Rassismus hat viele Gesichter. Rassismus hat viele ... - Pro Asyl
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Foto: Andreas Bohnenstengel<br />
� Erfahrungen, Ängste und Hoffnungen,<br />
die Flüchtlingskinder in Deutschland<br />
durchleben, sind das Thema<br />
des Sammelbandes »Ich besiege alle<br />
Drachen« von Margit Türk (Hg.).<br />
In diesem Buch kommen Flüchtlingskinder<br />
selbst zu Wort, aber auch<br />
Psychologen, Analytiker, Rechtsberater,<br />
Künstler und Pädagogen –<br />
Menschen, die praktische Erfahrungen<br />
mit Kinderflüchtlingen haben und<br />
sich aus je unterschiedlichen Perspektiven<br />
damit auseinandersetzen.<br />
Erschienen ist das Buch im<br />
J. Horlemann Verlag, Unkel 1997.<br />
Bezug über den Buchhandel,<br />
ISBN 3895020729, Preis 19,80 DM.<br />
Die oft in traumatisiertem Zustand nach<br />
Deutschland geflüchteten Kinder erfahren<br />
nicht die erhoffte Geborgenheit und<br />
Ruhe, sondern werden häufig unmittelbar<br />
nach ihrer Einreise mit Zweifeln der<br />
Behörden an ihrer Identität und ihrem<br />
Alter konfrontiert. Nicht selten folgen<br />
willkürliche gesetzwidrige Korrekturen<br />
ihrer Altersangaben (etwa durch »Inaugenscheinnahme«<br />
oder gar Eingriffe<br />
in ihre körperliche Integrität durch röntgenologische<br />
Untersuchung der Handwurzelknochen).<br />
Am Ende steht dann<br />
Der gnadenlose Umgang<br />
der Behörden mit einem<br />
15-jährigen Flüchtling<br />
Der 15-jährige Waise Horlo A. flieht im Sommer<br />
2000 aus der Mongolei nach Berlin.<br />
Während er sich mit seinem Fluchtgefährten auf<br />
der Suche nach einem Kinderheim befindet, wird<br />
er in Abschiebungshaft genommen. Sein erwachsener<br />
Begleiter wird abgeschoben. Obwohl der<br />
schmale Junge mit den kindlichen Gesichtszügen<br />
erklärt, dass er 15 Jahre alt ist, wird er zahntechnisch<br />
untersucht und sein Kiefer geröntgt – eine<br />
gesundheitsgefährdende und äußerst umstrittene<br />
Methode der Altersbestimmung. Danach wird<br />
das Alter auf mindestens 18 Jahre festgesetzt.<br />
Darauf berufen sich Ausländerbehörde und Haftrichter.<br />
Die Auskunft, die Horlo über sein Alter<br />
macht, wird ihm nun als arglistige Täuschung der<br />
Ausländerbehörde ausgelegt.<br />
Im Gefängnis ist Horlo einsam und scheint nicht<br />
zu wissen, wie ihm geschieht. Unterstützung erhält<br />
er vom evangelischen Pfarrer Ziebarth, der<br />
ihn dort besucht und Haftbeschwerde einreicht.<br />
Schließlich verweigert Horlu jede Nahrungsaufnahme.<br />
In der Folge magert er ab und bricht wiederholt<br />
zusammen. Nach 15 Tagen im Hunger-<br />
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häufig das »geschätzte Alter« 16 Jahre.<br />
Ohne begleitende Unterstützung werden<br />
sie dann in Unterkünfte für Flüchtlinge<br />
eingewiesen und erhalten eine soziale<br />
Versorgung deutlich unterhalb des Sozialhilfeniveaus.<br />
Eine sorgfältige Prüfung<br />
der individuellen Fluchtgründe,<br />
verbunden mit einer erforderlichen seriösen<br />
Abklärung des einzelnen Schicksals<br />
und einer Perspektivenentwicklung<br />
erfolgt in der Regel nicht.<br />
Ohne zu begreifen, was mit ihnen geschieht,<br />
erfahren die minderjährigen<br />
Flüchtlinge oft eine Ablehnung ihrer<br />
<strong>Asyl</strong>anträge. Eine qualifizierte juristische<br />
Vertretung ist häufig nicht gegeben.<br />
Nicht selten finden sich die Minderjährigen<br />
dann in Abschiebungsgefängnissen<br />
wieder. In einigen Fällen wurden<br />
Minderjährige abgeschoben, ohne dass<br />
vorher geklärt war, wo sie nach ihrer erzwungenen<br />
Rückkehr Aufnahme finden.<br />
Kinderrechte nicht für<br />
alle Kinder: Die deutsche<br />
Vorbehaltserklärung<br />
Die Bundesrepublik <strong>hat</strong> die Kinderrechtskonvention<br />
1992 unterzeichnet,<br />
aber nur unter Vorbehalt:<br />
Keine Bestimmung der Kinderrechtskonvention<br />
soll dahin ausgelegt<br />
werden können, »dass sie das Recht<br />
der Bundesrepublik Deutschland be-<br />
streik wird er aus der Haft entlassen und in einem<br />
Kinderheim untergebracht, wo er längere<br />
Zeit medizinisch behandelt werden muss und<br />
sich auch psychisch ein wenig erholt.<br />
Kurz darauf wird er aber überraschend wieder<br />
festgenommen. In Begleitung eines Mitarbeiters<br />
des Kinderheims <strong>hat</strong>te er sich bei der Ausländerbehörde<br />
gemeldet, die ihn <strong>hat</strong>te glauben lassen,<br />
seine Duldung würde verlängert. Bei der plötzlichen<br />
erneuten Inhaftierung von Horlo erleidet<br />
der Heim-Mitarbeiter einen Schock. Die Ausländerbehörde<br />
beruft sich darauf, dass die humanitären<br />
Gründe, die zur Entlassung von Horlo aus<br />
der Haft geführt hätten, inzwischen entfallen<br />
seien und Horlo nunmehr wieder reise- und haftfähig<br />
sei.Am ersten Weihnachtsfeiertag 2000 soll<br />
er abgeschoben werden – bei minus 30 Grad in<br />
ein Land, in dem es keinerlei Heime oder Auffangmöglichkeiten<br />
für Jugendliche gibt. Durch<br />
politische Intervention kann dies zunächst verhindert<br />
werden. Der Flüchtlingsrat Berlin macht<br />
die Sache öffentlich und die Fraktionsvorsitzende<br />
der Grünen im Abgeordnetenhaus stellt eine<br />
Petition. Derzeit lebt Horlo wieder im Kinderheim,<br />
aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann<br />
die Berliner Ausländerbehörde den nächsten Abschiebungsversuch<br />
unternimmt.