Medizin - Berliner Ärzteblatt
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Versorgungsarmut und die Erlebung<br />
von Gewalt sei nicht zu<br />
vernachlässigen und zu behandeln.<br />
Ebenso schlägt Wille ein<br />
„Kompetenzzentrum für Qualitätssicherung<br />
in der Prävention“<br />
vor. So könne sichergestellt wer-<br />
den, dass die Programme (Er-<br />
Bild: istockphoto/webphotographeer<br />
tion der Versorgung übernehmen<br />
nährung, Bewegung und Stressbewältigung)<br />
da ankommen, wo<br />
sie benötigt werden.<br />
Ältere und alte Menschen<br />
Ein Drittel der Männer und sogar<br />
40 Prozent der Frauen älter<br />
als 65 Jahre bekommen neun!<br />
oder mehr Wirkstoffe in Dauertherapie.<br />
Nebenwirkungen sind<br />
dabei ein großes Problem. Nach<br />
einer Studie der nationalen<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Ärzteblatt</strong> (Rotes Blatt) 12/2009/122/ 9<br />
Pharmakovigilanzzentren entfie-<br />
len 10,2 Prozent der stationären<br />
Aufnahmen wegen unerwünschter<br />
Arzneimittelwirkungen auf<br />
Digitalisglykosid assoziierte Störwirkungen.<br />
Betroffen waren insbesondere<br />
ältere Frauen. Bei<br />
älteren Menschen mit Demenz<br />
ist insbesondere die Verordnung<br />
von Neuroleptika kritisch zu beurteilen,<br />
da die Anwendung mit<br />
einer höheren Sterblichkeit einhergeht.<br />
Der Rat schlägt deswegen<br />
vor, dass Listen mit problematischen<br />
Mitteln erstellt werden<br />
sollten. Zwei Drittel der<br />
über 65-Jährigen leiden mindes-<br />
tens an zwei chronischen Krank-<br />
heiten. „Trotz der steigenden<br />
Bedeutung der Mehrfacherkrankungen<br />
… gibt es nur sehr wenige<br />
Leitlinien, die sich auf äl-<br />
tere Patienten mit mehreren<br />
chronischen Erkrankungen bezie-<br />
hen“, kritisieren die Autoren.<br />
Die Zahl der Pflegebedürftigen<br />
nehme von 2,1 Millionen bis<br />
rund 4,4 Millionen im Jahr 2050<br />
zu. Eine optimale Versorgung<br />
werde laut Gutachten durch<br />
Koordinationsmängel behindert.<br />
Ziel sei es, so Wille, „den<br />
Zeitpunkt chronischer Krankheiten<br />
so wie der Pflegebedürf-<br />
tigkeit hinauszuschieben.“ Dann<br />
könnte die Zahl der Pflegebedürftigen<br />
im Jahr 2050 nicht bei<br />
4,4 Millionen liegen, sondern nur<br />
bei ,5 Millionen. Derzeit sind<br />
2,1 Millionen Bundesbürger pflegebedürftig.<br />
Die hausärztliche Versorgung<br />
Die Nachhaltigkeit der hausärztlichen<br />
Versorgung erscheint<br />
infolge drohenden Nachwuchsmangels<br />
und aufgrund der demographischen<br />
Entwicklung mit<br />
einer Veränderung der Krankheitsspektren<br />
als nicht gesichert.<br />
Deshalb fordern die Experten zusätzliche<br />
Anreize. Beispielsweise<br />
könnten die Honorare des Hausarztes<br />
im Vergleich zu anderen<br />
<strong>Medizin</strong>ern erhöht werden.<br />
„Aus der Sicht der Wissenschaft<br />
weist der Hausarzt-Vertrag der<br />
AOK Baden-Württemberg in die<br />
Zukunft“, schreibt die „Ärzte<br />
Zeitung“. Dies macht Prof.Ger-<br />
lach deutlich: Er bezeichnet ei-<br />
ne sektorübergreifende Koordi-<br />
nation der Versorgung durch<br />
Hausärzte als das „Gebot der<br />
Stunde“. „Die Erfolgsbedingungen<br />
für eine effiziente sektorübergreifende<br />
Versorgung erscheinen<br />
vom Anreizsystem her<br />
am ehesten gegeben, wenn<br />
die beteiligten Leistungserbrin-<br />
ger nicht isoliert auf eigene<br />
Rechnung, sondern für ein<br />
gemeinsames Budget arbeiten<br />
und hierfür eine (sektorübergreifende)<br />
Pauschale erhalten.<br />
Die Integration der Versorgungsprozesse<br />
nimmt noch zu, wenn<br />
eine Versorgungseinheit ein umfassendes<br />
Angebot an präventi-<br />
ven und therapeutischen Leistungen<br />
in einer Region anzubieten<br />
vermag,“ so das Gutachten.<br />
Alle internationalen Modellkonzepte<br />
gehen von einem Grö-<br />
ßenwachstum zukünftiger Hausarztpraxen<br />
aus, weil die traditio-<br />
nelle Einzelpraxis als nicht ausreichend<br />
gerüstet für die Her-<br />
ausforderungen der Versorgung<br />
chronisch Kranker erscheint. Die<br />
Größenvorstellungen reichen da-<br />
bei von der typischen Gemeinschaftspraxis,<br />
wie sie in vielen<br />
europäischen Ländern schon die<br />
Regel darstellt, mit etwa zwei<br />
bis vier Hausärzten, bis hin zu<br />
größeren Zusammenschlüssen auf<br />
der Grundlage von ungefähr fünf<br />
bis zehn Hausärzten, die dann<br />
gemeinsam für ungefähr 10 000<br />
bis 20 000 Bürger zuständig sind.<br />
Das Gutachten ist in Kurz- und<br />
Langfassung unter www.svr-<br />
gesundheit.de abrufbar. A. W.<br />
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Politik