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Außen- und Innensicht - Fantastik-online.

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Es dürfen deswegen Zweifel angebracht sein, ob man dann eine identische<br />

<strong>Innensicht</strong> überhaupt erleben kann. Eine konstante <strong>Innensicht</strong>wahrnehmung setzt<br />

ebenfalls konstante <strong>und</strong> damit identische Betrachter voraus. Es ist richtig, dass alle<br />

Informationen in einem Text konstant <strong>und</strong> unveränderlich abgelegt sind. Sie bilden<br />

die fiktive Innenrealität des Werkes. Von dieser Innenrealität erstellt jeder individuelle<br />

Betrachter seine Innenwirklichkeit als wahrgenommenes Bild von der Innenrealität.<br />

Dies ist vergleichbar mit dem individuellen <strong>und</strong> eingeschränkten Erkennen der<br />

<strong>Außen</strong>realität. Jeder reale Betrachter besitzt vielleicht ähnliche, doch<br />

unterschiedliche Wirklichkeitsvorstellungen. Das gilt gr<strong>und</strong>sätzlich für alle<br />

Mechanismen des Erkennens. Damit sind die Wirklichkeitsvorstellungen eines<br />

individuellen Betrachters kaum mit einer konstanten Realität identisch. Nur bei einem<br />

Norm-Betrachter mit seiner geeichten Wahrnehmung <strong>und</strong> Erfahrungshintergr<strong>und</strong><br />

lässt sich von einer unveränderten <strong>Innensicht</strong> sprechen.<br />

Der Charakter der Innenrealität des Werkes unterscheidet sich jedoch stark von dem<br />

der <strong>Außen</strong>realität. Während die <strong>Außen</strong>realität viel komplexer ist, als sie mit den<br />

Sinnen der Betrachter wahrgenommen werden kann, ist ein Werk immer sehr viel<br />

effizienter konstruiert. Viele unwichtige Alltagsdetails werden im Werk ausgelassen<br />

<strong>und</strong> werden durch den k<strong>und</strong>igen Betrachter im Geiste hinzugefügt, wenn er sein<br />

Innenwirklichkeitsbild erstellt. Das Bild von der Innenwirklichkeit entsteht also immer<br />

zum Teil auch aus Vorstellungsaspekten des Betrachters <strong>und</strong> wird so individuell<br />

geprägt. Dabei besitzen Werke eine unterschiedliche Beschreibungsdichte <strong>und</strong><br />

deswegen wird beim Betrachten unterschiedlich viel durch den jeweiligen Betrachter<br />

ergänzt. Solange der Betrachter mit dem Urheber sehr ähnlich ist, funktioniert das<br />

auch recht zuverlässig. Stammt der Urheber aus einem anderen Jahrh<strong>und</strong>ert,<br />

werden dem heutigen Betrachter sicherlich viele Erfahrungen <strong>und</strong> normalerweise<br />

selbstverständliches kulturelles Wissen fehlen. Bei der geistigen Erstellung der<br />

Innenwirklichkeit werden also, in Abhängigkeit der Beschreibungsdichte,<br />

Abweichungen in Inhalten <strong>und</strong> Gefühlen von der Vorstellung des Urhebers<br />

eingebaut.<br />

Bei fantastischen Werken erfindet der Urheber neue Dinge, die nicht als bekannt<br />

vorausgesetzt werden können. Diese werden daher üblicherweise sehr viel genauer<br />

in Aussehen <strong>und</strong> Funktion beschrieben, als Alltagsgegenstände, die als bekannt<br />

vorausgesetzt werden. Aber auch bei vielen fantastischen Werken werden k<strong>und</strong>ige<br />

Betrachter mit gattungstypischem Spezialwissen vorausgesetzt. So wird in Science<br />

Fiction Werken vom Betrachter erwartet, Überlichttriebwerke, Materietransporter oder<br />

energetische Schutzschirme gr<strong>und</strong>sätzlich zu kennen.<br />

Das "Herr der Ringe" Werk zeichnet sich beispielsweise durch eine hohe<br />

Beschreibungsdichte aus, die auch in H<strong>und</strong>ert Jahren einem Betrachter sicher nahe<br />

an die Vorstellungswelt des Urhebers führt.<br />

Es wird daher die These erhoben: Die <strong>Außen</strong>sicht ist starken Wandlungen durch<br />

Historie <strong>und</strong> Kultur unterworfen. Die <strong>Innensicht</strong> ist für sich konstant, doch kann sie so<br />

nur sehr begrenzt erlebt werden. Denn der Betrachter bringt stets Fragmente der<br />

<strong>Außen</strong>sicht ins Werk hinein, er „vermengt“ unbeabsichtigt <strong>und</strong> automatisch zwei<br />

Wirklichkeiten: die der Norm-Wirklichkeit mit derjenigen der fiktionalen Wirklichkeit!

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