Zeitgeschichtlicher Hintergrund - Volkstheater Rostock
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Hilfstruppen, die er Frankreich geliefert hatte, sein Reichskontingent stellen sollte, das bis dahin nicht<br />
vorhanden war, da schritt er mit einer Rücksichtslosigkeit zur gewaltsamen Aushebung seiner Bürger und<br />
Bauern, die im schroffsten Gegensatze zu deren verbrieften Rechten stand und zu langjährigen<br />
Zwistigkeiten mit den Landständen führte. Der berüchtigte Major Rieger erhielt Vollmacht, in kürzester Zeit<br />
die nöthige Truppenzahl zu liefern. So schwer das war, da die Schwaben gegen Friedrich den Großen als<br />
Beschützer des Protestantismus in Deutschland nicht dienen wollten - Karl Eugen war katholisch - so<br />
erfüllte Rieger doch seinen Auftrag. Wer achtzehn Jahre und sonst tauglich war, musste Soldat werden;<br />
vom Feld und aus den Werkstätten, aus den Häusern und aus den Betten holte man die Leute, umstellte<br />
sonntags die Kirche und ließ sie von da gewaltsam fortschleppen; zur Unterzeichnung der Kapitulation<br />
aber zwang man sie durch Hunger und Gefängniß. Beamte, die sich hierbei nicht recht thätig zeigten,<br />
wurden mit strengen Strafen bedroht. Die auf solche Art zusammengeraffte Mannschaft empörte sich<br />
jedoch, als sie in's Feld ziehen sollte, und Rieger musste mit noch grausamerer Strenge ein neues Heer<br />
zusammenbringen. - Ueber dies Verfahren entstand allgemeiner Unwille im Lande; indessen fruchteten<br />
die wiederholten wehmüthigsten, aber respektvollsten Vorstellungen des ständischen Ausschusses nicht.<br />
Weil aber die Desertionen so sehr überhand nahmen, dass die Truppen in kurzer Zeit 360 Deserteure<br />
zählten und im September 1757 allein aus dem Feldlager bei Linz 62 ausrissen, so wurden die Gesetze<br />
gegen das Desertiren bedeutend verschärft. Selbst wer mit Gewalt zum Kriegsdienst weggenommen war,<br />
wurde, sobald man ihn wieder ergriff, gehängt und mit Vermögensverlust bestraft. Wer einem Deserteur<br />
half, verlor das Bürgerrecht, wurde ohne weitern Prozess ins Zuchthaus abgeführt und hier, unter<br />
wiederholtem Willkomm (d. h. Stockprügeln) zu harter Arbeit angehalten. [...]<br />
Sir Joseph Yorke hatte Suffolk im September 1775 den Herzog von Würtemberg als einen Fürsten<br />
genannt, der wohl im Stande sein werde, einige tausend Mann zu liefern; auch der Herzog selbst hatte<br />
sich dem Minister angeboten. Es kam also zunächst auf den Versuch an, Verhandlungen mit ihm<br />
anzuknüpfen. [...]<br />
Am 19. Januar 1777 bot Römer in aller Förmlichkeit 3 000 Würtemberger an, die gegen Mitte März in<br />
Heilbronn eintreffen und sich dort einschiffen sollten. "Ich erlaube mir", schrieb Römer, "am Schlusse zu<br />
versichern, dass der Herzog bei seiner hohen persönlichen Ehrerbietung vor Seiner Majestät alles<br />
aufbieten wird sich bei dieser Gelegenheit durch sorgfältig ausgewählte Mannschaften und gute<br />
Ausrüstung der Offiziere und Soldaten auszuzeichnen und dass er den König, Ew. Lordschaft und den<br />
Oberbefehlshaber in Amerika zu befriedigen suchen wird." [...]<br />
Anders lautete die Lesart, die [...] Faucitt bei genauerer Besichtigung gab.<br />
„Ich wurde", schreibt er am 7. Februar 1777 von Stuttgart, "dem Herzoge am Tage meiner Ankunft [...]<br />
vorgestellt. Er versprach mir sofort dem Könige die 3 000 Mann zur festgesetzten Zeit zu liefern; die<br />
Minister versicherten aber, dass dieses Versprechen sich unmöglich erfüllen lasse. Ich bedaure, dass<br />
meine Verhandlungen an diesem Hofe voraussichtlich zu Nichts führen werden. Der Herzog ist nicht im<br />
Stande, ein Drittel der in Aussicht gestellten Truppen zu liefern. Sein Kredit und seine Finanzen sind bei<br />
einer so niedrigen Ebbe angekommen, dass er, selbst wenn er die Truppen auszuheben vermag,<br />
unmöglich gute Waffen und Uniformen anschaffen kann, um sie für's Feld auszurüsten. [...] Seine ganze<br />
Armee besteht aus 1690 Mann (Offiziere und Unteroffiziere nicht mit eingeschlossen). [...] Ein großer Theil<br />
der Soldaten ist beurlaubt. Was bei den Fahnen steht, ist der steif, alt und dekrepit gewordene Ueberrest<br />
aus dem letzten Kriege. Um die Desertion zu verhindern, giebt man den Soldaten, deren Zeit längst<br />
abgelaufen ist, ihre fällig gewordene Löhnung nicht. Ihre Waffen stammen aus dem letzten Kriege, sie sind<br />
von allen Kalibern, dabei abgenutzt und werthlos. Ihre Feld-Ausrüstung und Zelte sind von noch<br />
schlechterer Beschaffenheit. Die Offizierszelte sind in Stücke geschnitten und in verschiedene Formen<br />
gebracht um bei den ländlichen Festen des Herzogs zu dienen. Ohne neue Zelte können sie gar nicht<br />
marschiren. Dieser entmuthigende Zustand der würtembergischen Armee erschreckte mich derartig, dass<br />
ich mir des Herzogs Geständniß, er könne nicht alle 3 000 Mann in der vorgeschriebenen Zeit liefern, zu<br />
Nutze machte und erklärte, ich müsse auf der ganzen Zahl bestehen, jedenfalls Ihnen aber erst Bericht<br />
erstatten. Der Herzog ernannte zwei seiner Minister und einen Major zur Unterhandlung mit mir, welche<br />
keinen der bisherigen Verträge kannten. Ich entwarf einen nach dem Muster des braunschweigischen, da<br />
dieser der mäßigste von allen ist. Die Subsidien beschränkte ich auf sechs Monate, statt zwei Jahre wie in<br />
Braunschweig einzuräumen. Ebenso bewilligte ich vor dem Abmarsch nur sieben Tage Löhnung statt zwei<br />
Monate. Ich war natürlich bereit bessere Bedingungen zu gestalten, falls es verlangt würde. Die Herren<br />
machten aber nicht die geringsten Einwendungen."<br />
Friedrich Kapp: Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika. Berlin<br />
1874,<br />
S.94 f., 92, 99, 100 f.