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Was ist aus unseren ehemaligen Schülern geworden? Diese Frage bewegt uns immer wieder. Wir<br />
hörten, dass zurzeit m<strong>in</strong>destens zehn von ihnen <strong>in</strong> Lima s<strong>in</strong>d und mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen.<br />
So konnten wir uns kurz vor unserer Rückreise mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Gruppe <strong>in</strong> Hugos Haus treffen.<br />
Auf eigenen Füßen<br />
Unsere wenigen Tage <strong>in</strong> Lima s<strong>in</strong>d wie immer<br />
gefüllt mit Besuchen, Verabredungen und<br />
E<strong>in</strong>käufen von Mitbr<strong>in</strong>gseln. Hugo als treuer<br />
Begleiter schleust uns an diesem Sonntag geschickt<br />
durch den chaotischen Verkehr. Leicht<br />
verspätet erreichen wir se<strong>in</strong> Haus. Da stehen sie<br />
schon: Henry, Ronel, Heber, Edward, Marco und<br />
Tonny, sechs unserer ehemaligen Schüler. Leicht<br />
verlegen gr<strong>in</strong>send fallen sie uns nache<strong>in</strong>ander<br />
um den Hals. Die Freude über das Wiedersehen<br />
ist riesengroß. Auch dem ‚Profe’ wird freundschaftlich<br />
der Arm um die Schulter gelegt. Dann<br />
beg<strong>in</strong>nt das Erzählen.<br />
Tonny ist der Star. Er trägt wegen der anschließenden<br />
Hochzeit se<strong>in</strong>er Schwester Anzug und<br />
Krawatte und strahlt übers ganze Gesicht. Er ist<br />
der E<strong>in</strong>zige, der es geschafft hat, an e<strong>in</strong>em renommierten<br />
Staatlichem Institut für Metallberufe<br />
aufgenommen zu werden. Se<strong>in</strong>e Ausbildung<br />
hat er so gut wie abgeschlossen und bereits den<br />
größten Teil der Abschlussprüfungen mit gutem<br />
Erfolg bestanden. Das waren drei harte Jahre,<br />
tagsüber Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Werkstatt, um se<strong>in</strong>en<br />
Unterhalt zu verdienen, und abends Studium. Er<br />
musste sich sehr anstrengen und betont, dass er<br />
es ohne die Hilfe se<strong>in</strong>er deutschen Paten nicht<br />
geschafft hätte. Wir haben vor, ihm <strong>in</strong> PROSOYA<br />
Verantwortung zu übertragen.<br />
Auch Marco wollte studieren. Er hatte sich an<br />
der Universität von Oxapampa e<strong>in</strong>geschrieben.<br />
Aber das Jahr 2008 war das Jahr der Streiks.<br />
Die Professoren wollten mehr verdienen. Sie<br />
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streikten, und so fand der Unterricht e<strong>in</strong>fach<br />
nicht statt. Als die Monate verg<strong>in</strong>gen und die<br />
Aussicht auf e<strong>in</strong>en regulären Studienbetrieb<br />
schwand, machte sich Marco auf nach Lima und<br />
fand dort Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Masch<strong>in</strong>enfabrik.<br />
In Lima traf er auf die Brüder Ronel und Heber<br />
und zog mit ihnen zusammen. Die Beiden<br />
hatten schon an verschieden Orten versucht,<br />
sich irgendwie durchzuschlagen. Heber hatte<br />
bei e<strong>in</strong>em Viehzüchter <strong>in</strong> Pozuzo gearbeitet,<br />
und Ronel hatte es mit Gelegenheitsjobs <strong>in</strong><br />
Oxapampa versucht. Aber das war alles nichts,<br />
sie hatten so gut wie ke<strong>in</strong>en Verdienst. Die<br />
Verzweifl ung muss zwischenzeitlich recht groß<br />
gewesen se<strong>in</strong>, denn sie ließen sich von ihrem<br />
Vater zum Goldwaschen überreden. Schnell<br />
erkannten sie, dass auch das nicht der richtige<br />
Weg war. So blieb ihnen nur noch Lima. Dort<br />
arbeitet Heber nun im Lager e<strong>in</strong>es Verlages und<br />
verkauft auch Bücher auf der Straße. Ronel fand<br />
e<strong>in</strong>e Anstellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Keksfabrik, wo er zum<br />
Fahrer ausgebildet wird.<br />
Auch Henry, der <strong>in</strong> PROSOYA e<strong>in</strong> geschickter<br />
Tischler wurde, arbeitet heute im Metallbereich.<br />
Diese Jungs s<strong>in</strong>d so vielseitig ausgebildet und<br />
berichten stolz, dass ihre Arbeitgeber staunen<br />
und von ihren Fähigkeiten bee<strong>in</strong>druckt s<strong>in</strong>d.<br />
"Das haben wir PROSOYA zu verdanken!"<br />
Edward, der sich als Vierter der Wohngeme<strong>in</strong>schaft<br />
anschloss, arbeitet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>eren<br />
Betrieb, der Honig vermarktet. Auch er kann das<br />
anwenden, was er <strong>in</strong> PROSOYA <strong>in</strong> der Imkerei<br />
gelernt hat.<br />
Alle Jungs träumen von Oxapampa, von<br />
PROSOYA, von ihrer Heimat, von der schönen<br />
Landschaft und von e<strong>in</strong>er Rückkehr dorth<strong>in</strong>. Sie<br />
s<strong>in</strong>d sich e<strong>in</strong>ig: Lima ist der Ort, wo sie jetzt e<strong>in</strong><br />
wenig Geld verdienen und etwas zurücklegen<br />
können. Aber ihre Zukunft sehen sie dort im<br />
Bergurwald auf eigenem Land mit e<strong>in</strong> paar<br />
R<strong>in</strong>dern, Bienenstöcken oder e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<br />
Werkstatt. Dafür s<strong>in</strong>d sie bereit, Entbehrungen<br />
<strong>in</strong> Kauf zu nehmen und eisern zu sparen. Die<br />
Hoffnung trägt sie!<br />
Krista Schlegel