Außen- und Innensicht - Fantastik-online.
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Deutungen wären völlig gleichwertig – also beliebig! Und wenn es keinerlei<br />
Objektivität innerhalb von Texten mehr gäbe, dann wäre die Disziplin der<br />
Literaturwissenschaft selbst mit einem Schlag völlig überflüssig. Welches Wissen<br />
wollte man noch schaffen ohne eine gemeinsame Vorstellung der Wirklichkeit <strong>und</strong><br />
ihrer Maßstäbe?<br />
Dem immanenten Leser, der vom Autor in jedem Text integriert ist, kann also nur<br />
eine beeinflussende, aber keinesfalls eine bestimmende Kraft zugebilligt werden. Bis<br />
zu einem begrenzten Grad wird sich ein Betrachter durch Vorgaben des Autors<br />
verleiten <strong>und</strong> vielleicht auch führen lassen. Zu jedem Zeitpunkt wird die<br />
Wahrnehmung des Werkes jedoch auch von dem individuellen Betrachter mit seiner<br />
<strong>Außen</strong>sicht der Norm-Wirklichkeit geprägt. Weicht der Betrachter in seiner eigenen<br />
Meinung zu sehr von dem immanenten Leser ab, wird dies bewusst als Kollision<br />
empf<strong>und</strong>en. Insbesondere bei sehr alten Werken kann es geschehen, dass der vom<br />
Autor implizierte Leser nicht mehr den heutigen Vorstellungen entspricht <strong>und</strong> wenig<br />
Wirkung entfaltet.<br />
Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf unseren Beweis der <strong>Außen</strong>-Wirklichkeit<br />
im Essay „Gibt es eine Wirklichkeit?“ <strong>und</strong> auf das Konstrukt der Norm-Wirklichkeit im<br />
Essay „Der fantastische Raum <strong>und</strong> die Wirklichkeit“ <strong>und</strong> bekräftigen:<br />
Wir gehen klar davon aus, dass es einen Maßstab zur <strong>Außen</strong>sicht genauso gibt, wie<br />
einen Maßstab zur <strong>Innensicht</strong>. Gerade die Unterschiede, die Relativität <strong>und</strong> das<br />
wechselseitige Zusammenspiel beider Maßstäbe machen den besonderen Zauber<br />
des schillernden Untersuchungsgegenstandes „<strong>Fantastik</strong>“ aus!<br />
<strong>Außen</strong>- <strong>und</strong> <strong>Innensicht</strong> im Vergleich:<br />
Vorrangig werden auf dem Feld der <strong>Fantastik</strong>-Forschung zwei gegensätzliche<br />
Betrachtungsstandpunkte diskutiert:<br />
- die <strong>Außen</strong>sicht eines Werkes <strong>und</strong><br />
- die <strong>Innensicht</strong> eines Werkes.<br />
(Oft werden darüber hinaus unterschiedliche Möglichkeiten von Perspektiven auch<br />
gar nicht gesehen.)<br />
Bei der <strong>Außen</strong>sicht ist die Norm-Wirklichkeit des Werks-Betrachter der Maßstab.<br />
Genau genommen ist die Norm-Wirklichkeit des Norm-Betrachters das Maß der<br />
Dinge. Anhand dieser Norm-Wirklichkeit wird beurteilt, ob <strong>und</strong> wie ein Werk<br />
fantastisch ist. Die Sicht ist also eine analytische, in der angenommenen Wirklichkeit<br />
des Betrachters verankerte.<br />
Bei der <strong>Innensicht</strong> verschmilzt der Betrachter durch Identifikation mit den handelnden<br />
Figuren <strong>und</strong> sieht danach alles durch deren Augen. Das Maß der Dinge ist in diesem<br />
Fall die im Werk angelegte Welt-Wirklichkeit. Diese muss gerade bei fantastischen<br />
Werken nicht mit der Norm-Wirklichkeit übereinstimmen. Die Sicht ist oft vorrangig<br />
eine nicht-analytische, emotional vom Mit-Erleben geprägte.<br />
Beide Sichten sind theoretische Extreme, die beim normalen Umgang mit einem<br />
Werk nicht in reiner Form erlebt werden. Ein natürlicher Betrachter hat einen