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Der Imre-Nagy-Prozeß in Ungarn und seine - EPA

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Gy. Harsay: <strong>Der</strong> <strong>Imre</strong>-<strong>Nagy</strong>-<strong>Prozeß</strong> <strong>in</strong> <strong>Ungarn</strong> 337<br />

im Zentralkomitee die Beschlüsse zur Verurteilung <strong>Nagy</strong>s <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Gefährten<br />

durch. <strong>Der</strong> Kádár-Intimus György Aczél erklärte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview,<br />

die endgültige Entscheidung über das Schicksal <strong>Nagy</strong>s <strong>und</strong> der anderen<br />

sei Ende Mai anläßlich e<strong>in</strong>er geheimen Wochenendsitzung des ungarischen<br />

Politbüros gefallen. 77 Anschließend fand am 6. Juni 1958 e<strong>in</strong>e Sitzung<br />

des Zentralkomitees statt, die sich auch mit dem <strong>Nagy</strong>-<strong>Prozeß</strong> beschäftigte.<br />

Auf dieser Geheimsitzung beschlossen die Zentralkomitee-Mitglieder endgültig,<br />

daß das Gerichtsverfahren fortgesetzt werden könne <strong>und</strong> <strong>Nagy</strong> <strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>e Gefährten verurteilt werden sollten. 78 Wie schnell Kádár diese Angelegenheit<br />

e<strong>in</strong> für allemal h<strong>in</strong>ter sich br<strong>in</strong>gen wollte, zeigte auch die Tatsache,<br />

daß der Geheimprozeß entgegen allen Gepflogenheiten auch am Wochenende<br />

fortgesetzt wurde. Offensichtlich wollte Kádár ke<strong>in</strong>en weiteren<br />

sowjetischen E<strong>in</strong>wand für e<strong>in</strong>e eventuelle Verschiebung <strong>in</strong> Kauf nehmen.<br />

Die Urteilsverkündung erfolgte am 15. Juni 1958, an e<strong>in</strong>em Sonntagnachmittag<br />

um 17 Uhr. <strong>Nagy</strong>, Maiéter, Gimes wurden zum Tode durch den<br />

Strang, Kopácsi zu lebenslänglichem Zuchthaus <strong>und</strong> die anderen Angeklagten<br />

zu längeren Freiheitsstrafen verurteilt. 79 <strong>Imre</strong> <strong>Nagy</strong> sagte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Schlußwort: »Das Todesurteil halte ich für ungerecht, <strong>und</strong> ich kann es nicht<br />

annehmen. Me<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Trost ist, daß das ungarische Volk <strong>und</strong> die <strong>in</strong>ternationale<br />

Arbeiterklasse mich von dieser schweren Anklage freisprechen<br />

werden. Ich fühle, daß e<strong>in</strong>es Tages die Zeit kommen wird <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Sache<br />

Gerechtigkeit erfährt. Ich will nicht um Gnade bitten.« 80 <strong>Der</strong> <strong>Prozeß</strong> <strong>und</strong> die<br />

Urteilsverkündung wurden gefilmt, die Aufnahmen wurden jedoch nie <strong>in</strong><br />

der Öffentlichkeit gezeigt, sondern verschwanden im Archiv des Innenm<strong>in</strong>isteriums.<br />

Erst nach der Wende 1989 wurden die Aufnahmen zugänglich<br />

<strong>und</strong> teilweise im ungarischen Fernsehen gezeigt.<br />

Die Anwälte der Verurteilten baten um Gnade, erhielten aber nur e<strong>in</strong>e<br />

halbe St<strong>und</strong>e, um das Gnadengesuch abzufassen <strong>und</strong> dem Gericht vorzulegen.<br />

Dieselbe Volksgerichtskammer, die gegen <strong>Nagy</strong> verhandelt hatte,<br />

lehnte nach e<strong>in</strong>er kurzen Sitzung die Gnadengesuche ab. Diese Eile war<br />

typisch für das ganze Verfahren. Die zum Tode Verurteilten wurden sofort<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> anderes Gefängnis verlegt <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zeln <strong>in</strong> Todeszellen gesperrt. Die<br />

Ablehnung der Gnadengesuche wurde ihnen um 23 Uhr im Gefängnis<br />

verkündet <strong>und</strong> die Vollstreckung des Urteils für den nächsten Morgen um<br />

5 Uhr angekündigt. 81 Am nächsten Tag, am 16. Juni 1958, wurden die Opfer<br />

der Kádárschen Willkürjustiz - <strong>Nagy</strong>, Maiéter <strong>und</strong> Gimes - um 5 Uhr früh<br />

aus ihren Zellen geholt <strong>und</strong> im Hof des sogenannten Sammelgefängnisses<br />

(Gyűjtőfogház) gehängt. Am gleichen Ort wurden auch die anderen, etwa<br />

300 zum Tode verurteilten Märtyrer des Aufstandes, bis 1961 h<strong>in</strong>gerichtet.<br />

77 Erényi - Sipos 29.<br />

78 Ebenda.<br />

79 Horváth 347.<br />

80 Ebenda, 350.<br />

81 Ebenda, 351-356.

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