04.01.2013 Aufrufe

Sonne - rheinkiesel

Sonne - rheinkiesel

Sonne - rheinkiesel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

zen, ihre Stadt zu verteidigen.“<br />

Der Veranstalter war für gewöhnlich<br />

die Stadt, die lokale und benachbarte<br />

Schützen zu einem<br />

mehrtägigen Turnier einlud.<br />

Vom Papagei<br />

zum Adler<br />

Traditionell war das Schützenfest<br />

eine mehrtägige Veranstaltung, die<br />

zwischen Frühsommer und Herbst<br />

stattfand. Es startete am Samstagnachmittag,<br />

wenn der Königsvogel<br />

an der Stange befestigt wurde.<br />

Bei den ersten Schießwettbewerben<br />

zielten die Schützen übrigens<br />

auf einen Papagei, sozusagen<br />

als Mitbringesel aus dem Morgenland.<br />

Erst später setzte sich das<br />

Wappentier Adler als Ziel durch.<br />

Am Sonntagvormittag gingen die<br />

Schützen in die Kirche zur Schützenmesse.<br />

Am Nachmittag folgte<br />

meist ein Umzug, den der Sieger<br />

des Wettschießens aus dem Vorjahr<br />

anführte. Abends luden die<br />

Schützen häufig zum Ball. Erst am<br />

Montag folgte das Königsschießen,<br />

bei dem der neue König gekürt<br />

wurde. Heutzutage hingegen wird<br />

der Schützenkönig meist schon<br />

am Samstag ermittelt.<br />

Steuererlaß für<br />

den Sieger<br />

Der Schützenkönig konnte sich<br />

einst freuen: Er kam in den Genuß<br />

so mancher Freigiebigkeit:<br />

„Die Stadt Münstereifel beispielsweise<br />

befreite 1658 denjenigen,<br />

der bei den jährlichen Vogelschießen<br />

die Königswürde erlangte,<br />

von Kriegslasten, Wachen und<br />

ähnlichen Diensten“, weiß Dr.<br />

Alois Döring zu berichten. Außer-<br />

dem konnte sich der Schützenkönig<br />

über Geld-, Tuch- oder<br />

Weinspenden freuen. Außerdem<br />

wurde dem neuen Schützenkönig<br />

die Ehre zuteil, den Schützenumzug<br />

anzuführen. Je nach Region<br />

waren dem Sieger auch andere<br />

Rechte vorbehalten, etwa die Möglichkeit,<br />

zu heiraten – zumindest<br />

griff der Komponist Carl Maria<br />

von Weber dieses Motiv in seiner<br />

Oper „Der Freischütz“ auf.<br />

Neben dem Königsschießen gehörte<br />

meist auch ein Freischießen<br />

zum Wettbewerb. Als Preise waren<br />

meist Geldprämien ausgesetzt,<br />

aber auch Wertgegenstände wie<br />

Kannen, Becher, Bestecke in Gold,<br />

Silber, Kupfer oder Zinn. Die<br />

Kosten suchten die Veranstalter –<br />

genau wie vielfach auch heute<br />

noch – durch Einnahmen aus<br />

Kimme, Korn, ran: Am 14./15. August 2010 geht es um den König<br />

bei der St. Hubertus Schützengesellschaft Rhöndorf<br />

einer Tombola zu decken. Andere<br />

Schützenfeste bedachten vor allem<br />

von auswärts angereiste Teilnehmer<br />

des Wettbewerbs mit reichlich<br />

Wein: Über 20 Liter pro Person!<br />

Fröhliche Gelage<br />

Apropos Wein: So mancher<br />

Rheinländer verbindet mit dem<br />

Schützenfest vor allem den Konsum<br />

von reichlich Alkohol – so<br />

jedenfalls behaupten es manche<br />

böse Zungen. Traditionell galt das<br />

Zuprosten nicht nur unter Schützen<br />

als Garant für Freundschaft<br />

und Wohlwollen. Tatsächlich ist es<br />

Tradition, daß ein fröhliches<br />

„Gelage“ das Fest beendet – entweder<br />

als Frühschoppen am Sonntag-<br />

oder Montagmorgen, oder als<br />

Tanzabend oder Ball.<br />

Zu all diesen Feierlichkeiten trägt<br />

der Schützenkönig die Königskette.<br />

Sie ist der kostbarste Besitz<br />

Brauchtum<br />

der Bruderschaften. Einst handelte<br />

es sich dabei um eine relativ<br />

schlichte silberne Kette mit einem<br />

einzigen Anhänger. Im 16. Jahrhundert<br />

kam es in Mode, daß<br />

jeder Schützenkönig ein zusätzliches<br />

Schild gravieren und anhängen<br />

ließ. War der Verein knapp bei<br />

Kasse, konnte er die gesamte Kette<br />

oder Teile davon verkaufen, um<br />

wichtige Anschaffungen zu finanzieren.<br />

„Wenn sich die Ketten von<br />

der Gründung bis heute komplett<br />

Das ausführliche Programm<br />

zum Rhöndorfer Schützenfest<br />

finden Sie auf Seite 26 im<br />

Veranstaltungskalender.<br />

erhalten haben, als Chronik der<br />

Schützengesellschaften und ihrer<br />

Könige gelesen werden“, weiß der<br />

Bonner Volkskunde-Experte Dr.<br />

Alois Döring. Die Ketten sind also<br />

der ganze Stolz der Bruderschaften<br />

– die Königswinterer Sebastianusbruderschaft<br />

hat sogar ein Buch<br />

mit Abbildungen von ihren Ketten<br />

herausgegeben (siehe <strong>rheinkiesel</strong> 12/<br />

2009).<br />

Es bleibt abzuwarten, welcher<br />

Schütze in diesem Jahr in Rhöndorf<br />

den Vogel abschießt und sich<br />

in die Linie der Könige und<br />

Kettenträger einreiht. An Bewerbern<br />

wird es sicherlich nicht mangeln,<br />

denn die Schützenbruderschaften<br />

sind alles andere als vom<br />

Aussterben bedroht, haben Wissenschaftler<br />

vom Amt für Rheinische<br />

Landeskunde in einem Forschungsprojekt<br />

herausgefunden.<br />

Wissenschaftler hatten vor einigen<br />

Jahren vorwiegend jüngere Schützen<br />

befragt, wie sie die Traditionen<br />

und die Zukunft ihres Vereines<br />

bewerten. Danach ist das rheinische<br />

Schützenwesen ausgesprochen stabil<br />

und auch jüngere Mitglieder<br />

sind äußerst zufrieden mit ihrem<br />

Verein. „Der zentrale Schlüsselbegriff<br />

in den Interviews ist das Wort<br />

‚mitmachen’“, heißt es in dem Abschlußbericht.<br />

„Hauptmotive für<br />

das Mitmachen sind Spaß, Freizeitgestaltung<br />

und gemeinsames<br />

Feiern.“ Und einmal als Schützenkönig<br />

ganz im Mittelpunkt einer<br />

solchen Feier zu stehen, das ist der<br />

Traum vieler Schützen. •<br />

Julia Bidder<br />

August 2010 11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!