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Dirk Mühlenstedt<br />
Der Trabi verweist auf die Richtung, in der das<br />
opulente Denkmal mit der armreckenden Figur zu<br />
suchen ist. Rot-gelbe Balken und Rahmen auf<br />
schwarzem Grund ziehen den Standort und das<br />
nationale Bewusstsein des bundesrepublikanischen<br />
Betrachters mit ins Bild. Der schwarze<br />
Maschendraht auf dem Schraubenschlüsselkopf<br />
weitet die Szene nicht nur in TV-Satirisches, sondern<br />
auch in die jüngere Geschichte. Der Bremer<br />
Maler Dirk Mühlenstedt hat die Rostocker Ansicht<br />
aus seinem Auto heraus fotografiert und in Ölfarbe<br />
gesetzt, ein Fundstück mit malerischem Gehalt<br />
und manchem symbolischen Ertrag.<br />
Doch damit ist nur die Hälfte des Bildes berücksichtigt.<br />
Der linke Flügel von Dirk Mühlenstedts<br />
»Rostock«, dessen Einheit mit dem Begriff Diptychon<br />
vermutlich unzureichend beschrieben wäre,<br />
ist weniger erzählerisch: Eine quadratische grüne<br />
Farbtafel flankiert das oben beschriebene Ensemble<br />
aus Symbolen der pathetisch überhöhten<br />
Werktätigkeit, politischen Standfestigkeit und<br />
deutlich begrenzten Mobilität. Der lebhaft strukturierte<br />
Pinselauftrag setzt sich aus Grün, Gelb und<br />
Blau zusammen; die Gitterstruktur könnte bildimmanent<br />
allein zur Belebung der Fläche dienen,<br />
aber auch die Brücke zum rechten Teil schlagen.<br />
Sind dies die politisch-historisch proklamierten<br />
blühenden Landschaften Mecklenburg-Vorpommerns<br />
aus saftigem Grün, lichtem Gelb und<br />
hoffnungsvoll raumgreifendem Küsten- und<br />
Himmelsblau?<br />
Dirk Mühlenstedts Arbeiten haben zwei Gesichter<br />
und laden zum Abschied von alten Bildvorstellungen<br />
ein. Der zeitgenössische Betrachter ist<br />
gewohnt, die Malerei, das notorisch tot gesagte<br />
Fossil der Kunst, in die Abteilungen abstrakt und<br />
gegenständlich einzuteilen. Der Bremer Maler<br />
nutzt die vermeintlichen Gegensätze als Pole und<br />
wechselseitig befruchtende Stränge für seine<br />
Arbeit. Die Abstraktion, die auf das reine Bild aus<br />
Form und Farbe strebende Reduktion von Landschaft,<br />
Figur und Gegenstand, lebt problemlos und<br />
reibungsvoll neben und mit der am Figürlichen<br />
verankerten Erzählung. »Ich erlaube mir, beide<br />
Wege zu verfolgen«, sagt Dirk Mühlenstedt,<br />
Künstler wie Gerhard Richter und Sigmar Polke<br />
stärken ihm dabei den Rücken.<br />
Vor zwei Jahren noch hat Mühlenstedt sein<br />
Motivarsenal und seine Bildvorstellungen in einem<br />
»Patchwork« aus höchst unterschiedlichen 100<br />
Teilen präsentiert: zweiteilige Farbflächen, geometrische<br />
Konstrukte, tief gestaffelte gestische<br />
Schlieren, abstrakte Landschaften und Figürliches<br />
in malerisch freien Räumen. Nun streben seine<br />
Serien dem Einzelbild oder, wenn man es so sehen<br />
will, Diptychon zu. Seine Überzeugung vom Nebeneinander<br />
und integren Miteinander der beiden<br />
malerischen Grundauffassungen zeigt sich in der<br />
aktuellen Bildsprache weiter bestärkt. In einem<br />
Bild wie »Ruine« sind die Positionen auf einer<br />
Fläche eng miteinander verwoben.<br />
Diesem Sockel einer Mühle ist der Maler auf<br />
einer Paddeltour begegnet. Bis zur Untersichtigkeit<br />
hin, die dem Torso eine mächtige Gestalt verleiht,<br />
scheint der Blick des Künstlers authentisch wiedergegeben<br />
zu sein. Der voluminöse Körper drängt bis<br />
an den Rand der Bildfläche, dennoch ist ihm das<br />
Privileg der gegenständlichen Malerei, die illu-