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EILDIENST 9/2011 Aus dem Inhalt - Landkreistag NRW

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Auf ein Wort<br />

Tariftreue- und Vergabegesetz<br />

<strong>NRW</strong>: Was das Vergaberecht<br />

leisten kann und was nicht<br />

Mit <strong>dem</strong> von der Landesregierung in den Landtag eingebrachten Gesetzentwurf für ein<br />

Tariftreue- und Vergabegesetz (TVgG) sollen öffentliche Auftraggeber in Nordrhein-Westfalen<br />

– einschließlich der Kommunen – dazu verpflichtet werden, Aufträge nur noch an<br />

solche Unternehmen zu vergeben, die bestimmte tarifvertragliche Entgelte zahlen oder bei<br />

der <strong>Aus</strong>führung der Leistung ein Mindeststundenentgelt von 8,62 Euro zahlen. Zusätzlich<br />

sollen öffentliche Stellen vor einer Vergabe umfangreiche Umweltspezifikationen prüfen, in<br />

die Vergabeunterlagen aufnehmen und bei der Vergabeentscheidung berücksichtigen.<br />

Vergleichbares gilt für internationale Sozialstandards wie die sog. ILO-Kernarbeitsnorm<br />

(International Labour Organisation), außer<strong>dem</strong> sollen Aspekte der Vereinbarkeit von<br />

Familie und Beruf als Kriterien bei der Auftragsvergabe einbezogen werden. Hinzu kommen<br />

Überprüfungs- und Kontrollpflichten in einer Eingriffstiefe, die bislang eher aus <strong>dem</strong><br />

Bereich der Steuerfahndung bekannt war.<br />

Klar ist: Gerechte Löhne und der Schutz vor Lohndumping sind wichtige sozial- und wirtschaftspolitische Zielsetzungen, genauso<br />

wie der Schutz unserer Umwelt, die Frauenförderung oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ganz nüchtern betrachtet liegt es<br />

sogar im ureigenen kommunalen Interesse, dass menschenwürdige und auskömmliche Löhne gezahlt werden, weil es in letzter<br />

Konsequenz die Kommunen sind, die etwaige Fehlbeträge über Transferleistungen ausgleichen müssen.<br />

Dennoch muss die Frage gestellt werden, ob das öffentliche Vergaberecht das richtige Instrument ist, um grundlegende sozial- und<br />

umweltpolitische – und damit gesamtgesellschaftliche – Problemstellungen zu lösen. Rechtfertigen diese wichtigen Zielsetzungen<br />

wirklich die Verabschiedung eines 22 Paragrafen umfassenden Gesetzeswerks mit äußerst komplexen, teilweise nur schwer miteinander<br />

in Einklang zu bringenden Regelungen, die in ihrer Gesamtheit einen erheblichen Administrativ- und Kostenaufwand auslösen?<br />

Eine Frage, die sich umso mehr stellt, als der vorliegende Gesetzentwurf keine generellen Mindest- bzw. Schwellenwerte vorsieht und<br />

somit bei jeder noch so kleinen Vergabe vorab ein erheblicher Prüf- und Implementierungsaufwand sowie bei der <strong>Aus</strong>führung der<br />

entsprechenden Aufträge ein erheblicher Kontrollaufwand entstehen würde, der im Lichte des jeweiligen Vergabewertes außer<br />

Verhältnis stünde.<br />

Und dürfen die gleichen Kommunen, die angesichts ihrer desolaten Finanzlage heute ihre eigentlichen Kernaufgaben kaum noch<br />

erledigen können, seitens des Gesetzgebers zum Vorbild für die Lösung gesamtgesellschaftlicher Probleme im Sozial- und Umweltbereich<br />

erhoben werden? Tatsächlich ist es angesichts der kommunalen Haushaltskrise nicht nachvollziehbar, dass die Landesregierung<br />

den Kommunen mit <strong>dem</strong> Entwurf ihres Tariftreue- und Vergabegesetzes eine weitgehende Vorbildfunktion zuweisen will,<br />

während private Unternehmen in zum Teil deutlich besserer wirtschaftlicher Lage weder einem Mindestlohn noch vergleichbaren<br />

Anforderungen im Bereich der Umwelt- und Sozialstandards unterliegen.<br />

Verschärfend tritt hinzu, dass auch kommunale Unternehmen auf die Beachtung des Tariftreue- und Vergabegesetzes verpflichtet<br />

werden sollen. Für vergleichbare Unternehmen des privaten Sektors und kommunale Unternehmen in anderen Bundesländern gilt<br />

dies jedoch nicht. Die damit verbundene Wettbewerbsverzerrung zulasten der kommunalen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen<br />

ist nicht akzeptabel.<br />

Immerhin erkennt die Landesregierung im Grundsatz die Konnexitätsrelevanz des durch das Tariftreue- und Vergabegesetz verursachten<br />

Mehraufwandes an, in<strong>dem</strong> sie das Wirtschaftsministerium ermächtigt, per Rechtsverordnung eine Regelung zum Kostenausgleich<br />

zu treffen. Jedoch bleiben Zweifel, ob eine solche Verordnung wirklich einen <strong>Aus</strong>gleich sämtlicher Kosten vorsehen wird.<br />

Um nicht missverstanden zu werden: Von den Kommunen und ihren Unternehmen darf erwartet werden, dass sie bei Vergaben<br />

schon im eigenen Interesse bestimmte sozial- und umweltpolitische Aspekte berücksichtigen. Ihnen kann aber nicht einseitig die Rolle<br />

des Akteurs gegen aktuelle Missstände im Bereich der Arbeitsbedingungen, der Sozialstandards und der Umweltkriterien auferlegt<br />

werden. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber sollte den Kommunen die Freiheit belassen, im Lichte ihrer unterschiedlichen<br />

Größenordnungen und Leistungskraft bei Vergaben mit Blick auf die wesentlichen Problemfelder im Bereich der Arbeitsbedingungen,<br />

der Sozialstandards und der Umweltaspekte eigenverantwortlich über deren Berücksichtigung zu entscheiden.<br />

Dr. Martin Klein<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

des <strong>Landkreistag</strong>es Nordrhein-Westfalen<br />

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