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Amts- und Mitteilungsblatt der Stadt Dettelbach

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Nepomuk in<br />

<strong>Dettelbach</strong><br />

12<br />

Johannes-von-Nepomuk, <strong>der</strong> „Brückenheilige“ von Karl Uhl<br />

In vielen Städten Böhmens, Österreichs <strong>und</strong> teilweise auch Bayerns steht ein Denkmal des Heiligen Johannes von<br />

Nepomuk. Häufig steht es wie sein bekanntestes Vorbild in Prag, auf einer Brücke. Das Bespiel in <strong>Dettelbach</strong> folgt<br />

damit einer weit verbreiteten Tradition. Auch Haslau hatte seinen „Nepomuk“. Er stand jedoch nicht auf einer Brücke,<br />

son<strong>der</strong>n auf dem Marktplatz, flankiert von zwei kugelig zugeschnittenen Bäumen. Die Tschechen haben das Denkmal<br />

von seinem alten Platz entfernt <strong>und</strong> in das Innere des Kirchhofes gestellt. Der Haslauer „Nepomuk“ wurde im Jahre<br />

1720 vom damaligen Besitzer des Gutes Haslau, Freiherr von Moser, aufgestellt. Diese Adelsfamilie hatte das Gut<br />

Haslau 1683 erworben <strong>und</strong> bis 1795 besessen. Auf dem Sockel waren die Anfangsbuchstaben des Stifters<br />

eingemeißelt: MFVM - das bedeutet: Moritz Ferdinand von Moser. Er stiftete auch eine Ecce Homo-Statue (Ecce Homo<br />

= seht, welch ein Mensch!). Auch die Errichtung einer Kapelle wurde von <strong>der</strong> Familie Moser veranlasst.<br />

Was zur Popularität dieses Heiligen <strong>und</strong> zur Verbreitung des Kultes um ihn, bis in den Würzburger Raum geführt?<br />

Man kann die Errichtung <strong>der</strong> zahlreichen Johannes-von-Nepomuk-Statuen nur verstehen, wenn man einen Blick auf<br />

die historische Persönlichkeit <strong>und</strong> auf die beson<strong>der</strong>en Umstände seiner Verehrung als Heiliger während <strong>der</strong><br />

Barockzeit wirft. Johannes wurde um 1350 in dem Städtchen Pomuk in Südböhmen geboren. Sein zweiter Name<br />

Nepomuk bedeutet daher eine Herkunftsbezeichnung: Ne pomuky = <strong>der</strong> aus Pomuk Stammende. Sein Vater war dort<br />

<strong>Stadt</strong>richter <strong>und</strong> Bürgermeister, also bürgerlicher Herkunft. Dies ist vor allem im Zusammenhang mit seiner<br />

grässlichen Ermordung von Bedeutung - doch davon später. Bereits im Jahre 1370 tauchte er als Bediensteter <strong>der</strong><br />

Erzdiözese Prag auf. 1380 wurde er zum Priester geweiht. Er studierte zunächst an <strong>der</strong> unter Kaiser Karl IV im Jahre<br />

1348 gegründeten Prager Universität Kirchenrecht. 1383 begann er das Studium an <strong>der</strong> neben Bologna damals<br />

bedeutendsten Universität, nämlich Padua. 1387 kehrte er als Doktor des Kirchenrechts wie<strong>der</strong> in die Erzdiözese<br />

Prag zurück. Er muss also ein hochgebildeter <strong>und</strong> hochintelligenter Mann gewesen sein, denn das Studium in Padua<br />

war für einen Kleriker bürgerlicher Abkunft absolut ungewöhnlich. Ebenso ungewöhnlich war sein weiterer Aufstieg: er<br />

wurde 1389 Generalvikar <strong>der</strong> Erzdiözese Prag <strong>und</strong> damit nach dem Bischof <strong>der</strong>en höchster Beamter.<br />

Damit nahm jedoch sein persönliches Verhängnis seinen Lauf. Auf den bedeutenden Herrscher Karl IV (1347 bis<br />

1378) folgte sein unfähiger, aber nichtsdestoweniger machtbesessener Sohn Wenzel als böhmischer König<br />

Wenzel IV. Sein Ziel war es, seine Macht in Böhmen dadurch auszudehnen, dass er kirchliche Ämter mit seinen<br />

Günstlingen besetzen wollte. Mit Johannes, dem Vertreter des Kirchenrechts, musste dies zu ständigem Streit<br />

führen. Dieser Streit eskalierte als nach dem Tode des Abtes von Kladrau <strong>der</strong> König diese Stelle mit einem seiner<br />

Vertrauten besetzen <strong>und</strong> zusätzlich durch die Errichtung eines Teilbistums Kladrau die Erzdiözese Prag<br />

schwächen wollte. Um dem König zuvor zu kommen, ließ <strong>der</strong> Erzbischof in kürzester Frist einen neuen Abt<br />

wählen <strong>und</strong> hat ihn sogleich bestätigt. Der König nahm darauf den Erzbischof, einen weiteren hohen Kleriker <strong>und</strong><br />

Johannes gefangen. Während man jedoch den Erzbischof entkommen <strong>und</strong> den an<strong>der</strong>en Kleriker nach einem<br />

Geständnis (Was sollte er denn gestehen? Es ist nichts überliefert.) wie<strong>der</strong> laufen ließ, hat man Johannes in <strong>der</strong><br />

Nacht vom 20. auf den 21. März 1393 bestialisch gefoltert, gefesselt <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Moldau ertränkt. Der König hat<br />

an dieser Folterung mitgewirkt.<br />

Das „Original“:<br />

<strong>der</strong> Nepomuk auf<br />

<strong>der</strong> Karlsbrücke<br />

in Prag<br />

Die oft zitierte Aussage, Johannes habe sich standhaft geweigert als Beichtvater <strong>der</strong> Königin das<br />

Beichtgeheimnis preiszugeben, gehört in das Reich <strong>der</strong> Legende. Es ist nicht einmal belegt, ob er Beichtvater<br />

<strong>der</strong> Königin war. Die Gründe für diesen grauenhaften Justizmord sind vielmehr politischer <strong>und</strong> sozialer Art.<br />

Politisch war es <strong>der</strong> Kampf zwischen Kirche <strong>und</strong> Staat um die Vorherrschaft in Böhmen. Der soziale Aspekt liegt<br />

darin begründet, dass <strong>der</strong> Erzbischof <strong>und</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e hochgestellte Kleriker von Adel waren. König Wenzel wäre möglicherweise in einen Konflikt mit<br />

seinen adeligen Standesgenossen geraten, wenn er gegen sie vorgegangen wäre. Deshalb fällt seine Rache auf den Vertreter <strong>der</strong> Kirche aus bürgerlicher<br />

Herkunft. Die Kirche lässt jedoch dem toten Generalvikar eine beson<strong>der</strong>e Ehre wi<strong>der</strong>fahren: sie setzt ihn im St. Veitsdom bei, eine Ehre, die sonst nur<br />

Bischöfen zuteil wurde. Von Anfang an wird er vom Volk verehrt. Liegen die Ursachen in <strong>der</strong> Vorstellung, dass hier ein schweres Unrecht geschehen ist?<br />

War es vielleicht <strong>der</strong> Vergleich mit Christus selbst? Auch <strong>der</strong> Tod Christi war ein grausamer Justizmord, verb<strong>und</strong>en mit purem Opportunismus <strong>der</strong> römischen<br />

Staatsmacht in Palästina. Möglicherweise ist auch ein aufkommen<strong>der</strong> Nationalismus mit im Spiel, denn Johannes stammte immerhin aus dem tschechischen<br />

Volke. Kurze Zeit später wird <strong>der</strong> erste tschechische Nationalismus zu einer politischen Macht. Seine<br />

Symbolfigur wird Jan Hus, <strong>der</strong> im Jahre 1415 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Legenden bilden sich um den<br />

toten Johannes <strong>und</strong> verbreiten sich rasch im Volk. Bereits beim Ertrinken in <strong>der</strong> Moldau soll ein Sternenkranz um<br />

seinen Kopf gesehen worden sein. Man beachte in diesem Zusammenhang die häufige Darstellung auf seinen<br />

Standbil<strong>der</strong>n. Auch W<strong>und</strong>er wurden ihm zugeschrieben. 1719 wurde sein Grab im St. Veitsdom in Anwesenheit<br />

mehrerer Ärzte geöffnet. Man fand dabei ein unverwestes organisches Weichteil, das als Zunge identifiziert wurde.<br />

Dies gab <strong>der</strong> Legende vom standhaften Beichtvater <strong>der</strong> Königin neue Nahrung. 1721 wurde er selig, 1729 heilig<br />

gesprochen. Eine 1973 stattgef<strong>und</strong>ene weitere Exhumierung identifizierte den nach wie vor unverwesten <strong>und</strong><br />

ursprünglich für die Zunge gehaltenen Weichteil als Teil des Gehirns.<br />

Seligsprechung <strong>und</strong> Heiligsprechung, verb<strong>und</strong>en mit <strong>der</strong> Legendenbildung, führten zu einer spontanen Zunahme <strong>der</strong><br />

Verehrung im Lande. Die Errichtung <strong>der</strong> Statue in Haslau im Jahre 1720 ist dafür ein Beispiel. Diese Verbreitung hat<br />

wie<strong>der</strong>um einen politischen Hintergr<strong>und</strong>. In <strong>der</strong> Schlacht am Weißen Berg bei Prag im Jahre 1620 wurde <strong>der</strong> protestantisch<br />

gewordene böhmische Adel von den katholischen Habsburgern besiegt. Diese betrieben in <strong>der</strong> Folgezeit<br />

eine gezielte Rekatholisierung des Landes. Auch dafür ist Haslau wie<strong>der</strong>um ein Beispiel: es wird 1624 wie<strong>der</strong> katholisch.<br />

Zur Festigung <strong>der</strong> katholischen Lehre in <strong>der</strong> Bevölkerung brauchte man einen Heiligen, <strong>der</strong> den Glauben<br />

personifizierte. Der Johannes- bzw. Nepomukkult wurde deshalb von den Habsburgern systematisch geför<strong>der</strong>t. Mit<br />

<strong>der</strong> Selig- <strong>und</strong> Heiligsprechung 1721 bzw. 1729 erfuhr dieser Kult auch seine kirchenrechtliche Legitimation. Es<br />

mutet wie ein Treppenwitz <strong>der</strong> Geschichte an: <strong>der</strong> absolutistische Staat <strong>der</strong> Habsburger, in dem <strong>der</strong> Wille des<br />

Herrschers Gesetz war <strong>und</strong> <strong>der</strong> keinen Wi<strong>der</strong>spruch seiner Untertanen duldete, för<strong>der</strong>te den Kult um einen Heiligen,<br />

Der Haslauer „Johannes“<br />

<strong>der</strong> gerade durch seinen Wi<strong>der</strong>spruch gegenüber <strong>der</strong> Staatsmacht zu <strong>der</strong>en Opfer wurde.

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