Rassismus hat viele Gesichter. Rassismus hat viele ... - Pro Asyl
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gericht. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet,<br />
den uneingeschränkten Zugang<br />
zum <strong>Asyl</strong>verfahren sicherzustellen<br />
und die erfahrungsgemäß zuerst<br />
mit Flüchtlingen in Kontakt tretenden<br />
Grenzbehörden zwingend anzuweisen,<br />
die <strong>Asyl</strong>suchenden an die für<br />
die Prüfung des <strong>Asyl</strong>antrags zuständige<br />
Behörde weiterzuleiten. Weitreichende<br />
Verfahrensgarantien gelten für alle unbegleiteten<br />
Minderjährigen unter 18 Jahren.<br />
Allen wird ein Vormund gestellt, die<br />
Anhörungen werden von speziell ausgebildeten<br />
Personen durchgeführt. Der<br />
Kommissionsvorschlag formuliert vor<br />
allem engere Bedingungen für die Drittstaatenregelung.<br />
Ungeachtet der generalisierenden<br />
Bestimmungen über die<br />
Sicherheit in einem Drittstaat muss eine<br />
konkrete Einzelfallprüfung erfolgen.<br />
Nicht akzeptablel und korrekturbedürftig<br />
ist, dass der Kommissionsvorschlag<br />
bei Zulässigkeits- und beschleunigten<br />
Verfahren hinter völkerrechtlichen Standards<br />
zurückbleibt. Er lässt neben Flughafenverfahren<br />
auch so genannte Grenzverfahren<br />
in allen Fallkonstellationen<br />
zu. In jedem Fall ist künftig das Verbleibensrecht<br />
des <strong>Asyl</strong>suchenden bis zum<br />
Abschluss des Überprüfungsverfahrens<br />
sicherzustellen.<br />
Mindestnormen für die Aufnahmebedingungen<br />
von <strong>Asyl</strong>suchenden<br />
Geregelt werden sollen in einer Richtlinie<br />
die finanzielle und materielle<br />
Unterstützung von <strong>Asyl</strong>suchenden, die<br />
Bedingungen für Freizügigkeit im Aufnahmeland<br />
sowie der Zugang zum Arbeitsmarkt.<br />
Hauptstreitpunkt zwischen<br />
den Mitgliedsstaaten sind drei Themenfelder:<br />
– Soll die künftige Richtlinie auch Antragsteller<br />
im ergänzenden Schutz<br />
umfassen?<br />
– Unter welchen Bedingungen (z.B.<br />
Wartezeit) haben die Schutzsuchenden<br />
Zugang zum Arbeitsmarkt?<br />
– Wird den <strong>Asyl</strong>suchenden Freizügigkeit<br />
im gesamten Aufnahmeland gewährt<br />
oder existiert eine Residenzpflicht,<br />
wie es Deutschland vehement<br />
fordert?<br />
Bei der Frage der Mindeststandards für<br />
Aufnahmebedingungen muss eine künftige<br />
Richtlinie klarstellen: Internationaler<br />
Schutz umfasst nicht nur die Sicherheit,<br />
sondern auch eine menschenwürdige<br />
soziale Ausgestaltung. Sondergesetze<br />
für <strong>Asyl</strong>suchende, die stigmatisierenden<br />
und diskriminierenden Charakter haben,<br />
verstoßen gegen die Menschenwürde<br />
und müssen explizit ausgeschlossen<br />
werden. Aufnahmebedingungen, die<br />
einen angemessenen Lebensunterhalt<br />
während des gesamten <strong>Asyl</strong>verfahrens<br />
gewährleisten, sind eine Vorbedingung<br />
für ein faires <strong>Asyl</strong>verfahren. Zugang<br />
zum Arbeitsmarkt, zur Ausbildung und<br />
Freizügigkeit im gesamten Aufnahmeland<br />
stellen Essentials gemeinsamer<br />
Aufnahmestandards dar.<br />
Richtlinie zur Familienzusammenführung<br />
Der Richtlinienvorschlag zur Familienzusammenführung<br />
vom Dezember 1999<br />
gewährte insbesondere Flüchtlingen das<br />
Recht auf Familienzusammenführung.<br />
Die EU-Kommission legte zudem einen<br />
Familienbegriff zu Grunde, der nicht<br />
nur nichteheliche, sondern auch gleichgeschlechtliche<br />
Lebensgemeinschaften<br />
umfasst. Außerdem regelte er die Möglichkeit<br />
der Familienzusammenführung<br />
auch für Verwandte in aufsteigender<br />
Linie (Eltern und Großeltern) sowie – in<br />
Ausnahmen – auch für volljährige Kinder.<br />
Auf Grund der starken Widerstände<br />
in einzelnen Mitgliedsstaaten – allen<br />
voran die Bundesrepublik – legte die<br />
Kommission am 10. Oktober 2000 einen<br />
revidierten Vorschlag vor. In dieser restriktiveren<br />
Fassung wurde die große<br />
Gruppe der Personen herausgenommen,<br />
die so genannten ergänzenden Schutz<br />
besitzen. Bei GFK-Flüchtlingen besteht<br />
weiterhin ein Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung.<br />
Die EU braucht eine grundlegende<br />
Reform und ein<br />
rechtsverbindliches Europäisches<br />
Grundrecht auf <strong>Asyl</strong><br />
Auf dem EU-Gipfel im Dezember<br />
2000 in Nizza proklamierten<br />
die Repräsentanten der drei EU-<br />
Institutionen eine Grundrechtscharta.<br />
Eine erneute Regierungskonferenz im<br />
Jahr 2004 wird entscheiden, ob die Charta<br />
in die Verträge aufgenommen und damit<br />
rechtsverbindlich wird.<br />
In Artikel 18 wird ein <strong>Asyl</strong>recht garantiert:<br />
»Das Recht auf <strong>Asyl</strong> wird nach Maßgabe<br />
des Genfer Abkommens vom 28.<br />
Juli 1951 und des <strong>Pro</strong>tokolls vom 31. Januar<br />
1967 über die Rechtsstellung der<br />
Flüchtlinge sowie gemäß dem Vertrag<br />
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft<br />
gewährleistet.«<br />
Ein rechtsverbindliches europäisches<br />
Grundrecht auf <strong>Asyl</strong> stellt sicher, dass<br />
ein effektiver Zugang zum Verfahren in<br />
einem Mitgliedsstaat und Flüchtlingen<br />
die Gewährung der Rechtsstellung nach<br />
11<br />
der Genfer Flüchtlingskonvention gewährleistet<br />
wird.<br />
Darüber hinaus benötigt die EU eine<br />
umfassende Reform. Der noch nicht<br />
ratifizierte Vertrag von Nizza <strong>hat</strong> nicht<br />
ansatzweise eine politische Union, die<br />
mehr Demokratie und mehr Transparenz<br />
bietet, auf den Weg gebracht. Im<br />
Post-Nizza-<strong>Pro</strong>zess muss das Demokratiedefizit<br />
beseitigt werden:<br />
– Das Einstimmigkeitsprinzip muss im<br />
Bereich Justiz und Inneres fallen.<br />
– Notwendig sind reale Mitentscheidungsrechte<br />
des Europäischen Parlaments<br />
und eine starke, parlamentarisch<br />
kontrollierte Kommission.<br />
– Die Charta der Grundrechte muss<br />
rechtsverbindlich werden.<br />
Ohne diese Reformen gestaltet sich der<br />
Weg zu einem gemeinsamen <strong>Asyl</strong>recht<br />
weiterhin zäh und wird flankiert von<br />
einem ungebremsten Wettlauf der Restriktionen<br />
auf Seiten der Nationalstaaten.<br />
Die größte Gemeinsamkeit der Mitgliedsstaaten<br />
ist bislang, dass sie sich<br />
auf alle erdenkliche Weise ihrer Verantwortung<br />
zur Aufnahme und Schutzgewährung<br />
für Flüchtlinge zu entziehen<br />
versuchen. Wenn sich die Staats- und<br />
Regierungschefs Mitte Dezember 2001<br />
auf dem Tampere-Nachfolgegipfel in<br />
Belgien abstrakt zu ihrer Verpflichtung<br />
zum Flüchtlingsschutz und zur Genfer<br />
Flüchtlingskonvention bekennen, gilt es,<br />
sie erneut mit der europäischen Realität<br />
zu konfrontieren und an ihre völkerrechtlichen<br />
Pflichten zu erinnern. Kofi<br />
Annan <strong>hat</strong> den europäischen Staaten<br />
ihre Abwehrpolitik und den fatalen Vorbildcharakter<br />
deutlich ins Stammbuch<br />
geschrieben:<br />
»… ich bedauere es sagen zu müssen,<br />
(es) sprechen einige Anzeichen dafür,<br />
dass Europa seine Verpflichtungen aus<br />
dem Auge verliert, Flüchtlinge gemäß<br />
internationalem Recht, wie es in der<br />
Genfer Flüchtlingskonvention niedergelegt<br />
ist, zu schützen. Das bereitet mir<br />
größte Sorge, zumal es die Gefahr herauf<br />
beschwört, Auswirkungen auf andere<br />
Regionen zu haben, die Europa als Vorbild<br />
sehen.«<br />
(Kofi Annan, UN-Generalsekretär,<br />
im Januar 2001 in Stockholm)