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“stadtfloh” mal anders - BICK Magazin. Mensch, Berlin

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DER MEISTER ALTER LAMPEN<br />

JEAN-FRANCOIS KEMPENICH<br />

Ich habe eine Lieblingslampe. Sie ist<br />

schon sehr alt und steht auf meinem<br />

Schreibtisch. Wenn ich ihren elegant geschwungenen<br />

Messingfuß und den<br />

cremefarbenen Glasschirm betrachte,<br />

reisen meine Gedanken oft in die in die<br />

Vergangenheit... Doch nun ist ein Malheur<br />

passiert: Ich habe die Lampe aus<br />

Versehen angestoßen und das Glas ist<br />

gesprungen. Mein Arbeitsplatz bleibt<br />

jetzt dunkel. Aus der Traum. Wer kann<br />

helfen? Ich erinnere mich, in Prenzlauer<br />

Berg einen Laden mit alten Lampen gesehen<br />

zu haben... “La Lampisterie”.<br />

Ich mache mich also auf den Weg und bringe<br />

mein Schmuckstück zu Jean-François Kempenich,<br />

dem Inhaber. In seinem Laden stehen, hängen<br />

und liegen überall Lampen herum. Lampen,<br />

die es sonst so nicht zu kaufen gibt. Wunderschöne<br />

Stücke aus Glas und Metall, aus Stoff<br />

oder Plastik. Monsieur Kempenich findet die meisten<br />

davon auf Trödelmärkten in <strong>Berlin</strong>, Frankreich<br />

oder Spanien. Er kauft und repariert sie.<br />

Damit hat der Franzose aus dem Elsass seine<br />

Leidenschaft zum Beruf gemacht: "Ich mag es<br />

gern, schöne Dinge zu entdecken und sie<br />

wieder gebrauchsfähig zu machen. Früher<br />

hat man mehr auf Qualität und Ästhetik geachtet.<br />

Das merkt man den Produkten heute<br />

noch an." Seit über 20 Jahren sammelt er<br />

schöne Dinge. Mit den Lampen begann es 2001.<br />

Er hatte <strong>mal</strong> aus Spaß ein paar davon repariert<br />

und plötzlich fragten ein paar Bekannte, ob sie<br />

welche kaufen könnten. "Ein Freund hat mich<br />

dann auf die Idee zum Laden gebracht. Er hat<br />

selbst ein Geschäft mit Art-Deco-Lampen. Wir<br />

ergänzen uns und es macht Spaß, gemeinsam<br />

alte Schmuckstücke zu entdecken." 2005 öffnete<br />

die "Lampisterie" in der Greifswalder Strasse<br />

195. Hier finden sich neben den Lampen auch<br />

Aschenbecher, Gläser sowie verschiedene Gebrauchsgegenstände<br />

aus vergangenen Jahrzehnten.<br />

Der Diplom-Werbefachmann erklärt:<br />

“Ich möchte das Beste aus jeder Lampe heraus-<br />

bick 06<br />

holen. Sie soll ästhetisch ansprechend, technisch<br />

sicher und gut zu gebrauchen sein." In seinem<br />

Laden gibt es für jeden Geschmack etwas.<br />

Monsieur Kempenich hat festgestellt, dass<br />

Frauen gern kleine verspielte Lampen kaufen<br />

und Männer eher massive aus Chrom. Für Reparaturen<br />

verwendet er am liebsten Stoffkabel<br />

und verchromte Einsätze, die er im Großhandel<br />

einkauft oder von anderen alten Lampen adaptiert.<br />

Jetzt betrachtet er gelassen den Schaden<br />

an meiner Lieblingslampe. Liebevoll streicht<br />

Kempenich über das Glas und erklärt mit leichtem,<br />

französischem Akzent: "Das ist ein sehr<br />

gutes und stabiles Glas mit drei Schichten. Ich<br />

werde versuchen, Ihnen so etwas zu besorgen."<br />

Und tatsächlich: Kurze Zeit später sieht die<br />

Lampe wieder wie früher aus. Besser sogar!<br />

Das Glas hat eine warme, gelbliche Farbe. Monsieur<br />

Kempenich holt eine matte Glühbirne.<br />

"Damit schimmert sie noch schöner." Die Übersetzung<br />

von "La Lampisterie" lautet übrigens<br />

nicht einfach Lampenladen: Vielmehr nennt man<br />

in Frankreich so die Aufbewahrungsstelle für die<br />

Kopflampen der Grubenarbeiter. Monsieur Kempenich<br />

lächelt: "Der Lampiste hat heute keinen<br />

guten Ruf. Das ist ein Faulenzer.” Warum heißt<br />

der Laden dann so? Ist Kempenich etwa auch<br />

ein...? Der Monsieur grinst und winkt ab: "Dieser<br />

Name ist ein Spass! In Frankreich lacht jeder<br />

darüber. In Deutschland versteht man wenigstens,<br />

dass es um Lampen geht." Der Mann aus<br />

dem Elsass ist kurz nach der Wende hergekommen.<br />

Die besondere Umbruchsituation, das Unfertige<br />

haben ihn angezogen. "Die Stadt ist offen,<br />

die Leute nicht so statusorientiert. Es gibt viel<br />

Grün, nette <strong>Mensch</strong>en und man kann mit wenig<br />

Geld ganz gut leben."<br />

Jean-François Kempenich steht dazu,<br />

dass er ein bißchen altmodisch ist. Es gibt<br />

keine Homepage und die Visitenkarte ist ein<br />

Stempel auf einem Zettelchen. "Das kommt<br />

alles noch, aber langsam." Die Adresse von<br />

“La Lampisterie”: Greifswalder Str. 195.<br />

(Bild: J. Nord, Text: Nadja Bungard)

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