein, also<br />

spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert. Ein<br />

langfristig terminiertes, spezifisches Klimaziel sollte beispielsweise<br />

die Verpflichtung beinhalten, bis zu einem bestimmten Jahr<br />

keine Emissionen zu emittieren, die über die Menge hinausgeht,<br />

die der Atmosphäre dauerhaft entnommen wurde („Net-Zero“).<br />

Der bis dahin zu beschreitende THG-Reduktionspfad sollte<br />

wissenschaftsbasiert und damit objektiv messbar auf das 1,5 Grad<br />

Klimaziel des Pariser Klimavertrags ausgerichtet sein. Linear<br />

betrachtet entspräche dies in etwa einem jährlichen THG-<br />

Reduktionsbedarf von 10% bis zum Jahre 2050.<br />

Nachhaltigkeit wird im Einkauf immer<br />

wichtiger<br />

Nachhaltigkeit spielt im Einkauf eine immer größere Rolle.<br />

Richtlinien <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> tragen dazu bei, dass neben<br />

dem Preis auch Lebensdauer und Umweltverträglichkeit von eingekauften<br />

Produkten berücksichtigt werden. Lieferanten werden<br />

zunehmend dazu verpflichtet, Mindeststandards bei Menschen- und<br />

Arbeitsrechten in ihrer Lieferkette sicher zu stellen. Besonders <strong>für</strong><br />

große Organisationen wird auch der regulatorische Druck weiter<br />

zunehmen (Stichwort „Lieferkettengesetz“).<br />

Emissionen aus der Lieferkette belasten die<br />

eigene Klimabilanz<br />

Die strategische Auswahl von Lieferanten hinsichtlich ihrer<br />

THG-Intensität steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Sie ist<br />

gleichwohl ein wirksames Instrument des Einkaufs, um die Umsetzung<br />

einer Klimastrategie zu unterstützen. Dies liegt unter anderem<br />

an der Methode mit der THG seit Ende der 1990er Jahre gemessen<br />

werden. <strong>Das</strong> sogenannte „Greenhouse Gas Protocol“ unterscheidet<br />

bei der Messung von THG in Organisationen drei Bereiche<br />

(sogenannte „Scopes“). Scope 1 und 2 Emissionen beziehen sich,<br />

vereinfacht ausgedrückt, auf die THG im operativen Teil einer<br />

Organisation. Scope 3 Emissionen hingegen beziehen sich auf die<br />

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Foto: depositphotos<br />

Lieferkette und hier insbesondere die Emissionen, die eingekauften<br />

Gütern und Dienstleistungen sowie deren Transport zugerechnet<br />

werden können.<br />

Lieferantenauswahl anhand von Klimadaten<br />

Dem Einkauf kommt damit die Erweiterung seiner Kernaufgaben<br />

zu. Denn die Suche, Auswahl, Bewertung und Entwicklung<br />

von Lieferanten muss nun im Kontext von THG-Intensität erfolgen.<br />

Denn die Emissionen, die eine Organisation durch ihre Lieferanten<br />

und den Transport in die eigene Klimabilanz mit aufnehmen muss,<br />

gilt es zu minimieren. Für Lieferanten bedeutet dies, dass sie schon<br />

bald in der Lage sein müssen, detaillierte Angaben zum THG-Gehalt<br />

ihrer Produkte und Dienstleitungen zur Verfügung zu stellen<br />

und damit ihrem Abnehmer die Berechnung von dessen Scope 3<br />

Emissionen zu ermöglichen. Aktuell ist davon auszugehen, dass<br />

nur die wenigsten Lieferanten in der Lage sind, Angaben zu ihren<br />

THG-Emissionen zu liefern.<br />

Lieferantenentwicklung zur Vertiefung der<br />

Lieferbeziehungen<br />

Neben der Gestaltung der Lieferbeziehungen ist der Transport<br />

der zweite große Stellhebel <strong>für</strong> den Einkauf. Der weltweite Güterverkehr<br />

ist laut Umweltbundesamt der größte Verbraucher fossiler<br />

Energien. Je nach Transportmittel variiert der THG Ausstoß zwischen<br />

3 Gramm (pro Tonne Fracht, pro Kilometer) bei einem<br />

Containerschiff und 435 Gramm bei einem Transportflugzeug. Beim<br />

inländischen Transport fallen 16 Gramm bei der Güterbahn und 111<br />

Gramm beim LKW pro „Tonnenkilometer“ an. Entsprechend spielt<br />

die Wahl des Transportmittels <strong>für</strong> die Klimastrategie ebenfalls eine<br />

wichtige Rolle und kann vom Einkauf aktiv gestaltet werden, um die<br />

Scope 3 Emissionen der eigenen Klimabilanz weiter zu reduzieren.<br />

Fazit<br />

Eine eigene Klimastrategie dient einer Organisation dazu, sich<br />

zukunftssicher aufzustellen. Der Einkauf spielt eine wichtige Rolle<br />

beim Erreichen der Klimaziele. Durch die Auswahl bzw. die Entwicklung<br />

strategischer Lieferanten zu mehr THG-Effizienz kann die<br />

Qualität und Widerstandsfähigkeit der Lieferkette gestärkt werden.<br />

Durch die konsequente Wahl klimafreundlicher Transportmittel<br />

trägt der Einkauf auch hier zur Erreichung der Klimaziele bei.<br />

Um an bewährten Lieferbeziehungen festzuhalten, sollte der<br />

Einkauf seine Lieferanten zur Erstellung einer Klimabilanz nach dem<br />

Greenhouse Gas Protocol motivieren oder sie gar dabei unterstützen.<br />

Mit pragmatischen, onlinebasierten Tools ist dies heutzutage<br />

gerade <strong>für</strong> kleine und mittelständische Unternehmen keine große<br />

Herausforderung mehr. Die Wettbewerbsfähigkeit des Lieferanten<br />

steigt und die Lieferbeziehung wird vertieft.<br />

Klimaschonende Logistik als zweiter großer<br />

Hebel in der Lieferkette<br />

Rüdiger Senft ist Principal Consultant <strong>für</strong> Nachhaltigkeit und<br />

Transformation bei SLR Consulting (Frankfurt). Er blickt auf<br />

über 15 Jahre Erfahrung im Bereich Nachhaltigkeit zurück und<br />

arbeitete u.a. <strong>für</strong> die Vereinten Nationen, die Commerzbank und<br />

mit mittelständischen Unternehmen zu Themen rund um Strategie,<br />

Sustainable Finance und Transformation.<br />

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17<br />

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Unternehmensinitiativen der Nachhaltigkeit<br />

Gemeinsam <strong>betriebliche</strong>n Klimaschutz voranbringen<br />

- Unternehmensnetzwerk Klimaschutz -<br />

Bis 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, ist jedes einzelne<br />

Unternehmen gefragt, sich so bald wie möglich auf den Transformationspfad Richtung Klimaneutralität<br />

zu begeben. <strong>Das</strong> ist einfacher gesagt als getan. Im <strong>betriebliche</strong>n Alltag fehlen oft Zeit und Know-how, um<br />

nicht nur einzelne Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, sondern sich kontinuierlich und strategisch mit den<br />

neuen Anforderungen des Klimaschutzes auseinanderzusetzen. <strong>Das</strong> Unternehmensnetzwerk Klimaschutz –<br />

Eine IHK-Plattform setzt genau hier an und gibt Unternehmen Anregungen <strong>für</strong> erfolgreichen <strong>betriebliche</strong>n<br />

Klimaschutz, beispielsweise in der Lieferkette.<br />

Ein Beitrag von Stefanie Tornow<br />

Den<br />

Transformationspfad<br />

gemeinsam gestalten<br />

Die nationalen und europäischen<br />

Klimaschutzziele stellen die<br />

deutsche Wirtschaft vor eine gewaltige<br />

Transformationsaufgabe. Viele<br />

Unternehmen sind bereit, sich auf<br />

den Weg in Richtung Klimaneutralität<br />

zu machen. Es fehlen aber<br />

zeitliche und personelle Ressourcen<br />

sowie Know-how, um in die konkrete<br />

Umsetzung einzusteigen oder<br />

weiter voranzukommen. Mit dem<br />

neuen Unternehmensnetzwerk<br />

Klimaschutz – Eine IHK-Plattform<br />

möchten wir Unternehmen dabei unterstützen, die vorhandene<br />

Bereitschaft zum Klimaschutz in konkretes Handeln zu überführen.<br />

Kern unseres Projekts ist eine digitale Plattform, auf der sich<br />

Netzwerkmitglieder austauschen, sich informieren und eine Reihe<br />

von Angeboten nutzen können. Denn mit- und voneinander<br />

lernen erleichtert die Auswahl und Umsetzung geeigneter Klimaschutzmaßnahmen<br />

im Betrieb und steigert das vorhandene<br />

Klimaschutz-Knowhow. Dabei setzen wir auf die Vorbildfunktion<br />

von Unternehmen, die bereits erfolgreich innovative Klimaschutzmaßnahmen<br />

umgesetzt haben.<br />

Gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern vor Ort<br />

entwickeln wir zudem Informations- und Qualifizierungsangebote<br />

Unternehmensnetzwerk Klimaschutz –<br />

Eine IHK-Plattform<br />

Im Unternehmensnetzwerk Klimaschutz können alle<br />

Unternehmen Mitglied werden, die einen aktiven Beitrag zum<br />

Klimaschutz leisten wollen. Die Netzwerkmitglieder verbindet,<br />

dass sie Verständnis <strong>für</strong> den Einfluss ihres Unternehmens auf das<br />

Klima haben, sich eigene Klimaschutzziele setzen, konkret Verbesserungsmaßnahmen<br />

umsetzen und Klimaschutz-Knowhow<br />

aufbauen wollen. Die Mitgliedschaft im Unternehmensnetzwerk<br />

Klimaschutz ist kostenlos.<br />

https://unternehmensnetzwerk-klimaschutz.de/<br />

im Bereich des <strong>betriebliche</strong>n Klimaschutzes.<br />

So erhalten Mitglieder<br />

im Unternehmensnetzwerk Klimaschutz<br />

Zugang zu regelmäßigen<br />

Impulsen in Form von Artikeln,<br />

Check-Listen und Leitfäden sowie<br />

Tools zur CO 2<br />

-Bilanzierung,<br />

werden über virtuelle und analoge<br />

Veranstaltungen informiert und<br />

finden Anregung bei der Festlegung<br />

von CO 2<br />

-Reduktionszielen<br />

und Klimaschutzstrategien. Zum<br />

Angebot gehören auch das Qualifizierungsprogramm<br />

Energie-Scouts<br />

<strong>für</strong> Azubis und eine Weiterbildung<br />

als Betriebliche:r Mobilitätsmanager:in.<br />

In Bezug auf den <strong>betriebliche</strong>n Klimaschutz können Unternehmen<br />

viel voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen. Wie<br />

das Unternehmensnetzwerk Klimaschutz einen Beitrag dazu leisten<br />

kann, zeigen die folgenden Beispiele.<br />

Beispiel 1: Mit Energie-Scouts auf der Suche<br />

nach Einsparpotentialen<br />

Wie können Unternehmen Klimaschutz-Knowhow entwickeln<br />

und <strong>für</strong> ihre <strong>betriebliche</strong> Transformation einsetzen? Eine Möglichkeit<br />

ist die Qualifizierung von Auszubildenden zu Energie-Scouts.<br />

<strong>Das</strong> Programm bietet die Kammer-Organisation schon seit 2014 an.<br />

Frau Johansson und Frau Lutz beispielsweise sind Auszubildende bei<br />

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einer großen Kaffeerösterei und international agierendem Handelsunternehmen.<br />

Ihre Ausbildungsleiterin hatte von dem Programm<br />

Energie-Scouts gehört und die beiden angehenden Kaufleute dazu<br />

animiert, an dem Qualifizierungsprogramm teilzunehmen. Dazu<br />

haben sie mehrere Workshops zu den Themen Energie-, Ressourceneffizienz<br />

und <strong>betriebliche</strong> Mobilität bei der HK Hamburg besucht<br />

und gelernt, wie man ein eigenes Effizienzprojekt entwickelt. Nun<br />

setzen die beiden Frauen ihr Projekt an ihrem Standort um: sie optimieren<br />

die Beleuchtung im Betrieb durch Tageslichtsensoren und<br />

Bewegungsmelder und wollen damit jährlich 0,87 t CO 2<br />

und mindestens<br />

3.500€ einsparen.<br />

Beispiel 2: Best Practice <strong>für</strong> Klimaschutz in der<br />

Lieferkette<br />

Die Anton Debatin GmbH ist ein führender deutscher Kunststoffhersteller<br />

und stellt manipulationssichere, klimaneutrale und<br />

kundenindividuelle Verpackungs-, Versand- und Transportlösungen<br />

her. Seit 2017 versucht das Unternehmen, seine Produkte klimaneutral<br />

herzustellen und die Idee der Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.<br />

Dazu hat das Unternehmen eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>sstrategie<br />

umgesetzt. In den vergangenen Jahren haben sie die Entwicklung<br />

<strong>nachhaltige</strong>r und recyclingfähiger Materialien und Produkte forciert,<br />

der größte Teil der Produkte ist inzwischen als „ausgezeichnet recyclingfähig“<br />

zertifiziert. Materialeinsatz und Abfallmengen wurden<br />

optimiert und reduziert, seit Anfang 2021 bezieht Debatin klimaneutrales<br />

Gas und Strom aus 100 Prozent Wasserkraft.<br />

“Alle Anforderungen, die wir an unsere<br />

Lieferanten und Dienstleister stellen, möchten<br />

wir auch im eigenen Unternehmen umsetzen.”<br />

– Jörg Keilbach, Prozessmanager bei der Anton<br />

Debatin GmbH<br />

Aber damit nicht genug. Im Rahmen einer internen Prozessimplementierung<br />

wurde die Strategie auf die Bereiche des<br />

Lieferantenmanagements angewendet. Es wurde ein Supplier Code<br />

of Conduct entwickelt, die Kriterien zur Lieferantenauswahl und<br />

-bewertung überarbeitet und ein ökologisches Lieferantenprojekt<br />

ins Leben gerufen. Dazu gehört, dass Debatin nicht nur die eigenen<br />

noch bestehenden CO 2<br />

-Emissionen aus der Produktion, sondern<br />

auch die Emissionen der Vorlieferanten kompensiert. Debatin ist<br />

wichtig, auch die Lieferanten- und Partnerbetriebe zu einem Teil<br />

ihrer Nachhaltigkeitsstrategie zu machen. Ausgewählte Lieferantenbetriebe,<br />

die sich in den Bereichen soziale, ökologische und<br />

ökonomische Nachhaltigkeit besonders engagieren, werden als „Sustainability<br />

Champion“ ausgezeichnet.<br />

Debatin hat sich vorgenommen, weitere Möglichkeiten zu<br />

prüfen und durchzusetzen, um noch mehr Treibhausgasemissionen<br />

in den Bereichen Logistik, Qualitätsmanagement, Digitalisierung<br />

der <strong>Beschaffung</strong>sprozesse und Produktion zu reduzieren und einzusparen.<br />

Um sich mit anderen Unternehmen auszutauschen und<br />

neue Inspirationsquellen zur Treibhausgasminderung zu erhalten,<br />

hat sich Debatin als Gründungsmitglied im Unternehmensnetzwerk<br />

Klimaschutz angemeldet.<br />

Autorin<br />

Stefanie Tornow<br />

Projektreferentin<br />

Unternehmensnetzwerk Klimaschutz<br />

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Aus Wohlfahrtsverbänden<br />

Mitarbeitende <strong>für</strong> Klimaschutz begeistern<br />

<strong>Das</strong> Hamburger Evangelische Amalie Sieveking Krankenhaus, eine Einrichtung der Immanuel<br />

Albertinen Diakonie, nimmt als eine von 250 Kliniken deutschlandweit an dem Projekt Klik<br />

Green des Bundes <strong>für</strong> Umwelt und Naturschutz Deutschland teil. <strong>Das</strong> Projekt verfolgt das Ziel,<br />

mit Modernisierungen im technischen und baulichen Bereich, <strong>nachhaltige</strong>m Einkauf, Recycling,<br />

Schulungen der Mitarbeitenden und Umstellung der Speisenversorgung pro teilnehmende Klinik<br />

innerhalb eines Jahres zehn Prozent der CO 2<br />

-Produktion einzusparen.<br />

Ein Beitrag von Dr. Anne Hübner und Frank Hagedorn<br />

Die Klimaschutzmaßnahmen aller beteiligten Kliniken werden<br />

im Projektzeitraum 2018 bis <strong>April</strong> <strong>2022</strong> insgesamt 100.000 Tonnen<br />

CO2 einsparen und somit einen wichtigen Beitrag <strong>für</strong> die Gesunderhaltung<br />

der Bevölkerung und zur Bewahrung der Schöpfung <strong>für</strong><br />

die nachfolgenden Generationen leisten. <strong>Das</strong> Gesundheitssystem ist<br />

<strong>für</strong> circa fünf Prozent des globalen CO 2<br />

-Ausstoßes verantwortlich.<br />

Für die Umsetzung der Maßnahmen musste die Geschäftsführung<br />

nicht lange überzeugt werden, das Thema Nachhaltigkeit als<br />

ernstzunehmendes Thema in das Portfolio der Klinik aufzunehmen.<br />

Nicht zuletzt hat Klimaschutz auch einen ökonomischen Nutzen und<br />

rechnet sich. So haben sich die durchgeführten Maßnahmen zum<br />

Leuchtmitteltausch auf LEDs und Einbau von Bewegungsmeldern<br />

angesichts sprunghaft gestiegener Energiepreise bereits jetzt amortisiert.<br />

Und auch kleine Schritte zählen: Im Rahmen des Austausches<br />

alle Drucker wurde die Einstellung „Duplex = Doppelseitendruck“, in<br />

die Voreinstellungen übernommen.<br />

Ebenso wichtig ist aber auch die andauernde Motivation der<br />

Mitarbeitenden bei der Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen.<br />

Diese war von Anfang an sehr hoch, wohl auch deshalb, weil das<br />

Thema Klimaschutz medial sehr präsent ist. Viele Mitarbeitende<br />

haben die personelle Besetzung einer Klimamanagerin als sehr positiv<br />

aufgenommen und fühlen sich bei mir mit ihren Fragen und<br />

Vorschlägen zu dem Thema gehört. <strong>Das</strong> betrifft so unterschiedliche<br />

Dinge wie Vorschläge zur Ausweitung vegetarischer und veganer<br />

Speisen oder zur Reduktion von Verpackungsmüll. Auch beim<br />

Thema E-Ladesäulen wurde aufgrund der vermehrten Nachfrage<br />

von Mitarbeitenden Kontakt zu einem Anbieter aufgenommen, der<br />

vier Säulen auf dem Klinikgelände installieren soll.<br />

Die Konzentration der Klinik auf das Thema Klimaschutz schafft<br />

oftmals eine positive Identifikation und auch eine gewisse Befriedigung<br />

bei der täglichen Arbeit, so zum Beispiel beim Sammeln von<br />

sortenreinem Plastik in den Funktionsbereichen. <strong>Das</strong> Hamburger<br />

Start-up Eco Projects Global sammelt Deckel von Infusionsflaschen<br />

und andern Behältern. Es wiegt die Deckel und schreibt sie als sogenannte<br />

Eco-Cents den Mitarbeitenden gut, die sie einem sozialen<br />

Projekt zukommen lassen können. Nach einer spendenfinanzierten<br />

Anlaufphase hat das Unternehmen mittlerweile dem Recycling über<br />

drei Tonnen sortenreines Plastik zukommen lassen und kann seitdem<br />

die sozialen Projekte aus diesen Einnahmen unterstützen. Die<br />

Auswahl der unterstützten Projekte ist zum einen interessant. Die<br />

Kolleginnen und Kollegen sind zum anderen stolz, eine gute Sache<br />

unterstützt zu haben.<br />

Als Projekt mit Wirkung über das Evangelische Amalie<br />

Sieveking Krankenhaus hinaus ist im vergangenen Jahr „PRO-<br />

4NATURE“ gestartet. Die Albertinen Services-Hamburg (ASH)<br />

GmbH, einhundertprozentige Tochter der Immanuel Albertinen<br />

Diakonie, setzt damit ein wichtiges Zeichen <strong>für</strong> mehr Klima- und<br />

Umweltschutz sowie artgerechte Tierhaltung. Die drei Cafeterien<br />

der Hamburger Einrichtungen der Immanuel Albertinen Diakonie<br />

– neben dem Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus in Hamburg-Volksdorf<br />

auch im Albertinen Krankenhaus und Albertinen<br />

Haus in Hamburg-Schnelsen – bieten täglich verschiedene Gerichte<br />

an, die aus nachhaltig angebauten beziehungsweise produzierten<br />

Lebensmitteln aus der Region hergestellt werden.<br />

Bei der Auswahl der Produzenten wird darauf geachtet, dass<br />

diese in einem Umkreis von maximal 100 Kilometer um Hamburg<br />

20 Kleine Kniffe<br />

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Foto: depositphotos<br />

ansässig sind. Neben der Reduzierung von CO 2<br />

-Emmissionen soll<br />

mit dem Projekt auch die Stärkung regionaler Lieferanten erreicht<br />

werden, die <strong>nachhaltige</strong> Lebensmittel produzieren. Hinzu kommt<br />

noch, dass so besonders leckere Speisen angeboten werden können,<br />

die trotz eines moderaten Aufpreises sehr nachgefragt sind.<br />

Die Gerichte werden in Handarbeit frisch hergestellt und<br />

nach saisonalen Gesichtspunkten ausgewählt, sodass hauptsächlich<br />

Gemüse und Obst Einzug in die Speisekarte hält, die auch zu<br />

den entsprechenden Zeiten geerntet werden. Die Vorverarbeitungsstufen<br />

sind gering, Täglich werden von Montags bis Freitag je<br />

ein Fleisch/Fisch sowie ein vegetarisches/veganes Gericht in den<br />

Cafeterien angeboten. <strong>Das</strong> Angebot besteht auch <strong>für</strong> Wahlleistungspatientinnen<br />

und –patienten, die in diesem Zeitraum diese Gerichte<br />

bestellen können.<br />

Als Schlüssel zur Motivation haben sich Transparenz und<br />

Information herausgestellt. Für die jeweiligen Abteilungen wie<br />

Anästhesie, OP, Einkauf, Technik oder Reinigungspersonal<br />

haben wir individuelle Erklärungen verfasst, die die Effekte der<br />

Maßnahmen verdeutlichen, ohne dabei Verbote oder Maßregelungen<br />

zu sein. So wussten beispielsweise viele Anästhesistinnen und<br />

Anästhesisten sowie Anästhesiepflegekräfte nicht, welche negativen<br />

Auswirkungen Narkosegase als halogenierte Kohlenwasserstoffe auf<br />

die Erderwärmung haben. Eine siebenstündige Narkose mit einem<br />

bestimmten Narkosegas entspricht einem CO 2<br />

-Äquivalent einer<br />

30.000 Kilometer langen Autofahrt.<br />

In der Anästhesie verursachen laut der Deutschen Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI) verworfene Medikamente<br />

ca. ein Viertel der Gesamtkosten <strong>für</strong> Medikamente. Zu selten<br />

wird an die Möglichkeit kleiner Verpackungsgrößen gedacht.<br />

Nicht zuletzt spielen Anreize und Belohnungen eine Rolle.<br />

Wer beispielsweise die Fahrradmobilität unter den Mitarbeitenden<br />

erhöhen möchte, kann mit dem Ausbau überdachter Stellplätze, der<br />

Bereitstellung von Pumpen und Werkzeug und dem vierteljährlichen<br />

Angebot einer mobilen Fahrradwerkstatt mehr erzielen als<br />

mit dem erhobenen Zeigefinger. Gerade das Beispiel Fahrradfahren<br />

zeigt, dass Klimaschutz auch Gesundheitsprävention bedeutet und<br />

Volkskrankheiten wie Adipositas oder Herzkreislauferkrankungen<br />

vorbeugt. Klimaschutz muss Spaß machen und überzeugen.<br />

Autorinnen<br />

Dr. Anne Hübner und Frank Hagedorn<br />

Immanuel Albertinen Diakonie<br />

www.immanuelalbertinen.de<br />

Kleine Kniffe<br />

21<br />

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Aus nationalen Kompetenzstellen der <strong>Beschaffung</strong><br />

Bundesbehörden berücksichtigen bei Bedarfsermittlung<br />

und <strong>Beschaffung</strong> den Klimaschutz<br />

Die <strong>für</strong> Bundesbehörden verpflichtende Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur<br />

<strong>Beschaffung</strong> klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima), das Klimaschutzgesetz (KSG), das<br />

Kreislaufwirtschaftsgesetz sowie das Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit der Bundesregierung<br />

stellen wichtige Meilensteine auf dem Weg zur klimaneutralen Bundesverwaltung bis zum Jahr<br />

2030 dar.<br />

Ein Beitrag von Ralf Grosse<br />

Die AVV Klima enthält <strong>für</strong> Bedarfsträger und Beschaffer neue<br />

Anforderungen und Pflichten, die sich aus § 13 KSG ergeben, und<br />

konkretisiert diese. Die Zielsetzung dabei ist die Minderung von<br />

Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus. Die AVV<br />

Klima ist damit ein wichtiges Instrument, um die oben genannten<br />

Ziele in der öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> umzusetzen.<br />

Im September 2021 hat das Bundeswirtschaftsministerium, heute<br />

das Bundesministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK),<br />

die AVV EnEff zur AVV Klima weiterentwickelt und neben den<br />

Aspekten der Energieeffizienz jetzt auch den Klimaschutz, unter<br />

Berücksichtigung der Vorgaben des § 13 (2) Bundes-Klimaschutzgesetz<br />

(KSG), einbezogen. Die AVV Klima ist zum 1. Januar <strong>2022</strong> in<br />

Kraft getreten. Bundesbehörden in unmittelbarer Bundesverwaltung<br />

müssen nun die Anforderungen daraus berücksichtigen.<br />

Der Fokus der AVV Klima liegt in einem hohen Maß im Bereich<br />

der Energieeffizienz, aber auch auf der Bilanzierung und der<br />

monetären Bewertung von Treibhausgasemissionen, die über den<br />

gesamten Lebenszyklus eines Produkts hinweg anfallen und in der<br />

Auftragsvergabe der öffentlichen Hand entsprechende Berücksichtigung<br />

finden sollen.<br />

Die Erläuterungen zur AVV Klima halten hierzu fest, „dass <strong>für</strong><br />

die Vermeidung oder Verursachung von Treibhausgasemissionen<br />

in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ein CO 2<br />

-Preis rechnerisch<br />

zugrunde zu legen ist (CO 2<br />

- Schattenpreis). Bezug genommen wird<br />

dabei auf das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), das Orientierung<br />

<strong>für</strong> eine Bepreisung von klimarelevanten Emissionen,<br />

angegeben als CO 2<br />

-Äquivalent, bietet.“<br />

Mit der AVV Klima werden auch Prüf-, Berücksichtigungsund<br />

Bevorzugungspflichten klimafreundlicher Leistungen zu<br />

einer zentralen Vorgabe in den, dem Bedarf zugrunde liegenden,<br />

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, wie auch in den Bereichen der<br />

Bedarfsermittlung und in den <strong>Beschaffung</strong>sprozessen des Bundes.<br />

Die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und der<br />

Bedarfsermittlung sind bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung<br />

mit Blick auf die Klimarelevanz der zu beschaffenden Leistungen<br />

zu berücksichtigen. Dabei soll die höchstmögliche Energieeffizienzklasse<br />

einbezogen, soweit verfügbar auch die Nutzung von Kriterien<br />

vorhandener Gütezeichen in Betracht gezogen werden, wie beispielhaft<br />

die Kriterien des Blauen Engels oder des Europäischen<br />

Umweltzeichens. Die AVV Klima beinhaltet auch die Berücksichtigung<br />

der Kosten der verursachten Treibhausgasemissionen bei<br />

der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots. Hierzu können, <strong>für</strong><br />

eine entsprechende Überprüfung der eingegangenen Angebote, ab<br />

einem voraussichtlichen Auftragswert von 10.000 Euro von allen<br />

Bietern konkrete Angaben zu Energieverbräuchen und Treibhausgasemissionen<br />

gefordert werden.<br />

Neu ist die Aufnahme einer „Negativliste“ in die AVV Klima<br />

und damit verbunden eine Einschränkung des Leistungsbestimmungsrechts<br />

öffentlicher Auftraggeber des Bundes. Diese beinhaltet<br />

Leistungen und Produkte, deren <strong>Beschaffung</strong> aus Gründen des<br />

Umwelt- oder Gesundheitsschutzes unzulässig ist. Hierunter fallen<br />

unter anderem die sogenannten „Gas-Heizpilze“, wie auch „Geräte,<br />

die ausschließlich der Zubereitung von Heißgetränken durch Befüllung<br />

mit Lebensmittelportionen, die <strong>für</strong> den Endverbraucher nur als<br />

einzeln verpackte Einheiten in, mehrere dieser Einheiten enthaltenden<br />

Verkaufsverpackungen erhältlich sind, dienen.“<br />

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Weitere Informationen<br />

Informationen zur Beachtung und Berechnung von<br />

Lebenszykluskosten im <strong>Beschaffung</strong>sprozess sowie<br />

hilfreiche Tools stellt das Umweltbundesamt in seinem<br />

Internetauftritt zur Verfügung:<br />

https://t1p.de/fjhe6<br />

Eine juristische Betrachtung kann dem Beitrag von<br />

Frau Dr. Dahlendorf auf der Webseite des Vergabeblogs<br />

entnommen werden:<br />

https://t1p.de/afnwn<br />

Kompetenzstelle <strong>für</strong> Nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> (KNB)<br />

Hotline: +49 (0)22899 610-2345<br />

Email: nachhaltigkeit@bescha.bund.de<br />

Autor<br />

Ralf Grosse<br />

Kompetenzstelle <strong>für</strong> Nachhaltige<br />

<strong>Beschaffung</strong> (KNB)<br />

Foto: depositphotos<br />

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Nachhaltigkeitsrecht<br />

„Nachhaltigkeits-Mainstreaming“ im Recht<br />

Während nachhaltigkeitsrelevante Themen nicht erst seit gestern Gegenstand rechtlicher<br />

Auseinandersetzungen sind, hat das letzte Jahr klar gezeigt, dass Nachhaltigkeit nunmehr eine<br />

zentrale Position innerhalb der rechtswissenschaftlichen Debatte inne hat.<br />

Ein Beitrag von Markus P. Beham und Berthold Hofbauer<br />

Die Perspektivenumkehr von den politischen Zielen der SDGs<br />

hin zu den einzelnen Rechtsgebieten zeigt einen neuen juristischen<br />

Denkansatz und methodische Perspektive an, die nunmehr auch in<br />

der Rechtsanwendung mitgedacht werden müssen. <strong>Das</strong> klassische<br />

Diktum der Gleichheit von Abwägungsgründen in der öffentlichen<br />

Verwaltung wird zunehmend von einer Priorisierung von<br />

Umweltschutzerwägungen durchbrochen. Dies muss sowohl in der<br />

unternehmerischen Planung mitbedacht werden, als auch in der<br />

öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>, wo sich ein starkes Bewusstsein <strong>für</strong> – über<br />

die Vergaberegeln hinausgehende – Compliance bildet.<br />

Insofern lässt sich auch von einem „Nachhaltigkeits-Mainstreaming“<br />

im Recht sprechen. „Mainstreaming“ bedeutet in diesem<br />

Zusammenhang, dass eine bestimmte inhaltliche Vorgabe – hier<br />

die Nachhaltigkeit – zu einem zentralen Bestandteil bei allen rechtlichen<br />

Entscheidungen und Prozessen gemacht werden muss. <strong>Das</strong><br />

„Nachhaltigkeits-Mainstreaming“ hat demnach zur Folge, dass sämtlichen<br />

rechtlichen Vorgängen auch eine nachhaltigkeitsrechtliche<br />

Folgenberücksichtigung innewohnt – möglicherweise auch ohne<br />

zugrundeliegendes „hard law“.<br />

Was bedeutet das <strong>für</strong> die Praxis und wie kann man sich frühzeitig<br />

nachhaltigkeitsrechtlich „fit machen“?<br />

1. Die SDGs – und damit das Ziel <strong>nachhaltige</strong>r Entwicklung<br />

– finden sich auf Ebene des zwischenstaatlichen Völkerrechts, flankiert<br />

von den zunehmend konkreteren Verpflichtungen auf Ebene<br />

der Europäischen Union (Stichwort: Green Deal; „Fit-for-55“). Wer<br />

nachhaltigkeitsrechtlich fit sein möchte, muss diese internationale<br />

Materie im Blick haben und in ihrer Anwendung firm werden. Ein<br />

Blick ausschließlich auf die nächsthöhere innerstaatliche Vorschrift<br />

reicht nicht. Internationale Perspektive und Expertise muss ausgebaut<br />

oder angeschafft werden.<br />

2. Wenn Wissenschaft und Praxis ihre Ansätze neu konzeptualisieren<br />

(müssen), um der zunehmenden Erwartung gerecht zu<br />

werden, dass ihre Lösungen auch rechtliche Nachhaltigkeit bieten,<br />

entsteht auch Raum, diese Neuausrichtung mit kreativen Lösungen<br />

zu komplementieren. Da<strong>für</strong> ist ein verstärkter Dialog notwendig, der<br />

es erlaubt, sämtliche Prozesse den Ansprüchen des Nachhaltigkeitsrechts<br />

anzupassen. Für alle, die diese Herausforderung als Chance<br />

annehmen, kann das Nachhaltigkeitsrecht ein Katalysator <strong>für</strong> Innovation<br />

sein.<br />

3. Die letzte Konsequenz der nachhaltigkeitsrechtlichen Betrachtung<br />

ist noch nicht absehbar. Doch können es sich öffentliche<br />

Verwaltung, Unternehmer und Rechtsberater bereits jetzt nicht<br />

mehr leisten, sich vor dieser Perspektive gänzlich zu verschließen.<br />

Dies gilt ganz besonders (wenn auch nicht ausschließlich) in der<br />

öffentlichen Vergabe. Je mehr ein modernes, wissenschaftsbasiertes<br />

Umweltbewusstsein unsere Gesellschaft durchdringt und die Alternativlosigkeit<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Handelns in den allgemeinen Fokus<br />

rückt, desto mehr wird Nachhaltigkeitsrecht zur gefragten Schlüsselkompetenz<br />

im öffentlichen Einkauf. Dies freilich ganz abgesehen<br />

von (harten) rechtlichen Vorgaben, wie sie nun zunehmend aus<br />

dem Unionsrecht (zB Clean Vehicles Directive), aber auch nationalen<br />

Vorstößen wie dem deutschen Lieferkettengesetz zu entnehmen<br />

sind.<br />

Autoren<br />

DDr. Markus P. Beham, LL.M. (Columbia) ist Habilitand<br />

an der Universität Passau<br />

Mag. Berthold Hofbauer ist Rechtsanwalt und Partner<br />

bei Heid & Partner Rechtsanwälte in Wien.<br />

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Veranstaltungshinweis<br />

3. Climate Transformation Summit <strong>2022</strong><br />

Lara Obst ist Mitgründerin von The Climate Choice, der klimadaten-getriebenen B2B-Plattform zur<br />

Dekarbonisierung von Unternehmen und ihren Lieferketten. Am 2. und 3. Juni <strong>2022</strong> organisiert das Climate-<br />

Tech-Unternehmen bereits zum dritten Mal den Climate Transformation Summit <strong>2022</strong>. Die führende<br />

Online-Konferenz zur Klimatransformation der Wirtschaft legt dieses Jahr einen besonderen Fokus auf<br />

CO2-Reduktionsmaßnahmen entlang der gesamten Lieferkette.<br />

Thomas Heine im Gespräch mit Lara Obst<br />

Im Juni <strong>2022</strong> veranstaltet The Climate Choice erneut<br />

den Climate Transformation Summit mit dem Fokusthema<br />

Lieferkettendekarbonisierung. Welches Ziel verfolgt<br />

der Summit dieses Jahr?<br />

Der Climate Transformation Summit <strong>2022</strong> vernetzt Entrepreneur:innen,<br />

Klimabeauftragte und Expert:innen aus der Praxis,<br />

um gemeinsam über Best Practices der Klimatransformation zu<br />

diskutieren. Der Fokus liegt dieses Jahr auf dem Thema: Lieferkettendekarbonisierung.<br />

Denn in den vergangenen Jahren haben wir<br />

erkannt: Die Lieferkette ist der größte Hebel, um die Klimatransformation<br />

der Wirtschaft voranzutreiben. Hier entsteht der Großteil<br />

der unternehmerischen Emissionen.<br />

Aus unserer Arbeit mit Kund:innen, die unsere Software nutzen,<br />

wissen wir: Möchte ein Unternehmen wirklich ganzheitlich die eigenen<br />

Emissionen reduzieren, führt kein Weg daran vorbei, entlang<br />

der gesamten Wertschöpfungskette transparent klimarelevante<br />

Daten bis in Scope 3 hinein zu erheben, auszutauschen und durch<br />

Kollaboration sowie digitale Tools zu managen. Wie sich das am<br />

besten umsetzen lässt, möchten wir beim diesjährigen Summit in<br />

interaktiven Panels, Workshops und einer Online-Messe gemeinsam<br />

diskutieren.<br />

Eine klimakompatible Lieferkette wird <strong>für</strong><br />

Unternehmen also immer relevanter. Vor welchen Herausforderungen<br />

stehen Unternehmen diesbezüglich und<br />

welche Chancen ergeben sich zukünftig daraus?<br />

Um die Ziele des Pariser Klima-Abkommens zu erreichen und<br />

den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben, spielen<br />

Unternehmen und ihre Wertschöpfungsketten heute eine maßgebliche<br />

Rolle. Aktuell berät die EU-Kommission über ein EU-weites<br />

Lieferkettenschutzgesetz. Während das Bundesgesetz ab kommendem<br />

Jahr <strong>für</strong> Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten gilt, soll<br />

das EU-Lieferkettengesetz auch mittlere und kleine Unternehmen<br />

in die Pflicht nehmen, entlang der gesamten Wertschöpfungskette<br />

Verantwortung <strong>für</strong> das Handeln der Lieferanten zu übernehmen und<br />

relevante Informationen über Umwelt- und Sozialstandards offenzulegen.<br />

Dies stellt nicht nur eine Herausforderung, sondern ebenso<br />

eine große Chance <strong>für</strong> die Wirtschaft dar.<br />

Denn Unternehmen, die heute in Klimaschutz investieren und<br />

Nachhaltigkeit zu einem Grundprinzip in der eigenen Geschäftstätigkeit<br />

machen, können sich zukunftsfähig auf dem Markt<br />

positionieren und vom Wettbewerb abheben. <strong>Das</strong> CDP zeigt auf,<br />

dass klimarelevante Lieferketten langfristig zur Minimierung von<br />

unternehmerischen Risiken, wie z. B. Lieferausfall sowie Kostenreduktion<br />

führt und Unternehmen so <strong>für</strong> künftige wirtschaftliche<br />

Veränderungen gewappnet sind. Unser Learning: Die Lieferkettendekarbonisierung<br />

ist der Schlüssel zu einer regenerativen Zukunft<br />

und wir müssen heute damit anfangen!<br />

Wie funktioniert die erfolgreiche Dekarbonisierung<br />

der Lieferkette in Unternehmen heute?<br />

<strong>Das</strong> Stichwort ist hier: Klimakompatibler Einkauf. Heute<br />

verstehen Unternehmen zunehmend, dass es sich bei jeder Einkaufsentscheidung<br />

gleichzeitig um eine Klimaentscheidung handelt.<br />

Denn typischerweise kauft ein Unternehmen die meisten seiner<br />

Emissionen durch Produkte und Services ein. Ziel ist es also, diese<br />

so zu beschaffen, dass so geringe Umweltbelastungen wie mög-<br />

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Foto: Theclimate Choice<br />

lich entstehen. Von der Herstellung bis zur Entsorgung müssen<br />

heute nicht nur ökonomische, sondern gerade auch ökologische,<br />

soziale und klimakompatible Faktoren berücksichtigt werden. Die<br />

Einkaufsleitung eines Unternehmens ist daher darauf angewiesen,<br />

klimarelevante Leistungsfaktoren in den Prozess der Lieferantenauswahl<br />

und die gesamte <strong>Beschaffung</strong>sstrategie zu integrieren. Ein<br />

wirksames Lieferkettenmanagement ist die wichtigste Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> eine verantwortungsvolle Einkaufspraxis. So lassen sich<br />

entlang der Wertschöpfungskette CO2-Emissionen einsparen, klimabezogene<br />

Risiken minimieren und gleichzeitig vertrauensvolle<br />

Geschäftsbeziehungen aufbauen.<br />

Welches sind die wichtigsten Schritte, um eine klimarelevante<br />

Einkaufspraxis umzusetzen?<br />

Die Voraussetzung <strong>für</strong> eine klimakompatible Einkaufspraxis ist<br />

zunächst, sich als Unternehmen einen Überblick über die eigene Lieferkette<br />

zu verschaffen. Konkret bedeutet dies, klimarelevante Daten<br />

der Lieferanten strukturiert zu erfassen. Auf Basis einer transparenten<br />

Datengrundlage lässt sich die eigene Klimawirkung sowie der<br />

Klimareifegrad der Lieferanten besser nachvollziehen. Im Folgenden<br />

können dann individuelle Ziele gesetzt und passende Maßnahmen<br />

zur umfangreichen CO2-Reduktion geplant werden. Hierbei gilt es,<br />

langfristige und enge Geschäftsbeziehungen mit den Lieferanten<br />

aufzubauen, um gemeinsam emissionsärmere Produktionsverfahren<br />

zu realisieren. Dies bedeutet nicht nur Anforderungen an Lieferanten<br />

zu stellen, sondern sie gleichzeitig bei der Umsetzung dieser zu<br />

unterstützen und sie <strong>für</strong> klimakompatibles Wirtschaften zu sensibilisieren.<br />

Denn nur unter Einbeziehung aller Akteur:innen entlang der<br />

gesamten Wertschöpfungskette lassen sich Reduktionsziele umsetzen.<br />

Darüber hinaus ist es nicht weniger wichtig, Transparenz zu<br />

schaffen und die eigenen Ziele und Entwicklungen nach außen zu<br />

kommunizieren. Auf diese Weise können Unternehmen Vertrauen<br />

zu allen Stakeholder:innen aufbauen und als inspirierendes Beispiel<br />

vorangehen.<br />

Wie unterstützt der Climate Summit Unternehmen<br />

dabei, den Einstieg in die eigene Klimatransformation zu<br />

finden, und was können sie beim Summit konkret mitnehmen?<br />

Eine Herausforderung wie die Klimatransformation lässt sich<br />

nicht allein bewältigen – und auch nicht nur mit Software und<br />

technischen Lösungen. Hier<strong>für</strong> ist ebenso Zusammenarbeit und<br />

fachübergreifender Austausch enorm wichtig. Wir können voneinander<br />

lernen, Best Practices teilen und in Zukunft schneller und<br />

effektiver handeln.<br />

Der Summit setzt genau da an. Hier wird praktisches Wissen<br />

unkompliziert zugänglich. Eingeladen sind Interessierte und Entscheider:innen<br />

aus Unternehmen, welche die Klimatransfromation<br />

jetzt vorantreiben möchten. In Keynotes und Panels werden exklusive<br />

Insights geteilt und interaktive Workshops ermöglichen es<br />

Teilnehmenden, sich auszutauschen und Teil der Debatte zu sein.<br />

Darüber hinaus bietet die Online-Messe die Möglichkeit, sich mit<br />

Klimalösungsanbieter:innen zu vernetzen und Best Practices im<br />

Anschluss praktisch umzusetzen.<br />

Denn Unternehmen brauchen konkrete Best Practices. Erfolgsstories<br />

inspirieren und motivieren andere Unternehmen, auch den<br />

Weg in Richtung einer klimakompatiblen Wirtschaft einzuschlagen.<br />

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Aus Initiativen der Nachhaltigkeit<br />

Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit<br />

in Sozialeinrichtungen durch Effizienzmaßnahmen<br />

Die Gebäude von Sozial- und Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser oder<br />

Pflegeheime weisen in der Regel immense Energieverbräuche auf, die eine erhebliche<br />

Kostenbelastung darstellen können. Die Einführung der CO 2<br />

-Bepreisung und die deutlichen<br />

Energiepreissteigerungen haben den wirtschaftlichen Druck zusätzlich verschärft.<br />

Ein Beitrag von Caterina Marcucci<br />

Gleichzeitig stehen die Einrichtungen auch beim Thema Klimaschutz<br />

vor besonderen Herausforderungen. Die Bundesregierung<br />

hat <strong>für</strong> Deutschland das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 festgeschrieben.<br />

Manche Träger sind sogar noch weitaus ambitionierter<br />

unterwegs.<br />

So möchte beispielsweise die Diakonie Deutschland bereits 2035<br />

klimaneutral wirtschaften. Die gute Nachricht ist, dass die gesetzten<br />

Klimaziele mit schon heute vorhandenen Technologien und mit<br />

wirtschaftlichen Mitteln erreicht werden können. Doch wie können<br />

Einrichtungen mit ihren begrenzten Personal- und Finanzressourcen<br />

jetzt konkret handeln und ihre Liegenschaften auf den Pfad der<br />

Dekarbonisierung bringen?<br />

Um die Einrichtungen hierbei zu unterstützen, hat die Klimaschutz-<br />

und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW)<br />

gemeinsam mit der Hochschule <strong>für</strong> Technik Stuttgart (HFT) und der<br />

Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF)<br />

vor drei Jahren das Projekt „Contracting <strong>für</strong> Sozialeinrichtungen“<br />

gestartet.<br />

Unterstützt vom Bundesministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und<br />

Klimaschutz wurden im Dialog mit Trägern, einzelnen Einrichtungen,<br />

Finanzierern und Energiedienstleistern Lösungsansätze<br />

entwickelt, mit deren Hilfe mehr Klimaschutzprojekte in sozialen<br />

Liegenschaften umgesetzt werden können. Kernanliegen war dabei<br />

immer, auf die tatsächlichen Bedürfnisse und Rahmenbedingungen<br />

der Einrichtungen einzugehen und da<strong>für</strong> sowohl die passenden<br />

Informationen bereitzustellen als auch etablierte Geschäftsmodelle<br />

infrage zu stellen.<br />

So wurde klar, dass sich viele Einrichtungen von Energiedienstleistern<br />

bzw. Contractoren vor allem wünschen, dass sie sie<br />

mit technischem Know-how, Finanzierung und ganzheitlicher<br />

Betrachtung strategisch bei der Dekarbonisierung unterstützen<br />

und ihnen den Rücken <strong>für</strong> das jeweilige Kerngeschäft freihalten.<br />

Aus der Zusammenarbeit im Projekt entstanden eine Reihe von<br />

praxisnahen Tools, die nun kostenlos online verfügbar sind und von<br />

Fachseminaren und Schulungsangeboten begleitet werden. Denn<br />

viele Einrichtungen wollen aktiv werden, wissen aber nicht, womit<br />

und wie sie anfangen sollen.<br />

Für Sozialeinrichtungen hält das Projekt unter anderem praktische<br />

Finanzierungsübersichten, einen Schnellrechner inklusive<br />

Best-Practice-Beispielen sowie Hinweise auf unabhängige Berater<br />

bei der Planung von Sanierungsmaßnahmen bereit.<br />

<strong>Das</strong> Motto dabei: Egal ob mit oder ohne Energiedienstleister – es<br />

muss jetzt gehandelt werden, um den Sanierungsstau zu beheben und<br />

die Klimaschutzziele zu erreichen. Tools und weitere Informationen<br />

finden Sie unter:<br />

www.kea-bw.de/CoSo<br />

Autorin:<br />

Caterina Marcucci<br />

Deutsche Unternehmensinitiative<br />

Energieeffizienz e.V. (DENEFF)<br />

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Zertifizierung <strong>nachhaltige</strong>r Produkte<br />

Server <strong>für</strong> den Einsatz in Rechenzentren<br />

seit 2021 <strong>für</strong> Nachhaltigkeit zertifiziert<br />

Die ersten Server von Hewlett Packard Enterprise wurden bereits 2021 entsprechend der strengen<br />

Nachhaltigkeitskriterien von TCO Certified zertifiziert. Denn, analog zu anderen IT-Produkten,<br />

stehen auch Produkte, die in Rechenzentren zum Einsatz kommen, mit sozialen und ökologischen<br />

Risiken in Verbindung. Hewlett Packard Enterprise positioniert sich hier als Vorreiter in Sachen<br />

Nachhaltigkeit.<br />

Ein Beitrag von Martin Eichenseder<br />

TCO Certified ist die weltweit führende Nachhaltigkeitszertifizierung<br />

<strong>für</strong> IT-Produkte. Mit ökologischen und sozialen Kriterien<br />

deckt die Zertifizierung den gesamten Lebenszyklus eines Produkts<br />

ab. Dies schließt die Verantwortung in der Lieferkette, gefährliche<br />

Substanzen und ebenso Kriterien zur Förderung einer Kreislaufwirtschaft<br />

mit ein. Als Folge dieses Lebenszyklus-Ansatzes stehen<br />

Käufern mehr Produkte zur Verfügung, die im Sinne des Kreislaufgedankens<br />

gefertigt wurden<br />

Unternehmen fordern zunehmend <strong>nachhaltige</strong>re IT-Produkte.<br />

Die Herausforderung <strong>für</strong> die meisten Einkäufer besteht darin,<br />

zu überprüfen, ob die von den IT-Herstellern zu ihren Produkten<br />

genannten Angaben in Sachen Nachhaltigkeit auch tatsächlich zutreffen.<br />

Bei TCO Certified ist eine unabhängige Verifizierung nicht<br />

nur eine Option, sondern stets inbegriffen. Die Einhaltung aller Kriterien<br />

wird über die gesamten Laufzeit des Zertifikats hinweg von<br />

unabhängiger Seite geprüft. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass<br />

Verbraucher und professionelle Einkäufer detaillierte, vergleichbare<br />

Informationen zur Verfügung stehen.<br />

„Jährlich verbringen Experten mehr als 20.000 Stunden damit,<br />

sowohl die Produkte als auch die Fabriken, in denen sie hergestellt<br />

werden, entsprechend der Kriterien von TCO Certified zu verifizieren.<br />

Wir wissen, dass eine bloße Eigendeklaration nicht ausreicht,<br />

um tatsächliche Veränderungen voranzutreiben – Produkttests<br />

in unabhängigen Testlaboren sowie Fabrikinspektionen durch<br />

unabhängige Auditoren sind hier der entscheidende Schlüssel“, sagt<br />

Sören Enholm, CEO von TCO Development, der Organisation<br />

hinter TCO Certified.<br />

Hewlett Packard Enterprise ist die erste Marke, deren Server die<br />

strengen Kriterien von TCO Certified <strong>für</strong> Rechenzentrumsprodukte<br />

erfüllen.<br />

„Wir erwarten, dass weitere Marken folgen werden. <strong>Das</strong> Interesse<br />

an unseren Produktkategorien <strong>für</strong> Rechenzentren ist groß,<br />

nicht nur seitens der Industrie, die TCO Certified <strong>für</strong> ihre Produkte<br />

beantragen möchte, sondern auch seitens der Einkäufer, die nach<br />

Produkten ausschau halten, deren Nachhaltigkeit unabhängig verifiziert<br />

wurde“, so Enholm weiter.<br />

„In unserem Product Finder kann direkt nach zertifizierten Produkten<br />

gesucht werden. Dieser ermöglicht ferner den Zugriff auf<br />

Daten, die die Nachhaltigkeit dieser Produkte belegen. Unsere neuen<br />

Product-Watcher-Funktionen erleichtern es Einkäufern zudem,<br />

Maßnahmen in puncto Nachhaltigkeit sowie <strong>für</strong> den Nutzer interessante<br />

Produktkategorien zu verfolgen“, betont Enholm.<br />

Autor:<br />

Martin Eichenseder<br />

Geschäftsführer<br />

TCO Certified<br />

martin.eichenseder@<br />

tcodevelopment.com<br />

Kleine Kniffe<br />

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Start-ups der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong><br />

Nachhaltige Lieferkette –<br />

Was sind zentrale Treiber und Chancen <strong>für</strong> Unternehmen?<br />

Innerhalb der Unternehmenswelt erfährt aktuell ein Thema massive Aufmerksamkeit: die Lieferkette. Nicht<br />

zuletzt durch Corona zeigte sich in den letzten zwei Jahren greifbar <strong>für</strong> jedes Unternehmen was es heißt,<br />

wenn globale Krisen die Lieferkette negativ beeinflussen oder gar unterbrechen. Umso wichtiger ist es,<br />

jetzt den wachsenden Anforderungen an ein nachhaltig-ökologisches Lieferkettenmanagement gerecht zu<br />

werden.<br />

Ein Beitrag von Laurin Flörke<br />

Treiber <strong>für</strong> ein <strong>nachhaltige</strong>s<br />

Lieferkettenmanagement<br />

Ein prominentes Beispiel <strong>für</strong> die steigenden regulatorischen<br />

Anforderungen ist das angekündigte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz,<br />

welches den Aufbau eines Managementsystems <strong>für</strong> soziale<br />

und ökologische Risiken fordert. Deutsche Unternehmen ab einer<br />

gewissen Größe sind demnach über ihre eigenen Aktivitäten hinaus<br />

dazu verpflichtet, die Einhaltung von Menschenrechten bei ihren<br />

Lieferanten zu gewährleisten. Zusätzlicher Druck entsteht durch ein<br />

auf europäischer Ebene zur Diskussion stehendes Gesetz, das bereits<br />

Unternehmen ab 250 Beschäftigten betreffen könnte.<br />

Auch der steigende CO₂-Preis erfordert die Erhebung von spezifischen<br />

THG-Emissionen in der Lieferkette. Ein weiterer Faktor<br />

sind die Stakeholder, die den Druck auf Unternehmen erhöhen, ihre<br />

Wertschöpfungsketten <strong>nachhaltige</strong>r zu gestalten. In der Unternehmensbewertung<br />

wird ein resilientes Risikomanagementsystem und<br />

die Einhaltung der UN Guiding Principles zentrales Kriterium <strong>für</strong><br />

InvestorInnen und auf Seite der KundInnen werden die Forderungen<br />

nach „sauberen“ Produkten zunehmend lauter.<br />

Zusätzlicher zentraler Treiber sind steigende Anforderungen an<br />

die nicht-finanzielle-Berichterstattung, wie der neue GRI-Standard<br />

zeigt, der dem Thema Nachhaltigkeitsmanagement in der Lieferkette<br />

deutlich mehr Relevanz zuschreibt.<br />

Außerdem nimmt die erforderliche Themenvielfalt zu: Neben<br />

der Einhaltung von Menschenrechten gewinnen zunehmend ökologische<br />

Aspekte, wie Ressourcennutzung oder der Wasserverbrauch,<br />

an Bedeutung.<br />

Chancen einer nachhaltig organisierten<br />

Lieferkette<br />

Neben der bloßen Vermeidung von Risiken und der Reaktion<br />

auf zunehmende Anforderungen, bietet eine nachhaltig organisierte<br />

Lieferkette aber auch fundamentale Chancen und kann den<br />

Geschäftserfolg als Wettbewerbsfaktor wesentlich beeinflussen.<br />

Tatsächlich existiert ein ernst zu nehmender Business Case <strong>für</strong><br />

<strong>nachhaltige</strong> Lieferketten. Ökonomische Gründe bestehen beispielsweise<br />

darin, durch negative soziale, wirtschaftliche und ökologische<br />

Aspekte verursachte Betriebsstörungen zu minimieren, Reputationsrisiken<br />

zu reduzieren und das Image und die Arbeitgebermarke<br />

eines Unternehmens zu bewahren und zu stärken.<br />

Auch Effizienzgewinne lassen sich verwirklichen, indem sich<br />

Kosten <strong>für</strong> Rohstoffe, Energie und Transport reduzieren lassen,<br />

die Arbeitsproduktivität gesteigert wird und die Effizienz in der<br />

gesamten Lieferkette verbessert wird. Die Prämisse dabei ist, dass<br />

Kosten ohne negative <strong>betriebliche</strong> und umweltbezogene Auswirkungen<br />

gesenkt werden können, zum Beispiel indem Produkte nach<br />

Möglichkeit auf dem Seeweg und nicht als Luftfracht transportiert<br />

werden.<br />

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Foto: depositphotos<br />

Weiter kann eine enge Zusammenarbeit mit den Zulieferern<br />

bei Nachhaltigkeits-Belangen ein echter Motor <strong>für</strong> Produktinnovationen<br />

werden. Durch die Entwicklung und Herstellung von<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Produkten kann sich ein Unternehmen vom Wettbewerb<br />

abheben, den negativen Impact auf die Umwelt reduzieren und<br />

neuen Anforderungen von KundInnen und GeschäftspartnerInnen<br />

gerecht werden. Solide Beziehungen zu LieferantInnen sorgen längerfristig<br />

somit <strong>für</strong> resiliente und transparente Lieferketten.<br />

Unternehmen, die den Aufbauen einer <strong>nachhaltige</strong>n Lieferkette<br />

als Chance begreifen und entsprechende Managementsysteme<br />

implementieren, profitieren von Wettbewerbsvorteilen, stärken die<br />

Effizienz und Resilienz der eigenen Lieferkette und gewährleisten<br />

die eigene Zukunftsfähigkeit.<br />

Ziel eines <strong>nachhaltige</strong>n Lieferkettenmanagement ist es, einen<br />

ganzheitlichen Blick auf alle Stufen der Lieferkette, vom Tier 1<br />

Direktlieferanten bis zur Rohstoffgewinnung, zu bekommen, um<br />

negative Umweltauswirkungen und Menschenrechtsverletzungen<br />

zu vermeiden und so der unternehmerischen Verantwortung<br />

gerecht zu werden.<br />

Nun ist es Aufgabe der Unternehmen, ein Managementsystem<br />

zu entwickeln, das alle relevanten Nachhaltigkeitsthemen berücksichtigt,<br />

Transparenz in vorgelagerte Lieferkettenstufen bringt und<br />

eine aktive Kontrolle von Nachhaltigkeit entlang der gesamten Lieferkette<br />

ermöglicht.<br />

3 Tipps zum Nachmachen<br />

Entwickeln Sie ein proaktives und auf langfristige Risiken und<br />

Chancen eingestelltes Lieferkettenmanagement, welches sowohl<br />

geltendes Recht berücksichtigt als auch auf kommende Regularien<br />

vorbereitet ist und diese antizipiert.<br />

Bilden Sie die Stufen der Lieferkette zunächst lediglich<br />

ab, um sie zu visualisieren und um sich über die jeweilig<br />

stattfindenden Aktivitäten bewusst zu werden. Diese Darstellung<br />

sollte ganzheitlich angegangen werden und geht über die<br />

Direktlieferanten hinaus.<br />

Erstellen Sie einen Supplier Code of Conduct (Verhaltenskodex)!<br />

So können Anforderungen an Lieferanten festgelegt und<br />

kommuniziert werden und es lässt sich so sicherstellen, dass die<br />

geforderten Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden.<br />

Autor<br />

Laurin Flörke<br />

nunc sustainability consulting GbR<br />

www.nunc-consulting.de/<br />

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Aus Unternehmensverbänden<br />

Online-Tool Ecocockpit zur Ermittlung der CO 2<br />

-Emissionen<br />

Klimaschutz und Klimaneutralität sind in aller Munde. Spätestens durch den Europäischen Green Deal, die<br />

sich daraus ableitenden gesetzlichen Vorgaben, den kontinuierlichen Preisanstieg fossiler Energieträger<br />

sowie durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Forderungen muss sich jedes Unternehmen<br />

– unabhängig von Branche und Größe – mit dem Klimawandel und den sich daraus ergebenden<br />

Handlungsnotwendigkeiten auseinandersetzen.<br />

Ein Beitrag von Jil Munga<br />

Für die Unternehmen in Deutschland tickt gar die Uhr: Bis 2030<br />

sollen die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber 1990<br />

sinken, bis 2045 soll Klimaneutralität erreicht sein – so die Vorgabe<br />

der Politik.<br />

Dadurch bekommt die Transparenz über die eigenen CO 2<br />

-Emissionen<br />

<strong>für</strong> Unternehmen eine zunehmend größere Bedeutung. Auch<br />

KMU müssen sich auf den Weg zu einem weniger klimaschädlichen<br />

Wirtschaften machen. Um dies zu gewährleisten, ist die Kenntnis<br />

der eigenen Emissionen erforderlich, denn nur dann können entsprechende<br />

Maßnahmen zur Reduktion eingeleitet und gesteuert<br />

werden.<br />

Mit Ecocockpit liefert die IHK-Organisation in Baden-Württemberg<br />

unter Regie der Federführung Umwelt des<br />

Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages<br />

(BWIHK) jetzt ein kostenloses Online-Tool, mithilfe dessen jedes<br />

Unternehmen einen Einstieg in die CO 2<br />

Bilanzierung machen<br />

kann. Diese Erhebung ist essenziell und schafft die Grundlage <strong>für</strong><br />

alle Aktivitäten im Bereich des <strong>betriebliche</strong>n Umweltschutzes. <strong>Das</strong><br />

ecocockpit Tool wurde von der Effizienzagentur NRW <strong>für</strong> KMU<br />

entwickelt und beruht auf dem internationalen Standard des Greenhouse<br />

Gas Protocols (GHG Protocol).<br />

Die Eingabe der im Betrieb erhobenen Daten erfolgt nach den<br />

Scopes 1-3. Hier<strong>für</strong> sind schon diverse Subkategorien angelegt damit<br />

bei der Bilanzierung nichts ausgelassen wird. Die Unternehmer:innen<br />

können beispielsweise beim Strom- oder Gasverbrauch (Scope2<br />

und Scope 1) anfangen und dann später die Daten der Pendlerströme<br />

ihrer Mitarbeitenden mit einfließen lassen.<br />

Nach Fütterung mit allen vorhandenen Daten liefert Ecocockpit<br />

einen Bericht, der zeigt, an welchen Schrauben das Unternehmen<br />

drehen sollte.<br />

Der große Vorteil des Tools ist der niederschwellige Einstieg in<br />

die Thematik. Die Werte <strong>für</strong> die CO 2<br />

Emissionen werden mit wenig<br />

Aufwand ermittelt, da die mühselige Recherche nach Emissionsfaktoren<br />

erspart bleibt. Lediglich <strong>für</strong> die Datenbeschaffung entsteht ein<br />

kalkulierbarer Aufwand. Die Bilanz wird nicht auf externen Servern<br />

gespeichert und steht lokal <strong>für</strong> spätere Nutzung oder Weiterentwicklung<br />

zur Verfügung.<br />

Schon jetzt gibt es große Firmen, die von ihren Zulieferern<br />

Klimaneutralität fordern. Und deren Anzahl wächst stetig. Dies gilt<br />

nicht nur <strong>für</strong> die Industrie, sondern quer durch alle Branchen. Auf<br />

dem Weg zur Klimaneutralität stehen dann die Umwelt- und Klimaexperten<br />

der IHKs vor Ort den IHK-Mitgliedsbetrieben zur Seite.<br />

Kontakt<br />

Ecocockpit-bw.de<br />

Treibhausgasbilanzierung / LEA - LandesEnergieAgentur<br />

(lea-hessen.de)<br />

ecocockpit – CO 2<br />

-Bilanzierung <strong>für</strong> Unternehmen<br />

https://ecocockpit-bw.de/<br />

Autorin<br />

Jil Munga<br />

Referentin Klimaschutz und<br />

Nachhaltigkeit<br />

IHK Südlicher Oberrhein<br />

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Kreislaufwirtschaft<br />

Kreislaufwirtschaft - Interview mit Eveline Lemke<br />

Eveline Lemke gründete Thinking Circular® nach Ihrer Amtszeit als Ministerin <strong>für</strong> Wirtschaft,<br />

Klimaschutz, Energie und Landesplanung in Rheinland-Pfalz. Die gelernte Stahlschrottkauffrau<br />

und Ökonomin hat den Think Tank gegründet um Unternehmen, Politik und Gesellschaft die<br />

Circular Economy zu vermitteln. Thinking Circular® ist auf dem United Nation Sustainability<br />

Helpdesk gelistet.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Thomas Heine, Chefredakteur „Kleine Kniffe“<br />

<strong>Das</strong> Konzept der Kreislaufwirtschaft (Circular<br />

Economy) gilt als Wirtschaftsmodell der<br />

Zukunft. Können Sie das Modell genauer<br />

erklären?<br />

Eine Welt ohne Abfall – das ist die Vision der Circular Economy.<br />

Die Wirtschaftsakteure spielen dabei nach den Regeln und mit<br />

den Lösungen der. <strong>Das</strong> Modell vereint Ökologie und Ökonomie<br />

und löst den Widerspruch zwischen Industrieller Wertschöpfung,<br />

welche die Umwelt verschmutzen darf, und Umweltschutz,<br />

welcher die Aufgabe hat, alles wieder zu reinigen, auf. Der Begriff<br />

Kreislaufwirtschaft lehnt sich an die natürlichen Kreisläufe in der<br />

Natur an. Zirkularität bedeutet, alle Ressourcen dauerhaft nutzen<br />

zu können.<br />

In dieser Deutung ist C0 2<br />

auch Abfall in der Atmosphäre. Klimawandel<br />

wird ergo durch Abfälle ausgelöst (im Wesentlichen<br />

Verbrennung fossiler Rohstoffe). Die Vision setzt ein Ende unter<br />

das lineare Wegwerfsystem unserer Konsumgesellschaft.<br />

Immer wieder hört man, dass die lineare<br />

Wirtschaft ausgedient hat. Wie schätzen Sie<br />

das ein?<br />

Wenn wir unsere Wirtschaftsweise nicht ändern, dann überlebt<br />

die Spezies des Homo Sapiens, also wir Menschen, auf diesem<br />

Planeten nicht. So einfach ist das. Es ist eine Überlebensfrage. In<br />

der Ökonomie ging es immer um die Frage des Überlebens. Wenn<br />

wir überleben wollen, müssen wir unser wirtschaftliches Verhalten<br />

verändern.<br />

<strong>Das</strong> Wirtschaftsmodell Circular Economy wird<br />

immer als nachhaltig betitelt. Auf welche<br />

Weise fördert die Circular Economy die<br />

Ressourcenschonung und wie erhöht sie die<br />

Wertschöpfung?<br />

Die 17 Nachhaltigkeitsziele decken sich zu 100 % mit den<br />

Zielen der Circular Economy. <strong>Das</strong> was in der linearen Wirtschaft<br />

schiefgelaufen ist, soll jetzt richtig funktionieren. Denn die lineare<br />

industrialisierte Wirtschaftsweise hat zur Ausbeutung von Menschen,<br />

Natur und Umwelt geführt und zwar so weit, dass wir einen<br />

lebensbedrohenden Zustand erreicht haben. Sie führte dazu, dass wir<br />

von den jährlich ca. 100 Mrd. Tonnen Ressourcen, die wir dem Planeten<br />

entnehmen nicht einmal 9 % in der wirtschaftlichen Nutzung<br />

behalten. Jährlich verschwinden real und in der Statistik mehr als<br />

90 Mrd. Tonnen Rohstoffe, z. B. als Plastik in die Ozeane oder C0 2<br />

in die Atmosphäre. <strong>Das</strong> sind die Dimensionen unserer bisherigen<br />

Wirtschaftsweise.<br />

Zirkularität und zirkuläre Wertschöpfung bedeuten, dass alle<br />

Rohstoffe unendlich in der wirtschaftlichen Nutzung gehalten<br />

werden können und das Prinzip „do-no-harm“ gilt. Daneben gilt<br />

das Design-Prinzip Cradle-to-Cradle (C2C) und das RESOLVE-<br />

Prinzip (Renew, Regenerate, Reuse, Recycle, Share, Optimise, Close<br />

the Loop, Virtualise, Exchange information visely). Der Ansatz ist<br />

ganzheitlich und systemisch.<br />

Nähere Informationen: www.thinking-circular.com<br />

Interview Partnerin<br />

Eveline Lemke<br />

Sustainability and<br />

Circular Economy Consulting<br />

e.lemke@thinking-circular.com<br />

www.thinking-circular.com<br />

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Digitale Lieferketten<br />

Nachhaltigkeit und Transparenz<br />

in digitalen Liefernetzwerken<br />

Klimaneutral, ressourcenschonend, fair produziert – Nachhaltigkeit hat viele Gesichter und<br />

der Bedarf an nachhaltig erzeugten Produkten steigt weiter. Um den Anforderungen sowohl<br />

von Verbraucher:innen und Geschäftspartnern als auch der Gesetzgebung gerecht zu werden,<br />

brauchen Unternehmen Klarheit über Produktionsbedingungen. Hierzu bedarf es Transparenz in<br />

den Liefernetzwerken.<br />

Ein Beitrag von Michael Frank<br />

Ambitionierte CO 2<br />

-Reduktionsziele und nicht zuletzt das im<br />

Januar 2023 in Kraft tretende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

(LkSG) machen transparente Liefernetzwerke unabdingbar, auch<br />

oder insbesondere <strong>für</strong> das <strong>Beschaffung</strong>swesen. <strong>Das</strong> Gesetz soll die<br />

Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in globalen<br />

Lieferketten verbessern; es geht unter anderem um grundlegende<br />

Regularien wie das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit.<br />

Ab Januar 2023 fallen in einem ersten Schritt alle in Deutschland<br />

ansässigen Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten unter<br />

die rechtlich bindenden Vorschriften des LkSG. Indirekt erfasst das<br />

Gesetz jedoch sämtliche Teilnehmenden der Liefernetzwerke, da sie<br />

Informationen an ihre Kunden berichten müssen. Auch auf EU-Ebene<br />

ist eine vergleichbare Regulierung in Vorbereitung. Oder, um es<br />

mit den Worten von Dieter Overath, Geschäftsführender Vorstand<br />

Fairtrade Deutschland, auszudrücken: „Menschenrechte einzuhalten<br />

ist kein Add-on, sondern ein Grundprinzip, dass <strong>für</strong> alle Unternehmen<br />

selbstverständlich sein sollte.“<br />

So vielschichtig wie das Thema Nachhaltigkeit in der <strong>Beschaffung</strong>,<br />

sind die individuellen Herausforderungen der Unternehmen.<br />

Transparente Liefernetzwerke sind derzeit nur in wenigen Branchen<br />

Realität. Häufig fehlt es an digitalen Lösungen und der Fähigkeit,<br />

Nachhaltigkeits- und Qualitätsinformationen automatisiert an<br />

nachfolgende Stufen weiterzugeben. Hinzu kommt, dass ineffiziente<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozesse hohe Transaktionskosten verursachen<br />

können. Daneben mangelt es vielen dateneingebenden Unternehmen<br />

an Vertrauen – sie be<strong>für</strong>chten Nachteile durch die vermeintlich<br />

ungefilterte Weiterleitung von Lieferkettendaten und blockieren<br />

damit die Datenweitergabe.<br />

Gleichzeitig wandeln sich die Lieferketten von gestern<br />

mehr und mehr zu komplexen, globalen Liefernetzwerken mit<br />

zahlreichen Stationen und dynamisch wechselnden Lieferbeziehungen.<br />

Somit ist kaum verwunderlich, dass die Kenntnis unter<br />

welchen Bedingungen die Rohstoffe gewonnen und verarbeitet<br />

wurden, <strong>für</strong> viele Unternehmen und ihre einkaufenden Abteilungen<br />

eine große Herausforderung darstellt. Auch deshalb, weil die<br />

relevanten Informationen häufig, wenn überhaupt, nicht über die<br />

direkten Lieferanten und Kundenkreise hinaus verfügbar sind. Die<br />

gute Nachricht: Es existieren bereits branchenunabhängige Lösungen<br />

und die regulativen Anforderungen sind nicht gänzlich neu.<br />

Cloudbasierter Lösungsansatz <strong>für</strong> die<br />

Community von der Community<br />

Die Kaufentscheidung der Konsument:innen hängt zunehmend<br />

vom Vertrauen in Unternehmen, Produkte und Marken ab.<br />

Deshalb gilt umso mehr, Transparenz innerhalb der Liefernetzwerke<br />

zu schaffen und da<strong>für</strong> die Verantwortung zu übernehmen.<br />

Wie erhalten also Unternehmen einen vollständigen Überblick<br />

über ihr Liefernetzwerk und wie nachhaltig ist dieses? Wie gelingt<br />

die lückenlose Nachverfolgbarkeit vom Ursprung der Produkte bis<br />

ins Regal? Wie lassen sich <strong>Beschaffung</strong>sprozesse digitalisieren und<br />

effizient gestalten? Für Thomas Fell, Lead GS1 Germany, steht fest:<br />

„Kein Unternehmen kann die Anforderungen aus dem LkSG alleine<br />

erfüllen. Dazu braucht es Standards und kollaborative Plattformen.“<br />

Kurzum: Es bedarf einer modernen, effizienten und praktikablen<br />

Lösung – und zwar auf digitaler Ebene sowie unter Einbeziehung<br />

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Foto: depositphotos<br />

aller Beteiligten. Um einen Qualitätsverlust bei der Umsetzung und<br />

Implementierung in bestehende Prozesse zu vermeiden und um<br />

den Aufwand bei der Erfassung und Auswertung von Liefernetzwerkinformation<br />

so gering wie möglich zu halten, sollten sich die<br />

Teilnehmenden auf einheitliche ökologische und soziale Standards<br />

einigen. So lässt sich eine lückenlose Nach- und Rückverfolgbarkeit<br />

von Anfang bis Ende der Supply Chain gewährleisten und das Vertrauen<br />

stärken.<br />

Ein Instrument, welches Effizienz und Transparenz in<br />

puncto Nachhaltigkeit entlang globaler Liefernetzwerke erzeugt,<br />

bietet F-Trace, ein Tochterunternehmen von GS1 Germany,<br />

an. Der Trustee hat über viele Jahre eine neutrale, cloudbasierte<br />

Lösung zur chargengenauen Rückverfolgbarkeit von Produkten<br />

in enger Abstimmung mit Industrie und Handel entwickelt.<br />

Diese wurde nun mit einem neuen, umfangreichen Modul namens<br />

„Transparency“ um die Produkt- und Zutateneben erweitert –<br />

inklusive der erneut gemeinsam mit der Communiy definierten<br />

Anforderungen. <strong>Das</strong> Full-Service-Konzept ermöglicht, Transparenzdaten<br />

im Rahmen eines standardisierten und dezentralen Ansatzes<br />

gemeinsam mit Partnerfirmen zu nutzen, sodass eine Win-win-Situation<br />

<strong>für</strong> alle Akteure in den Liefernetzwerken entsteht. Die Lösung<br />

eignet sich <strong>für</strong> alle Beteiligten – unabhängig von Branchenzugehörigkeit,<br />

Unternehmensgröße und vom IT-Reifegrad.<br />

Im Ergebnis sind Unternehmen mit der erweiterten Lösung<br />

in der Lage, individuelle Fragestellungen zur Transparenz ihres<br />

Liefernetzwerks zu jeder Zeit beantworten zu können. Zudem<br />

wurden gemeinsam mit der GS1 Community sowie anderen<br />

Expertengremien etablierte Standards zur Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung<br />

integriert.<br />

Fazit: Sustainability und Transparency im<br />

<strong>Beschaffung</strong>swesen first!<br />

Mit ganzheitlichen, digitalen Lösungen machen Unternehmen<br />

ihre Marketingaussagen beweisbar und bauen dauerhaft Vertrauen<br />

zu den Konsument:innen auf. Sie erhalten belastbare Informationen<br />

zur Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung innerhalb der<br />

Supply Chain und können damit glaubwürdig gegenüber Behörden<br />

und anderen Stakeholdern kommunizieren – auch, weil sie in der<br />

Lage sind, bereits vor dem eigentlichen <strong>Beschaffung</strong>sprozess Unregelmäßigkeiten<br />

entlang des Liefernetzwerkes proaktiv aufzudecken.<br />

Autor<br />

Senior Product Manager,<br />

fTRACE GmbH<br />

frank@ftrace.com<br />

https://web.ftrace.com/<br />

Kleine Kniffe<br />

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Initiativen der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong><br />

SPP Germany stellt sich vor<br />

Kann man die täglichen Nachrichten über den Klimawandel, die Naturzerstörung und die Missachtung<br />

von Menschenrechten und deren verheerende Auswirkungen auf Menschen, Natur und liebgewonnene<br />

Lebensumstände als Mitarbeiter*in eines Unternehmens an der Bürotür abgeben? Und wie beantwortet<br />

man die Fragen nach dem eigenen Handeln angesichts der beruflichen Verantwortung im Kreis der Familie?<br />

Früher oder später wird jeder Berufstätige von diesen Fragen heimgesucht und ringt um Antworten.<br />

Die Überzeugung wächst weltweit, sich diesen Fragen stellen zu müssen und dabei nach Unterstützung<br />

zu suchen. <strong>Das</strong> ist die Geburtsstunde von Managementinitiativen, die, über die Grenzen des eigenen<br />

Unternehmens hinweg, Gesprächs- und Handlungsforen aufbauen und damit zum Sprachrohr des<br />

wachsenden gesellschaftlichen Verantwortungsgefühls von Menschen im Beruf werden.<br />

Thomas Heine und Peter Köhne berichten<br />

Ein Beispiel <strong>für</strong> diese Tendenz ist die Initiative „Sustainable Procurement<br />

Pledge“ (SPP), eine globale Nachhaltigkeitsinitiative <strong>für</strong><br />

Einkäufer, die vor zwei Jahren von zwei Einkaufsleitern namhafter<br />

und weltweit agierender Konzerne ausgerufen wurde, weil ihnen<br />

bewusst war, welche enormen Einflussmöglichkeiten der Einkauf<br />

auf Nachhaltigkeitsaspekte hat. Die Idee von SPP war so einfach wie<br />

einleuchtend: Gemeinsam sind wir stärker, und gemeinsam werden<br />

wir es schaffen, das <strong>Beschaffung</strong>swesen zu einer Kraft des Guten<br />

werden zu lassen.<br />

<strong>Das</strong> Team:<br />

Kennengelernt haben Peter und ich uns im Dezember 2021. Es<br />

zeigt sich mit jedem Tag mehr, dass diejenigen, die uns zusammengebracht<br />

haben, über gute Menschenkenntnis verfügen. Wir sind<br />

beide motiviert, die übernommene Aufgabe zum Erfolg zu führen<br />

und ergänzen uns in vielen Punkten. Schnell konnten wir ein vorläufiges<br />

Arbeitsprogramm <strong>für</strong> das SPP Chapter Germany entwickeln<br />

und wissen dabei beide, dass wir es als Leitfaden betrachten, der<br />

jedoch immer wieder modifiziert und an neue Situationen angepasst<br />

werden kann. Viele bezeichnen eine solche Arbeitsweise auch als<br />

agil. Dagegen wehren wir uns nicht. Wir verstehen uns als Team, das<br />

ergebnisorientiert arbeitet und dabei nicht vergisst, dass die menschliche<br />

Komponente wesentlich zum Erfolg beiträgt. Jede Woche der<br />

Zusammenarbeit trägt dazu bei, dass wir uns mit all unseren Stärken<br />

und Schwächen näher kennenlernen und dabei ein Gefühl entwickeln,<br />

wie wir Stärken nutzen und uns bei Schwächen gegenseitig<br />

unterstützen können.<br />

Unser Start:<br />

Als Mitglied einer weltweiten Gemeinschaft haben wir schon<br />

beim Start gespürt, welchen Wind diese Gemeinschaft uns unter die<br />

Flügel bringt. So konnten wir uns in Deutschland mit drei Events von<br />

SPP vorstellen, die großes Interesse hervorgerufen haben. Bereits<br />

am 26. Januar haben wir zu einer Veranstaltung mit dem Nobelpreisträger<br />

Professor Muhammad Yunus eingeladen. Thema der<br />

Veranstaltung: Soziale Aspekte der <strong>Beschaffung</strong>: Warum und wie<br />

passen sie mit der Strategie <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> Rohstoffe zusammen?<br />

Und schon am 2. Februar konnten wir zu einer Veranstaltung mit<br />

dem Nobelpreisträger Kailash Satyarthi einladen. Thema dieser<br />

Veranstaltung: Wie können Profis der <strong>Beschaffung</strong> und von Lieferketten<br />

Kinderarbeit abwehren? Und ein vorläufiger Höhepunkt<br />

unserer Startphase ist unsere aktive Beteiligung am ersten weltweiten<br />

<strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong>stag, der am 21. März stattfindet.<br />

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Foto:/Montage IMAGO GmbH<br />

Vorläufiger Jahreshöhepunkt<br />

„The first-ever World Sustainable Procurement Day“ (WSPD)<br />

am 21.3.<strong>2022</strong>. Organisiert wird er von <strong>Beschaffung</strong>sverantwortlichen<br />

<strong>für</strong> <strong>Beschaffung</strong>sverantwortliche. <strong>Das</strong> Ziel ist die Vermittlung<br />

von Praxiserfahrungen der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong>, die sofort<br />

umgesetzt werden können. Der 24-Stunden-Event präsentiert über<br />

20 verschiedene Online-Veranstaltungen, die von SPP-Teams, SPP<br />

Chapters und SPP Partner präsentiert werden. Damit verfolgen wir<br />

nur ein Ziel. Wir wollen die Teilnehmer*innen dieser Veranstaltungen<br />

inspirieren und mit Wissen ausstatten, best practice Erfahrungen<br />

und praktische Lösungen <strong>für</strong> die Probleme, mit denen jede/jeder<br />

<strong>Beschaffung</strong>sverantwortliche täglich konfrontiert ist, kommunizieren.<br />

Wir haben unseren Beitrag des SPP Chapter Germany unter den<br />

Titel „Pioniere der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong>“ angekündigt. Astrid<br />

Bosten, Stefan Krojer, Professor Ronald Bogaschewsky, Torben Link<br />

und Ruediger Senft, stellen Ihre Erfahrungen vor, geben Tipps und<br />

zeigen Informationsquellen auf.<br />

Unser Ziel <strong>für</strong> das Jahr <strong>2022</strong><br />

Je nach Branche sind die Lieferketten <strong>für</strong> 80 Prozent der<br />

CO 2<br />

-Emissionen von Gütern verantwortlich. Wir setzen uns da<strong>für</strong><br />

ein, unseren Beitrag zur Senkung dieser Emissionen zu leisten. Die<br />

SDGs bilden die Leitlinie unseres Handelns. Wir haben uns zum Ziel<br />

gesetzt, Ende dieses Jahres als international ausgerichtete Stimme<br />

von Sustainablility Stakeholder in Deutschland wahrgenommen zu<br />

werden und unseren Einfluss zur <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> in Politik,<br />

Gesellschaft und <strong>Beschaffung</strong>snetzwerken geltend zu machen.<br />

>Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir die Schwerpunkte unserer<br />

Arbeit auf den Dreiklang von sensibilisieren, qualifizieren und<br />

kommunizieren legen.<br />

Rahmenarbeitsplan <strong>für</strong> das SPP Chapter<br />

Germany<br />

In Deutschland gibt es bereits viele Akteure, die sich <strong>für</strong> eine<br />

nachhaltig orientierte Wirtschaft und <strong>für</strong> die Umsetzung der SDGs<br />

engagieren. Initiativen zur <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> kann man<br />

jedoch an einer Hand abzählen. Und das ist so, obwohl das <strong>Beschaffung</strong>svolumen<br />

öffentlicher Auftraggeber bereits 500 Mrd. Euro<br />

pro Jahr beträgt und das <strong>Beschaffung</strong>svolumen von 9.750 Mitgliedsunternehmen,<br />

die im Bundesverband Materialwirtschaft und<br />

Einkauf organisiert sind 1,25 Billionen Euro beträgt. <strong>Das</strong> Angebot<br />

an <strong>nachhaltige</strong>n Produkten wird extrem steigen, wenn nur 5% dieser<br />

<strong>Ausgabe</strong>n genutzt werden um nachhaltig einzukaufen.<br />

Bildlich gesprochen ist SPP Germany <strong>für</strong> uns die Verkörperung<br />

eines Stammtischs <strong>für</strong> <strong>Beschaffung</strong>sprofis. Es geht viel um<br />

gegenseitige Unterstützung, um Austausch von Wissen und guten<br />

Praxisbeispielen und um Inspirationen, die es uns ermöglichen<br />

voneinander und miteinander zu lernen, um den Wandel voranzutreiben.<br />

Deshalb werden wir in diesem Jahr mindestens zu drei<br />

Lunches einladen, um das gegenseitige Kennenlernen, das Vernetzen<br />

und den Erfahrungstransfer untereinander voranzubringen. Wir<br />

gehen dabei davon aus, dass unsere Initiative schnell durch andere<br />

SPP Botschafter*innen in Deutschland aufgegriffen und multipliziert<br />

wird. Für die Organisation dieser Treffen stellen werden wir unsere<br />

Hilfe bereitstellen.<br />

In der Kommunikation stützen wir uns auf alle Kanäle, die uns<br />

zur Verfügung stehen. Bereits heute können wir mit einem zentral<br />

organisierten Post in den social networks bis zu 250.000 Kontakte<br />

erreichen. Neben LinkedIn steht uns zur Kommunikation die Plattform<br />

spp.earth zur Verfügung. Halbjährlich nutzen wir das <strong>Magazin</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> „Kleine Kniffe“ und seine Kommuni-<br />

Kleine Kniffe<br />

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Grafik: SPP gGmbH<br />

kationskanäle dazu, um auf unsere Arbeit, unsere Veranstaltungen<br />

und auf die Erfahrungen unserer Botschafter*innen aufmerksam zu<br />

machen.<br />

Fünf Podcasts wollen wir in diesem Jahr zu unterschiedlichen<br />

Themen herausgeben und da<strong>für</strong> interessante Gesprächspartner<br />

gewinnen, die innovative Ansätze und Lösungen <strong>für</strong> die tägliche<br />

Arbeit im Einkauf vorstellen. Hinzu werden unsere Auftritte auf<br />

Veranstaltungen, Messen und Online-Events sein.<br />

SPP hat sich vorgenommen, weltweit bis 2030 eine Million<br />

Botschafter*innen zu gewinnen und in allen Lieferketten <strong>nachhaltige</strong><br />

Praktiken implementiert zu haben. In Deutschland wollen<br />

unseren Beitrag dazu leisten und schon in diesem Jahr die Zahl der<br />

Botschafter von 700 auf 2.000 Botschafter*innen steigern. <strong>Das</strong> ist<br />

ambitioniert, aber wir sind davon überzeugt, dass wir es schaffen<br />

werden! Und dass wir auf einem sehr guten Weg sind.<br />

Unser Ziel ist es, der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> in Deutschland<br />

einen deutlichen Impuls nach vorne zu verleihen. Schon heute<br />

stehen wir mit <strong>nachhaltige</strong>n Initiativen der Wirtschaft und anderen<br />

Institutionen und in Kontakt, um gemeinsame Interessen herauszuarbeiten<br />

und uns mit ihnen zu verbinden und gemeinsame Aktionen<br />

zu planen.<br />

Unser Selbstverständnis<br />

Wir verstehen uns als Impulsgeber, als Moderatoren, als Vernetzter.<br />

Unsere Überzeugung: SPP Germany wird seine wirkliche<br />

Kraft entfalten können, wenn jeder sich aktiv in die Gemeinschaft<br />

einbringt. Deshalb suchen wir aktiv den persönlichen Kontakt mit<br />

jedem, der an SPP interessiert ist oder SPP bereits unterstützt. Wir<br />

sind neugierig auf die Erfahrungen und auf die Herausforderungen,<br />

auf die man trifft, wenn man eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> umzusetzen<br />

will. Gestaltet die SPP Germany Initiative aktiv mit. Lasst uns<br />

kennenlernen, fachsimpeln, vernetzen. Bringt eure Erfahrungen<br />

und Wünsche ein. Peter und ich warten gespannt auf eure Impulse.<br />

Nehmt uns in die Pflicht, fordert uns. Wir wachsen mit den Aufgaben.<br />

Was verbindet Peter Köhne und Thomas Heine<br />

persönlich mit dem Thema der Nachhaltigkeit?<br />

Peter Köhne<br />

Ich bin Vice President Procurement bei Viessmann. Meine<br />

Tochter erinnert mich schon seit Jahren täglich daran, wie wichtig<br />

Nachhaltigkeit <strong>für</strong> ihre und unsere Zukunft ist. „Papa, du bist <strong>für</strong><br />

den Einkauf verantwortlich. Warum kaufst du nicht einfach alles<br />

nachhaltig ein?“ Als Einkauf haben wir eine Verantwortung und<br />

einen effektiven Hebel die Nachhaltigkeit zu beeinflussen. Wir sind<br />

täglich in der Aktion mit Lieferanten und haben die Möglichkeit,<br />

diese positiv zu beeinflussen.<br />

Ich habe 20 Jahren in der chemischen Industrie gearbeitet, in der<br />

das Thema Nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> schon seit Jahr eine bekannte<br />

Aufgabe darstellt. So konnte ich ein <strong>nachhaltige</strong>s <strong>Beschaffung</strong>sprogramm<br />

<strong>für</strong> unseren amerikanischen Spezialchemieunternehmen<br />

entwickeln und umsetzten. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine wesentlichen<br />

unterstützenden Leitfäden. Die Grundlagen des Programms<br />

wurde Stück <strong>für</strong> Stück zusammengesucht und erarbeitet. Heute<br />

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Grafik: IMAGO GmbH<br />

können wir Unternehmen mit guten und passenden Leitfäden und<br />

Checklisten ausrüsten und so helfen eine <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong><br />

systematisch aufzubauen und so <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>spraktiken<br />

anzuwenden. Dies generiert dem Unternehmen und seinen Kunden<br />

einen wirksamen Mehrwert.<br />

Heute und in Zukunft wird es mir ein Vergnügen sein, so Mitarbeiter<br />

im Einkauf zu unterstützen und zu befähigen, <strong>nachhaltige</strong><br />

<strong>Beschaffung</strong>spraktiken einzusetzen. <strong>Das</strong> ist <strong>für</strong> mich ein Teil meiner<br />

Verantwortung, die ich gerne übernehme.<br />

Thomas Heine<br />

Themen der aktiven Gestaltung von Zukunft haben mich schon<br />

immer interessiert. Deshalb stehen die Themen Digitalisierung und<br />

Nachhaltigkeit im Fokus meiner Tätigkeit als Unternehmer. Mit<br />

dem Internet Führerschein habe ich in der Jahrtausendwende eine<br />

interaktive LernCD geschaffen, die 5 Millionen Mal verkauft wurde<br />

und die dazu beigetragen hat, die Medienkompetenz in Deutschland<br />

zu erhöhen. Mit meinen Büchern „Digitalkompass“ führe ich heute<br />

dieses Engagement <strong>für</strong> Medienkompetenz fort und bin auf Kongressen,<br />

Seminaren und Webinaren zu den Themen Digitalisierung und<br />

Nachhaltigkeit vertreten.<br />

Seit 50 Jahren begleitet mich die Lektüre des Buches „Grenzen<br />

des Wachstums“ und seine Aussage, dass wir diese Welt nicht<br />

multiplizieren können und deshalb sorgfältig mit ihren Ressourcen<br />

umgehen müssen. Beruflich habe ich deshalb blended learning<br />

Projekte der Erwachsenenbildung angestoßen, um das Wissen um<br />

Nachhaltigkeit und der Bildung zur <strong>nachhaltige</strong>n Entwicklung (BNE)<br />

und der <strong>nachhaltige</strong>n Zukunft in den Städten (Smart City) <strong>für</strong> Profis<br />

der Erwachsenenbildung aufzubereiten. Von der UNESCO wurde<br />

eines der Projekte www.campus-fuer-nachhaltigkeit.de ausgezeichnet.<br />

Als ich vor fünf Jahren das <strong>Magazin</strong> zur <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong><br />

erstmals <strong>für</strong> Kirchen und Wohlfahrtsverbände herausgegeben<br />

hatte, ahnte ich nicht, mit welcher Wucht und mit welchem Umfang<br />

mich dieses Thema beschäftigen wird. Mein Ziel war es, mit dieser<br />

halbjährlichen Publikation eine Kommunikationsplattform <strong>für</strong><br />

Einkäufer und Anbieter zu schaffen. Ich wollte die Argumentationsspirale<br />

durchbrechen, in der sich Einkäufer darüber beklagen, dass es<br />

keine <strong>nachhaltige</strong>n Produkte zu kaufen gibt und Anbieter sich darüber<br />

beklagen, dass es keine Nachfrage <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> Produkte gibt.<br />

Heute gebe ich das <strong>Magazin</strong> in drei parallel erscheinenden<br />

<strong>Ausgabe</strong>n heraus: <strong>für</strong> Betriebe, <strong>für</strong> Kommunen und <strong>für</strong> Kirchen<br />

und Wohlfahrtsverbände. Zusammen mit den online aufgebauten<br />

Kommunikationskanälen erreiche ich monatlich 40.000 Menschen<br />

mit Inhalten zur <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong>. Und ich freue mich sehr<br />

darüber, dass das Interesse an einer <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> in den<br />

letzten zwölf Monaten erheblich an Fahrt gewonnen hat.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte<br />

Thomas Heine<br />

SDG media GmbH<br />

www.sdg-media.de<br />

Kleine Kniffe<br />

39<br />

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Aus Unternehmensverbänden<br />

European Energy Manager<br />

Weiterbildung aus Nürnberg ist weltweiter Exportschlager<br />

Mit ihrem Training zum „Europäischen Energie-Manager (IHK)“ hat die IHK Nürnberg <strong>für</strong> Mittelfranken einen<br />

Exportschlager gelandet: In 27 Ländern weltweit werden Fachkräfte qualifiziert, um die Energieeffizienz in<br />

ihren Unternehmen zu verbessern.<br />

Ein Beitrag von Dr.-Ing. Robert Schmidt, IHK Nürnberg <strong>für</strong> Mittelfranken<br />

Der Lehrgang wurde von der IHK entwickelt und im Jahr 1999<br />

eingeführt, seitdem haben über 6 000 Fachkräfte aus 35 Ländern<br />

teilgenommen und sich zum „European Energy Manager“ (Eurem)<br />

– so die englische Bezeichnung – nach dem Nürnberger Modell weitergebildet.<br />

Der Lehrgang befähigt die Teilnehmer dazu, energetische<br />

Schwachstellen in ihren Unternehmen zu erkennen und den Energieverbrauch<br />

mit konkreten Maßnahmen zu senken. Sie sind damit<br />

in ihren Ländern wichtige Multiplikatoren, um <strong>für</strong> die Themen<br />

Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu sensibilisieren und<br />

damit letztlich auch zum Klimaschutz beizutragen.<br />

Der international standardisierte Lehrgang vermittelt in<br />

ca. 140 Präsenzeinheiten ein breit angelegtes, praxisorientiertes<br />

Wissen rund um die Themen Energieeffizienz, erneuerbare Energien<br />

und Energiemanagement. Die Qualifizierung beinhaltet eine<br />

abschließende Projektarbeit, bei der die Teilnehmer ein umsetzungsreifes<br />

Energiekonzept <strong>für</strong> ihr jeweiliges Unternehmen erarbeiten.<br />

Eine internationale Befragung der Eurem-Absolventen<br />

bestätigte vor einiger Zeit die Effektivität dieses Ansatzes: Die bei<br />

den Projektarbeiten umgesetzten Maßnahmen haben demnach zu<br />

Kosteneinsparungen von durchschnittlich 30 000 Euro pro Jahr<br />

geführt, die Investitionen haben sich in der Regel innerhalb von ein<br />

bis fünf Jahren amortisiert.<br />

Im Durchschnitt haben die Absolventen des Lehrgangs zusätzlich<br />

zur Abschlussarbeit acht weitere Projekte in ihren Unternehmen<br />

sowie in der Funktion als externe Energieberater durchschnittlich<br />

36 Projekte in anderen Unternehmen realisiert.<br />

In den letzten drei Jahren hat die Eurem-Familie Zuwachs in<br />

sechs weiteren Ländern bekommen: Durch das EU-Projekt „Eurem<br />

next“, das aus Mitteln des EU-Programms „Horizon 2020“ gefördert<br />

wurde, konnte das Weiterbildungskonzept auch in Albanien, Bosnien-Herzegowina,<br />

Estland, Lettland, Serbien und der Türkei<br />

eingeführt werden.<br />

Auf dem Programm stand auch die Weiterentwicklung von<br />

Werkzeugen und Trainingsinhalten. Diese Zusatzelemente sind<br />

auch <strong>für</strong> diejenigen von Nutzen, die nicht an den Eurem-Kursen<br />

teilnehmen, sich aber <strong>für</strong> Energiemanagement, Energieaudits sowie<br />

energieeffiziente und klimafreundliche Geschäftspraktiken interessieren.<br />

Erarbeitet wurden ergänzende E-Learning-Module, die<br />

in zwölf Sprachen verfügbar sind und sich u. a. mit Themen wie<br />

„Industrie 4.0 und Energieeffizienz“, „Mobilitätsmanagement im<br />

Unternehmen“, „Energie-Audit-Normen gemäß EN 16247 und ISO<br />

50002“ und „Mitarbeitermotivation“ sowie „Kommunikation von<br />

Energiefragen“ beschäftigen.<br />

Praktische Übungen werden anhand eines neu entwickelten<br />

sogenannten „Energie-Audit-Support-Tools“ vermittelt.<br />

Die „European Energy Manager“ bleiben auch nach der<br />

erfolgreich absolvierten Weiterbildung in Kontakt und bilden<br />

ein internationales Netzwerk, um sich über ihre beruflichen<br />

Erfahrungen auszutauschen.<br />

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Foto:© IHK Nürnberg<br />

In Nicht-Corona-Zeiten treffen sie sich bei einer jährlich<br />

stattfindenden Fachkonferenz, die in den vergangenen Jahren u. a.<br />

in Prag und Athen stattfand, und bleiben über Online-Plattformen<br />

in Kontakt.<br />

„Die vielen kleinen Lösungen, die von den 6 000 Energie-<br />

Managern in den Ländern der Eurem-Familie erarbeitet werden,<br />

tragen dazu bei, dass wir international schrittweise in Richtung zu<br />

mehr Energieeffizienz und zu mehr erneuerbaren Energien gehen.<br />

Und dies bereits lange vor dem Start des sogenannten ,Green Deal‘<br />

der EU“, sagt Dr.-Ing. Robert Schmidt, Leiter des Geschäftsbereichs<br />

Innovation | Umwelt der IHK Nürnberg <strong>für</strong> Mittelfranken, der auch<br />

Vorsitzender des internationalen Eurem-Steuerungskomitees ist.<br />

Kontakt<br />

IHK Nürnberg <strong>für</strong> Mittelfranken,<br />

Geschäftsbereich Innovation/Umwelt<br />

Dr.-Ing. Robert Schmidt, Tel. 0911 1335-1299,<br />

robert.schmidt@nuernberg.ihk.de<br />

Stefan Schmidt, Tel. 0911 1335-1445,<br />

stefan.schmidt@nuernberg.ihk.de<br />

www.nuernberger-netze.de<br />

Foto: depositphotos<br />

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Aus Expertensicht<br />

Engagement in der Lieferkette ist essentiell <strong>für</strong> eine<br />

Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung<br />

<strong>Das</strong> Lieferkettengesetz (LkSG) hat den Handlungsdruck auf Unternehmen, Nachhaltigkeitsrisiken in ihren<br />

Lieferketten zu erfassen und zu minimieren, immens erhöht und stellt Unternehmen, die bisher in Bezug auf<br />

diese Themen wenig strategisch und organisatorisch aufgestellt waren, vor enorme Herausforderungen.<br />

Wie Unternehmen diese angehen können und warum die Einbindung des Einkaufs und Kommunikation<br />

mit Lieferanten ausschlaggebend <strong>für</strong> eine Compliance mit dem LkSG und den Weg von Compliance hin zu<br />

Performance und Wertschaffung sein kann, erläutert Nina Tremel, Team Lead <strong>für</strong> Customer Onboarding bei<br />

EcoVadis.<br />

Ein Beitrag von Nina Tremel<br />

Während die <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong> immer mehr an Bedeutung<br />

gewinnt, ist sie <strong>für</strong> viele Unternehmen noch ein relativ neues<br />

Thema. Mit dem Lieferkettengesetz, sowohl dem deutschen wie auch<br />

dem europäischen, und weiteren Vorgaben wie der Taxonomie-Verordnung<br />

und der CSRD, müssen große wie kleine Unternehmen in<br />

die Nachhaltigkeit und Sorgfaltspflichten und damit in die Lieferkette<br />

investieren. Der erste Schritt ist oftmals der schwierigste und<br />

insbesondere Unternehmen, <strong>für</strong> die das Thema noch Neuland ist,<br />

stehen vor vielen Fragezeichen.<br />

Von Tick-the-box zu Change-Management<br />

Die Frage nach Compliance steht vielerorts im Vordergrund,<br />

um eine Haftungsentlastung zu erzielen und damit empfindliche<br />

Bußgelder zu vermeiden. Welche Maßnahmen letztendlich als<br />

angemessen und damit als compliant bewertet werden, wird erst die<br />

Praxis zeigen. Die Praxis wird darüber hinaus auch einen Benchmark<br />

mit sich bringen, der die Unternehmen, die einen reinen Compliance-Ansatz<br />

verfolgen den Unternehmen gegenüberstellt, die darüber<br />

hinausgehen, ihre Maßnahmen intensivieren und wirksame Verbesserungen<br />

erzielen.<br />

Damit <strong>nachhaltige</strong> Praktiken als „business as usual“-Prozess<br />

angesehen werden können, braucht es ein Fundament <strong>für</strong> Strategie,<br />

Prozesse und wirksame Change-Management-Maßnahmen. Und es<br />

braucht Zeit, damit alle Mitarbeitenden im Unternehmen und insbesondere<br />

im Einkauf den organisatorischen Wandel nachvollziehen<br />

und mittragen.<br />

Nachhaltigkeit in der Lieferkette<br />

startet im Einkauf<br />

Unsere Erfahrung bei EcoVadis in der Praxis zeigt, dass Programme<br />

zur <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> und zum Risikomanagement<br />

in der Lieferkette weniger erfolgreich sind, wenn das Fundament<br />

und ganzheitliche Ansätze fehlen. Dazu gehört die Entwicklung eines<br />

quantifizierbaren Gesamtprogramms <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>,<br />

das Unternehmen dabei hilft, ihre übergreifenden Nachhaltigkeitsziele<br />

zu erreichen. Risiken zu identifizieren, reicht alleine nicht<br />

aus und die auf den Ergebnissen der Risikoanalyse und der intern<br />

identifizierten Verbesserungsbereiche basierende Strategie muss<br />

an den Reifegrad der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> des Unternehmens<br />

angepasst sein, Ziele unter Einbindung aller internen und externen<br />

Stakeholder definieren und messbare Kennzahlen festlegen. Wir<br />

arbeiten hier z.B. mit unseren Kunden zusammen, um eine Governance-Struktur<br />

<strong>für</strong> ihre Initiative zur <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> zu<br />

empfehlen, um sicherzustellen, dass das Programm die Geschäftsentscheidungen<br />

wirksam beeinflussen kann. Hierbei ist es besonders<br />

wichtig sicherzustellen, dass Ziele der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong> im<br />

Einklang stehen mit der Mission, der Vision und den übergeordneten<br />

Nachhaltigskeitszielen des Unternehmens.<br />

Nachhaltigkeit vollumfänglich integrieren<br />

Oftmals, insbesondere in Bezug auf neue Anforderungen<br />

oder wenn Unternehmen gerade erst in das Thema starten, sind<br />

Nachhaltigkeitsaspekte nicht vollumfänglich oder kaum in die<br />

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Foto: depositphotos<br />

<strong>Beschaffung</strong>spraktiken integriert. Es ist nicht ausreichend nur zu<br />

prüfen, ob eine Richtlinie oder ein Prozess existiert, sondern eine<br />

Überprüfung dieser erforderlich, um Verbesserungsbereiche in<br />

Policies, Maßnahmen und auch der Berichterstattung zu identifizieren<br />

und Nachhaltigkeit in die <strong>Beschaffung</strong>srichtlinien, -prozesse<br />

und -systeme zu integrieren. Dazu gehört auch, wie Nachhaltigkeit<br />

in die Ausschreibungsprozesse (RFP) und in die Vergabeprozesse<br />

von Aufträgen, sowie in die Verfahren des Lieferantenmanagements<br />

integriert wird. Workshops mit den internen Stakeholdern sowie<br />

Schulungen des Einkaufs sind weiterfolgend wichtige Treiber <strong>für</strong><br />

eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie, Richtlinien und Prozesse.<br />

Aus dem Unternehmen in die Lieferkette<br />

Nur mit einem soliden Fundament können Unternehmen<br />

sinnvolle und zielführende Maßnahmen <strong>für</strong> das Nachhaltigkeitsrisikomanagement<br />

und die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in<br />

der Lieferkette aufbauen. Klare interne strategische Ausrichtungen<br />

und Zielsetzungen bilden mit den Ergebnissen des Riskmappings<br />

die Basis <strong>für</strong> die Lieferantenauswahl, Priorisierung von Verbesserungsmaßnahmen<br />

sowie <strong>für</strong> eine klare Zieldefinitionen in Bezug auf<br />

die Anforderungen an Lieferanten. Viele Lieferantenunternehmen<br />

mögen noch ganz am Anfang des Themas Nachhaltigkeit stehen,<br />

umso wichtiger ist es, die Erwartungen seitens des Einkaufs nicht<br />

nur klar zu definieren, sondern auch dementsprechend zu kommunizieren,<br />

um Akzeptanz und Engagement zu erhalten. Viele<br />

der von EcoVadis bewerteten 90.000 Unternehmen erzielen bspw.<br />

weitreichende Vorteile und Mehrwerte durch den Nachweis ihrer<br />

Nachhaltigkeitsleistung und die Kommunikation ihres Engagements.<br />

Diese Vorteile erstrecken sich von erhöhten <strong>Ausgabe</strong>nvolumina, über<br />

die Teilnahme an “Preferred Supplier”-Programmen hin zu Neukunden-<br />

und Auftragsgewinnung und verbesserter Markenreputation.<br />

Damit bietet sich den Lieferanten gleichermaßen die Möglichkeit<br />

über “Tick-the-box” hinauszugehen und echte Mehrwerte <strong>für</strong> ihr<br />

eigenes Unternehmen zu generieren. Neben der Kommunikation ist<br />

der Aufbau von Capabilities, von Awareness, Know-how und Tools,<br />

ein wichtiges Element in den <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong>sprogrammen<br />

von Einkaufsorganisationen. Die Schulung von Lieferanten,<br />

wie auch im Lieferkettengesetz gefordert, bietet beiden Geschäftspartnerseiten<br />

enorme Möglichkeiten, Kompetenzen aufzubauen und<br />

somit kontinuierlich die Risiken zu mindern und die Leistung zu<br />

verbessern.<br />

Autorin<br />

Nina Tremel<br />

Customer Onboarding Team Leader bei EcoVadis<br />

www.ecovadis.de<br />

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Aus nationalen Kompetenzstellen der <strong>Beschaffung</strong><br />

Umweltbilanz von Streaming,<br />

Videokonferenz & Co.<br />

Der Büroalltag von vielen Beschäftigten sieht derzeit so aus, dass vom Küchentisch oder bequem<br />

vom Sofa mit Kolleg:innen oder Teilnehmenden einer Veranstaltung über Videokonferenz<br />

der Kontakt hergestellt wird. Es stellen sich hierbei die Fragen, was nach der Pandemie <strong>für</strong><br />

Arbeitsformen bestehen bleiben und welcher ökologische Rucksack damit verbunden ist. <strong>Das</strong><br />

Umweltbundesamt (UBA) hat die Umweltbilanz von einigen digitalen Diensten ermittelt. Dabei<br />

kamen erwartbare und nicht erwartbare Ergebnisse zum Vorschein. Welche das sind, wird im<br />

folgenden Beitrag vorgestellt.<br />

Ein Beitrag von Marina Köhn<br />

Digitale Diensten bestimmen nicht nur den<br />

Arbeitsalltag<br />

Morgens eine Videokonferenz, dann die Dokumente in der<br />

Cloud gespeichert und zum Feierabend einen Film aus der Mediathek<br />

sehen oder mit Freunden zum Online-Spielen verabreden.<br />

Immer mehr Menschen nutzen Cloud-Dienste. Die Bundesnetzagentur<br />

hat im Tätigkeitsbericht Telekommunikation 2020/2021 auf<br />

das weiterhin rasant steigende Datenvolumen hingewiesen. Im Jahr<br />

2020 wurden in Deutschland insgesamt rund 81 Mrd. Gigabyte (GB)<br />

Daten über das Festnetz und knapp 4 Mrd. GB Daten über die Mobilfunknetze<br />

übertragen. Für das Jahr 2021 wird pandemiebedingt mit<br />

der Zunahme des Datenvolumens von ca. 20 Prozent beim Festnetz<br />

und ca. 30 Prozent im Bereich Mobilfunk gerechnet. „Die absolute<br />

Steigerung um 21 Mrd. GB im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie<br />

war die bisher höchste überhaupt.“ [BNetzA 2021]. <strong>Das</strong> durchschnittliche<br />

Datenvolumen sei pro Festnetz-Anschluss von 142 GB<br />

auf 225 GB im Monat gestiegen. Geht man von einer Festplattengröße<br />

von 500 GB aus, so transportiert jeder Haushalt in jedem Monat<br />

ca. die Hälfte seines Festplattenvolumens.<br />

Die Anwendungen, die derzeit das Wachstum des Internetverkehrs<br />

antreiben, sind Videostreaming und soziale Netzwerke.<br />

Insbesondere das Videostreaming hält nach Schätzungen nicht nur<br />

den Löwenanteil des Internetverkehrs mit ca. 60 %, sondern weist<br />

auch den höchsten prozentualen Anstieg auf.<br />

<strong>Das</strong>s Streaming und andere Internetdienste einen CO 2<br />

-Fußabdruck<br />

haben, hat sich inzwischen herumgesprochen. Aber wie hoch<br />

ist die Umweltbelastung des sogenannten Cloud-Computing? Ist es<br />

<strong>für</strong> den Klimaschutz besser, klassisch an einer Konferenz vor Ort<br />

oder per Videokonferenz teilzunehmen? Muss ich ein schlechtes<br />

Gewissen haben, wenn ich mehrmals am Tag Videos im Internet<br />

streame?<br />

Um diese Frage zu beantworten, gibt es methodisch unterschiedliche<br />

Wege. Bisherige Studien basieren i.d.R. auf Literatur- und<br />

Internetrecherchen und nicht auf direkten Messungen. <strong>Das</strong> erklärt,<br />

warum es unterschiedliche Forschungsergebnisse über die Umweltbilanz<br />

von Streaming-Diensten gibt und diese Ergebnisse zum<br />

Teil weit auseinander liegen. <strong>Das</strong> UBA hat sich entschieden, diese<br />

Fragen im Forschungsvorhaben Green-Cloud Computing [Groeger<br />

2021] zu beantworten und außerdem die Umweltbelastung<br />

von Cloud-Computing-Anwendungen bei Cloud-Dienstleistern in<br />

der Praxis zu messen. Mit der UBA Methode KPI4DCE (Key Performance<br />

Indikator for Datacenter) [Schödwell 2018] liegen die<br />

methodischen Voraussetzungen vor, um die direkten Umweltbelastungen<br />

im Rechenzentrum zu messen.<br />

Die Werte können sich je nach Dienstanbieter und -leistung<br />

unterscheiden, denn es kommt darauf an, wie effizient die Dienstleistung<br />

erbracht wird und welchen Anteil erneuerbare Energie an<br />

der Stromversorgung hat.<br />

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Foto: depositphotos<br />

Ein Beispiel, das diese These bestätigt, ist die Berechnung des<br />

CO 2<br />

-Fußabdrucks von Online-Speicherplatz in vier Rechenzentren.<br />

Wie man in der Abbildung 1 erkennen kann, werden <strong>für</strong> ein<br />

Terabyte Online-Datenspeicherung jährlich CO 2<br />

-Emissionen in<br />

unterschiedlicher Größenordnung freigesetzt. Die Bandbreite reicht<br />

bei den vier Rechenzentren von 166 Kilogramm (RZ02) bis zu 280<br />

Kilogramm CO 2<br />

-Äquivalente pro Terabyte (RZ01) gespeicherte<br />

Daten pro Jahr.<br />

Abbildung 1: CO 2<br />

-Fußabdruck <strong>für</strong> Online-Storage im Vergleich;<br />

UBA 2021 Green Cloud Computing<br />

Wäre es <strong>für</strong> Cloud-Dienstleister verpflichtend, den CO 2<br />

-Fußabdruck<br />

<strong>für</strong> die Cloud-Dienstleistung auszuweisen, wäre es <strong>für</strong><br />

Verbraucher:innen möglich, sehr schnell festzustellen, welcher<br />

Anbieter die Dienstleistung mit einer geringeren Klimabelastung<br />

erbringt.<br />

Kaum ein Cloud-Dienst hat in den letzten Jahren eine ähnlich<br />

große Nachfrage erfahren wie das Streamen von Videos<br />

aus dem Internet. Videostreaming ist mit Abstand die häufigste<br />

nachgefragte Dienstleistung. <strong>Das</strong> war Anlass genug, die Umweltbelastung<br />

<strong>für</strong> diese Dienstleistung unter die Lupe zu nehmen. Für<br />

die Ermittlung des CO2-Fußabdruck konnten wir einen großen<br />

Streaming-Dienstleister als Praxispartner gewinnen, der uns alle notwendigen<br />

Daten zur Verfügung gestellt hat. Für die Bereitstellung<br />

der Cloud-Dienstleistung Videostreaming wurde im Rechenzentrum<br />

ein CO 2<br />

-Fußabdruck von 1,46 Gramm Kohlendioxid-Äquivalenten<br />

pro Stunde Videostream in HD-Qualität (2 Gigabyte Datenvolumen)<br />

ermittelt. <strong>Das</strong> Rechenzentrum liefert im Jahr 619 Millionen Stunden<br />

Videostreams in HD Qualität aus und emittiert dabei 899 Tonnen<br />

Kohlendioxid-Äquivalente.<br />

Der CO 2<br />

-Fußabdruck <strong>für</strong> eine Stunde Videostreaming im<br />

Rechenzentrum erscheint sehr gering. Hierbei muss bedacht werden,<br />

dass die Umweltaufwände <strong>für</strong> die Datenübertragung und <strong>für</strong> die<br />

Technik im Heimnetz in der Berechnung nicht enthalten sind.<br />

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Abbildung 3: Treibhausgasemissionen Videokonferenz-Teilnahme bei verschiedenen Endgeräten (incl. Herstellungs- und Nutzungsphase)<br />

In Abbildung 2 ist der elektrische Energiebedarf bei der Übertragung<br />

von einem GB Datenvolumen über unterschiedliche<br />

Übertragungstechniken dargestellt. Redundante Netztechnik und<br />

Standby-Verbräuche wurden in der Berechnung der Datenübertragung<br />

nicht berücksichtigt. Trotzdem lassen die Werte den Schluss zu,<br />

dass die Datenübertragung über die Mobilfunknetze einen wesentlich<br />

höheren Energiebedarf als kabelgebundene Anschlüsse hat.<br />

Den Anteil der Technik im Heimnetzwerk am CO 2<br />

-Fußabdruck<br />

möchte ich im letzten Fallbeispiel Videokonferenz darstellen.<br />

Videokonferenzen sind mittlerweile <strong>für</strong> viele Arbeitnehmer:innen,<br />

Schüler:innen und Student:innen zum festen Bestandteil des Büro-,<br />

Schul- oder Studienalltags geworden. Ob Unternehmen und Behörden<br />

auch nach der Pandemie <strong>für</strong> Meetings auf Video-Konferenzen<br />

setzen, wird sich zeigen. Anhand unserer Berechnungen können wir<br />

bestätigen, dass die Teilnahme an einer Videokonferenz zur Reduzierung<br />

der Treibhausgasemissionen in Unternehmen beiträgt.<br />

Mit der Teilnahme an einer einstündigen Videokonferenz<br />

sind Treibhausgasemissionen zwischen 55 und 295 Gramm<br />

CO 2<br />

-Äquivalenten verbunden, je nachdem mit welcher IT an<br />

der Videokonferenz teilgenommen wird (inklusive Herstellung<br />

der Hardware). In Abbildung 3 ist gut erkennbar, dass <strong>für</strong> den<br />

Löwenanteil der Treibhausgasemissionen die Technik im Heimnetz<br />

verantwortlich ist. Die klimafreundlichste Videokonferenz-Teilnahme<br />

ist mit einem Laptop möglich. Bei Treibhausgasemissionen<br />

von 55 Gramm CO 2<br />

-Äquivalenten pro Stunde ist sie die klimaschonendste<br />

Variante. Mit einem Desktop-PC mit Monitor sind es 90<br />

Gramm und mit einem großen Videomonitor sind es 295 Gramm<br />

CO 2<br />

-Äquivalenten pro Stunde Teilnahme.<br />

Die Treibhausgasemissionen <strong>für</strong> die Teilnahme an einer Stunde<br />

Videokonferenz sind in Abbildung 7 mit denen der Verkehrsmittel<br />

PKW, Linienbus, ÖPNV und Fernzug ins Verhältnis gesetzt. Eine<br />

einstündige Videokonferenz mit einem Laptop ist klimafreundlicher<br />

als die An und Abreise, sobald mehr als 0,26 Personenkilometer mit<br />

dem PKW oder 1,01 Personenkilometer mit dem Fernzug zurückzulegen<br />

sind.<br />

Abbildung 2: Theoretische Leistungsaufnahme im Telekommunikationsnetzwerk<br />

bei 1 GB/h innerhalb Deutschlands (2020)<br />

Handlungsempfehlungen <strong>für</strong> energieeffiziente<br />

und ressourcenschonende Nutzung von Cloud-<br />

Dienstleistungen<br />

Die vergleichsweise geringen Treibhausgasemissionen <strong>für</strong> die<br />

Nutzung der Cloud-Dienste und die Verdopplung des Datenvolumens<br />

alle zwei Jahre sind die zwei Seiten einer Medaille. Nicht das<br />

einzelne Video, sondern die große Anzahl an Filmen, die täglich<br />

konsumiert werden und Videoclips, die mit Freunden und Verwandten<br />

geteilt werden, sind das Hauptproblem. Nur so lässt sich erklären,<br />

welchen großen Anteil Videostreaming am Gesamtdatenvolumen<br />

einnimmt.<br />

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Abb. 7: Vergleich der Treibhausgasemissionen von Videokonferenzen mit verschiedenen Anzeigegeräten mit den Personenkilometern verschiedener Verkehrsmittel<br />

Um die digitalen Infrastrukturen nicht zu überlasten, müssen<br />

Anreize zur Einsparung von Daten geschaffen werden. Jeder hat es in<br />

der Hand, sich gegen Fehlanreizen zu entscheiden, die zu Mehrkonsum<br />

führen, wie beispielsweise kostenlose Flatrates <strong>für</strong> Musik- und<br />

Videostreaming.<br />

Folgende Faustregeln helfen, den CO 2<br />

-Fußabdruck bei der<br />

Nutzung von Cloud-Diensten zu senken: Alle Daten, dazu gehören<br />

auch Video-Streams, sollten möglichst über WLAN oder LAN<br />

übertragen werden, nicht über Mobilfunk. Videos sollten möglichst<br />

komprimiert werden. Je kleiner der Monitor, desto geringer ist der<br />

CO 2<br />

-Fußabdruck beim Video-Streaming aus der Mediathek oder<br />

von der Streaming-Plattform. <strong>Das</strong> Datenvolumen hängt unmittelbar<br />

mit der Auflösung zusammen. Im Allgemeinen gilt: Je höher<br />

die Auflösung, desto größer die Datei, die übertragen werden muss.<br />

Häufig ist der Qualitätsunterschied bspw. zwischen Full-HD- und<br />

4K-UHD-Auflösung kaum erkennbar - insbesondere bei kleinen<br />

Monitoren und bei Entfernung zum Bildschirm.<br />

Eine weitere Möglichkeit, den persönlichen digitalen CO 2<br />

-Fußabdruck<br />

zu reduzieren, ist es, Daten die nicht mehr gebraucht werden,<br />

wie Bilder oder Videos, regelmäßig aus der Cloud zu löschen. Denn<br />

die Daten in der Cloud verbrauchen viel Energie (vgl. Abbildung<br />

1), weil sie 24 Stunden an jedem Tag im Jahr zur Verfügung gestellt<br />

werden.<br />

Sie haben bereits erfahren, dass bei der Teilnahme an einer<br />

Videokonferenz das Endgerät, mit dem Sie an der Konferenz teilnehmen,<br />

entscheidet <strong>für</strong> den CO 2<br />

-Fußabdruck ist. Sie können diesen<br />

weiter reduzieren, in dem Sie Ihr Videobild immer nur dann aktivieren,<br />

wenn es notwendig ist.<br />

In der Pandemie war es <strong>für</strong> viele von uns ein Trost, dass wir mit<br />

Freund:innen, Eltern und Großeltern über Videotelefonie kommunizieren<br />

konnten. Lassen Sie es nicht zur Gewohnheit werden und<br />

reduzieren Sie die Video-Telefonie auf ein notweniges Maß, auch<br />

dann, wenn es scheinbar kostengünstig ist.<br />

Gewohnheit und nicht mehr darüber nachzudenken, welche<br />

negativen Umweltwirkungen mit dem Handeln verbunden sind,<br />

führen zum Rebound-Effekt. Wir alle haben es AUCH in der Hand,<br />

die Digitalisierung umweltverträglicher zu machen.<br />

Auszug aus Köhn, M. <strong>2022</strong>. Informationstechnik geht auch<br />

umweltverträglich. In J. A. Werner, T. Kaatze, A. Schmidt-<br />

Rumposch (Hrsg.), Green Hospital -Nachhaltigkeit und<br />

Ressourcenschonung im Krankenhaus,<br />

ISBN: 978-3-95466-679-9. Online verfügbar unter:<br />

https://www.mwv-berlin.de/produkte/!/title/greenhospital/id/830<br />

Literaturverzeichnis<br />

1. BNetzA 2021: Tätigkeitsbericht Telekommunikation 2020/2021. Bundesnetzagentur<br />

<strong>für</strong> Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und<br />

Eisenbahne (Hg.). Bonn Dezember 2021 Online verfügbar unter https://<br />

www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Mediathek/Berichte/2021/<br />

TTB2020.pdf?__blob=publicationFile&v=1<br />

2. Gröger J, Li R, Stobbe L, Druschke J, Richter N (2021): Green Cloud<br />

Computing Lebenszyklusbasierte Datenerhebung zu Umweltwirkungen<br />

des Cloud Computing (Texte 94/2021). Umweltbundesamt (Hg.), 2021.<br />

Online verfügbar unter https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/green-cloud-computing<br />

3. Schödwell B, Zarnekow R, Liu R, Gröger J, Wilkens M (2018): Kennzahlen<br />

und Indikatoren <strong>für</strong> die Beurteilung der Ressourceneffizienz von<br />

Rechenzentren und Prüfung der praktischen Anwendbarkeit (Texte<br />

19/2018). Umweltbundesamt (Hg.), 2018. Online verfügbar unter https://<br />

www.umweltbundesamt.de/publikationen/kennzahlen-indikatoren-fuer-die-beurteilung-der<br />

Autorin<br />

Marina Köhn<br />

Beratungsstelle <strong>nachhaltige</strong><br />

Informationsund<br />

Kommunikationstechnik<br />

www.uba.de<br />

Kleine Kniffe<br />

47<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 47 04.04.22 11:43


Aus Wissenschaft und Forschung<br />

Nachhaltigkeit, Lieferketten- und Klima-Gesetze,<br />

Rohstoffknappheit und Resilienz<br />

– hochkomplex und nicht ohne E-Lösungen zu beherrschen<br />

Wie in der <strong>Ausgabe</strong> <strong>April</strong> 2020 der „Kleinen Kniffe“ ausgeführt, stellen E-Tools zur Unterstützung der<br />

operativen <strong>Beschaffung</strong>saufgaben ein quasi unverzichtbares Hilfsmittel zur Steigerung von Effizienz und<br />

Transparenz bei gleichzeitiger lückenloser Dokumentation dar. Nicht nur die Öffentlichen sind hier nicht<br />

immer bereits dort angekommen, wo sie hinwollen oder hinsollten.<br />

Ein Beitrag von Professor Ronald Bogaschewsky<br />

Inzwischen haben einige<br />

Unternehmen der Privatwirtschaft<br />

wesentliche Schritte eingeleitet,<br />

um auch die strategischen Einkaufsaufgaben<br />

mit E-Lösungen zu<br />

unterstützen. Die Hebel sind hier<br />

naturgemäß in der Regel ungleich<br />

höher als bei den operativen Aufgaben.<br />

Inzwischen gibt es ein<br />

ganzes „Universum“ von Lösungen<br />

zur Unterstützung einer Vielfalt<br />

von strategischen Aufgaben, das<br />

primär von Start-ups bestritten<br />

wird. Hier mischen aber auch die<br />

großen etablierten Softwareanbieter<br />

zunehmend mit, da diese sich<br />

einerseits teilweise massiv an aussichtsreichen<br />

Start-ups beteiligen<br />

und andererseits selbst an entsprechenden<br />

Lösungen arbeiten. Man<br />

darf ja ruhig mal genauer hinschauen,<br />

was die „jungen Wilden“ da so<br />

treiben und sich das Beste davon<br />

raussuchen.<br />

Kernthesen des Beitrags<br />

<strong>Das</strong> vorherrschende Postulat der quasi-maximalen<br />

Kosteneffizienz in der <strong>Beschaffung</strong> wird allmählich vom Postulat<br />

der Resilienz als Unternehmensziel abgelöst werden.<br />

Zunehmende staatliche Maßnahmen und gesetzliche Vorgaben<br />

wie die CO 2<br />

-Bepreisung, die CSR-Berichtspflicht und das<br />

EU-Lieferkettengesetz werden zu Veränderungen in den globalen<br />

Supply Chains in Richtung weniger umweltschädlicher Produktionen<br />

und Lieferanten sowie kürzerer Transportwege führen.<br />

Ein nicht unerheblicher Teil von „Zukunftsrohstoffen“, die<br />

<strong>für</strong> Elektromobilität, Windkraft, Photovoltaik, Elektronik, medizinische<br />

Geräte u.v.a.m., benötigt werden, ist knapp und zwingt<br />

zum Umdenken.<br />

E-Tools zur Unterstützung der operativen <strong>Beschaffung</strong>saufgaben,<br />

die vor allem von jungen Start-ups entwickelt werden,<br />

bieten schon heute ein unverzichtbares Hilfsmittel zur Steigerung<br />

von Effizienz und Transparenz bei gleichzeitiger lückenloser<br />

Dokumentation.<br />

Was die Privatwirtschaft bewegt, waren in der jüngeren Vergangenheit<br />

vor allem Themen wie die Schaffung von Transparenz und<br />

die Analyse hinsichtlich der globalen <strong>Beschaffung</strong>smärkte sowie der<br />

dort zu findenden Anbieter (Supplier Scouting) und insbesondere<br />

die Bewertung von vorhandenen und <strong>für</strong> die Zukunft abzuschätzenden<br />

Risiken (Supplier & Supply<br />

Chain Risk Management). Letzteres<br />

erhielt durch die weiterhin<br />

andauernde Versorgungskrise mit<br />

Materialien und Vorprodukten<br />

besondere Relevanz. Diese Lieferkrise<br />

geht in ihrer Intensität und<br />

Breite zu einem großen Teil auf die<br />

Rechnung der SARS-Cov2-Pandemie.<br />

Seitdem kennt wohl jeder<br />

Verantwortliche in diesem Bereich<br />

die Vokabel der Resilienz und<br />

versucht einerseits händeringend<br />

überhaupt benötigte Ware<br />

zu bekommen und andererseits<br />

Pläne <strong>für</strong> eine resilientere, also<br />

gegen Störungen weniger empfindliche<br />

Struktur der Lieferkette<br />

zu entwickeln. Eine bessere und<br />

damit exaktere bzw. näher an den<br />

Tatsachen befindliche sowie zeitgerechte<br />

und damit quasi permanente<br />

Risikobewertung ist hier<strong>für</strong> erforderlich.<br />

Durch die vermehrt auftretenden Disruptionen, seien es die<br />

immer häufiger und mit stärkeren Auswirkungen auftretenden<br />

Naturkatastrophen, politische Störeinflüsse, logistische Havarien<br />

oder eben Endemien und Pandemien, die Bekämpfung der Folgen<br />

solcher Disruptionen und das Treffen von Vorsorgemaßnahmen<br />

48 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 48 04.04.22 11:43


wird uns wohl noch sehr lange Zeit begleiten. Nicht wenige mutmaßen,<br />

dass das Postulat der quasi-maximalen Kosteneffizienz, wie<br />

es in manchen Industrien gelebt wird, nicht mehr alleinig bestimmend<br />

sein wird und dass die Resilienz als Unternehmensziel eine so<br />

große Bedeutung bekommt, dass dies massive Auswirkungen auf die<br />

weltweiten Wertschöpfungsketten und damit die globale Arbeitsteilung<br />

und den Warenhandel haben könnte. Damit ist auch bereits<br />

ein essentieller Teil der Nachhaltigkeit angesprochen, denn diese<br />

impliziert das Ziel dauerhafter Existenz und Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Gleichzeitig ist offensichtlich, dass der primär durch erhebliche<br />

CO 2<br />

-Emissionen menschenverursachte Klimawandel nun auch<br />

auf der Kostenseite zurückschlägt. Ohne weniger CO 2<br />

-Emissionen<br />

kein Einbremsen des Klimawandels und kein Einfangen von disruptionsbedingten<br />

Kostensteigerungen. Viele Unternehmen und<br />

institutionelle Investoren haben dies erkannt und setzen daher auf<br />

weniger umweltbelastende Technologien, Firmen und Branchen,<br />

wohingegen die „schmutzigen“ Industrien sich immer schlechteren<br />

Finanzierungsbedingungen ausgesetzt sehen und sich teilweise<br />

deshalb und wegen der schlechten Geschäftsprognosen in eine „bad<br />

company“ und eine „good company“ aufspalten. Erstere wird dann<br />

„verramscht“ und in Zweitere investiert. Hoffen wir nur, dass die<br />

Kosten <strong>für</strong> die „faulen Eier“ dann nicht beim Steuerzahlen hängenbleiben<br />

werden.<br />

Inzwischen hat auch die Politik dieses Thema ganz oben auf<br />

die Agenda gesetzt, was auf der einen Seite an einigen mutigen<br />

Schritten des EU-Parlaments liegt und auf der anderen Seite an der<br />

Ampelkoalition in Deutschland. Die aktuell EU-seitig angekündigte<br />

Anerkennung von Atomenergie und Gaskraftwerken als <strong>nachhaltige</strong><br />

Investitionen wäre in diesem Zusammenhang wohl kontraproduktiv.<br />

<strong>Das</strong> in Arbeit befindliche „EU-Lieferkettengesetz“, das verstärkt<br />

auch ökologische Aspekte einbezieht, sowie das bereits beschlossene<br />

deutsche Lieferkettengesetz weisen hier klar in eine <strong>nachhaltige</strong>re<br />

Zukunft. Über Letzteres soll die Einhaltung von Menschenrechten<br />

und der ILO-Kernarbeitsnormen in globalen Lieferketten gesichert<br />

werden. Bei genauerer Ansicht des Gesetzes kann dies durchaus<br />

gelingen, wenn das Gesetz auch so exekutiert wird, wie es formuliert<br />

ist. Insbesondere auch durch die eingeräumten Klagerechte seitens<br />

Nichtregierungsorganisationen erzeugen die Regelungen in einigen<br />

Unternehmen Kopfschmerzen.<br />

Zudem kann sich kaum jemand auf die „<strong>Das</strong>-konnte-ich-nichtwissen-Ausrede“<br />

zurückziehen. Was man nicht über Suchmaschinen<br />

herausfinden kann, erledigen smarte Software-Lösungen. Diese greifen<br />

auf unvorstellbar große Datenmengen im World Wide Web,<br />

in Social Media und Datenbanken aller Art zu. Mit cleveren Analysetechniken<br />

(Big Data Analytics), die sich häufig der Künstlichen<br />

Intelligenz bedienen, werden aus Datenseen werthaltige Informationen<br />

erzeugt, z.B. ob eben ein bestimmter Lieferant oder ein<br />

konkretes Land gegen bestimmte Regeln verstößt. Nicht-Wissen gilt<br />

also nicht mehr bzw. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht! Natürlich<br />

hat dies auch Grenzen. Als Automobilbauer in der VR China<br />

wird man sich sehr schwer dagegen komplett absichern können,<br />

nicht doch Lieferungen von Herstellern zu bekommen, in denen<br />

beispielsweise Uiguren Zwangsarbeit leisten müssen. Einerseits wird<br />

dies regierungsseitig geschickt vertuscht, andererseits kann sich auch<br />

ein Weltkonzern nicht wirklich mit der – im Hintergrund immer<br />

agierenden – Regierung anlegen. Der Imageschaden kann trotzdem<br />

extrem sein.<br />

Kleine Kniffe<br />

49<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 49 04.04.22 11:43


Foto: depositphotos<br />

Im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit und damit der<br />

Problemstellung des Klimaschutzes und des CO 2<br />

-Fussabdrucks ist<br />

dies nicht so viel einfacher. Stand heute weiß kaum ein Unternehmen,<br />

wie viel CO 2<br />

in seinen Produkten steckt. Bisher wurden fast<br />

ausschließlich die Scope1- und Scope2-Emissionen fokussiert, also<br />

die CO 2<br />

-Emissionen (und gegebenenfalls in Äquivalente umgerechnete<br />

weitere klimarelevante Emissionen), die bei den eigenen<br />

Herstellungsprozessen anfallen sowie die der da<strong>für</strong> zum Einsatz<br />

kommenden Energie. Angesichts der Tatsache, dass in der Regel<br />

über zwei Drittel der Wertschöpfung zugekauft wird, also von – oftmals<br />

global verteilten – Lieferanten kommen, entsteht der größte<br />

Anteil der CO 2<br />

-Emissionen in der Lieferkette des Unternehmens.<br />

Zu diesen Scope3-Emissionen werden noch die bei der Distribution<br />

der Güter an die Kunden anfallenden gezählt.<br />

Nunmehr sind aber Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen<br />

und zukünftig wohl bereits ab der Hälfte im Rahmen der<br />

Corporate Sustainability Reporting Directive der EU verpflichtet,<br />

über ihre ökologische und soziale „Performanz“ Bericht zu erstatten.<br />

Dies sollten sie auch im Eigeninteresse tun, denn die Unternehmen<br />

werden in Zukunft <strong>für</strong> den über die Lieferkette importierten<br />

CO 2<br />

-Fussabdruck zur Kasse gebeten. Man muss also möglichst genau<br />

wissen, wie viel CO 2<br />

-Emissionen in welchen eingekauften Produkten<br />

stecken und was dies kostenseitig bedeutet. Um Ausweicheffekte<br />

zu vermeiden und komplette Produktionen ins Nicht-EU-Ausland<br />

zu verlegen und die Güter dann in die EU billiger zu exportieren,<br />

wird es eine CO 2<br />

-basierte EU-Importsteuer geben (müssen). Dies<br />

kann ebenfalls zu Veränderungen in den globalen Supply Chains in<br />

Richtung weniger umweltschädlicher Produktionen und Lieferanten<br />

sowie kürzerer Transportwege führen. Auch hier helfen innovative<br />

E-Lösungen diese Daten zu erheben, zu analysieren und fundierte<br />

Entscheidungen zu treffen.<br />

Als wäre das alles noch nicht genug, bewahrheiten sich leider<br />

immer stärker die – damals mutigen – Aussagen, wie die mit „Die<br />

Grenzen des Wachstums“ titulierte Publikation des Club of Rome von<br />

1972, dass wir auf eine kritische Knappheiten hinsichtlich nicht-regenerativer<br />

Ressourcen zulaufen. Viele Jahre versuchte man diese<br />

Aussagen durch Hinweis auf die von den Geologen berechnete und<br />

über die Zeit oftmals konstante „Reichweite“ zu widerlegen. Offenbar<br />

haben viele nicht verstanden, dass diese statischen Reichweiten das<br />

Bevölkerungswachstum und die zunehmenden materiellen Bedürfnisse<br />

von Schwellenländern ignorieren.<br />

Bereits vor vierzehn Jahren legten die USA und 2010 die EU eine<br />

Liste kritisch knapper Rohstoffe von strategischer Bedeutung vor. Im<br />

Sommer 2021 folgte nun die Neuauflage der von den Fraunhofer-Instituten<br />

IZM und ISI im Auftrag der Deutschen Rohstoffagentur als<br />

Teil der Bundesgesellschaft <strong>für</strong> Geowissenschaften und Rohstoffe<br />

(BGR) durchgeführte, neue Studie zu „Zukunftsrohstoffen“. Dies<br />

sind solche, die <strong>für</strong> zukunftsorientierte und innovative Produkte und<br />

Produktionen, wie <strong>für</strong> Elektromobilität, Windkraft, Photovoltaik,<br />

Elektronik, medizinische Geräte u.v.a.m., benötigt werden. Kurz<br />

gesagt: Die Lage sieht nicht wirklich gut aus! Ein nicht unerheblicher<br />

Teil dieser Rohstoffe ist recht knapp und in einem Großteil ist<br />

die VR China bei der Bergwerksförderung und insbesondere bei der<br />

nachfolgenden Raffinadeproduktion führend. Da hilft es wenig, dass<br />

man bei anderen Rohstoffen nur von sogenannten „gescheiterten“<br />

Staaten abhängig ist. Beispielsweise gilt heute „Ohne die DR Kongo<br />

keine batteriegetriebene Elektromobilität.“.<br />

Neben der sich immer weiter zuspitzenden Versorgungslage<br />

angesichts politischer Einflussnahmen („My-Country-First-Ansatz“),<br />

die die Rolle des freien Warenhandels in diesen Bereichen infrage<br />

stellt, sowie den teilweise exorbitant steigenden Preisen, sind<br />

massive Umweltbelastungen und mitunter grobe Verletzungen der<br />

50 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 50 04.04.22 11:44


Menschenrechte und ILO-Kernarbeitsnormen durch die Rohstoffproduktion<br />

zu konstatieren. Dies gilt besonders, aber nicht nur <strong>für</strong><br />

den – teilweise illegalen und korrupten -Artisanalbergbau, bei dem<br />

auch Sklaven- und Kinderarbeit zu beobachten sind. Wer also die<br />

Lieferkette nur weit genug zurück recherchiert, wird mit einiger<br />

Sicherheit viele Dinge finden, die mit unseren gesetzlichen Regulierungen<br />

in Deutschland und der EU nicht kompatibel sind. Die – in<br />

globaler Hinsicht selbst verursachten – einseitigen Abhängigkeiten<br />

können jedoch durch den einzelnen Nachfrager kaum beeinflusst<br />

werden. Hoffen wir, dass die Lieferkettengesetze sich diesbezüglich<br />

nicht nur als Papiertiger erweisen. Für die Steigerung der Transparenz<br />

sind auch hier smarte Softwarelösungen unterwegs.<br />

Was ist aber mit den Öffentlichen? Was ist mit der oft bemühten<br />

Vorreiterrolle der öffentlichen Hand in Sachen Nachhaltigkeit angesichts<br />

500 Mrd. EUR Einkaufsvolumen? <strong>Das</strong> Vergaberecht erlaubt<br />

durchaus eine ökologische Zuschlags-Bepreisung von Angeboten<br />

über „Schattenpreise“, auch wenn diese aktuell bzw. deren weitere<br />

Entwicklung noch nicht feststehen, sowie die Einbeziehung sozialer<br />

Kriterien. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass ja<br />

kaum außerhalb des eigenen Landes und falls doch, dann innerhalb<br />

der EU eingekauft werden würde. Hier gelten mehr oder weniger<br />

dieselben Regeln und Normen. <strong>Das</strong> dürfte aber etwas kurz gedacht<br />

sein, denn viele Produkte enthalten Vormaterialien, die aus globalen<br />

Lieferketten stammen und spätestens bei den enthaltenen<br />

nicht-regenerativen, aber auch bei nicht nachhaltig erzeugten nachwachsenden<br />

Rohstoffen ist man dabei.<br />

Hinsichtlich der steigenden Rohstoffknappheit gibt es nun erste<br />

Signale seitens der EU, denn das Europäische Parlament hat am<br />

24.11.2021 eine Resolution unter dem Titel „A European strategy<br />

for critical raw materials“ eingebracht, die recht drastische Schritte<br />

einfordert. Hierauf und auf die Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes<br />

sowie der Ausweitung und Erhöhung von CO 2<br />

-Steuern kann<br />

man warten und dann halt (voraussichtlich deutlich) höhere Preise<br />

<strong>für</strong> benötigte Güter zahlen.<br />

Man kann aber auch als öffentliche Institution seine mehrjährige<br />

Bedarfsplanung unter Einbeziehung der angesprochenen<br />

Entwicklungstendenzen vornehmen und frühzeitig alternative<br />

Lösungen entwickeln. Dies sind beispielsweise integrierte <strong>nachhaltige</strong><br />

Mobilitätskonzepte, umweltfreundliche Bauweisen, die vermehrte<br />

<strong>Beschaffung</strong> von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen sowie<br />

der komplette Umstieg auf Ökostrom. Langfristig rettet uns ohnehin<br />

nur eine Kreislaufwirtschaft (…gab es da nicht auch ein Gesetz?!) und<br />

ohne echtes Recycling und Cradle-to-Cradle-Konzepte wird es nicht<br />

gehen. Ohne smarte E-Lösungen, auch <strong>für</strong> die Öffentlichen, wird<br />

man diese Komplexität nicht beherrschen können.<br />

Als Wissensaustausch-, Ideen- und<br />

Diskussionsplattform auch zu diesem Themenfeld steht<br />

Ihnen das Verwaltungs- und Beschaffernetzwerk VUBN<br />

kostenlos zur Verfügung.<br />

www.VuBN.de<br />

Autor:<br />

Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky<br />

Lehrstuhlinhaber<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> BWL und<br />

Industriebetriebslehre<br />

Universität Würzburg<br />

Kleine Kniffe<br />

51<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 51 04.04.22 11:44


Start-ups der <strong>nachhaltige</strong>n <strong>Beschaffung</strong><br />

Klimakompatible <strong>Beschaffung</strong> –<br />

wie digitales Datenmanagement dabei unterstützt<br />

Die Dekarbonisierung von Lieferketten stellt die Grundvoraussetzung <strong>für</strong> die Klimatransformation in<br />

Unternehmen dar. Um dieses Unterfangen gezielt voranzutreiben, benötigen Procurement-Leader einen<br />

transparenten Überblick über den Klimareifegrad ihrer Lieferanten. Eine umfassende Aufgabe, die der<br />

Einbezug von digitalen Tools erleichtern kann.<br />

Ein Beitrag von Lara Obst<br />

Softwaregestützte Datenerhebung<br />

Vielen Unternehmen ist inzwischen bewusst, dass der Großteil<br />

ihrer Emissionen entlang der Supply Chain entsteht. Die Verringerung<br />

dieser indirekten Emissionen stellt Einkaufsleitende vor eine<br />

komplexe Herausforderung. Denn um ihre Lieferketten effektiv zu<br />

dekarbonisieren, benötigen sie umfassende Daten aus dem Scope<br />

3. An diese zu gelangen, stellt sich jedoch in vielen Fällen schwierig<br />

dar, da es <strong>für</strong> zeitaufwändige Recherchen oft an Ressourcen<br />

mangelt. Zudem erfolgt die Bewertung des Klimareifegrads von<br />

Lieferanten meist manuell über Excel-Tabellen und beschränkt sich<br />

dabei nur auf den CO 2<br />

-Fußabdruck. Procurement-Leader benötigen<br />

aber weitere Informationen <strong>für</strong> eine verlässliche Einschätzung:<br />

zum Beispiel die Aufschlüsselung von Emissionsberechnungen und<br />

-reduktionsmaßnahmen sowie eine klare Benennung, wo welche<br />

Verantwortlichkeiten im Management festgelegt sind und welche<br />

Lieferanten bereits Schritte in die Wege geleitet haben, um die<br />

Erfüllung ihrer Klimaziele zu verfolgen. Ein umfassendes Verzeichnis<br />

der Klima-Daten von Lieferanten wird auf diese Weise nicht<br />

gewährleistet.<br />

Um diesen Informationsanforderungen Herr zu werden, nutzen<br />

Entscheidungsträger:innen hier<strong>für</strong> bereits spezialisierte, software-getriebene<br />

Analyse-Tools wie den CLIMATE Readiness Check<br />

von THE CLIMATE CHOICE. Anhand eines digitalen Assessments,<br />

das auf internationalen Standards wie der Global Reporting Initiative<br />

(GRI), der EU-Taxonomie und den Vorgaben der Task Force on<br />

Climate-Related Financial Disclosures (TCDF) basiert, erhalten sie<br />

so einen Bericht, der sowohl den Ist-Zustand des Klimareifegrads des<br />

Unternehmens beleuchtet als auch konkrete Handlungsvorschläge<br />

bezüglich ihrer Verbesserung aufzeigt. Die Software-Plattform<br />

bündelt die Informationen in einer Klima-Scorecard, die das<br />

ganzheitliche Wirkungs- und Risikoprofil des Unternehmens<br />

verdeutlicht. Diese Vorteile der digitalen Datenerhebung können<br />

genutzt werden, um speziell auf das Unternehmen zugeschnittene<br />

Handlungsoptionen zu formulieren und umzusetzen.<br />

Digitale Kooperationsplattformen<br />

Auf Basis dieser Datengrundlage können Einkaufsleiter:innen<br />

gemeinsam mit ihren Lieferanten effektive Maßnahmen zur Dekarbonisierung<br />

ihrer Wertschöpfungskette ergreifen. Transparenz ist<br />

hier das Schlüsselwort. Ohne beidseitige Freilegung klimarelevanter<br />

Kennzahlen ist die Klimatransformation im Procurement ineffektiv.<br />

Auch beim Abgleich von Klimadaten und der Identifizierung<br />

von Lieferanten auf Basis ihres Klimareifegrads stehen spezialisierte<br />

Software-Tools wie etwa die CLIMATE Data Platform zur Verfügung.<br />

Unternehmen können sich anhand des CLIMATE Readiness<br />

Checks validieren lassen, dadurch ein Rating ihres Klimareifegrads<br />

erhalten und sich anschließend auf der Plattform miteinander vernetzen.<br />

Die Auswertung wird durch die Einstufung in Gold, Silber<br />

und Bronze verbildlicht. Dadurch ist <strong>für</strong> Procurement Officer auf<br />

einen Blick ersichtlich, welche Reportingstandards die Lieferanten<br />

erfüllen und welche Reduktionsmaßnahmen sie umsetzen. Auf diese<br />

Weise können Einkaufsentscheidungen gezielt getroffen werden, um<br />

die Klimatransformation erfolgreich voranzubringen.<br />

52 Kleine Kniffe<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 52 04.04.22 11:44


Foto: depositphotos<br />

Auch bestehende Lieferanten können ihren Klimareifegrad<br />

anhand des Klima-Ratings verbessern und somit in die Klimatranformation<br />

des Unternehmens integriert werden. Gemeinsam<br />

arbeiten sie so mit den Einkaufsleiter:innen an der effektiven Umsetzung<br />

von Reduktionsmaßnahmen. Dieses Vorgehen erprobt unter<br />

anderem der Babynahrungshersteller HiPP zurzeit in einem Partnerprogramm<br />

mit THE CLIMATE CHOICE. Dr. Johannes Knubben,<br />

Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements bei HiPP erklärt: „Aktuell<br />

beschäftigen wir uns intensiv mit dem Aufbau eines Datenaustausches<br />

mit unseren Partnern (wie z. B. Verpackungsherstellern),<br />

um Reduktionspotentiale zu identifizieren und Reduktionsmaßnahmen<br />

zielgerichtet umzusetzen. <strong>Das</strong> Partnerprogramm mit THE<br />

CLIMATE CHOICE hilft uns, die klimarelevante Transparenz unserer<br />

Lieferkette zu erhöhen. Mit ihrem Software-Tool gewinnen wir<br />

vergleichbare Daten und verbessern so die Zusammenarbeit entlang<br />

der Lieferkette mit dem Ziel, dort entstehende CO 2<br />

-Emissionen zu<br />

reduzieren.“<br />

Wirtschaft ebnet. Der klimaorientierte Einkauf wird entsprechende<br />

Strategien maßgeblich prägen und birgt die Chance, Emissionen in<br />

großem Maße einzusparen. Gelingt es den Procurement-Leadern,<br />

die Lieferkette des Unternehmens dauerhaft klimakompatibel auszurichten,<br />

kann die Umsetzung der Klimaziele gelingen.<br />

Digitale Hilfsmittel sorgen da<strong>für</strong>, dass <strong>Beschaffung</strong>s-Teams die<br />

Dekarbonisierung von Wertschöpfungsketten durch ein umfangreiches<br />

und übersichtliches Datenmanagement strukturiert verfolgen<br />

können. Auf diese Weise können sie Potenziale zur Emissionseinsparung<br />

erkennen und entsprechende Maßnahmen einleiten.<br />

Spezialisierte Software-Tools verringern den Administrationsaufwand,<br />

ermöglichen ein datenbasiertes Supplier Engagement und<br />

geben der Klimatransformation im Unternehmen einen maßgeblichen<br />

Schub in eine klimakompatible Zukunft.<br />

<strong>Das</strong> digitale Datenmanagement ermöglicht, kollaborativ und auf<br />

Augenhöhe mit Lieferanten die Wertschöpfungskette zu transformieren.<br />

<strong>Das</strong> digitale Sprungbrett der<br />

Klimatransformation im Einkauf<br />

Die 2020er Jahre werden den entscheidenden Unterschied <strong>für</strong><br />

die Klimatransformation unserer Wirtschaft machen. Jetzt und<br />

in den kommenden Jahren zeigt sich, welche Unternehmen ein<br />

Wirtschaftsmodell aufbauen, das den Weg <strong>für</strong> eine zukunftsfähige<br />

Autorin<br />

Lara Obst<br />

Co-Founder & Chief Climate Officer<br />

THE CLIMATE CHOICE<br />

https://theclimatechoice.com/<br />

Kleine Kniffe<br />

53<br />

Kleine_Kniffe_04_22_KMU.indd 53 04.04.22 11:44


Veranstaltungshinweis<br />

Zweite Online-Konferenz <strong>für</strong> mehr<br />

Nachhaltigkeit im Krankenhaus Einkauf<br />

Wie gelingt eine erfolgreiche Transformation zum grünen und<br />

<strong>nachhaltige</strong>n Krankenhaus der Zukunft? Darüber diskutieren 35<br />

Experten auf der zweiten Online-Konferenz <strong>für</strong> <strong>nachhaltige</strong>s Einkaufen<br />

und Wirtschaften im Krankenhaus am 22. und 23. November<br />

<strong>2022</strong> online. Kernthemen sind <strong>nachhaltige</strong> <strong>Beschaffung</strong>, Klimaneutralität,<br />

Kreislaufwirtschaft und Lieferkettengesetz.<br />

Politik und Klinikgruppen geben Einblicke<br />

<strong>Das</strong> Bundesgesundheitsministerium sowie diverse Klinikbetreiber<br />

sind angefragt und stellen ihre Nachhaltigkeitsstrategie und<br />

Best Practices vor. In aktiven Workshops geht es darum, gemeinsam<br />

mit Experten Lösungen zu erarbeiten. Der Kongress richtet sich an<br />

Klinikentscheider, Nachhaltigkeitsmanagement, Einkauf, Medizin,<br />

Pflege, Technik, Abfallmanagement sowie an Industrie, Handel, IT,<br />

Beratung und Einkaufsgemeinschaften. Weitere Informationen zum<br />

Kongress und Programm erfahren sie unter<br />

Kontakt:<br />

ZUKE Green - Eine Initiative von Zukunft Krankenhaus-Einkauf<br />

Stefan Krojer<br />

Hatzurodestr. 28<br />

41812 Erkelenz<br />

Tel. +49 177 82 98 372<br />

Homepage: www.zuke-green.de<br />

Kongress: https://kongress.zuke-green.de<br />

Mail: office@zuke-green.de<br />

https://kongress.zuke-green.de<br />

54 Kleine Kniffe<br />

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Kleine Kniffe<br />

55<br />

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www.<strong>nachhaltige</strong>-beschaffung.com<br />

56 Kleine Kniffe<br />

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