OFFENE TORE - Orah.ch
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<strong>OFFENE</strong> <strong>TORE</strong> 1 / 2009 24<br />
1. Überblick über das Ganze der Theosophie Jakob Böhmes<br />
Gegenstand der Theosophie Jakob Böhmes ist die unendli<strong>ch</strong>e und allumfassende Wirkli<strong>ch</strong>keit<br />
des Absoluten, die er kurz als Ungrund bezei<strong>ch</strong>net. Der Ungrund, das heißt die<br />
unbedingte Wirkli<strong>ch</strong>keit Gottes kann si<strong>ch</strong> als sol<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t kundgeben, denn eine derartige<br />
Kundgebung unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> immer von ihrem unbedingten Inhalt. Deshalb ist<br />
der Ungrund nur in si<strong>ch</strong> selbst Ungrund, und »im Ungrund ist ni<strong>ch</strong>ts als eine Stille ohne<br />
Wesen, eine ewige Ruhe ohne Anfang und Ende« 18 .<br />
1.1. Die Selbstoffenbarungen Gottes<br />
Die Kundgebung der göttli<strong>ch</strong>en Wirkli<strong>ch</strong>keit erklärt Böhme mit Hilfe des ungründli<strong>ch</strong>en<br />
Willens. Dieser Wille ist ni<strong>ch</strong>t der Ungrund an und für si<strong>ch</strong>, sondern jener Anblick der<br />
ungründli<strong>ch</strong>en Wirkli<strong>ch</strong>keit, der si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> innen und außen kundgeben will. Dabei<br />
unters<strong>ch</strong>eidet Böhme drei Selbstoffenbarungsvorgänge, nämli<strong>ch</strong> 1. das ideelle Erkennen<br />
im Spiegel der göttli<strong>ch</strong>en Weisheit, 2. das göttli<strong>ch</strong>e Wollen, das zwis<strong>ch</strong>en ideellem<br />
Erkennen und wesentli<strong>ch</strong>em Wirken vermittelt und 3. das wesentli<strong>ch</strong>e Wirken Gottes<br />
oder die wesentli<strong>ch</strong>e Weisheit.<br />
Der ungründli<strong>ch</strong>e Wille, der si<strong>ch</strong> als sol<strong>ch</strong>er aber ni<strong>ch</strong>t unmittelbar kundzugeben vermag,<br />
vermittelt si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> seine Selbstbegründung oder Selbstfassung in si<strong>ch</strong> und<br />
dur<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> selbst. Den Vorgang der Selbstfassung erklärt Böhme mit Hilfe der göttli<strong>ch</strong>en<br />
Dreiheit: Der ungründli<strong>ch</strong>e unfassli<strong>ch</strong>e Wille heißt Vater, der gefasste, der mit dem<br />
unfassli<strong>ch</strong>en Willen des Vater glei<strong>ch</strong> ist, heißt Sohn und der Ausgang des unfassli<strong>ch</strong>en<br />
Willens dur<strong>ch</strong> den fassli<strong>ch</strong>en oder gefassten Willen oder Grund heißt Geist, und diese<br />
Dreiheit s<strong>ch</strong>aut si<strong>ch</strong> im Spiegel der göttli<strong>ch</strong>en Weisheit. Dieser Vorgang der Selbstfassung<br />
kann au<strong>ch</strong> als Bewusstwerdung oder Selbsterkenntnis Gottes bezei<strong>ch</strong>net werden.<br />
Mit anderen Worten, in diesem Spiegel wird si<strong>ch</strong> Gott seiner selbst bewusst und erkennt<br />
si<strong>ch</strong> selbst.<br />
In dieser ersten Phase der ewigen Selbstoffenbarung oder Selbsterkenntnis Gottes, die<br />
Böhme als klare Gottheit, ewige Dreiheit oder freie Lust bezei<strong>ch</strong>net, herrs<strong>ch</strong>t allein »der<br />
einige Wille, nemli<strong>ch</strong> der einige Gott, wel<strong>ch</strong>er si<strong>ch</strong> in eine Dreyheit selber einführet, als<br />
in eine Faßli<strong>ch</strong>keit seinerselber; (wel<strong>ch</strong>e Fassli<strong>ch</strong>keit das Centrum, als das ewige gefassete<br />
Eine ist) und wird das Hertze oder Sitz des ewigen Willens Gottes geheissen, da<br />
18 Mw II, 1, 8. Die Zitation erfolgt na<strong>ch</strong> Jakob Böhmes Sämtli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riften, Faksimile-Na<strong>ch</strong>druck der<br />
Ausgabe von 1730 in elf Bänden, begonnen von August Faust, neu herausgegeben von Will-Eri<strong>ch</strong><br />
Peuckert, Stuttgart 1955-1961. Für die einzelnen Werke gelten folgende Abkürzungen: 3P = Drei<br />
Prinzipien; 3fL = Dreifa<strong>ch</strong>es Leben: 6Pk = 6 theosophis<strong>ch</strong>e Punkte; Mr = Aurora oder Morgenröte;<br />
Mw = Von der Mens<strong>ch</strong>werdung; Mm = Mysterium Magnum; Gw = Gnadenwahl; Sg = De Signatura;<br />
Cl = Clavis; Tab = Tafel. Vgl. Hans Grunsky, Jacob Böhme, Stuttgart 1956, S. 307 f.