Bachfest 2024
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<strong>Bachfest</strong> Schaffhausen<br />
30. Internationales <strong>Bachfest</strong><br />
Jens Lampater<br />
spricht über<br />
die Vielfalt des<br />
<strong>Bachfest</strong>s.<br />
«Bach entdecken»<br />
Kinder bauen eine<br />
eigene Orgel mit<br />
Andreas Jud.<br />
Die Faszination<br />
Blockflöte durch<br />
Erik Bosgraaf neu<br />
kennenlernen.<br />
Seite 5 Seiten 8-9 Seiten 11-13
Anschluss<br />
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30. April <strong>2024</strong> 30. INTERNATIONALES BACHFEST<br />
3<br />
Das Programm des 30. Internationalen <strong>Bachfest</strong>es vom 8. bis 12. Mai <strong>2024</strong><br />
« B A C H B E G E I S T E R T »<br />
MITTWOCH 8. MAI <strong>2024</strong><br />
Kantatengottesdienst<br />
Neuhauser Kantorei,<br />
Schaffhauser Barockensemble<br />
«Auf Christi Himmelfahrt allein»<br />
BWV 128<br />
17 Uhr, Katholische Kirche<br />
Heilig Kreuz Neuhausen<br />
Nr. 1 «Eröffnungskonzert»<br />
Gaechinger Cantorey<br />
Hans-Christoph Rademann, Leitung<br />
Werke von J.S. Bach<br />
19.30 Uhr, St. Johann Schaffhausen<br />
DONNERSTAG 9. MAI <strong>2024</strong><br />
Kantatengottesdienst<br />
Konzertchor Schaffhausen,<br />
Schaffhauser Barockensemble<br />
«Wir danken dir, Gott, wir danken dir»<br />
BWV 29<br />
9.30 Uhr, St. Johann Schaffhausen<br />
Nr. 2 «Kunst der Fuge»<br />
Guido Balestracci, Amélie Chemin,<br />
Friederike Heumann, Paolo Pandolfo,<br />
Anna-Lena Elbert, Maria Ferré<br />
Werke von J.S. Bach, J.P. Krieger,<br />
F. Tunder, P.H. Erlebach, D. Buxtehude<br />
11.30 Uhr, Rathauslaube Schaffhausen<br />
Workshop «Bach entdecken»<br />
«Bodymusic» mit Marco «Scotch»<br />
Gautschin (für Kinder)<br />
13.30 – 17.30 Uhr, MKS Schaffhausen<br />
Führung<br />
«Highlights des Museums»<br />
14.30 Uhr, Museum zu Allerheiligen<br />
Im Kino<br />
«Mein Name ist Bach»<br />
17 Uhr, Kiwi Scala Schaffhausen<br />
Nr. 3 «Neue Concerti»<br />
Collegium Musicum Riga<br />
Erik Bosgraaf, Blockflöte und Leitung<br />
Werke von J.S. Bach, M. de Roo,<br />
V. Vita Poleva<br />
17 Uhr, Bergkirche Wilchingen<br />
Nr. 4 «Bach, Berio, Beatles»<br />
Spark – Die klassische Band<br />
Werke von J.S. Bach, C. Fritz,<br />
J. Lennon, L. Berio, P. McCartney,<br />
S. Bartmann, V. Plumettaz<br />
20.30 Uhr, Theater Bachturnhalle<br />
FREITAG 10. MAI <strong>2024</strong><br />
Kantatengottesdienst<br />
Singschule MKS Schaffhausen,<br />
Chorisma, Schaffhauser Barockensemble<br />
«Der Herr denket an uns» BWV 196<br />
10 Uhr, Bergkirche Wilchingen<br />
Nr. 5 «Bachs Vorfahren»<br />
Bine Bryndorf, Orgel<br />
Werke von G. Muffat, D. Buxtehude<br />
12.30 Uhr, Klosterkirche Rheinau<br />
Workshop «Bach entdecken»<br />
«Höfischer Tanz in Zeiten von Bach»<br />
(für Kinder)<br />
13.30 – 17.30 Uhr, MKS Schaffhausen<br />
Führung<br />
«Schaffhausen zu Bachs Zeiten»<br />
14.30 Uhr, Start beim St. Johann<br />
Schaffhausen<br />
Nr. 6 «Bach, ausgefeilt»<br />
Il Pomo d’Oro, Voces Suaves<br />
Francesco Corti, Leitung<br />
Werke von J.S. Bach, G. Pierluigi da<br />
Palestrina, J.C. v. Kerll<br />
17 Uhr, St. Johann Schaffhausen<br />
Nr. 7 «Goldberg Nights»<br />
SIGNUM saxophone quartet<br />
Kai Schumacher, Klavier<br />
Werke von J.S. Bach, G. Gershwin,<br />
F. Schubert, J. Cage, G. Crumb,<br />
T. Monk, G. Pritsker, K. Schumacher,<br />
S. Reich, Moderat, C. Debussy<br />
20.30 Uhr, Kulturzentrum Kammgarn<br />
SAMSTAG 11. MAI <strong>2024</strong><br />
Kantatengottesdienst<br />
Steiner Kantorei, Steiner Kammerensemble<br />
<br />
«Wer mich liebet, der wird mein Wort<br />
halten» BWV 74<br />
9.30 Uhr, Stadtkirche Stein am Rhein<br />
Extra: «Musik im Zunfthaus»<br />
Camerata Garestin, Brisa del mar,<br />
Duo Grychtolik, Duo Schrammelbach<br />
11 – 18 Uhr, Kulturhaus<br />
Obere Stube Stein am Rhein<br />
Workshop «Bach entdecken»<br />
Workshop «Orgelbau» mit Andreas<br />
Jud und Marianne Perrin (für Kinder)<br />
13.30 – 17.30 Uhr, St. Johann Schaffhausen<br />
Führung<br />
«Museum Lindwurm»<br />
14.30 Uhr, Museum Lindwurm<br />
Stein am Rhein<br />
Nr. 8 «Jahrgang 1685: Bach, Händel,<br />
Scarlatti»<br />
Solomon’s Knot<br />
Werke von J.S Bach, G.F. Händel,<br />
D. Scarlatti<br />
17 Uhr, Stadtkirche Stein am Rhein<br />
Im Kino<br />
«Mein Name ist Bach»<br />
17 Uhr, Kiwi Scala Schaffhausen<br />
20 Uhr, Cinema Schwanen<br />
Stein am Rhein<br />
Extra: «Goldberg Moves»<br />
DDC Entertainment &<br />
Christoph Hagel<br />
Illustration: Gerrit van Honthorst (1590 –1656), © Bridgeman Images<br />
Bach goes Breakdance<br />
20 Uhr, Stadttheater Schaffhausen<br />
SONNTAG 12. MAI <strong>2024</strong><br />
Kantatengottesdienst<br />
Schaffhauser Oratorienchor,<br />
Schaffhauser Barockensemble<br />
«Christ unser Herr zum Jordan kam»<br />
BWV 7<br />
9.30 Uhr, Münster Schaffhausen<br />
Sonarelli: «Mozarts Reise»<br />
Mitmachkonzerte für Kinder im<br />
Vorschulalter<br />
10.30 Uhr, Rathauslaube Schaffhausen<br />
(für Kinder im Vorschulalter)<br />
14 Uhr, Rathauslaube Schaffhausen<br />
(für Kinder im Primarschulalter)<br />
Nr. 9 «Friedemann & Friedrich»<br />
Jermaine Sprosse, Cembalo und Clavichord,<br />
Werke von J.S. Bach, W.F. Bach,<br />
J.C.F. Bach<br />
11.30 Uhr, Zunftsaal zum Rüden<br />
Schaffhausen<br />
Führung<br />
«Schaffhausen zu Bachs Zeiten»<br />
14.30 Uhr, Start beim St. Johann<br />
Schaffhausen<br />
Nr. 10 «Abschlusskonzert»<br />
Collegium 1704,<br />
Collegium Vocale 1704<br />
Václav Luks, Leitung<br />
Messe h-Moll BWV 232<br />
17 Uhr, St. Johann Schaffhausen<br />
TICKETS<br />
Theaterkasse Foyer Stadttheater, Herrenacker 23, 8200 Schaffhausen<br />
Telefon +41 52 625 05 55; Mail: tickets@bachfest.ch; Online: bachfest.ch<br />
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30. April <strong>2024</strong> 30. INTERNATIONALES BACHFEST<br />
5<br />
Das 30. Internationale <strong>Bachfest</strong> steht unter dem Motto «Bach begeistert»<br />
«Faszinierend, wie der Funke überspringt»<br />
Der städtische Kulturbeauftragte<br />
und Geschäftsführer<br />
der Internationalen <strong>Bachfest</strong>e<br />
Jens Lampater spricht im Interview<br />
über das <strong>Bachfest</strong> und<br />
blickt auf die bevorstehenden<br />
Highlights.<br />
Ronny Bien<br />
Schaffhausen. «Bock»: Jens Lampater,<br />
welche Anlässe dürfen am diesjährigen<br />
<strong>Bachfest</strong> aus Ihrer Sicht unter keinen<br />
Umständen verpasst werden?<br />
Jens Lampater: Das ist eine sehr<br />
schwierige Frage, weil das aktuelle<br />
Programm an Vielfalt glänzt, ohne sagen<br />
zu wollen, dass für alle etwas dabei<br />
wäre. Aber was ich persönlich empfehle,<br />
ist «Bach ausgefeilt» am Freitag im<br />
St. Johann mit dem hochklassigen Orchester<br />
«Il Pomo d’Oro» unter der Leitung<br />
von Francesco Corti. Zu erwarten<br />
ist ein gemischtes Programm mit<br />
unbekannten Werken. Gleich im Anschluss<br />
findet im Kammgarn «Goldberg<br />
Nights» mit Kai Schumacher am<br />
Klavier und dem «Signum Saxophone<br />
Quartet» statt. Das sollte man sich<br />
auch nicht entgehen lassen. Kai Schumacher<br />
ist sehr modern und switcht<br />
gerne zwischen modernen Stilen und<br />
Klassik. Zu erwähnen gilt es auch, dass<br />
Gäste unter 25 Jahre alle 15 Konzerte<br />
gratis besuchen können.<br />
<br />
Neuerdings wird Bach auch im Kino<br />
angeboten.<br />
Lampater: Das ist richtig. Unser Bestreben<br />
ist schon länger, dass wir Stein<br />
am Rhein immer mehr ins <strong>Bachfest</strong><br />
integrieren wollen. Die Idee, «Mein<br />
Name ist Bach», eine prämierte Verfilmung<br />
über den alternden Johann<br />
Sebastian Bach, im Kino Schwanen<br />
und im Kiwi Scala in Schaffhausen<br />
abspielen zu lassen, bietet sich an, weil<br />
dadurch weitere Zielgruppen angesprochen<br />
werden. Übrigens wird die<br />
Aufführung des Blockflötisten Erik<br />
Bosgraaf mit dem Collegium Musicum<br />
aus Riga in der Bergkirche Wilchingen<br />
vom SRF aufgezeichnet.<br />
Das Motto für <strong>2024</strong> lautet: «Bach begeistert».<br />
Wie begeistert Bach denn?<br />
Lampater: Warum begeistert Musik<br />
generell? Musik erzeugt Emotionen,<br />
Gänsehautmomente, lässt auch mal<br />
die Nackenhaare zu Berge stehen. Bei<br />
aktueller Musik aus den Charts weiss<br />
man ja nicht, ob diese in 300 Jahren<br />
noch gehört wird. Bei Bach hingegen<br />
weiss man es. Doch das aktuelle Motto<br />
integriert auch die spirituelle Dimension<br />
von Bachs Musik. Denn Bach<br />
komponierte vor allem geistliche Musik<br />
für kirchliche Anlässe. Die h-Moll<br />
Messe wird immer aufgeführt. Speziell<br />
dieses Mal ist, dass alle «Lutherischen<br />
Messen», also die kurzen Kyrie-Gloria<br />
Messen in F-Dur, A-Dur, G-Dur und<br />
Illustration: Gerrit van Honthorst (1590 –1656), © Bridgeman Images<br />
Seit 2014 orchestriert Kulturchef Jens Lampater das <strong>Bachfest</strong>, welches in der<br />
Klassikszene als wahre Kulturperle wahrgenommen wird. Bild: Priska Ketterer<br />
g-Moll, zu hören sind. Für Bach-Nerds<br />
kommt dies einem Lottosechser gleich.<br />
Gibt es einen Lieblingsmoment, seit Sie<br />
im Lead der <strong>Bachfest</strong>e sind?<br />
Lampater: 2018 bekam ich während<br />
einer Konzertpause in Stein am Rhein<br />
ein Gespräch zwischen zwei Kennern<br />
der internationalen Klassik-Festival-Szene<br />
aus Frankfurt mit, die zum<br />
ersten Mal bei uns waren. Da fiel der<br />
Satz «Es sind zwar nicht ganz die<br />
Salzburger Festspiele, aber es ist doch<br />
wunderschön hier». Die beiden sind<br />
wiedergekommen.<br />
Was war eigentlich der Grund, dass<br />
man 1946 ein <strong>Bachfest</strong> ins Leben rief?<br />
Lampater: Bei der Bombardierung<br />
vor 80 Jahren wurde unter anderem<br />
das Museum getroffen. Auch<br />
Deutschland lag damals in Trümmern<br />
und um grenzüberschreitende<br />
Veranstaltungen zu forcieren, sprachen<br />
verschiedene Musiker aus dem<br />
Grossraum Zürich und Schaffhausen<br />
bei Stadtpräsident Walther Bringolf<br />
vor, anlässlich der Wiedereröffnung<br />
des Museums eine internationale Veranstaltung<br />
ins Leben zu rufen, um die<br />
Zusammenarbeit über die Grenzen<br />
hinaus zu fördern. Die h-Moll-Messe<br />
von Bach mit dem Schlusschoral<br />
«Dona nobis pacem» war geradezu<br />
prädestiniert. So gilt das <strong>Bachfest</strong> seither<br />
als friedensstiftender Anlass und<br />
es ist jedes Mal faszinierend zu beobachten,<br />
wie der musikalische Funke<br />
auf das Publikum überspringt.<br />
Im Ausblick in die Zukunft steht 2026<br />
das 80-Jahre Jubiläum bevor und 2030<br />
ist der 280. Todestag von Bach. Gibt es<br />
bereits Pläne für exklusive Editionen?<br />
Lampater: Wir kommen ja aus dem<br />
Feiern gar nicht mehr heraus (lächelt).<br />
Aber ich denke, man soll mit Jubiläumsfeiern<br />
etwas haushälterisch<br />
umgehen, um die Exklusivität zu<br />
bewahren. Beim 25. <strong>Bachfest</strong> führten<br />
wir eine tolle Jubiläumskantate<br />
mit einer Auftragskomposition auf.<br />
100 Jahre <strong>Bachfest</strong>, die 50. Ausgabe<br />
oder der 300. Todestag Bachs sind<br />
geeignete Daten, um wieder etwas<br />
Aussergewöhnliches zu organisieren.<br />
Aber auch ohne Jubiläumstitel kann<br />
sich das Programm des <strong>Bachfest</strong>s<br />
2026 schon jetzt sehen lassen, dessen<br />
Planungen bereits sehr fortgeschritten<br />
sind. So viel bereits heute vorweg:<br />
Wir werden erstmals einen internationalen<br />
Top-Star als «Artist in Residence»<br />
präsentieren können. Aber<br />
jetzt freuen wir uns erst mal auf das<br />
diesjährige <strong>Bachfest</strong>.
6 30. INTERNATIONALES BACHFEST<br />
30. April <strong>2024</strong><br />
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30. April <strong>2024</strong> 30. INTERNATIONALES BACHFEST<br />
7<br />
Jeder Tag am <strong>Bachfest</strong> beginnt mit einem Kantatengottesdienst<br />
«Bach begleitet mich schon mein ganzes Leben»<br />
Schon in jungen Jahren verliebte<br />
sich Roland Müller in die<br />
Musik von Bach. Jetzt organisiert<br />
er mit dem Schaffhauser<br />
Barockensemble die musikalische<br />
Darbietung der Kantatengottesdienste<br />
und leitet am<br />
Festivalsamstag das Steiner<br />
Kammerensemble zusammen<br />
mit der Steiner Kantorei.<br />
Mevina Portner<br />
Schaffhausen. Wie jedes Jahr beginnt<br />
jeder einzelne Tag des <strong>Bachfest</strong>s mit<br />
einem feierlichen Kantatengottesdienst<br />
unter der Mitwirkung der regionalen<br />
Chöre und Orchester. Auch beim<br />
30. Internationalen <strong>Bachfest</strong> unter dem<br />
Motto «Bach begeistert!» wirkt Roland<br />
Müller, Gründungsmitglied des<br />
Schaffhauser Barockensembles und Dirigent<br />
des Steiner Kammerensembles,<br />
bei der Organisation mit. Zudem übernimmt<br />
er die musikalische Leitung<br />
im Kantatengottesdienst am Samstag,<br />
11. Mai, um 9.30 Uhr in der Stadtkirche<br />
Stein am Rhein.<br />
Bach als musikalisches Zentrum<br />
«Meine grosse Liebe für Bach begann,<br />
als ich mit zehn Jahren mit der Querflöte<br />
anfing zu musizieren», schwärmt<br />
Roland Müller von den Anfängen<br />
seiner Leidenschaft für Bach. «Den<br />
Zugang zur Musik fand ich durch die<br />
Schallplatten meiner Eltern und Nachbarn.»<br />
Seither begleitete ihn die Musik<br />
durch sein Leben. «Vor 33 Jahren,<br />
nachdem ich nach Stein am Rhein zog,<br />
stellte ich das Steiner Kammerensemble<br />
auf die Beine», erzählt der Bachliebhaber.<br />
«Zwei Jahre später kam die<br />
Steiner Kantorei dazu». Am <strong>Bachfest</strong><br />
beteiligen sich der Chor und das Ensemble<br />
seit 25 Jahren.<br />
Historische Instrumente<br />
Seit 18 Jahren koordiniert und organisiert<br />
Roland Müller zudem die vier<br />
anderen Kantatengottesdienste, bei welchen<br />
das Schaffhauser Barockensemble<br />
die musikalische Darbietung zusammen<br />
mit regionalen Chören übernimmt.<br />
Wenn es sich ergibt, spielt er auch selbst<br />
als Flötist mit. Beim Barockensemble<br />
Das Barockensemble spielt mit historischen Instrumenten, womit die Musik eine völlig andere Klangfarbe erhält.<br />
spielen alle Musiker:innen auf historisch<br />
mensurierten Instrumenten. «Diese Instrumente<br />
sind einen Halbton tiefer, was<br />
der Musik eine völlig andere Klangfarbe<br />
verleiht», so Roland Müller. «Dabei<br />
sind die Griffabfolgen bei den Holzblasinstrumenten<br />
viel komplizierter und<br />
müssen von Grund auf neu gelernt werden.»<br />
Den Vorteil an den historischen<br />
Instrumenten sieht Roland Müller klar<br />
in der Lautstärke: «Das Barockorchester<br />
übertönt nie einen Chor. Bei modernen<br />
Orchestern müssen die Dirigent:innen<br />
diesbezüglich immer eingreifen.» Für<br />
das <strong>Bachfest</strong> probt das Ensemble am<br />
4. und 5. Mai jeweils sechs Stunden<br />
lang. Mehr ist bei den Profis gar nicht<br />
nötig: «Alle bringen viel Bacherfahrung<br />
mit und spielten in ihrer Karriere schon<br />
einige Kantaten.»<br />
Wahl treffen<br />
Für die Auswahl der Stücke treffen<br />
sich die Chorleiter:innen, der Präsident<br />
der Bachgesellschaft Wolfram<br />
Kötter, Andreas Heieck und Ulrich<br />
Waldvogel Herzig, Mitglieder im<br />
Vorstand der Bachgesellschaft, rund<br />
eineinhalb Jahre vor dem <strong>Bachfest</strong>.<br />
Dort wird eine Auswahl von 15 bis<br />
20 Kantaten vorgelegt, die zum Motto<br />
des jeweiligen <strong>Bachfest</strong>s passen.<br />
Die Chorleiter:innen treffen untereinander<br />
dann die finale Entscheidung.<br />
Roland Müller leitet am Samstag,<br />
11. Mai, die Kantate «Wer mich liebet,<br />
der wird mein Wort halten» BWV<br />
74. «Die Herausforderung bei diesem<br />
Stück besteht in dem kurzen Eingangschor,<br />
was sonst nicht typisch ist für<br />
die Stücke von Bach», informiert der<br />
engagierte Leiter. «Trotzdem empfinde<br />
ich die Kantate als sehr festlich, da<br />
sie zusammen mit dem Streicherensemble<br />
mit drei Trompeten, Pauken<br />
und Oboen gespielt wird.»<br />
Musik für alle<br />
In den letzten Jahren gewannen die<br />
Kantatengottesdienste immer mehr<br />
an Bedeutung für das <strong>Bachfest</strong>. Als<br />
der Pfarrer Georg Stamm noch im<br />
Vorstand der Bachgesellschaft war,<br />
kombinierte er den Kantatengottesdienst<br />
das erste Mal mit regionalen<br />
Chören und Orchestern. «Die<br />
Kantatengottesdienste sind für das<br />
ganze Volk, deshalb verlangen wir<br />
keinen Eintritt», erklärt Roland Müller.<br />
«Hier musste sich die Bachgesellschaft<br />
fragen, ob sie diese Kosten<br />
stemmen kann. Später schrieben sie<br />
es sich auf die Fahne und sagten: Ja,<br />
das können wir!»<br />
Das Programm:<br />
Bild: zVg.<br />
Mittwoch, 8. Mai, 17 Uhr:<br />
Kath. Kirche Heilig Kreuz<br />
Neuhausen – Neuhauser Kantorei<br />
«Auf Christi Himmelfahrt allein»<br />
BWV 128<br />
Donnerstag, 9. Mai, 9.30 Uhr:<br />
St. Johann Schaffhausen<br />
Konzertchor Schaffhausen<br />
«Wir danken dir, Gott, wir danken<br />
dir» BWV 29<br />
Freitag, 10. Mai, 10 Uhr:<br />
Bergkirche Wilchingen<br />
Chöre der Singschule MKS<br />
«Der Herr denket an uns» BVW 196<br />
Samstag, 11. Mai, 9.30 Uhr:<br />
Stadtkirche Stein am Rhein<br />
Steiner Kantorei<br />
«Wer mich liebet, der wird mein<br />
Wort halten» BWV 74<br />
Sonntag, 12. Mai, 9.30 Uhr:<br />
Münster Schaffhausen<br />
Schaffhauser Oratorienchor<br />
«Christ unser Herr zum Jordan<br />
kam» BWV 7
8 30. INTERNATIONALES BACHFEST 30. April <strong>2024</strong><br />
9<br />
Im Interview mit dem «Bock» berichtet Andreas Jud über die Komplexität des Kulturgutes Orgel. Und führt ins Innere des gewaltigen Instruments<br />
Organist Andreas Jud im Porträt: «Die Orgel bedeutet mir die Welt»<br />
Seit seiner Kindheit sitzt<br />
Andreas Jud an der Orgel. Am<br />
<strong>Bachfest</strong> will er seine Leidenschaft<br />
für das Instrument<br />
im Rahmen der Reihe «Bach<br />
entdecken» an interessierte<br />
Kinder weitergeben. Dabei<br />
nimmt er sie nicht nur auf<br />
eine musikalische Reise mit,<br />
sondern führt sie bis ins<br />
Innere des Instruments.<br />
Claudia Riedel<br />
Schaffhausen. Vier Köpfe neigen sich<br />
über einen kleinen Holzbaukasten und<br />
studieren Anleitungen. In der Kirche<br />
St. Johann in Schaffhausen leitet Organist<br />
Andreas Jud eine private Gruppe<br />
beim Orgelbau an. Die Mini-Orgel ist<br />
brandneu. Auch für Andreas Jud ist<br />
es sozusagen ein Testlauf. An einem<br />
Workshop im Rahmen von «Bach<br />
entdecken», dem <strong>Bachfest</strong> für Kinder,<br />
wird er die kleine Orgel das erste Mal<br />
mit einer Schülergruppe aufbauen. Es<br />
ist eine knifflige Aufgabe – auch für die<br />
Erwachsenen, wie sich heute zeigt.<br />
Hätte auch Lokführer werden können<br />
Andreas Jud ist Hauptorganist im<br />
Münster Allerheiligen und der Kir-<br />
che St. Johann. An der Orgel sitzt der<br />
Ostschweizer seit frühester Kindheit.<br />
«Wenn mein Vater sonntags die Orgel<br />
spielte, sass ich daneben auf der<br />
Bank.» Je älter er wurde, umso mehr<br />
durfte er mithelfen. «Anfangs nur die<br />
Noten umblättern, dann mal die Pedale<br />
drücken.»<br />
Zwar interessierte er sich schon<br />
früh für die Orgel. Genauso gut hätte<br />
er aber Lokführer werden können. Der<br />
Beruf gefällt ihm noch heute: «Eine<br />
grosse Maschine bewegen und auf sich<br />
alleine gestellt sein.» Genauso wie beim<br />
Orgelspielen. Denn den direkten Kontakt<br />
hat er auch mit seinen Zuhörern<br />
nicht, das ist ihm aber ganz recht: «Ich<br />
exponiere mich nicht so gerne.» Die<br />
Konzertbesucher würden ihn jeweils<br />
fast ein bisschen vergessen. «Sie merken<br />
erst, dass da jemand ist, wenn etwas<br />
nicht funktioniert.» Aber: «Wenn<br />
ich richtig loslasse, übernehme ich den<br />
ganzen Raum. Mit meiner Orgel kann<br />
ich jedes Orchester übertönen.»<br />
«Ich suche nach Klängen»<br />
Während die meisten Musiker ihr eigenes<br />
Instrument mitnehmen, besitzt<br />
der Organist seine Orgel nicht. Für<br />
Andreas Jud besonders spannend:<br />
«Überall wo ich hingehe, erwartet<br />
mich etwas Neues.» Und der Organist<br />
war schon an vielen Orten. Er<br />
Eine private Gruppe baut die Mini-Orgel Stück für Stück zusammen. <br />
Andreas Jud im Innern seiner Orgel im St. Johann. Der Hauptorganist übt täglich von morgens um 7 bis um 11 Uhr. <br />
gab Konzerte in Paris oder Los Angeles<br />
und gewann internationale Wettbewerbe.<br />
Zwar seien die Preise eine<br />
Ehre und würden ihm einen Energieschub<br />
verleihen, aber fast noch<br />
wertvoller sei bei seinen Reisen der<br />
Kontakt zu anderen Organisten. «Mit<br />
manchen bin ich schon seit Jahrzehnten<br />
befreundet.» Jede Reise sei auch<br />
eine Weiterbildung. Denn jede Orgel<br />
ist wieder anders: «Ich suche nach<br />
Klängen und versuche sie dann hier<br />
nachzuspielen.» Seine Lieblingsorgel<br />
steht in der deutschen Stadt Norden.<br />
Am wohlsten fühlt er sich aber in<br />
Schaffhausen: «Die Orgeln im Münster<br />
Allerheiligen und in der Kirche St.<br />
Johann sind mein Zuhause.»<br />
Grundsätzlich kann er sich an jede<br />
beliebige Orgel setzen. Wenn er sie<br />
für Publikum spielt, muss er sich aber<br />
einen Tag Zeit nehmen, um die Klänge<br />
vorzubereiten. «Ich will ja auch<br />
ausprobieren.» Zudem informiert er<br />
sich schon vorgängig über das Instrument:<br />
«Ich schaue mir die Disposition<br />
der Orgel an.» Er studiert also, wie die<br />
Orgel gebaut ist und welche technischen<br />
Details sie hat.<br />
Ähnlich geht es den Hobby-Orgelbauern<br />
im St. Johann. Sie sind inzwischen<br />
ein Stück weiter. Schritt für<br />
Schritt, wie bei einem Legobausatz,<br />
haben sie das Gerüst der Mini-Orgel<br />
zusammengebaut. Jedes Stück ist<br />
Handarbeit. Die Tasten sind der Reihe<br />
nach sortiert und einzeln eingehängt.<br />
Jede Taste gehört an ihren Platz, jede<br />
Pfeife ins richtige Loch. Etwas über<br />
eine Stunde sind die Erwachsenen damit<br />
beschäftigt. Manchmal passts auf<br />
Anhieb, manchmal folgt nach einem<br />
Stirnrunzeln und dem wiederholten<br />
Studieren der Anleitung der hilfesuchende<br />
Blick zu Organist Andreas Jud.<br />
«Die Orgel zu erklären, ist nicht ganz<br />
einfach», so der Ostschweizer. Der<br />
Bausatz hilft. Zuletzt wird der Blasebalg<br />
montiert. Jetzt ist die Mini-Orgel<br />
bereit, gespielt zu werden. Der Profi<br />
schlägt die Tasten. Aber zurücklehnen<br />
können sich die Hobby-Orgelbauer<br />
nicht. Sie müssen den Blasebalg betätigen,<br />
damit überhaupt ein Ton aus<br />
Bilder: Claudia Riedel<br />
den Pfeifen kommt. Schon bei dieser<br />
kleinen Orgel körperlich anstrengend.<br />
Über Holzleitern zu den Pfeifen<br />
Bei der grossen Orgel im St. Johann<br />
übernimmt diese Aufgabe ein Motor.<br />
Am Workshop «Orgelbau» während<br />
des <strong>Bachfest</strong>es dürfen die Kinder auch<br />
ins Innere der Orgel. Dort treffen sie<br />
nicht nur auf den Maschinenraum im<br />
Untergeschoss, sondern ihnen eröffnet<br />
sich eine ganz neue Welt. Denn die Orgel<br />
ist weit mehr als das, was man auf<br />
der Empore sieht. «Man sieht von der<br />
Orgel immer nur den schönsten Teil»,<br />
sagt Andreas Jud. Geprägt ist die Fassade<br />
jedoch hauptsächlich durch die<br />
Schreinerarbeit. Die Kunst des Orgelbauers<br />
eröffnet sich einem erst, wenn<br />
man hinter die Fassade blickt. Und was<br />
sich im St. Johann auftut, ist mehr als<br />
imposant. Rund 4500 Pfeifen aus Holz<br />
und Metall reihen sich im Innern des<br />
Instruments aneinander. Die grösste<br />
ist zehn Meter hoch. Um alle Pfeifen zu<br />
erreichen, geht der Organist über Holzleitern<br />
von einem ins andere Stockwerk.<br />
«Üben ist sehr persönlich»<br />
Je mehr man von der Orgel sieht und<br />
dem Organisten zuhört, umso bewusster<br />
wird einem die Komplexität<br />
dieses Kulturgutes. Kein Wunder,<br />
gehört das Üben zu Andreas Juds<br />
Hauptaufgaben.<br />
«Ich übe täglich von morgens<br />
um sieben bis elf Uhr». Am liebsten<br />
dann, wenn die Kirche geschlossen<br />
ist. «Üben ist sehr persönlich», so<br />
der Musiker. «Beim Üben möchte ich<br />
experimentieren.» Seien Leute in der<br />
Kirche, hätten sie eine Hörerwartung.<br />
«Diese Erwartungshaltung schwingt<br />
dann in mir mit und ich bin nicht<br />
mehr konzentriert.»<br />
Nur in den Ferien mache er eine<br />
Pause. «Ich mache mir dann aber<br />
schon auch mal Sorgen, ob meine<br />
Finger nachher noch mitmachen.»<br />
Denn bereits nach zwei, drei Wochen<br />
merke er, dass er nicht mehr das Tempo<br />
habe wie vor der Pause.<br />
Körperlich anstrengend sei das Orgelspielen<br />
zwar nicht für ihn. Allerdings<br />
sei es nicht immer gleich bequem.<br />
Wie das Klavier hat auch die Orgel<br />
schwarze und weisse Tasten. Doch<br />
oftmals hat sie gleich mehrere dieser<br />
Tastenreihen, sogenannte Manuale,<br />
übereinander. Je mehr Manuale eine<br />
Orgel hat, desto mehr Möglichkeiten<br />
hat der Organist. Bei der Orgel in<br />
der Kirche St. Johann in Schaffhausen<br />
sind es beispielsweise drei. «Die<br />
oberste zu spielen ist nicht gerade ergonomisch.»<br />
Neben dem Üben gehört die musikalische<br />
Gestaltung der Anlässe der<br />
Kirchgemeinde St.Johann-Münster,<br />
insbesondere der sonntäglichen Gottesdienste,<br />
zu seinen Hauptaufgaben.<br />
Zudem verantwortet er die Instrumentenpflege<br />
und die Kulturvermittlung.<br />
Es ist ein 50 Prozent Pensum.<br />
Dazu unterrichtet der Organist an<br />
der Musikschule Klavier. Am 30. Internationalen<br />
<strong>Bachfest</strong> wirkt er zudem<br />
an den Kantatengottesdiensten<br />
mit. «Ich habe genug zu tun», sagt<br />
Andreas Jud lachend.<br />
Angst, dass die Kinder an der<br />
rund 7000 Franken teuren Mini-Orgel<br />
etwas kaputt machen können,<br />
hat Andreas Jud nicht. «Wir arbeiten<br />
in Kleingruppen und teilen die<br />
Arbeiten auf.»<br />
Andreas Jud<br />
am <strong>Bachfest</strong><br />
Auffahrtsgottesdienst<br />
Konzertchor Schaffhausen &<br />
Schaffhauser Barockensemble<br />
Donerstag. 9. Mai, 9.30 Uhr,<br />
St. Johann Schaffhausen<br />
freier Eintritt<br />
«Bach entdecken»<br />
– Das <strong>Bachfest</strong> für Kinder<br />
Workshop «Orgelbau» mit Andreas<br />
Jud und Marianne Perrin<br />
Samstag. 11. Mai, 13.30 bis<br />
17.30 Uhr, St. Johann Schaffhausen<br />
Alle Kantatengottesdienste, Workshops<br />
und Sonarelli Kinderkonzerte<br />
sind auf der Programmübersicht auf<br />
Seite 3 zu finden.<br />
Jahrhunderte alte Geschichte<br />
Wer ein Instrument lernen möchte,<br />
denkt nicht sofort an die Orgel.<br />
Andreas Jud: «Die Orgel ist nicht<br />
mehr so im Trend.» Das mag daran<br />
liegen, dass man ihr nicht häufig begegnet.<br />
Für viele haben Orgelklänge<br />
zudem etwas Angsteinflössendes.<br />
Ertönt im Film die Orgelmusik, verheisst<br />
sie meist nichts Gutes. Wer die<br />
Orgel nur von Beerdigungen kennt,<br />
verbindet sie mit Trauer. Solche Prägungen<br />
zu kitten, ist nicht einfach.<br />
Der Orgel werde dabei aber Unrecht<br />
getan, sagt Andreas Jud: «Die Orgel<br />
kann viele Stimmungslagen ausdrücken.»<br />
Für den Organisten ist sie das<br />
prachtvollste Instrument überhaupt.<br />
Darum ist es ihm auch so wichtig, die<br />
Jahrhunderte alte Geschichte des Instruments<br />
weiterzugeben.<br />
Die Hobby-Orgelbauer haben die<br />
Mini-Orgel inzwischen wieder auseinandergebaut<br />
und in Kisten verpackt.<br />
Jetzt wartet sie darauf, am <strong>Bachfest</strong><br />
von den Workshopteilnehmer:innen<br />
wieder zusammengebaut zu werden.<br />
In der Hoffnung, dass sie bei einem<br />
von ihnen vielleicht das gleiche Interesse<br />
weckt wie bei Andreas Jud. Denn<br />
für ihn ist klar: «Die Orgel bedeutet<br />
mir die Welt.»<br />
4500 Pfeifen unterschiedlichster Art und Grösse fasst die Orgel im St. Johann.
30. April <strong>2024</strong> 30. INTERNATIONALES BACHFEST<br />
11<br />
Erik Bosgraaf spielt nicht nur Bach, sondern bringt auch eine Uraufführung mit nach Schaffhausen<br />
«Die Blockflöte ist ein sehr ehrliches Instrument»<br />
Der niederländische Blockflötist<br />
und Musikologe Erik<br />
Bosgraaf ist in allen Epochen<br />
und Genres zu Hause. Seinen<br />
44. Geburtstag kann er<br />
am 9. Mai beim <strong>Bachfest</strong> in<br />
Schaffhausen auf der Bühne<br />
feiern. Die Schweizer Fachzeitschrift<br />
«Musik & Theater»<br />
sprach sprachen mit ihm über<br />
seine vielfältigen Aktivitäten<br />
in der alten und neuen Musik.<br />
Burkhard Schäfer, Musik & Theater<br />
Schaffhausen/Hilversum. «Musik &<br />
Theater»: Erik Bosgraaf, Sie spielen<br />
im Mai erstmals beim Internationalen<br />
<strong>Bachfest</strong> Schaffhausen, welches nun<br />
zum 30. Mal stattfindet. Wie entstand<br />
Ihr Kontakt zum Festival?<br />
Erik Bosgraaf: Meine Beziehung zu<br />
Schaffhausen begann damit, dass sich<br />
dort auch der Sitz der Blockflöten-Manufaktur<br />
Küng befindet. Diese hatte<br />
mich vor drei Jahren zu einem Meisterkurs<br />
eingeladen. Als ich damals ein<br />
paar Tage in Schaffhausen war, habe<br />
ich Stefan Küng auf dieses Bach-Festival<br />
angesprochen. Und da bis dahin<br />
noch kein Kontakt zwischen Küng und<br />
dem Festival bestand, habe ich die beiden<br />
quasi zusammengebracht – und<br />
das, obwohl die Büros nur ein paar<br />
Hundert Meter voneinander entfernt<br />
sind (lacht). Das ist ein interessantes<br />
Beispiel dafür, wie sehr wir doch alle<br />
in unserer eigenen Welt verhaftet sein<br />
können. Dabei kam dann die Idee auf,<br />
beim <strong>Bachfest</strong> zu spielen und dies<br />
mit einem Meisterkurs zu kombinieren.<br />
Deshalb habe ich dieses Jahr am<br />
4. und 5. Mai wieder einen Meisterkurs,<br />
nach dem ich gleich anschliessend<br />
in Schaffhausen bleibe. Das<br />
Konzert wurde auf den 9. Mai, meinen<br />
Geburtstag, gelegt, was vermutlich<br />
kein Zufall war (lacht).<br />
Die Blockflöte leidet teilweise unter einem<br />
etwas verschrobenen Image. Was<br />
hat Sie trotzdem daran gereizt?<br />
Bosgraaf: Die Flöte ist wahrscheinlich<br />
eines der ältesten Instrumente überhaupt<br />
und wurde in der Prähistorie aus<br />
einem Knochen geformt. Später wurde<br />
Erik Bosgraaf: «Was mich persönlich am meisten mit Bach verbindet, sind seine Kantaten.» <br />
sie in der mittelalterlichen Musik genutzt<br />
und war in vielen Volkskulturen<br />
beheimatet. Auch in der Renaissance<br />
und dann im Barock war sie weiterhin<br />
beliebt. Während des 19. Jahrhunderts<br />
wurde sie eine kurze Zeit in den Hintergrund<br />
gedrängt und trat aber in den<br />
30er- und 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts<br />
wieder in den Vordergrund des<br />
musikalischen Geschehens. Man muss<br />
auch sagen, dass dies in Deutschland<br />
mit dem Nationalsozialismus verbunden<br />
war, wo die Blockflöte in der Jugendbewegung<br />
von vielen Menschen<br />
gespielt wurde, wie eine wissenschaftliche<br />
Arbeit nachgewiesen hat. Denn<br />
es ging darum, unter den Massen die<br />
Kultur zu verbreiten und man hat damals<br />
nach einem Instrument gesucht,<br />
das kostengünstig einen weiten Verbreitungsraum<br />
finden konnte. Durch<br />
diese Jugendbewegung und diese Massenproduktion<br />
hat die Blockflöte einen<br />
schlechten Ruf bekommen. Viele Kinder<br />
mussten Blockflöte spielen lernen,<br />
die das vielleicht gar nicht wollten, und<br />
dazu waren die Instrumente oft noch<br />
von schlechter Qualität.<br />
Also hat es in der Geschichte der Blockflöte<br />
einen echten Einschnitt gegeben.<br />
Bosgraaf: Lustigerweise war die Blockflöte<br />
im 17. Jahrhundert das verbreitetste<br />
Instrument und wurde aber durch<br />
die geschilderten Umstände vom populärsten<br />
zum unpopulärsten Instrument<br />
und verlor dabei ihren guten Ruf. Deshalb<br />
ist heutzutage die Erwartungshaltung<br />
des Publikums oft niedrig und ich<br />
kann die Zuhörer häufig überraschen,<br />
indem ich auf der Bühne zeige, was mit<br />
der Blockflöte al- les möglich ist. Denn<br />
die Blockflöte ist ein sehr ehr- liches<br />
Instrument. Sie hat keine Klappen, die<br />
Luft fliesst – ohne Röhre – direkt ins<br />
Instrument hinein. Das ist etwas ganz<br />
Besonderes. Das Instrument erlaubt es<br />
mir, mich auf ganz vielfältige Weise damit<br />
ausdrücken zu können.<br />
Ihre naturnahe Holz-Herkunft kann und<br />
will die Blockflöte nie verleugnen, richtig?<br />
Bilder: Marco Borggreve<br />
Bosgraaf: Die Blockflöte hat für<br />
mich durch ihre Beschaffenheit<br />
eine besondere Note, die die Querflöte<br />
nicht hat. Denn die Querflöte<br />
ist ja dazu ent- wickelt worden,<br />
im Orchester ganz laut spielen zu<br />
können, um etwa in einer Bruckner-Sinfonie<br />
immer noch gehört zu<br />
werden. Und im Vergleich dazu ist<br />
die Blockflöte, die das nie musste,<br />
viel persönlicher.<br />
Kommen wir nun zum diesjährigen<br />
<strong>Bachfest</strong> in Schaffhausen. Wie ist Ihr<br />
Verhältnis zu Bach?<br />
Bosgraaf: Was mich persönlich am<br />
meisten mit Bach verbindet, sind seine<br />
Kantaten. Denn Bach hat die Blockflöte<br />
in 21 Kantaten verwendet. Insgesamt<br />
gesehen hat Bach die Blockflöte<br />
sehr viel einge- setzt, eigentlich in fast<br />
allen Gattungen, wie etwa auch in den<br />
Brandenburgischen Konzerten.<br />
Fortsetzung des Interviews<br />
auf den Seiten 12 und 13
12 30. INTERNATIONALES BACHFEST<br />
30. April <strong>2024</strong><br />
Fortsetzung des Interviews: «Die Blockflöte ist ein sehr ehrliches Instrument»<br />
«Musik & Theater»: Sie sind dafür bekannt,<br />
alle Epochen zu mögen und darin<br />
keine Unterschiede zu machen.<br />
Erik Bosgraaf: Die Tatsache, dass<br />
wir heutzutage Musik spielen, die vor<br />
drei- bis vierhundert Jahren aktuell<br />
war, ist an sich eine – philosophisch<br />
gesehen – postmoderne Aktivität. Wir<br />
können nicht wissen, wie die Stücke<br />
damals wirklich geklungen haben, da<br />
wir von dieser Zeit keine Aufnahmen<br />
besitzen. Das ist vielleicht auch unser<br />
Glück. Wir müssen also diesbezüglich<br />
vorgehen wie ein Sherlock Holmes<br />
und herauskriegen, wie es unserer<br />
Ansicht nach geklungen hätte. Aber<br />
wenn wir dies nur wissenschaftlich<br />
tun, erhalten wir eine sehr trockene<br />
Aufführung. Es muss auch eine persönliche<br />
Note dazukommen, um mit<br />
diesen historischen Daten umzugehen.<br />
Dabei gibt es die neue Musik ja<br />
nur, weil sie eine Beziehung zur älteren<br />
Musik hat. Zwölftonmusik gibt es<br />
nur, weil es davor die tonale gab. Man<br />
kann die beiden Sachen nicht getrennt<br />
und isoliert voneinander sehen: historische<br />
und zeitgenössische Musik. Die<br />
beiden Dinge sind wechselseitig aufeinander<br />
bezogen.<br />
Sie sind einer der wenigen, die alte und<br />
neue Musik im Konzert zusammenbringen.<br />
Bosgraaf: Gerade die Blockflöte<br />
eignet sich mit ihrer speziellen Geschichte<br />
in besonderem Masse dazu,<br />
die alte und neue Musik zusammenzubringen.<br />
Zumal sie auch nun im<br />
21. Jahrhundert immer noch bekannt<br />
ist. Es ist eher seltener, neue Musik<br />
auf der Barock-Violine zu spielen.<br />
Dabei muss ich auch sagen, wenn ich<br />
die zwei Sachen kombiniere, ist das<br />
Hauptgericht immer die alte Musik.<br />
Und das bedeutet: Es ist dann kein<br />
Drama, wenn man den Teil mit neuer<br />
Musik nicht mag (lacht). Und es<br />
geht einfach darum, etwas Abenteuerliches<br />
zu erleben. Schliesslich gibt<br />
es auch einen Teil des Pub- likums,<br />
der sich von vorneweg dafür interessiert.<br />
Wir spielen den Teil mit neuer<br />
Musik dann immer noch auf den alten<br />
Instrumenten und das bedeu- tet,<br />
dass der Klang immer noch im Ohr<br />
ist. Das heisst quantitativ, dass – in<br />
einem Konzert mit der Gesamtlänge<br />
von 75 Minuten – der Abschnitt<br />
mit Neuer Musik zirka 15 Minuten<br />
beträgt.<br />
Für Schaffhausen haben Sie ja auch<br />
eine Kombination von alter und neuer<br />
Musik im Gepäck und bringen Kompositionen<br />
von Matijs de Roo, Victoria<br />
Vita Poleva und natürlich Bach auf die<br />
Bühne.<br />
Bosgraaf: Dabei ist in diesem Fall<br />
noch ein politischer Hinter- grund zu<br />
erwähnen. Die Geschichte des <strong>Bachfest</strong>es<br />
umfasst auch, dass es nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg aus der Taufe gehoben<br />
wurde, da es seit 1946 veran- staltet<br />
wird. Um nun mit Victoria Vita Poleva<br />
einer ukrainischen Künstlerin eine Uraufführung<br />
zu er- möglichen, steckt<br />
auch ein Friedensgedanke dahin- ter.<br />
Ich glaube, Debussy sprach von der<br />
«Revolution in Seiden-Handschuhen».<br />
Niemand im Publikum möchte beim<br />
Konzert mit einer «kalten Dusche»<br />
überrascht werden. Aber ich glaube,<br />
die Leute sind schon experimentierfreudiger,<br />
als viele Programm- veranstalter<br />
denken. Man muss das Gesamtpaket<br />
aber in so einer Art und Weise<br />
präsentieren, dass es passt. Mein Musiklehrer<br />
hat immer gesagt: Die Leute<br />
hören sich neue Musik lieber an, wenn<br />
man vor der Pause ältere Werke spielt.<br />
Dann hat man sich als Künstler auch<br />
die Glaubwürdigkeit dazu bereits erarbeitet,<br />
denn es geht dabei auch sehr<br />
um die Art und Weise, worauf man<br />
dies alles aufbaut. Ich spiele zwar auch<br />
Programme mit ausschliesslich Neuer<br />
Musik, aber dann ist ein anderes Publikum<br />
vor Ort.<br />
Lassen Sie uns über Ihre zwei Programm-<br />
punkte mit Neuer Musik sprechen:Matijs<br />
de Roos «Sotto Voce» und<br />
Victoria Vita Polevas Uraufführung<br />
«Concerto für Ukrainische Flöte und<br />
Barockorchester».<br />
Bosgraaf: Matijs de Roo gehört zu einer<br />
neuen Generation von Komponisten.<br />
Ich kenne ihn schon sehr lan- ge,<br />
denn er hat bereits grosse Aufführungen<br />
für die Concertgebouw Gesellschaft<br />
geschrieben. Und doch ist es für<br />
viele Komponisten schwie- rig, international<br />
den Durchbruch zu schaffen.<br />
Es gibt zum Beispiel auch Komponisten,<br />
die fast ausschliesslich in Deutschland<br />
bekannt sind, wo ich merke, die<br />
kennt man in den Niederlanden kaum.<br />
Matjis ist kein Avantgardist, dieses Label<br />
würde für ihn nicht passen, denn<br />
z.B. sein Werk «Sotto Voce» ist ein sehr<br />
schönes, tonales Stück.<br />
Erik Bosgraaf: «Gerade die Blockflöte eignet sich mit ihrer speziellen Geschichte in besonderem Masse dazu, die alte und neue Musik zusammenzubringen.»<br />
Bild: Marco Borggreve
30. April <strong>2024</strong> 30. INTERNATIONALES BACHFEST<br />
13<br />
Erik Bosgraaf<br />
am <strong>Bachfest</strong><br />
Konzert Nr. 3: «Neue Concerti»<br />
Donnerstag, 9. Mai, 17 Uhr<br />
Bergkirche Wilchingen<br />
Collegium Musicum Riga<br />
Erik Bosgraaf, Blockflöte und<br />
Leitung<br />
Mit Werken von J. S. Bach, Matijs<br />
de Roo und Victoria Vita Poleva<br />
Preise: CHF 90.– / 60.– / 20.–<br />
Dauer: ca. 120 Minuten, inkl. Pause<br />
Tickets unter bachfest.ch<br />
«Die Leute hören sich neue Musik lieber an, wenn man vor der Pause ältere Werke spielt.»<br />
Bild: Marco Borggreve<br />
ihm – die «so» von Bach aber gar nicht<br />
komponiert wurden. Klären Sie uns auf!<br />
Bosgraaf: Dabei handelt es sich um<br />
eine historische Rekonstruktion. Wir<br />
wissen, dass viel Musik von Bach verloren<br />
gegangen ist, vor allem in seiner<br />
Köthener Zeit, wo er am meisten instrumentale<br />
Musik geschrieben hat.<br />
Wir können sehen, dass viele Arien,<br />
die Bach komponiert hat, von der Instrumental-<br />
musik her inspiriert und<br />
instrumental konzipiert sind. Deshalb<br />
erleben wir in den Konzerten, dass die<br />
Sänger immer mit der Menge der Noten,<br />
die Bach für sie schrieb, kämpfen.<br />
Ich glaube, die Trennung von instrumental<br />
und vokal, wie sie im 19. und<br />
20. Jahrhundert geschah, war zu Bachs<br />
Zeit noch nicht da.<br />
Und es ist ein leises Stück, das über<br />
seine innere Verbindung funktioniert.<br />
Alle Töne werden von anderen Instrumenten<br />
übernommen und es stellt<br />
somit insgesamt ein sehr fragiles Gewebe<br />
dar. Ich glaube, es gibt viel moderne<br />
Musik, die für den Zu- hörer<br />
nicht berührend ist. Sie besitzt andere<br />
Ei- genschaften, ist vielleicht interessant,<br />
provokant oder stellt Fragen. Das<br />
finde ich alles auch berech- tigt und<br />
wichtig. Die Musik von Matijs de Roo<br />
ist dagegen oft berührend und das ist<br />
es, was ihn von anderen unterscheidet.<br />
Er passt fast ein bisschen in Richtung<br />
Wolfgang Rihm.<br />
Und was ist für Sie das Herausragende<br />
beim Konzert von Victoria Vita Poleva?.<br />
Bosgraaf: Bei dem Werk von Victoria<br />
handelt es sich um ein Auftragswerk<br />
der Bachgesellschaft Schaffhausen. Ich<br />
hatte Victoria Vita Poleva noch vor<br />
dem Krieg in Kiew kennengelernt, als<br />
ich dort aufgetreten bin und sie schon<br />
ein Stück für mich geschrieben hatte:<br />
für Blockflöte und Cembalo. Das war<br />
ein Konzert in einem ehemaligen Nuklear-Bunker,<br />
was heutzu- tage absurd<br />
klingt, besonders wenn man jetzt darüber<br />
nachdenkt. Mittlerweile spiele ich<br />
eigentlichbei jedem Auftritt als Zugabe<br />
auf einer ukrainischen Flöte, denn das<br />
ist meine Weise, um gegen die verschwindende<br />
Aufmerksamkeit für den<br />
Krieg anzugehen. Ich habe auch das<br />
Gefühl, dass man als Künstler vor fünf<br />
Jahren noch unpolitischer sein konnte,<br />
und dies war ich damals auch. Aber ich<br />
wer- de immer politischer. Das <strong>Bachfest</strong><br />
besitzt ebenfalls eine Tradition für<br />
Uraufführungen, da habe ich Victoria<br />
vorgeschlagen. Erstens, weil sie eine<br />
sehr gute Komponistin ist, ich habe<br />
auch vor dem Krieg ja schon Stücke<br />
von ihr gespielt, und zweitens wohnt<br />
sie jetzt ja in der Schweiz. Das ist noch<br />
eine weitere Beziehung. Und ich fand<br />
es auch interessant, dass sie ihren eigenen<br />
Hintergrund mit einem Stück<br />
in Beziehung setzt. So sind wir darauf<br />
gekommen, das mit der ukrainischen<br />
Flöte zu verbinden.<br />
Welches Orchester wird Sie begleiten?<br />
Bosgraaf: Es spielt das Collegium<br />
Musicum Riga mit mir zusammen.<br />
Ich habe auch die letzte CD mit Bach-<br />
Konzerten mit diesem hervorragenden<br />
Klangkör- per aufgenommen. Sogar<br />
das könnte man politisch betrachten,<br />
denn die baltischen Staaten werden<br />
ebenfalls von Russland bedroht. Und<br />
deshalb passt es zusammen mit der<br />
Ukraine.<br />
Lassen Sie uns zum Schluss über Bach<br />
sprechen. Sie spielen unter anderem<br />
zwei sogenannte Aria Concertos von<br />
Die jeweils drei Sätze der beiden Aria<br />
Concertos haben Sie aus drei verschiedenen<br />
Kantaten zu einem neuen Konzert<br />
zusammengestellt? Habe ich das so<br />
richtig verstanden?<br />
Bosgraaf: Ja, und auch eine Sinfonia<br />
habe ich hier und da mit hineingenommen;<br />
denn es gibt ja auch viele Instrumental-Passagen<br />
in den Kantaten, wie<br />
zum Beispiel die Sinfonia aus dem Oster-Oratorium.<br />
Wenn man sich die Kantaten<br />
ansieht, hat man das Gefühl, als ob<br />
sich für so ein Unternehmen gewisse<br />
Arien regelrecht anbieten. Das ist natürlich<br />
eine sehr subjektive Auswahl, doch<br />
bei mir sind das alles Noten von Bach.<br />
Denn mit den Stücken in Schaffhausen<br />
ging es mir wirklich darum, diese so<br />
überzeugend wie möglich zu verweben,<br />
damit der Zuhörer den Effekt erlebt, als<br />
hätte man neue Werke von Bach entdeckt,<br />
die nun beim <strong>Bachfest</strong> <strong>2024</strong> zum<br />
ersten Mal aufgeführt werden.
14 30. INTERNATIONALES BACHFEST<br />
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30. April <strong>2024</strong> 30. INTERNATIONALES BACHFEST<br />
15<br />
Für die Flötistin ist das Musizieren eine Herzensangelegenheit<br />
«Musik kennt keine Grenzen»<br />
Für Anina Thür bedeutet Musik<br />
das Leben. Seit klein auf spielt<br />
sie Querflöte und liebt Kammermusik.<br />
Mit dem Ensemble<br />
«Brisa del Mar» beschreitet sie<br />
neues Terrain und fusioniert<br />
kurzerhand Tango und Bach.<br />
Sandro Zoller<br />
Stein am Rhein. «Mit fünf Jahren<br />
wünschte ich mir von meinen Eltern<br />
eine Querflöte auf Weihnachten. Im<br />
Alter von sechs Jahren begann ich mit<br />
dem Üben», beschreibt die 37-jährige<br />
Anina Thür die Anfänge ihrer Musikkarriere.<br />
Eigentlich wollte sie Krankenschwester<br />
werden. Die Musik war<br />
einfach ein Hobby. Aber es kam dann<br />
doch alles anders, so die Flötistin:<br />
«Meine Schulmusiklehrerin begleitete<br />
mich eines Tages auf dem Klavier<br />
und meinte dann, dass ich Musik studieren<br />
soll.» Auch wenn sie nicht aus<br />
einer Musikerfamilie stamme, ihre Eltern<br />
seien immer hinter ihr gestanden<br />
und hätten sie motiviert, diesen Weg<br />
einzuschlagen.<br />
Der frühe Vogel fängt den Wurm<br />
Noch während der Schulzeit legte die<br />
Profimusikerin eine Prüfung ab, um<br />
Jungstudentin zu werden. Dadurch<br />
konnte sie bereits früh Hochschulluft<br />
schnuppern. «Da hatte ich unter anderem<br />
Unterricht bei Professorin Marianne<br />
Stucki. Sie brachte mich vollends auf<br />
diesen Pfad», erzählt Anina Thür strahlend<br />
im Interview mit dem «Bock».<br />
An der Zürcher Hochschule der<br />
Künste (ZHdK) schloss sie mit einem<br />
Bachelor sowie Master in Musikpädagogik<br />
ab: «Ein Bachelor alleine reicht<br />
in dieser Branche nicht aus. Und wenn<br />
man auch auftreten möchte, braucht<br />
es noch einen weiteren Master.» Deshalb<br />
schlug Anina Thür danach ihre<br />
Zelte in Luzern auf und erarbeitete<br />
sich an der Hochschule Luzern einen<br />
Master in Performance sowie einen<br />
Minor «Alte Musik». Den Grundstein<br />
für die Formation «Brisa del Mar» legte<br />
sie bereits an der ZHdK.<br />
Musik, Musik und nochmals Musik<br />
«Musik ist meine grosse Leidenschaft.<br />
Eigentlich dreht sich bei mir alles um<br />
Anina Thür musiziert von klein auf. Die Liebe dazu ist ungebrochen.<br />
Musik – privat und beruflich», hält die<br />
passionierte Flötistin fest. Als Kind sei<br />
sie sehr gerne an Konzerte gegangen.<br />
«Danach ging ich nach Hause und<br />
musste sofort selber spielen.» Das war<br />
sozusagen ihre «unbeschwerte» Musikphase.<br />
Das Studium empfand sie als<br />
lehrreich und sehr schön, aber auch<br />
als pickelhart. Denn die Konkurrenz<br />
habe nicht auf sie gewartet. Bis heute<br />
sei diese aber auch eine ihrer Inspirationsquellen<br />
und Motivationsbooster.<br />
«Musik ist wie Fussball oder Fitness,<br />
wenn du krank wirst oder nicht genügend<br />
trainierst, dann verlierst du<br />
gleich den Anschluss und musst die<br />
verpasste Zeit irgendwie aufholen»,<br />
stellt Anina Thür klar. Deshalb gehört<br />
das Üben wie das Atmen zu ihrem Leben<br />
dazu.<br />
Vom Schulzimmer auf die Bühne<br />
«Ein Instrument ist wie ein bester<br />
Freund, der in guten und in schlechten<br />
Zeiten für dich da ist. Diese Philosophie<br />
gebe ich an meine Schülerinnen<br />
und Schüler weiter», sagt die<br />
Musikerin. Sie unterrichtet Querflöte<br />
an der Musikschule Schaffhausen<br />
und der Jugendmusikschule Winterthur.<br />
«Ob jung oder alt, Anfänger<br />
oder Profi, Musik bereitet Freude<br />
und ist ein klasse Ausgleich für das<br />
Hirn.» Ihre Erfahrungen als Performerin<br />
und ihren Wissensschatz gibt<br />
sie in Einzellektionen weiter. «Die<br />
Bild: Sandro Zoller<br />
meist langjährigen persönlichen Beziehungen,<br />
die man mit den einzelnen<br />
Schüler:innen aufbauen kann,<br />
bilden eine wunderbare Basis für ein<br />
nachhaltiges, positives Lernumfeld.»<br />
Auch wenn sie sehr gerne unterrichtet,<br />
ist die Bühne dennoch ihr<br />
zweites Zuhause. Gerne tauscht die<br />
im Zürcher Weinland wohnhafte<br />
Musikerin die Lehrerkutte mit einem<br />
Kleid: «Klar, die Vorlaufzeit ist streng<br />
und es braucht viel Energie. Aber die<br />
Freude, welche ich nach einem Konzert<br />
verspüre, überwiegt alles und ich<br />
freue mich bereits auf den nächsten<br />
Auftritt.» Eines ihrer Highlights erlebte<br />
sie als Solistin zusammen mit<br />
einem Orchester auf einer Italientour<br />
nach San Gimignano und Florenz.<br />
«Das Openair-Feeling war unglaublich<br />
schön und das Publikum genial.»<br />
Tango und Bach – Kunst darf alles<br />
Anina Thür deckt mit Orchesterliteratur<br />
von Barock bis Klassik eine grosse<br />
Bandbreite ab. Und auch wenn sie diese<br />
Stile mag, landete sie doch beim Tango.<br />
Mit «Brisa del Mar» bringt sie südamerikanisches<br />
Flair in die Ostschweiz. Im<br />
Repertoire ihres Ensembles befinden<br />
sich eigene Kompositionen sowie zum<br />
Tango umgewandelte Lieder, wie etwa<br />
Stücke aus dem «Nussknacker», die<br />
sie an einem Schulkonzert aufführten.<br />
Für das <strong>Bachfest</strong> wagten sie sich zudem<br />
in kaum erforschte Gewässer. «Der<br />
Argentinier Astor Piazzolla, Vater des<br />
Tango nuevo, hatte Johann Sebastian<br />
Bach als Vorbild. Oder die Bachianas<br />
Brasileiras von Heitor Villa-Lobos entstanden<br />
aus Liebe zu Bach. Schlussendlich<br />
ist alles erlaubt. Musik kennt keine<br />
Grenzen. Und sie verbindet Herzen.»<br />
So freut sich Anina Thür ganz<br />
besonders über die Mitwirkung am<br />
<strong>Bachfest</strong>. Der Auftritt im Kulturhaus<br />
«Obere Stube» ist für die Wagenhauserin<br />
wie eine Heimkehr zu<br />
ihren musikalischen Anfängen auf<br />
den Strassen von Stein am Rhein.<br />
Dort wird am Samstag, 11. Mai, mit<br />
«Brisa del mar» und weiteren drei<br />
Ensembles das prächtige und kürzlich<br />
komplett sanierte Haus einen<br />
ganzen Tag lang bespielt («Musik<br />
im Zunfthaus», freier Eintritt). Der<br />
Besuch lässt sich leicht mit weiteren<br />
Veranstaltungen in Stein am Rhein<br />
verbinden, denn der Samstag ist der<br />
Steiner Tag am <strong>Bachfest</strong> und bietet<br />
weiter: einen Kantatengottesdienst<br />
in der Stadtkirche, eine Sonderführung<br />
im Museum Lindwurm, einen<br />
Kinofilm «Mein Name ist Bach» im<br />
Cinema Schwanen und das Festkonzert<br />
Nr. 8 «Jahrgang 1685: Bach,<br />
Händel, Scarlatti» mit dem fantastischen<br />
Ensemble Solomon’s Knot in<br />
der Stadtkirche Stein am Rhein.<br />
Anina Thür<br />
am <strong>Bachfest</strong><br />
«First Friday»<br />
Teaser zum <strong>Bachfest</strong><br />
mit «Brisa del mar»<br />
Freitag, 3. Mai, 17 – 20 Uhr<br />
Schaffhauserland Tourismus,<br />
Schaffhausen<br />
«Musik im Zunfthaus»<br />
Samstag, 11. Mai, 12.30 & 16.15 Uhr<br />
Kulturhaus «Obere Stube»,<br />
Stein am Rhein<br />
«Sonarelli»<br />
«Mozarts Reise»,<br />
Erlebniskonzerte für Kinder<br />
Sonntag 12. Mai, 10.30 & 14 Uhr<br />
Rathauslaube Schaffhausen
WIR<br />
STREICHEN<br />
NACH IHREM<br />
GESCHMACK<br />
Wir streichen erfrischendes<br />
Zitronengelb oder jeden<br />
anderen von 40 000 Farbtönen.