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Die betriebsverfassungsrechtliche Stellung von Leiharbeitnehmern ...

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Brose: <strong>Die</strong> <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong> <strong>Stellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leiharbeitnehmern</strong> nach<br />

den Änderungen des AÜG<br />

NZA 2005 Heft 14 797<br />

<strong>Die</strong> <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong> <strong>Stellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leiharbeitnehmern</strong> nach den Änderungen des<br />

AÜG<br />

Von wiss. Mitarbeiterin am Forschungsinstitut für Deutsches und Europäisches Sozialrecht Wiebke Brose,<br />

Maître en droit (Paris I), Köln<br />

Dem <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong>n Zählwert der Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb schien mit den<br />

neuen Entscheidungen des BAG vom 16. 4. 2003 und 22. 10. 2003 (BAG [16. 4. 2003], NZA 2003, 1345 =<br />

AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 7; BAG [22. 10. 2003], NZA 2004, 1052 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 28) nach<br />

dem Betriebsverfassungsreformgesetz BetrVerf-ReformG <strong>von</strong> 2001 (BGBl I, 1852) zumindest seitens der<br />

Rechtsprechung endgültig eine Absage erteilt worden zu sein. <strong>Die</strong> Änderungen des AÜG (eingeführt<br />

durch das „Erste Gesetz für moderne <strong>Die</strong>nstleistungen am Arbeitsmarkt“, [BGBl I, 4607 [4617ff.]), die<br />

zum 1. 1. 2004 in Kraft getreten sind, machen jedoch eine Neubeurteilung der Frage erforderlich. Ob sie<br />

auch zu einem „Neuergebnis“ führen, wird im folgenden Beitrag untersucht.<br />

I. <strong>Die</strong> Problemstellung<br />

<strong>Die</strong> zentrale Frage der <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong>n <strong>Stellung</strong> des Leiharbeitnehmers im Entleiherbetrieb<br />

bezieht sich auf seine Betriebszugehörigkeit zum Entleiherbetrieb und die da<strong>von</strong> abhängige Folgefrage seiner<br />

Berücksichtigung im Rahmen der Schwellenwerte der Betriebsverfassung. Denn nur betriebszugehörige<br />

Arbeitnehmer sind bei der Ermittlung des Erreichens der Schwellenwerte der Betriebsverfassung mitzuzählen 1.<br />

Da der Begriff der Betriebszugehörigkeit nicht gesetzlich geregelt ist, hat die Bestimmung seines Inhalts immer<br />

wieder Fragen aufgeworfen 2. Zusätzlich erschwert wird die Problematik durch das Dreiecksverhältnis<br />

zwischen Leiharbeiter, Verleiher und Entleiher sowie die Aufspaltung der Arbeitgeberstellung 3.<br />

Der Zählwert <strong>von</strong> <strong>Leiharbeitnehmern</strong> hat einen hohen praktischen Stellenwert. Für den Arbeitgeber, weil er<br />

eine höhere finanzielle Belastung zu erwarten hat, je größer der Betriebsrat ist; für den Betriebsrat, weil <strong>von</strong><br />

der Anzahl der mitgezählten Arbeitnehmer seine Mitgliederzahl abhängt und damit auch<br />

Freistellungsansprüche gem. § 38 BetrVG verbunden sind; für die Leiharbeitnehmer zumindest mittelbar, weil<br />

der Arbeitgeber bei Bejahung ihres Zählwerts möglicherweise auf Grund der erhöhten Kosten nicht mehr oder<br />

zumindest weniger Leiharbeitnehmer einstellt.<br />

II. Keine Änderung der <strong>Stellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leiharbeitnehmern</strong> nach dem BetrVerf-ReformG<br />

1. <strong>Die</strong> Ausgangslage vor dem BetrVerf-ReformG<br />

Bis zu der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes <strong>von</strong> 2001 war zumindest nach der h.M. anerkannt, dass<br />

Voraussetzung für die Betriebszugehörigkeit sowohl die tatsächliche<br />

Brose: <strong>Die</strong> <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong> <strong>Stellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leiharbeitnehmern</strong> nach<br />

den Änderungen des AÜG<br />

NZA 2005 Heft 14 798<br />

Beziehung des Beschäftigten zum Betrieb als auch ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber waren 4. Aus<br />

dieser so genannten Kumulationstheorie folgte, dass Leiharbeitnehmer nicht dem Betrieb des Entleihers<br />

zugehörig sind, da die Besonderheit des Leiharbeitsverhältnisses gerade darin besteht, dass zwischen dem<br />

Entleiher und dem Leiharbeitnehmer kein Arbeitsverhältnis vorliegt 5. Da wie bereits erwähnt, der Zählwert<br />

<strong>von</strong> der Betriebszugehörigkeit abhängig ist, musste dementsprechend auch die Frage nach dem Zählwert des<br />

Leiharbeitnehmers im Entleiherbetrieb verneint werden.<br />

2. Meinungsbild zu der Auswirkung des neuen § 7 S. 2 BetrVG<br />

<strong>Die</strong> Diskussion um die <strong>Stellung</strong> der Leiharbeitnehmer wurde mit der Einführung des § 7 S. 2 BetrVG durch das<br />

BetrVerf-ReformG <strong>von</strong> 2001 wieder belebt. Das Meinungsbild innerhalb der Literatur wird hier nur in seinen<br />

wesentlichen Zügen wiedergegeben, zur Vertiefung wird auf die bereits zahlreich erschienenen Beiträge<br />

verwiesen 6.<br />

Das BAG hat sich mittlerweile klar dazu geäußert: Auch nach Inkrafttreten des BetrVerf-ReformG und der<br />

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damit einhergehenden Einführung des aktiven Wahlrechts für Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb hat sich<br />

die grundsätzliche <strong>Stellung</strong> des Leiharbeitnehmers im Entleiherbetrieb nicht geändert, Leiharbeitnehmer sind<br />

nicht Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs und zählen nicht bei der Ermittlung der<br />

<strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong>n Schwellenwerte mit 7. Inzwischen hat das BAG seine Rechtsprechung auch auf<br />

nicht gewerbsmäßig überlassene Arbeitnehmer und Arbeitnehmer, die im Wege der so genannten Konzernleihe<br />

überlassen werden, ausgeweitet 8.<br />

<strong>Die</strong> Gegenmeinung, nach der die Betriebszugehörigkeit und damit verbunden auch der Zählwert <strong>von</strong><br />

<strong>Leiharbeitnehmern</strong> im Entleiherbetrieb zumindest seit Einführung des § 7 S. 2 BetrVG bejaht werden müsse,<br />

brachte hauptsächlich folgende Argumente vor: Zum einen ließe sich bereits aus der ausdrücklichen Nennung<br />

in § 7 S. 2 BetrVG die Betriebszugehörigkeit herleiten und dementsprechend sei das fehlende<br />

arbeitsvertragliche Band nicht schädlich 9. Zur Verstärkung dieses Arguments wurde die Gesetzesbegründung<br />

hinzugezogen, nach der § 7 S. 2 BetrVG die „Betriebszugehörigkeit <strong>von</strong> <strong>Leiharbeitnehmern</strong> zum<br />

Entleiherbetrieb“ anerkenne 10. Zum anderen wurde speziell in Bezug auf den Zählwert der Leiharbeitnehmer<br />

im Rahmen des § 9 BetrVG damit argumentiert, dass bei der Beschäftigung <strong>von</strong> <strong>Leiharbeitnehmern</strong> dem<br />

Betriebsrat ein höherer Arbeitsanfall entstehe und er dementsprechend vergrößert werden müsse 11; ferner<br />

müsse sich die Vergrößerung des Wahlvolkes auch bei den Größenstufen des § 9 BetrVG widerspiegeln 12.<br />

3. Wortlaut und Systematik: Leiharbeitnehmer zählen nicht<br />

Das BAG sowie Teile des Schrifttums 13 stellten indessen auf den Wortlaut des § 7 S. 2 BetrVG und die<br />

Systematik des BetrVG ab. § 7 unterscheide in Satz 1 und 2 klar zwischen Arbeitnehmern des Betriebes und<br />

Wahlberechtigten, bei denen gerade kein Arbeitsverhältnis zum Betrieb bestehe. Außerdem habe das<br />

BetrVerf-ReformG neben § 7 S. 2 auch in § 5 eine Änderung vorgenommen, indem es weitere<br />

Beschäftigtengruppen in den Anwendungsbereich des BetrVG einschloss. Nicht berücksichtigt bei dieser<br />

Änderung wurden jedoch die Leiharbeitnehmer, sie seien also immer noch nicht Arbeitnehmer im Sinne des<br />

BetrVG gem. § 5 I BetrVG. <strong>Die</strong>s wäre aber notwendig, um den <strong>Leiharbeitnehmern</strong> die Betriebszugehörigkeit<br />

zum Entleiherbetrieb zusprechen zu können und sie damit auch bei den Schwellenwerten mitzuzählen 14.<br />

Daraus zog das BAG den Schluss, dass Leiharbeitnehmer auch weiterhin nicht im Entleiherbetrieb mitzuzählen<br />

sind.<br />

<strong>Die</strong>ser Auffassung wird hier gefolgt, denn wären Leiharbeitnehmer Betriebszugehörige des Entleiherbetriebs,<br />

wäre eine ausdrückliche Erwähnung in § 7 S. 2 BetrVG nicht erforderlich gewesen 15. <strong>Die</strong> ausdrückliche<br />

Nennung in § 7 S. 2 BetrVG zeigt, dass es sich bei den <strong>Leiharbeitnehmern</strong> um einen Sonderfall handelt, in dem<br />

trotz fehlender Betriebszugehörigkeit ein aktives Wahlrecht zugesprochen wird 16.<br />

Ebenso wurde § 14 II 1 AÜG nicht in Bezug auf das passive Wahlrecht geändert, so dass Leiharbeitnehmer im<br />

Entleiherbetrieb auch weiterhin nicht wählbar sind. <strong>Die</strong> Wählbarkeit wäre aber die zwingende Folge einer zum<br />

Entleiherbetrieb bestehenden Betriebszugehörigkeit. Mit der Aufrechterhaltung des § 14 II 1 AÜG hat sich der<br />

Gesetzgeber gegen die Betriebszugehörigkeit <strong>von</strong> <strong>Leiharbeitnehmern</strong> zum Entleiherbetrieb ausgesprochen.<br />

Daher kann auch das Mehrarbeitsargument nicht überzeugen. Denn unabhängig da<strong>von</strong>, ob dem Betriebsrat<br />

tatsächlich eine spürbare Mehrarbeit entsteht, verschließt sich diese Ansicht sowohl dem Wortlaut des § 7 S. 2<br />

BetrVG als auch der Systematik des BetrVG und des AÜG.<br />

Zwar scheint die Heranziehung der vermeintlich eindeutigen Gesetzesbegründung zunächst ein Absprechen der<br />

Einbeziehung <strong>von</strong> <strong>Leiharbeitnehmern</strong> nicht zuzulassen. Das aus der Gesetzesbegründung hergeleitete<br />

Argument darf jedoch nicht isoliert betrachtet werden, dieses Zitat ist vielmehr in den Zusammenhang der<br />

restlichen Gesetzesbegründung einzuordnen. Durch die Neuregelungen soll nämlich nach Auffassung des<br />

Gesetzgebers „behutsam“ in die Betriebsverfassung eingegriffen werden; die Leiharbeitnehmer sollen nicht „in<br />

rechtlich unzutreffender Weise als Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs“ eingestuft werden 17. Somit zählen die<br />

Leiharbeitnehmer auch nach dem BetrVerf-ReformG im Entleiherbetrieb nicht mit.<br />

III. Faktische Annäherung der Leiharbeitnehmer an die Stammbelegschaft durch die Änderungen<br />

des AÜG<br />

<strong>Die</strong> Änderungen des AÜG haben die Diskussion ein zweites Mal wieder belebt. Seit dem 1. 1. 2004 kann ein<br />

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den Änderungen des AÜG<br />

NZA 2005 Heft 14 799<br />

Leiharbeitnehmer zeitlich unbegrenzt im Entleiherbetrieb eingesetzt werden 18. <strong>Die</strong> Aufgabe der<br />

Überlassungshöchstdauer des § 3 I Nr. 6 AÜG a.F. wurde als Ausgleich zu der gleichzeitig eingeführten<br />

Erweiterung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach §§ 3 I Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG vorgenommen und sollte damit<br />

weiterhin die Flexibilität der Arbeitnehmerüberlassung gewährleisten 19. Damit stellt sich die Frage, ob ein<br />

dauerhaft überlassener Leiharbeitnehmer der Stammbelegschaft zumindest in tatsächlicher Hinsicht<br />

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gleichgestellt ist und sich dies auf seine <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong> <strong>Stellung</strong> im Entleiherbetrieb auswirkt 20.<br />

So wird vertreten, dass aus der Aufgabe des bisherigen Bildes der Leiharbeit 21 die Berücksichtigung der<br />

Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong>n Schwellenwerte im Entleiherbetrieb<br />

folge 22. Weiterhin werden sich in Zukunft möglicherweise einige Verleiher nur noch darauf beschränken, den<br />

Bedürfnissen der jeweiligen Entleiherbetriebe entsprechend Leiharbeitnehmer einzustellen, um diese dann auf<br />

unbestimmte Zeit an den Entleiherbetrieb zu überlassen, so dass die Verleiher im Ergebnis so gut wie keine<br />

Arbeitgeberbefugnisse mehr wahrnehmen 23.<br />

IV. Auswirkung auf die <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong> <strong>Stellung</strong> der Leiharbeitnehmer<br />

1. Fehlende Änderung des § 14 AÜG<br />

<strong>Die</strong> für eine Neubeurteilung der Frage angeführten Argumente helfen allerdings nicht darüber hinweg, dass mit<br />

dem „Ersten Gesetz für moderne <strong>Die</strong>nstleistungen am Arbeitsmarkt“ keine Änderung des § 14 AÜG<br />

einhergegangen ist. <strong>Die</strong>s wäre aber erforderlich gewesen, hätte der Gesetzgeber deutlich machen wollen, dass<br />

nunmehr der Leiharbeitnehmer eine neue <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong> <strong>Stellung</strong> im Entleiherbetrieb<br />

einnehmen soll. Auch wenn § 14 AÜG nicht abschließend ist und damit eine Zuordnung zum Entleiherbetrieb<br />

grundsätzlich nicht ausschließt 24, ist die Problematik der <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong>n <strong>Stellung</strong> der<br />

Leiharbeitnehmer doch allgemein und damit auch dem Gesetzgeber bekannt, insbesondere auf Grund der<br />

erneuten Diskussion nach dem BetrVerf-ReformG <strong>von</strong> 2001. Der Gesetzgeber hätte den <strong>Leiharbeitnehmern</strong> das<br />

passive Wahlrecht im Entleiherbetrieb ausdrücklich zusprechen müssen, um deutlich zu machen, dass sie<br />

Betriebszugehörige ihres Einsatzbetriebes sind. § 14 II 1 AÜG bleibt jedoch in seiner bisherigen Fassung auch<br />

nach der Änderung des AÜG weiter bestehen 25. Ebenso verhält es sich mit § 14 I AÜG. Auch hier wurde<br />

hinsichtlich der <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong>n <strong>Stellung</strong> im Entleiherbetrieb nichts geändert, die Vorschrift<br />

hüllt sich dazu nach wie vor in Schweigen. Das „Erste Gesetz für moderne <strong>Die</strong>nstleistungen am Arbeitsmarkt“<br />

wäre also der Zeitpunkt für eine Änderung des § 14 AÜG gewesen, diese Gelegenheit hat der Gesetzgeber aber<br />

nicht wahrgenommen. Daher behalten auch nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die bereits dargestellten<br />

Argumente des Wortlauts und der Systematik ihre Wirkungskraft.<br />

In Bezug auf die Befürchtung, dass der Verleiher im Falle einer zeitlich unbeschränkten Überlassung faktisch<br />

nicht mehr seiner Arbeitgeberstellung gerecht wird, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass<br />

gegebenenfalls die unwiderlegliche Vermutung der Arbeitsvermittlung gem. § 1 II AÜG eingreift 26.<br />

2. Zweck der Arbeitnehmerüberlassung<br />

Der Wortlaut und die Systematik sind sicherlich die schwerwiegendsten, aber nicht die einzigen Kriterien der<br />

Auslegung. Ferner darf auch nicht in Vergessenheit geraten, was der Zweck der Arbeitnehmerüberlassung und<br />

der Lockerung seiner Zulässigkeitsvoraussetzungen ist. <strong>Die</strong> Leiharbeit soll ein Instrument der<br />

Beschäftigungsförderung sein 27. <strong>Die</strong> Frage der Zuordnung des Leiharbeitnehmers zum Entleiherbetrieb stellt<br />

sich also in einem größeren Zusammenhang.<br />

Einerseits kann die Arbeitnehmerüberlassung als Gefahr für den sozialen Schutz der Leiharbeitnehmer und als<br />

Erleichterung zur Umgehung des Kündigungsschutzes angesehen werden. <strong>Die</strong>se Sichtweise läuft auf den Rat<br />

hinaus, die Arbeitnehmerüberlassung so unattraktiv wie möglich für den Arbeitgeber zu gestalten. Sie würde<br />

erfordern, den Leiharbeitnehmer, so weit es irgend geht, dem Entleiherbetrieb auch in<br />

<strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong>r Sicht zuzuordnen. Der Gesetzgeber hat die Arbeitne<br />

Beschäftigungsförderungsinstrument gewollt, um damit z.B. Arbeitslosen den Wiedereinstieg in das<br />

Berufsleben zu erleichtern 28. Dann muss diese Beschäftigungsform aber auch Anreize für den Arbeitgeber<br />

bieten, insbesondere indem Leiharbeitnehmer dem Betriebsinhaber weniger Kosten verursachen als<br />

Stammarbeitnehmer 29. Es ist erstrebenswert, zwischen diesen beiden konträren Ansatzpunkten, dem sozialen<br />

Schutz der Leiharbeitnehmer und der Beschäftigungsförderung, einen Ausgleich herzustellen. Fraglich ist<br />

indessen, ob dies über die Zuordnung des Leiharbeitnehmers zum Entleiherbetrieb zu vollziehen ist.<br />

Mit der Aufhebung der Überlassungshöchstdauer wurde ein Zugeständnis an die Arbeitgeber gemacht,<br />

allerdings begleitet <strong>von</strong> der Einführung des Grundsatzes des Equal pay gem. §§ 3 I Nr. 3, 9 I Nr. 2 AÜG. Nach<br />

dieser neuen Regelung muss der Leiharbeitnehmer u.a. das Entgelt erhalten, das einem ihm vergleichbaren<br />

Stammarbeitnehmer des Einsatzbetriebes gezahlt wird. <strong>Die</strong>se Regelung wird weitreichende Folgen für die<br />

Zeitarbeit nach sich ziehen. Es liegen Schätzungen vor, nach denen sie sich um ca. 50% verteuern wird 30.<br />

Zwar ist diese Vorschrift gem. § 3 I Nr. 3 AÜG tarifdispositiv, allerdings ist hierbei Folgendes zu beachten.<br />

Zunächst ist der Organisationsgrad in der Zeitarbeitsbranche nur sehr niedrig 31. Dem kann zwar entgegnet<br />

werden, dass gem. § 3 I Nr. 3 AÜG innerhalb des<br />

Brose: <strong>Die</strong> <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong> <strong>Stellung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leiharbeitnehmern</strong> nach<br />

den Änderungen des AÜG<br />

NZA 2005 Heft 14 800<br />

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Geltungsbereichs des Tarifvertrags auch die nicht Tarifgebundenen durch Bezugnahmeklauseln dessen Geltung<br />

vereinbaren können. Aber auch diese Regelung hat weniger schwerwiegende Auswirkungen als es zunächst<br />

den Anschein hat. Es wird einerseits vertreten, dass die Norm so auszulegen ist, dass sich auch die<br />

Tarifparteien an die gesetzlich vorgesehenen Vorgaben halten müssten; eine klare Unterschreitung des im<br />

Entleiherbetrieb gezahlten Lohnniveaus sei auch nicht durch eine tarifliche Vereinbarung zulässig 32. Auch<br />

wenn man dieser Auffassung nicht folgen möchte, so ist seit Einführung des § 3 I Nr. 3 AÜG n.F. zumindest<br />

die Verhandlungsgrundlage der Tarifparteien eine neue. <strong>Die</strong> Gewerkschaften können sich nun im Rahmen der<br />

Tarifverhandlungen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen und ihn als Ausgangspunkt vorgeben.<br />

Der soziale Schutz der Leiharbeitnehmer ist daher, wie vom Gesetzgeber gewünscht 33, mit Geltung dieses<br />

Grundsatzes erheblich erhöht worden. Zugleich kommt jedoch durch die Einführung des Grundsatzes des Equal<br />

pay eine finanzielle Belastung auf den Arbeitgeber des Entleiherbetriebes zu. <strong>Die</strong>s birgt die Gefahr in sich,<br />

dass die Leiharbeit zunehmend unattraktiv wird, was wiederum ihrem Zweck als<br />

Beschäftigungsförderungsinstrument zuwiderlaufen würde 34. Der Gesetzgeber hat also mit der Abschaffung<br />

der Überlassungshöchstdauer und der gleichzeitigen Einführung des Grundsatzes des Equal pay den Spagat<br />

zwischen Arbeitnehmerschutz und Beschäftigungsförderung versucht. Das schwierige Unterfangen, ein<br />

Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Belastungen und Begünstigungen herzustellen, sollte nicht<br />

dadurch erschwert werden, dass Zusatzbelastungen in das Gesetz hineininterpretiert werden, wie der Zählwert<br />

der Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb. Daher ist auch aus beschäftigungspolitischer Sicht <strong>von</strong> einer<br />

<strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong>n Zuordnung der Leiharbeitnehmer zum Entleiherbetrieb abzusehen, da eine<br />

solche Zuordnung weitere Kosten für den Entleiher mit sich bringt, die ihn endgültig <strong>von</strong> der Einstellung <strong>von</strong><br />

<strong>Leiharbeitnehmern</strong> abhalten kann. Zweck des „Ersten Gesetzes für moderne <strong>Die</strong>nstleistungen am<br />

Arbeitsmarkt“ ist es gerade, eine Hilfestellung bei der Erschließung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten zu<br />

bieten 35. <strong>Die</strong>se Bemühungen spiegeln sich in dem Wortlaut und der Systematik sowohl des BetrVG als auch<br />

des AÜG wieder. Das Ergebnis der Auslegung nach Wortlaut und Systematik wird somit im Wege der<br />

teleologischen Auslegung bestätigt.<br />

Der Leiharbeitnehmer wird bei einer solchen Lösung auch nicht schutzlos gestellt, er bleibt gem. § 14 I AÜG<br />

weiterhin Betriebszugehöriger des Verleiherbetriebs. In dem Verleiherbetrieb besteht sein Zählwert in Bezug<br />

auf die <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong>n Schwellenwerte unbestritten. Daher ist auch der häufig herangezogene<br />

Vergleich mit den befristet Beschäftigten, die im Entleiherbetrieb mitzählen, unangebracht, da diese im Falle<br />

einer fehlenden Zuordnung zum Einsatzbetrieb überhaupt keinem Betrieb zugeordnet werden könnten.<br />

V. Zusammenfassung<br />

Nach dem BetrVerf-ReformG <strong>von</strong> 2001 musste der Zählwert der Leiharbeitnehmer auf Grund des Wortlauts<br />

<strong>von</strong> §§ 7 und 5 BetrVG und der Systematik verneint werden. Auch die Änderungen des AÜG durch das „Erste<br />

Gesetz für moderne <strong>Die</strong>nstleistungen am Arbeitsmarkt“ führen zu keinem „Neuergebnis“. Es wäre erforderlich<br />

gewesen, zumindest in § 14 AÜG klarzustellen, dass der Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb eine neue<br />

<strong>Stellung</strong> einnehmen soll, dies ist aber nicht geschehen. <strong>Die</strong>ses Ergebnis wird noch unterstützt, wenn man den<br />

Sinn und Zweck der Arbeitnehmerüberlassung beachtet, denn es handelt sich hierbei um ein Instrument der<br />

Beschäftigungsförderung. Eine zu restriktive Ausformung dieses Instrumentes macht es für die<br />

Entleiher-Arbeitgeber zu unattraktiv und es besteht die Gefahr, dass es leer läuft. Der notwendige Schutz der<br />

Leiharbeitnehmer wird durch die Erweiterung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gewährleistet. <strong>Die</strong><br />

Möglichkeit, dass nun ein Leiharbeitnehmer über mehrere Jahre hinweg in demselben Entleiherbetrieb tätig<br />

wird und faktisch dieselben Interessen wie die Stammarbeitnehmer hat, mag Unbehagen auslösen. <strong>Die</strong>ses<br />

Unbehagen kann jedoch nur der Gesetzgeber beseitigen.<br />

1 BAG (18. 1. 1989 - 7 ABR 21/88), AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG (16. 4. 2003), NZA 2003, 1345 = AP Nr. 7 zu § 9<br />

BetrVG 1972; Kreutz, in: GK-BetrVG, 7. Aufl., § 5 Rdnr. 6; Fitting, BetrVG, 22. Aufl. (2004), § 9 Rdnr. 14;<br />

ErfK/Eisemann, 5. Aufl. (2005), § 9 Rdnr. 2; a.A. Däubler/Kittner/Klebe (im Folgenden: DKK)/Schneider, 9. Aufl., § 9<br />

Rdnrn. 10f.<br />

2 Brors, NZA 2003, 1380 (1381); Hamann, NZA 2003, 526; Däubler, AuR 2004, 81 (82).<br />

3 Zu Einzelheiten bzgl. dieses Dreiecksverhältnisses s. z.B. ausf. Schüren/Hamann, AÜG, 2. Aufl. (2003), § 1 Rdnrn. 64ff.<br />

4 BAG (18. 1. 1989 - ABR 62/87), NZA 1989, 728 = AP Nr. 2 zu § 14 AÜG; BAG (28. 3. 2001), NZA 2002, 1292 = AP Nr.<br />

5 zu § 7 BetrVG 1972; Rieble/Gutzeit, BB 1998, 638 (639); Rost, NZA 1999, 113 (114); Kreutz, in: GK-BetrVG, 7. Aufl.<br />

(2002), § 7 Rdnr. 19; a.A. Schneider/Trümner, in: Festschr. f. Gnade, 1992, S. 175, 188ff.<br />

5 Zur genauen Ausgestaltung der Beziehung zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher s. z.B. Schüren/Schüren (o. Fußn. 3),<br />

Einl. Rdnrn. 84ff; Ulber, AÜG, 2. Aufl. (2002), § 1 Rdnrn. 17ff.<br />

6 S. hierzu z.B. die Beiträge <strong>von</strong> Brors, NZA 2003, 1380 (1381); Däubler, AiB 2001, 685ff.; Hamann, NZA 2003, 526ff.;<br />

4 <strong>von</strong> 6 08.04.2008 12:25


Brose: <strong>Die</strong> <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong> <strong>Stellung</strong> <strong>von</strong> Leiharbeitnehme... http://beck1-gross.digibib.net/bib/bin/show.asp?vpath=%2Fbibdata%2...<br />

Maschmann, Anm. zu BAG (16. 4. 2003), NZA 2003, 1345 = AP Nr. 7 zu § 9 BetrVG 1972; Moderegger, ArbRB 2003,<br />

82ff.; Schiefer, DB 2002, 1774ff.; Schirmer, in: Festschr. 50 Jahre BAG, S. 1063, 1076ff.; Wlotzke, in: Festschr. 50 Jahre<br />

BAG, S. 1149, 1154ff.<br />

7 BAG, NZA 2003, 1345 = AP Nr. 7 zu § 9 BetrVG 1972 und bestätigt durch BAG (22. 10. 2003), NZA 2004, 1184 Os. =<br />

NJOZ 2004, 3689 = AP Nr. 28 zu § 28 BetrVG 1972.<br />

8 BAG (10. 3. 2004), AP BetrVG 1972 § 7 Nr. 8; s. hierzu auch Anm. Braun, ArbRB 2004, 268f.<br />

9 So z.B. Hamann, NZA 2003, 526 (530).<br />

10 BT-Dr 14/5741, S. 36; dieses Argument bringt z.B. Däubler, AuR 2001, 285 (286).<br />

11 Däubler, AiB 2001, 685 (688) und in AuR 2004, 81.<br />

12 Reichold, NZA 2001, 857 (861).<br />

13 S. z.B. Hanau, RdA 2001, 65ff.; Maschmann, DB 2001, 2446ff.; Moderegger, ArbRB 2003, 82ff.<br />

14 BAG, NZA 2003, 1345 = AP Nr. 7 zu § 9 BetrVG 1972; BAG, NZA 2004, 3689 = AP Nr. 28 zu § 38 BetrVG 1982; mit<br />

derselben Begr. bereits vor der Rspr. Hanau, RdA 2001, 65 (68); Maschmann, DB 2001, 2446 (2448); Moderegger, ArbRB<br />

2003, 82 (84).<br />

15 So auch Schirmer, in: Festschr. 50 Jahre BAG, S. 1061, 1078.<br />

16 Ebenso Maschmann, Anm. zu BAG (16. 4. 2003), NZA 2003, 1345 = AP Nr. 7 zu § 9 BetrVG 1972.<br />

17 BT-Dr 15/5741, S. 28.<br />

18 S. zum Zeitpunkt der Anwendbarkeit der geänderten Vorschriften die Übergangsregelung in § 19 AÜG.<br />

19 BT-Dr 15/25, S. 39; Kokemoor, NZA 2003, 238 (241).<br />

20 Hamann, NZA 2003, 526 (527); Däubler, AuR 2004, 81 (82); Brors, NZA 2003, 1380.<br />

21 Das bisherige Bild der Leiharbeit zeichnete sich dadurch aus, dass wegen der zeitlich begrenzten Überlassungsdauer im<br />

Entleiherbetrieb unterschiedliche Interessen aufeinander stießen; einerseits die kurzfristig angelegten Interessen der<br />

Leiharbeitnehmer, andererseits die langfristigen Interessen der Stammarbeitnehmer.<br />

22 <strong>Die</strong>s ausdrücklich fordernd Brors, NZA 2003, 1380 (1382); i.Erg. ebenso Hamann, NZA 2003, 526 (534).<br />

23 Hamann, NZA 2003, 526 (528).<br />

24 BT-Dr 9/847, S. 8f; BAG (15. 12. 1992), NZA 1993, 513 = AP Nr. 7 zu § 14 AÜG, Boemke, AÜG; § 14 Rdnr. 2;<br />

Hamann, NZA 2003, 526 (527).<br />

25 <strong>Die</strong> fehlende Änderung des § 14 II 1 AÜG beklagt auch Hamann, NZA 2003, 526 (529), wobei er jedoch die<br />

Betriebszugehörigkeit der Leiharbeitnehmer i.Erg. bejaht.<br />

26 So auch Hamann, NZA 2003, 526 (528), wenn auch in anderem Zusammenhang und nicht als Argument für die<br />

Ablehnung des Zählwertes der Leiharbeitnehmer.<br />

27 ErfK/Wank, 5. Aufl. (2005), AÜG, Einl. Rdnr. 1; Lembke, BB 2003, 98; Bauer/Krets, NJW 2003, 537 (538).<br />

28 So hat der Gesetzgeber sogar bereits in BT-Dr 6/2303, S. 9 auf die Erschließung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

hingewiesen, wenn auch zu dem Zeitpunkt die Stärkung des sozialen Schutzes der Leiharbeitnehmer im Vordergrund stand.<br />

29 Zu der Gefahr, dass mit den Änderungen des AÜG die Attraktivität der Leiharbeit stark sinken kann und damit ihr Einsatz<br />

als Beschäftigungsförderungsinstrument nur noch sehr begrenzt möglich ist, s. auch Hümmerich/Holthausen/Welslau, NZA<br />

2003, 7 (10); Rieble/Klebeck, NZA 2003, 23ff.<br />

30 Lembke, BB 2003, 98 (99).<br />

31 Schüren/Behrend, NZA 2003, 521 (524).<br />

32 S. hierzu mit ausf. Begr. Schüren/Behrend, NZA 2003, 521 (524).<br />

33 BT-Dr 15/25, S. 38.<br />

34 Zur Entwicklung der Leiharbeit in Bezug auf die Belastungen der Entleiher bes. krit. Rieble/Klebeck, NZA 2003, 23f.<br />

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Brose: <strong>Die</strong> <strong>betriebsverfassungsrechtliche</strong> <strong>Stellung</strong> <strong>von</strong> Leiharbeitnehme... http://beck1-gross.digibib.net/bib/bin/show.asp?vpath=%2Fbibdata%2...<br />

35 Kokemoor, NZA 2003, 238.<br />

6 <strong>von</strong> 6 08.04.2008 12:25

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