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New Title - Goldman Sachs

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18 MARKTREPORT<br />

SHARON BELL: NIEDRIGE ANLEIHERENDITEN<br />

Die grosse Zinsdiskussion<br />

Sharon Bell<br />

Global Investment Research Division<br />

London<br />

Weltweit sind die Anleiherenditen und Geldmarktzinsen seit fast<br />

zwanzig Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Unter fundamentalwirtschaftlichen<br />

Gesichtspunkten lassen sich sicher sehr viele<br />

Belege dafür finden, dass die Anleiherenditen inzwischen zu niedrig<br />

sind, selbst wenn ihr leichter Anstieg in der letzten Zeit berücksichtigt<br />

wird.<br />

Unser internes Modell, das den angemessenen<br />

Wert von Anleihen auf der Basis verschiedener<br />

ökonomischer Variablen wie<br />

Produktionslücken und Defizite ermittelt,<br />

funktioniert seit 2002/2003 nicht mehr.<br />

Denn dem Modell zufolge hätten die Zinsen<br />

steigen sollen, während sie tatsächlich<br />

gefallen sind. Gegenwärtig impliziert unser<br />

Modell, dass die Anleiherenditen in den<br />

G7-Staaten – insbesondere in den USA und<br />

in Japan – um zirka zwei Standardabweichungen<br />

unter ihrem angemessenen Wert<br />

liegen. Damit sind sie fast genauso stark<br />

überbewertet, wie es Aktien auf der Basis<br />

fundamentalwirtschaftlicher Modelle zum<br />

angemessenen Wert Ende der Neunzigerjahre<br />

waren.<br />

Bisher wurden im Wesentlichen drei<br />

Erklärungsmöglichkeiten für die sinkenden<br />

realen Renditen vorgebracht – mit jeweils<br />

sehr unterschiedlichen Implikationen für die<br />

weitere Entwicklung der Renditen: (1)<br />

technische Faktoren, (2) strukturelle Argumente<br />

in Zusammenhang mit dem „neuen<br />

Paradigma“ und (3) konjunkturelle<br />

Faktoren.<br />

1. Technische Faktoren<br />

Die technischen Faktoren kann man in<br />

mehrere Kategorien einteilen. Hier die<br />

wichtigsten: erstens sind die Geldmarkt-<br />

zinsen ungewöhnlich niedrig, was auch den<br />

Kapitalmarktzinsen nach oben Grenzen<br />

setzt, und zweitens verfügen die Unternehmen<br />

über solide Bilanzen, was das Angebot<br />

an Anleihen reduziert. Beide Faktoren<br />

könnten leicht in die andere Richtung ausschlagen:<br />

Die US-Notenbank hat bereits<br />

klargestellt, dass die Zinsen in den USA im<br />

weiteren Verlauf dieses Jahres steigen<br />

werden; und wie an der Zunahme des<br />

M&A-Geschäfts zu erkennen ist, suchen die<br />

Unternehmen nach Anlagemöglichkeiten<br />

für ihre hohen Barmittel.<br />

2. Strukturelle Argumente<br />

Manche Beobachter behaupten, dass die<br />

„strukturellen“ Ersparnisse in den Ländern<br />

Asiens (mit Ausnahme Japans), die sich in<br />

den Leistungsbilanzüberschüssen dieser<br />

Länder widerspiegeln, zu den niedrigen Anleiherenditen<br />

in den grossen Wirtschaftsnationen<br />

beigetragen haben. Wegen der in den<br />

Ländern Asiens sehr viel attraktiveren<br />

Wachstumsraten und Renditen gehen wir<br />

aber davon aus, dass dies nicht von Dauer<br />

sein kann.<br />

Ein weiteres strukturelles Argument<br />

ist, dass sich die Notenbanken im Kampf<br />

gegen die Inflation mehr Glaubwürdigkeit<br />

erworben haben. Wir widersprechen dem<br />

nicht, denn es gibt Belege dafür, dass die<br />

Inflation in den letzten Jahren niedrig und<br />

stabil war. Aber die Preisstabilität dürfte<br />

durch die hohen Rohstoffpreise und die<br />

steigenden Lohnstückkosten gefährdet<br />

werden.<br />

3. Konjunkturelle Faktoren<br />

Wieder andere Beobachter vertreten die<br />

Auffassung, dass die niedrigen Anleiherenditen<br />

konjunkturell bedingt und eine unmittelbare<br />

Folge der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

nach dem Platzen der<br />

Internetblase sind: Zunehmende globale Ungleichgewichte<br />

machen die Weltwirtschaft<br />

anfälliger für Schocks, und eine „Normalisierung“<br />

der Geldmarktzinsen durch die<br />

Notenbanken wird einen Konjunkturabschwung<br />

auslösen. Aber auch diese Argumentation<br />

wird durch einige wichtige<br />

Unterschiede zwischen der damaligen Situation<br />

nach dem Platzen früherer Preisblasen<br />

und der jetzigen Situation teilweise<br />

entkräftet: das Fehlen eines grösseren Preisschocks<br />

und die rasche Trendwende in<br />

Bezug auf die Bilanzen des Unternehmenssektors.<br />

Unserer Meinung nach liefert keines<br />

der obigen Argumente eine befriedigende<br />

Erklärung für das niedrige derzeitige Renditeniveau.<br />

Wir gehen davon aus, dass die<br />

Anleiherenditen weiter steigen werden.

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