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Leseprobe - Albert Knorr

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nicht möglich in den Geräteraum zu gelangen. „Abgebrochen“, knurrte er mit Blick auf den<br />

Rest des Schlüssels und rüttelte erneut am Türknauf. Ein Geräusch ließ ihn herumwirbeln.<br />

Das Rascheln kam von der Rückseite des Steinbrunnens. Ohne zu zögern, feuerte er<br />

mehrmals los. Zwei Querschläger peitschten durch das Wasser im Brunnen. Ein dritter<br />

zerfetzte den Tontopf einer violett blühenden Calla. Er ging nachsehen. Es dauerte, bis er<br />

mit seinem angeschwollenen Knie den Brunnen umrundet hatte. Nichts! Ich hab’ die<br />

Schnauze voll von diesem Versteckspiel!<br />

Chess hatte das Schwarzlicht im Geräteraum aufgedreht und sich möglichst weit von der<br />

Tür entfernt. Die violette Lampe kam langsam auf Betriebstemperatur. Alle weißen Flächen<br />

begannen zu fluoreszieren und hoben sich immer deutlicher von der Dunkelheit ab. Auch<br />

die Skorpione in den Terrarien schimmerten grünlich. Chess ärgerte sich. Ich hätte mir die<br />

Pistole von dem Glatzkopf holen sollen... nur wie? Sie griff nach einem Spaten. Fürs Erste<br />

ist das besser als nichts. Das Licht der aufgeheizten UV-Lampe reichte bereits aus, um sich<br />

zurechtzufinden. Sorgenvoll schaute sie zur Tür, die das Einzige war, das sie von ihrem<br />

bewaffneten Verfolger trennte. Vermutlich wird er das Schloss einfach aufschießen.<br />

Sekunden verstrichen, dann Minuten, doch nichts passierte.<br />

Chess presste ihr Ohr gegen die Tür. Nicht das leiseste Geräusch war zu hören. Ob Simba<br />

ihn doch erwischt hat, versuchte sie die Ruhe zu deuten. Und wenn nicht? Sie war<br />

unentschlossen. Wenn ich jetzt rausgehe, verrate ich mich vielleicht... Aber ich kann auch<br />

nicht ewig hier drin bleiben. Alon braucht meine Hilfe. Ihre Hand umfasste die Klinke.<br />

Shahid hat seine Leute angetrieben, weil Hiob bald hier auftauchen wird. Der Typ vor der<br />

Tür ist bestimmt nicht so dämlich, auf ihn zu warten – hoffe ich. Sie schaute auf die Uhr.<br />

„Ich geb’ mir noch drei Minuten – wenn sich bis dahin nichts tut, ist er entweder tot oder<br />

weg“, sprach sie sich selbst Mut zu.<br />

Der Minutenzeiger hatte seine erste Runde noch nicht beendet, da vernahm die Archäologin<br />

eine vertraute Stimme aus dem Gewächshaus.<br />

„Chess... Sind Sie hier irgendwo? ...Chess? “<br />

Hiob! „Hiob, sind Sie das?“, rief sie hinaus.<br />

„Ja, ich...“, wollte der hünenhafte Israeli antworten, da flog auch schon die Tür auf.<br />

„Hiob, ich bin so froh, Sie zu sehen!“, fiel sie ihm um den Hals. Der vertraute Anblick<br />

erfüllte sie mit großer Erleichterung. Ihr Gegenüber wirkte nicht minder überwältigt von<br />

dem unerwarteten Gefühlsausbruch.<br />

„Sie sind verletzt“, stellte er besorgt fest. „Soll ich einen Arzt holen?“<br />

„Ja... Nein, mit mir ist alles in Ordnung!“ Aus ihren tiefgrünen Augen kullerten<br />

Freudentränen über ihr blutiges Gesicht. „Alon... Alon... “<br />

„Er wird es schaffen“, unterbrach Hiob sie. „Machen Sie sich keine Sorgen.“<br />

„Kann ich...“ Chess war völlig aufgelöst und brachte kaum ein Wort heraus.<br />

„Später. Ein Hubschrauber bringt ihn ins Krankenhaus. Seine Kopfwunde muss ordentlich<br />

versorgt werden.“<br />

20<br />

„Ein Hubschrauber?“, fragte sie besorgt.<br />

„Vertrauen Sie mir, Chess. Abgesehen von dem Kopfweh in den nächsten Tagen...“,<br />

beruhigte er. „Ich erklär’ Ihnen später alles. Aber jetzt müssen Sie mir erzählen, was genau<br />

passiert ist. Wo ist Shahid?“<br />

„Er hat sich die Nägel geholt!“ Chess holte tief Luft und begann Hiobs Fragen zu<br />

beantworten. Sie berichtete von dem Überfall, erwähnte den Glatzkopf, den Simba<br />

ausgeschaltet hatte und auch den Mann mit dem verletzten Bein. Hiob nickte, er zeigte sich<br />

tief beeindruckt. Bei dem Gedanken daran, dass Shahid, seine schlimmste Nemesis,<br />

vielleicht an Skorpiongift verrecken könnte, wurde ihm ganz warm ums Herz.<br />

„...und dann habe ich Ihre Stimme gehört“, beendete sie ihre Erzählung.<br />

Hiob lächelte. „Ich bin wirklich stolz auf Sie, Chess.“ Nach einer Weile sagte er: „Und<br />

natürlich auch auf Ihre Haustiere.“<br />

„Haben Sie Simba gesehen?“<br />

Wieder konnte Hiob beruhigen. „Sie saß neben Alon, als wir hier eingetroffen sind. Ich<br />

glaube nicht, dass sie einen von uns an ihn herangelassen hätte, wenn Alon nicht bei<br />

Bewusstsein gewesen wäre. Ein prächtiges Tier“, sagte Hiob anerkennend.<br />

„Wir?“ Chess hatte bisher niemanden außer Hiob zu Gesicht bekommen. „Wer ist wir?“<br />

Hiob zwinkerte ihr zu. „Niemand, den ich Ihnen vorstellen darf.“<br />

„Aber ich muss mich doch für die Hilfe...“<br />

„Nicht nötig.“ Er schüttelte den Kopf. „Der Mossad ist der Meinung, dass es reicht, wenn<br />

Sie zwei seiner Agenten kennen.“<br />

„Noch dazu seine besten!“, strahlte Chess dankbar.<br />

Hiob reagierte nicht auf das Kompliment, aber Chess wusste, dass er sich darüber freute.<br />

„Was ist mit dem Mann passiert, vor dem ich mich da drin versteckt habe?“<br />

„Meinen Sie den?“ Hiob zeigte auf einen Tisch voller Kakteen. Ein riesiger Kugelkaktus<br />

stand am hinteren Rand. Chess wusste, dass seine verholzten Stacheln wenigstens sechs<br />

Zentimeter lang waren. Sehen konnte man sie aber nicht mehr. Sie steckten zu weit in dem<br />

gesuchten Gesicht.<br />

„Tut mir leid wegen der Sauerei“, entschuldigte sich Hiob.<br />

***<br />

„Wer hat Sie denn angefahren?“, fragte die pummelige Ärztin, die Alons Wunde versorgte.<br />

Am Hinterkopf des 42-jährigen Israelis war zwischen seinen kurzen schwarzen Haaren ein<br />

breiter Schnitt zu erkennen. Eine dunkle Kruste hatte sich gebildet und die Blutung gestoppt.<br />

„Keine Ahnung. Er kam ja von hinten.“ Alon lag, mit dem Gesicht nach unten, auf einem<br />

mobilen Krankenbett. Aus einer Infusionsflasche tropfte eine durchsichtige Flüssigkeit in<br />

seinen Unterarm.<br />

„Fahrerflucht also.“ Die Ärztin, sie musste Ende vierzig sein, öffnete eine braune Flasche.

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