Abi92PDS-Yearbook

Er hatte das Glück, mich ab der 12
m Biologie und Chemie zu
unterrichten. Ich hatte das
Vergnügen, meine Mittwochmorgende
mit Natriumhydroxid,
Benzolringen und Lokalelementen
zu verbringen. Endlich weiß ich,
wie ein Ibis aussieht und meine
Ganglien, Neurone und motorische
Endplatten funktionieren. Er hat
eine sehr innige Beziehung zu
Overhead-, Film- und Diaprojektoren
und ist unverkennbar
bayerischer Abstammung. Sein
Name ist: Josef "Sepp" Braun!
Ich kann nicht gerade sagen, daß
mich Chemie vom Hocker gerissen
hat, aber ihn bei V erschuchsaufbauten
zu beobachten, ist eine
wahre Wonne. Sein Gesichtsausdruck
entspricht dabei dem eines
großen, kleinen Jungen beim
Sandburgenbau am Nordseestrand,
und seine Tafelbilder sind auch
nicht ohne künstlerischen Wert.
Kaum ein Jahr aus der Provinz
entflohen, entpuppte er sich an
unserer Elite-Schule als SV­
Arbeiter. Viele werden sich auch
später noch an seine kulturellen
E\nlagen auf Klassenfahrten oder
Schulfesten erinnern, aber wenn
man aus Bayern kommt, wird einem
auch so etwas verziehen. Im großen
und ganzen ist er bei der
Schülerschaft beliebt und verbucht
das so schätze ich ihn ein, nicht
'
ohne Stolz auf sein Konto.
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Trotzdem, ich hatte anfangs ein
paar Schwierigkeiten mit seiner
Art. Seine zynischen Kommentare
und das dazugehörige Lachen über
die Unkenntnis weltbewegender
Dinge, (Was ist ein Ibis?),
schütteten oftmals jede Menge
StreBhormone bei mir aus! Es ist
mir bis jetzt auch noch selten
geglückt, ein Gespräch mit ihm zu
führen, das die Dauer von drei
Minuten wesentlich überschritten
hätte.
Für dieses gibt es mehrere
Erklärungen:
1. Es gibt außerschulisch kaum
Gesprächsstoff zwischen Schüler
und Lehrer
2. Ohne fundiertes Basiswissen über
die Ereignisse dieser Welt, die
letzten zehn Jahre eingeschlossen,
braucht man es gar nicht zu
versuchen. Er hat die Gabe, dich
mit Worten und seinem kritischen
Weltbild zu überrollen. Ich war
einfach nicht hart genug!