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Mathematik und Schach und Schönheit - Mathematik.de

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weißen Zügen geschehen. Mit ähnlichem Argument zeigt<br />

man, dass die Anzahl <strong>de</strong>r schwarzen Züge ungeradzahlig<br />

ist. Mehr Information brauchen wir nicht. Da Weiß<br />

begonnen hat, ist also Schwarz am Zug <strong>und</strong> kann mit<br />

1...Sxc2Mattsetzen. Der berühmteste <strong>Mathematik</strong>er unter <strong>de</strong>n <strong>Schach</strong>spielern<br />

(<strong>und</strong> umgekehrt) war wohl <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlän<strong>de</strong>r Max<br />

Euwe (1901–1981), <strong>Schach</strong>weltmeister von 1935–37 <strong>und</strong><br />

ab 1954 Professor für <strong>Mathematik</strong>.<br />

Zu Euwes Zeiten wur<strong>de</strong>n seitens <strong>de</strong>s Weltschachb<strong>und</strong>es<br />

mehrere Regeln diskutiert, welche die Beendigung einer<br />

je<strong>de</strong>n <strong>Schach</strong>partie in endlich vielen Zügen erzwingen<br />

sollten. Eine dieser Regeln lautete wie folgt: „Eine <strong>Schach</strong>partie<br />

en<strong>de</strong>t Remis, wenn dieselbe Folge von Zügen, mit<br />

allen Figuren auf genau <strong>de</strong>nselben Fel<strong>de</strong>rn, dreimal hintereinan<strong>de</strong>r<br />

vorkommt.“ Es ist dabei ganz gleichgültig, aus<br />

wie vielen Zügen diese Zugfolge besteht. Konkret fragte<br />

sich Euwe gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1920er Jahre, ob diese Regel<br />

<strong>Schach</strong> zu einem Spiel macht, das nach einer endlichen<br />

Anzahl von Zügen zwingend been<strong>de</strong>t ist.<br />

Umgekehrt: Gibt es unendliche, sinnlose Partien, bei <strong>de</strong>nen<br />

sie nicht anwendbar ist? Ist es möglich, dass ein<br />

<strong>Schach</strong>spiel ewig weitergeht, ohne dass irgen<strong>de</strong>ine – beliebig<br />

lange – Folge von Zügen dreimal in unmittelbarer<br />

Folge vorkommt?<br />

In seiner Abhandlung Mengentheoretische Betrachtungen<br />

über das <strong>Schach</strong>spiel, Koninklijke Aka<strong>de</strong>mie van Wetenschappen,<br />

32, 633–642 (1929), beantwortet Euwe diese<br />

Frage mit Ja.<br />

Euwe hat dazu eine Partie konstruiert, die auf einer bekannten<br />

Zahlenfolge basiert, <strong>de</strong>r Thue-Morse-Folge. Sie<br />

besteht nur aus Nullen <strong>und</strong> Einsen. Mit folgen<strong>de</strong>m Rezept<br />

kann sie leicht konstruiert wer<strong>de</strong>n: Beginne mit einer 0.<br />

Hänge dann immer an das schon vorhan<strong>de</strong>ne Teilstück<br />

<strong>de</strong>r Folge die komplementäre Sequenz an. Das ist die Sequenz,<br />

bei <strong>de</strong>r 0 <strong>und</strong> 1 vertauscht sind. Das Anfangsstück<br />

<strong>de</strong>r Folge ist also 0110100110010110. . .<br />

Formal kann man die Thue-Morse-Folge (an) schreiben<br />

als a0 = 0 <strong>und</strong> für alle natürlichen Zahlen k dann<br />

a2k = ak sowie a2k+1 = ak∗, wobei für ein Folgenglied<br />

x das Glied x∗ =1 − x das binäre Komplement zu x<br />

bezeichnet. Sind die ersten 2k Folgenglie<strong>de</strong>r gebil<strong>de</strong>t, so<br />

erhält man mit dieser Rekursionsformel die nächsten 2k also insgesamt 2k+1 Glie<strong>de</strong>r. Zwei Aussagen sind offensichtlich:<br />

Tatsache 1: Die Folge besteht nur aus Viererblöcken, die<br />

entwe<strong>de</strong>r die Form 0110 o<strong>de</strong>r 1001 haben.<br />

Tatsache 2: Die Folge verän<strong>de</strong>rt sich wegen a2k = ak<br />

nicht, wenn man je<strong>de</strong>s Folgenglied mit ungera<strong>de</strong>m In<strong>de</strong>x<br />

streicht:<br />

01/ 10/ 10/ 01/ 10/ 01/ 01/ 10/ 10/ 01/ 01/ 10/ 01/ 10/ 10/ 01/<br />

0 1 1 0 1 0 0 1 1 0 0 1 0 1 1 0<br />

Euwe konnte nun beweisen, dass die Thue-Morse-Folge<br />

tripelfrei ist. Damit ist gemeint, dass es keinen Abschnitt<br />

in <strong>de</strong>r Folge gibt, <strong>de</strong>r dreimal hintereinan<strong>de</strong>r auftritt. Das<br />

geht so:<br />

Wir nehmen an, die Folge sei nicht tripelfrei. Es gibt also<br />

einen Folgenabschnitt von m Folgenglie<strong>de</strong>rn (einen m-<br />

Abschnitt), <strong>de</strong>r dreimal hintereinan<strong>de</strong>r auftritt. Wir zeigen,<br />

dass dies aber für kein natürliches m sein kann.<br />

Für m = 1 wür<strong>de</strong> dies 3-Abschnitte <strong>de</strong>r Form 000 o<strong>de</strong>r<br />

111 erfor<strong>de</strong>rn, was Tatsache 1 wi<strong>de</strong>rspricht. Daraus leitet<br />

man sofort auch die Unmöglichkeit für m = 2 ab, <strong>de</strong>nn<br />

wegen Tatsache 2 wür<strong>de</strong> das Auftreten dreier gleicher 2-<br />

Abschnitte direkt hintereinan<strong>de</strong>r dasselbe auch für drei<br />

gleiche 1-Abschnitte nach sich ziehen.<br />

Für m = 3 sei xyz ein 3-Abschnitt. Für das Aussehen<br />

von drei aufeinan<strong>de</strong>rfolgen<strong>de</strong>n dieser 3-Abschnitte<br />

gibt es nach gegenwärtigem Stand unserer Diskussion<br />

die sechs Möglichkeiten: 100100100 o<strong>de</strong>r 010010010<br />

o<strong>de</strong>r 001001001 o<strong>de</strong>r 110110110 o<strong>de</strong>r 101101101 o<strong>de</strong>r<br />

011011011. Alle diese Segmente sind wegen Tatsache 1<br />

aber unmöglich.<br />

Der Fall m = 4 ist wegen Tatsache 2 ebenfalls unmöglich,<br />

<strong>de</strong>nn das Auftreten dreier 4-Abschnitte hintereinan<strong>de</strong>r<br />

wür<strong>de</strong> das Auftreten dreier 2-Abschnitte nach sich ziehen,<br />

was wir bereits ausgeschlossen haben.<br />

Bleiben noch die Fälle m>4. Davon kann man die ungera<strong>de</strong>n<br />

m so ausschließen: Der m-Abschnitt muß wegen<br />

Tatsache 1 ein Paar 11 o<strong>de</strong>r ein Paar 00 enthalten <strong>und</strong> das<br />

erste Glied eines je<strong>de</strong>n Paares muss stets einen ungera<strong>de</strong>n<br />

In<strong>de</strong>x haben. Wäre m aber ungera<strong>de</strong>, so wür<strong>de</strong> bei<br />

<strong>de</strong>r ersten Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>s m-Abschnittes das erste<br />

Glied <strong>de</strong>s Paares bei einem gera<strong>de</strong>n In<strong>de</strong>x liegen. Auf alle<br />

gera<strong>de</strong>n m kann man die Argumentation wie bei m = 2<br />

<strong>und</strong> m = 4 anwen<strong>de</strong>n, bis man durch diese Reduktion auf<br />

ein ungera<strong>de</strong>s m o<strong>de</strong>r ein m

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