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Schlesischer Gottesfreund

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Die Görlitzer Ostvorstadt um 1900 Zeichnung nach einer alten Ballonaufnahme, ANN<br />

waren Landstriche und deren Einwohner unterschiedlichsten<br />

Obrigkeiten zugeordnet. Wechselnde staatliche Zugehörigkeiten<br />

begründeten aber zu keiner Zeit einen erzwungenen<br />

Wechsel des Lebensraumes - nicht in diesem<br />

Ausmaß und nicht in der Art und Weise wie er nach dem II.<br />

Weltkrieg in die Tat umgesetzt wurde. Aus der Geschichte<br />

wissen wir, daß die polnische Neubesiedlung des niederschlesischen<br />

Raumes nach der Vertreibung nur schleppend<br />

vorankam. Auch daß mancher der „Neuankömmlinge“ bis<br />

1990 „irgendwie immer auf gepackten Koffern“ saß, ist<br />

hinlänglich durch Äußerungen Betroffener belegt. Da half<br />

es wenig, daß in Polen propagiert wurde, die Einverleibung<br />

Schlesiens stelle lediglich eine geographische Korrektur<br />

dar, die sich auf ältesten polnischen Anrechten begründe.<br />

Weniger noch konnte die ins gleiche Horn stoßende DDR-<br />

Geschichtsbetrachtung ausrichten. Im Empfinden beider<br />

auf diese Weise zu unfreiwilligen Nachbarn gewordenen<br />

Völker blieb das dumpfe Gefühl, daß eben nicht alles mit<br />

rechten Dingen zugegangen sei. Der von der deutschen Politik<br />

gern und viel zitierte Satz, die deutsche Ostgrenze sei<br />

ein Ergebnis des von Deutschland angezettelten Weltkrieges,<br />

ist wenig hilfreich, wenn es darum geht, zur Normalität<br />

im Umgang miteinander zu gelangen.<br />

Unbestritten ist das Leid und die Not, die Deutsche über<br />

ihre Nachbarvölker gebracht haben, unbestritten auch, daß<br />

Sühne hierfür sich nicht in Kriegsverbrecherprozessen und<br />

Zahlungen von Wiedergutmachungen erschöpfen kann.<br />

Dabei sollte aber nicht ausgeblendet werden, daß die Nachkriegsordnung<br />

unter massiver Beugung des Völkerrechts<br />

zustandekam. Erfahrenes Unrecht wurde zur Legitimation<br />

dem Besiegten Unrecht zuzufügen. Deutschland in<br />

Einflußsphären zu teilen und in diesem Zusammenhang<br />

geographisch und politisch überschaubar zu gestalten, mag<br />

ein Kalkül der Siegermächte gewesen sein. Daß aber die<br />

Umsetzung dieser Neuordnung wenig mit Recht und viel<br />

mit Rache zu tun hatte, erschwert bis in die Gegenwart die<br />

Annäherung beider Völker.<br />

Unrecht kann nicht durch Unrecht gesühnt werden. Als<br />

1965 die polnischen katholischen Bischöfe in einem<br />

Briefwechsel mit ihren deutschen Amtsbrüdern formulierten:<br />

„Wir vergeben und bitten um Vergebung“, schien ein<br />

guter Anfang gemacht zu sein, der Anfang einer<br />

Entwicklung, die bis heute ihrer Fortführung harrt. (Siehe<br />

Beitrag S.42)<br />

Sicherlich hat das bisher Gesagte nicht den Anspruch,<br />

deutsch-polnischen Beziehungen und Bezüglichkeiten auf<br />

den letzten Grund zu gehen. Vielmehr geht es darum<br />

Gedankenanstöße zu geben, Fragen zu stellen und Wege zu<br />

wirklich efektivem Dialog zu erkunden.<br />

Über diesen Artikel ist eine Abbildung gesetzt, die die<br />

Bebauung des östlichen Görlitzer Neißeufers vor 100<br />

Jahren darstellt. Davon ist heute kaum noch etwas vorhanden.<br />

Die Häuser sind nicht dem Krieg zum Opfer gefallen.<br />

Nach der Teilung der Stadt verfielen sie zusehends und<br />

wurden schließlich in den 50er und 60er Jahren abgetragen.<br />

Die zweite Zeichnung zeigt die moderne Altstadtbrücke,<br />

die die beiden so ungleich gewordenen Teile der Stadt miteinander<br />

verbindet. Am Ende steht ein Foto vom Wiederaufbau<br />

des Töpferbergs am polnischen Ufer der Neiße, in<br />

unmittelbarer Nähe der Altstadtbrücke. Die Abbildungen<br />

sind mit Bedacht gewählt. Sie verweisen auf das Auf und<br />

Ab eines einst blühenden Stadtteils, der erst jetzt und sehr<br />

mühevoll langsam zu sich selbst findet. Das schwang auch<br />

in den eingangs zitierten Worten des Architekten mit und in<br />

dem, was er zur Erklärung hinzufügte: „Nirgendwo wird<br />

die Unnatürlichkeit dieser Grenze sichtbarer und spürbarer<br />

als genau hier. Das mag einerseits damit zusammenhängen,<br />

daß Görlitz die größte geteilte Stadt im Grenzverlauf ist,

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