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kritische berichte - Hartware MedienKunstVerein

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genen Ort kennenzulernen, und damit wohl auch der Wunsch nach einem Blick<br />

von oben hinab auf die Welt, andererseits aber richtet er vom Gipfel seinen Blick<br />

nach oben, auf das himmlische Leben. Doch schon mit dieser Ambivalenz rechnet<br />

ihn Burckhardt zu den «frühesten unter den Modernen», weil er nämlich die<br />

Landschaft als etwas aus sich heraus Schönes wahrgenommen habe. 32 Und tatsächlich<br />

zeigt gerade die seit dieser Zeit sich entwickelnde Landschaftsmalerei<br />

eine stufenweise Abfolge sich aufschlussreich verändernder Interessen, was mit<br />

staunenswerter Übersicht wohl zuerst von Johann Wolfgang von Goethe beschrieben<br />

wurde. Er spricht von Dürer, Brueghel, auch Merian und einer «nach<br />

und nach steigenden Anmut», um dann mit Claude Lorrain gleichsam den Vollender<br />

einer weiträumigen, meist aus leichter Höhenlage Übersicht schaffenden<br />

Landschaftsdarstellung zu feiern; bei ihm sei ein Prozess der Emanzipation abgeschlossen;<br />

«das 17. Jahrhundert», so Goethe, «befreit sich immer mehr von der<br />

zudringlichen äußeren Welt». 33 Dies sind zugleich die Zeit und auch die Sicht des<br />

Absolutismus. Das Privileg nur der Götter bei den Alten, nämlich von oben zu<br />

schauen, ist nun neuzeitlich-profan einerseits sublim ästhetisiert und zugleich<br />

herrscherlicher Praxis zugänglich gemacht. 34<br />

18 <strong>kritische</strong> <strong>berichte</strong> IV.<br />

Die großen Expeditionen, die Captain James Cookund andere in der zweiten<br />

Hälfte des 18. Jahrhunderts unternahmen, sollten weitreichende Auswirkungen<br />

auf das Weltbild der Jahre um 1800 haben, auf eine Epoche also, die heute auch<br />

als zweites Entdeckungszeitalter firmiert. So veränderte sich der Bildungsbegriff,<br />

man begann, statt einer humanistischen eine globale Bildung zu fordern, die<br />

eben auch den neuen Welterfahrungen Rechnung tragen sollte.<br />

3.2009<br />

35 Signifikanter<br />

Ausdruckdieser Orientierung ist die Begründung der neuen Wissenschaft der<br />

Erdkunde durch Carl Ritter. Carl von Clausewitz, Karl Marx, Wilhelm Raabe und<br />

Alexander von Humboldt waren unter seinen Hörern, als er von 1820 an der Berliner<br />

Universität seine Vorstellung einer globalen Bildung entwickelte, die allein<br />

einer nunmehr als allseitig zusammenhängend verstandenen Welt angemessen<br />

sei. Hier entwickelt sich die Frühform einer planetarischen Perspektive, die wir<br />

heute Globalisierung nennen:<br />

Die früher getrennt scheinende Gestadewelt des Planeten wurde in ihrem Gesammtkreis,<br />

in allen Zonen, zu einer Einheit erhoben für das System der Wissenschaft, wie für die Kulturwelt<br />

und für den Markt des gemeinen Lebens, des Tageverkehrs, der selbst nicht ohne<br />

merklichen Einfluss auf Geschichte, Politik und allgemeine Kultur bleibt. 36<br />

In diesen Jahren wurde der Planet nicht nur als Einheit, sondern darüber hinaus<br />

auch in noch einmal erweiterten Zusammenhängen betrachtet. Issac Newtons<br />

neue Kosmologie und ebenso die Erfindung der Montgolfieren erlaubten einen<br />

auf besondere Weise distanzierten Blickvon außen und von oben auf die<br />

menschliche Lebenswelt. Dies hatte auch ästhetische Konsequenzen. Im Jahr<br />

1784 entwarf Étienne-Louis Boullée seinen Kenotaph für Newton, mit dem das<br />

Weltbild der neuen Kosmologie signifikant verbildlicht ist (Abb. 5).<br />

Mit Newton wurde «die Vorstellung von der Unendlichkeit des Universums, in<br />

der die Erde nur ein winziges Gestirn unter anderen ist und in der der Mensch<br />

keine ausgezeichnete Stellung mehr behaupten kann», auf epochale Weise manifest.<br />

37 Jede Rahmung oder Einordnung, jede Korrespondenz zu gewohnter Erfahrung,<br />

ja sogar jeder geozentrische Bezug ist fortan obsolet. Boullée entwirft nun

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