OFFENE TORE - Orah.ch
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<strong>OFFENE</strong> <strong>TORE</strong> 1 / 2009 10<br />
in keiner grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en vor dem 14. Jahrhundert. 15 1592 wurde er in die Sixto-<br />
Clementina (Vulgata) aufgenommen. Ab der dritten Auflage von 1552 stand das Comma<br />
Johanneum au<strong>ch</strong> im Neuen Testament des Erasmus von Rotterdam. Swedenborg<br />
zitierte den Eins<strong>ch</strong>ub ahnungslos in WCR 164.<br />
In Joh 1,18 fand Swedenborg »der einziggeborene Sohn« vor. NA27 hat jedo<strong>ch</strong> (der)<br />
»einziggeborene Gott«. Der ursprüngli<strong>ch</strong>e Text unterstützt die swedenborgs<strong>ch</strong>e Ablehnung<br />
der nizänis<strong>ch</strong>en Vorstellung eines Sohnes von Ewigkeit her. Im Prolog des Johannesevangeliums<br />
ist nur vom Logos und von Gott die Rede. Von einem Sohn ist dort<br />
nirgends die Rede. Die Identifikation des Logos mit dem Sohn vollzogen erst die Logostheologen.<br />
Sie trugen damit die Vorstellung einer zweiten göttli<strong>ch</strong>en Person in die<br />
Präexistenz hinein und s<strong>ch</strong>ufen so die Konstellation für das Dogma des 4. Jahrhunderts.<br />
Die Weiterentwicklung der neukir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Exegese<br />
Die Heranführung der neukir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Exegese an den Kenntnisstand unserer Zeit sollte<br />
ni<strong>ch</strong>t als Angriff auf den Offenbarungs<strong>ch</strong>arakter der S<strong>ch</strong>riften Swedenborgs aufgefasst<br />
werden. Paulus gab uns das Bild vom »S<strong>ch</strong>atz in irdenen Gefäßen« (2. Kor 4,7). Und<br />
au<strong>ch</strong> Swedenborg verwendete es, indem er s<strong>ch</strong>rieb: »Das erworbene Wissen (scientifica)<br />
und die Erkenntnisse (cognitiones) sind ni<strong>ch</strong>t das Wahre oder die Wahrheiten, sondern<br />
nur die aufnehmenden Gefäße (vasa recipientia)« (HG 1469). Aussagen dieser Art zeigen<br />
uns, dass wir zwis<strong>ch</strong>en der historis<strong>ch</strong> bedingten Ausdrucksform einer Wahrheitserfassung<br />
und dem darin wirksamen Geist unters<strong>ch</strong>eiden dürfen. Damit ist uns die<br />
Mögli<strong>ch</strong>keit gegeben, die historis<strong>ch</strong>en Bedingtheiten der »scientifica« und »cognitiones«<br />
Swedenborgs zu untersu<strong>ch</strong>en. Außerdem ist damit der neuen Kir<strong>ch</strong>e die Freiheit gege<br />
ben, Gefäße zu entwerfen, die dem 21. Jahrhundert angehören.<br />
Die neukir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Exegese sollte im Interesse ihrer ureigensten Weiterentwicklung die<br />
Erkenntnisse der historis<strong>ch</strong>en Bibelwissens<strong>ch</strong>aft einbeziehen. Sie muss dabei ni<strong>ch</strong>t alle<br />
Wege und Irrwege dieser Fors<strong>ch</strong>ungsri<strong>ch</strong>tung wiederholen. Sie sollte im Gegenteil ihren<br />
eigenen Weg finden, aber sie darf si<strong>ch</strong> dem Wissen unserer Zeit ni<strong>ch</strong>t vers<strong>ch</strong>ließen. Die<br />
neukir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Exegese sollte si<strong>ch</strong> ihr Proprium, nämli<strong>ch</strong> die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> einem geistigen<br />
Sinn, bewahren. Sie sollte der Auflösung in einen reinen Historismus widerstehen. Aber<br />
diese Eigenart kann sie si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in der Hinwendung zum Besten der historis<strong>ch</strong>en<br />
Fors<strong>ch</strong>ung bewahren. In diesem Sinne plädiere i<strong>ch</strong> dafür, das Zeitalter der Swedenborgorthodoxie<br />
zu beenden und ein »Swedenborgupdate« zu entwickeln.<br />
15 Georg Strecker, Die Johannesbriefe, Göttingen 1989, Seite 280.