Wer beherrscht die Unternehmen? Shareholder Value ... - MPIfG
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40 Kapitel 2<br />
stiller Reserven verschleiert werden. Im Zeitverlauf sind internationale Abschlüsse<br />
deshalb volatiler als HGB-Abschlüsse. 5<br />
Neben der hohen Gestaltbarkeit deutscher Bilanzen ist für <strong>die</strong> HGB-<br />
Regeln das Imparitätsprinzip kennzeichnend, dem zufolge Verluste grundsätzlich<br />
bereits dann zu berücksichtigen sind, wenn sie noch nicht realisiert<br />
sind, während für Gewinne das Realisationsprinzip gilt. Unterschiede zeigen<br />
sich auch hinsichtlich der Regelungsdichte. Im Gegensatz zu den HGB-<br />
Grundsätzen schreiben IAS und US-GAAP eine Kapitalflussrechnung und,<br />
für börsennotierte Gesellschaften, eine Segmentberichterstattung als zwingende<br />
Bestandteile des Jahresabschlusses vor. Wegen der höheren Informationsdichte<br />
der internationalen Regeln und der geringeren Anzahl an Wahlrechten<br />
wird den IAS- und GAAP-Regeln ein höherer Anlegerschutz zugesprochen<br />
als den HGB-Regeln. Neben der grundsätzlichen Entscheidung der<br />
Bilanzierung nach HGB, IAS oder US-GAAP können Geschäftsberichte<br />
nach darüber hinausgehenden, freiwilligen Angaben beurteilt werden.<br />
Während <strong>die</strong> Anlegerorientierung der internationalen Bilanzierungsvorschriften<br />
außer Zweifel steht, fällt ein Urteil darüber, an wessen Interessen<br />
sich <strong>die</strong> HGB-Regeln orientieren, schwerer. In der Fachliteratur wird <strong>die</strong><br />
HGB-Bilanzierung als gläubigerorientiert klassifiziert. 6 Für <strong>die</strong> Bankenorientierung<br />
der HGB-Regeln – anstelle von Aktionärsorientierung – spricht<br />
das Imparitätsprinzip, durch das der Gewinnausweis im Zweifel eher niedrig<br />
als hoch ausfällt. Da sich <strong>die</strong> Bemessung von Dividenden in der Regel an<br />
dem bilanziell ermittelten Gewinn orientiert, haben <strong>die</strong> Anteilseigner kein<br />
Interesse an zu niedrigen Gewinnausweisen. Gläubigern, insbesondere Banken,<br />
kann hingegen ein Interesse an einer vorsichtigen Ermittlung des Gewinns<br />
unterstellt werden, um keine Ausschüttungsbegehrlichkeiten zu wecken,<br />
<strong>die</strong> an der Substanz der <strong>Unternehmen</strong> zehren könnten (Prangenberg<br />
2000: 17). In <strong>Unternehmen</strong>, in denen Hausbanken als Aufseher vertreten<br />
sind, könnte <strong>die</strong> niedrige Regelungsdichte der HGB-Grundsätze den Kreditgebern<br />
außerdem einen Informationsvorsprung vor Außenstehenden verschaffen.<br />
In <strong>die</strong>sem Sinne könnte man <strong>die</strong> HGB-Bilanzierung als insiderorientiert<br />
bezeichnen.<br />
Gleichwohl ist <strong>die</strong> These von der Gläubigerorientierung der HGB-Regeln<br />
kritisch zu bewerten, denn ihr Hauptmerkmal besteht weniger in der grund-<br />
5 Der internationale Jahresabschluss »atmet«, umschreibt <strong>die</strong>s das Vorstandsmitglied der<br />
HypoVereinsbank Wolfgang Sprießler (FAZ vom 19.10.1998, 23).<br />
6 Glaum (1998b: 28), Graf/Lenke/Schießer (1997: 10), Graumann (1998: 356), Maret/<br />
Welper (1999: 41), Prangenberg (2000: 17), Schmidl (1997: 111), Wöhe (1999: 66).