kritische berichte - Hartware MedienKunstVerein
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einer amerikanischen Flagge. ‹Vergangenheitsbewältigung›? Von wegen. Alle<br />
Fragen, die sich mit dem Urobjekt der deutschten V2/A4- Rakete verbinden,<br />
sollten durch diese Anti-Traditionsstrategie gelöscht werden. 11 Das Thema<br />
wurde reduziert auf ‹Raumfahrt› und war «nahezu ausschließlich eine Sache<br />
der Großen, der sogenannten Supermächte. Später erhielten oder erschlossen<br />
sich auch Nationen wie Deutschland die Chance zur Beteiligung» an der Raketengeschichte.<br />
12<br />
Aus anderen Gründen wurde das Ur-Objekt, die deutsche A4/V2-Rakete, aus<br />
der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora ausgeschlossen und damit jeglicher Hinweis<br />
auf die Herkunft der Rakete vermieden. Die wenigen noch lebenden Häftlinge,<br />
die zu historischer Aufklärungsarbeit motiviert die Gedenkstätte besuchten,<br />
wollten keine V2-Rakete oder anderen nationalsozialistischen Technikschrott<br />
dulden. Zuletzt vermochte das Historisch-Technische Informationszentrum<br />
(HTI) in Peenemünde angesichts dieser Kommunikationslage wenig mehr,<br />
als zwischen dem <strong>kritische</strong>n Hinweis auf die todbringenden Seiten der Rakete<br />
und der Verehrung der Ingenieure, der ‹alten Peenemünder›, zu schwanken. Diese<br />
unverbundene Koexistenz zusammenhängender Sphären verhinderte bei allen<br />
Beteiligten die Ausbildung einer zeitgemäßen, der Komplexität angemessenen<br />
Haltung zur Rakete. Immerhin wurde in der «Leeren Ethikabteilung» (Bianca)<br />
im obersten Stockwerk des entstehenden HTI dieser Mangel anschaulich,<br />
während das reduktionistische, von kalifornischen Beraterfirmen nach der<br />
‹Zwei-Küstenlogik› gestaltete Konzept eines geschichtsfreien Retrofuturismus<br />
mit dem Scheitern des Bremer space parks eine fünfhundert Millionen Euro teure<br />
Bauruine produzierte. 13 Angesichts der vom federführenden ‹Mr. Space› geschilderten<br />
Attraktionen entstand zudem der Verdacht: «Die Planer dieses Parks bauen,<br />
unbewusst, die Struktur Peenemünde-Mittelbau Dora nach.» 14 Diese geschichts-<br />
und kontextferne Propaganda erscheint wie ein in die Praxis umgesetztes<br />
re-enactment des Kurzfilms Wir verbauen 3 × 27 Milliarden Dollar in einen Angriffsschlachter<br />
von Alexander Kluge.<br />
Einen ersten Vorschlag zu möglichen Räumen oder thematischen Abteilungen<br />
des realkomplexen Raketenmuseums trägt Bianca, der Geist der Rakete, beim finalen<br />
Gang durch die ausgeräumten, renovierungsbedürftigen Räume der ‹leeren<br />
Ethikabteilung› des HTI Peenemünde vor. 15<br />
Auszug Prüfstand 7, Regiebuch (Filmminute 104)<br />
Leerer Raum<br />
Bianca: Ich könnte beinahe den sentimentalen Voelkers verstehen,<br />
der sich in jedem leeren Raum der Ethikabteilung ausmalte,<br />
welche Themen dort nie auftauchen würden.<br />
Melodramatische Musik<br />
Kameragang durch die leere Ethikabteilung<br />
Handkamera durch mehrere Räume<br />
2. Raum<br />
Voelkers: Der Sex des Raketenkörpers. Superschwanz. Maschinenbraut,<br />
Junges Ding, alte Hexe... immer beides.<br />
Und immer zwei Körper die wegflogen. Die Rakete... und<br />
von gleicher Länge und Form: ihre Flamme.<br />
48 <strong>kritische</strong> <strong>berichte</strong> 3.2009