09.01.2013 Aufrufe

Der Bio-Rebell feiert das Leben - Biokreis

Der Bio-Rebell feiert das Leben - Biokreis

Der Bio-Rebell feiert das Leben - Biokreis

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

n_3_12.qxp 30.05.2012 11:20 Seite 18<br />

<strong>Bio</strong>kreis<br />

Porträt<br />

<strong>Der</strong> <strong>Bio</strong>-<strong>Rebell</strong> <strong>feiert</strong> <strong>das</strong> <strong>Leben</strong><br />

Hans Glück hat viele Schicksalsschläge überwunden – Großes Hoffest im Herbst<br />

Text und Bilder: Simone Kuhnt<br />

Zwei mit Dickkopf: Hans Glück und<br />

sein Zuchtstier Edmund.<br />

Im September ist es zehn Jahre<br />

her: <strong>Bio</strong>bauer Hans Glück (54)<br />

aus Tittmoning muss nur kurz<br />

am Landwirtschaftsamt in Traunstein<br />

etwas erledigen. Die Kühe stehen<br />

auf der Weide, alles ist friedlich.<br />

Als Hans Glück wieder zurückkommt,<br />

ist sein Hof nicht mehr da.<br />

Abgebrannt. Was noch zu retten ist,<br />

tragen fremde Menschen aus dem<br />

von Flammen und Löschwasser zerstörten<br />

Wohnhaus heraus. „Ich war<br />

nur zwei Stunden weg, danach war<br />

alles anders. Die ersten Tage hoffte<br />

ich, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> nur geträumt hab`“,<br />

erzählt Hans Glück. Ein Defekt bei<br />

der Hackschnitzelheizung hatte <strong>das</strong><br />

Feuer entfacht, wochenlang hing der<br />

Brandgeruch in der Luft.<br />

Glücklicherweise kamen weder Menschen<br />

noch Tiere zu Schaden, und der<br />

<strong>Bio</strong>kreis-Landwirt war gut versichert,<br />

so <strong>das</strong>s er den Hof neu aufbauen konnte.<br />

Doch <strong>das</strong> war nicht der einzige<br />

Schicksalsschlag, den er zu überwinden<br />

hatte. Und dennoch liebt er <strong>das</strong><br />

<strong>Leben</strong>. Am 29. und 30. September gibt<br />

er zusammen mit seinen Kollegen<br />

Hans Urbauer und Hias Kreuzeder ein<br />

großes Hoffest. Das Trio <strong>feiert</strong> „3 Mal<br />

30 Jahre <strong>Bio</strong>-<strong>Rebell</strong>en“. Am Samstag<br />

spielt Hans Söllner. Am Sonntag findet<br />

ein agrarpolitischer Frühschoppen mit<br />

dem Bund Naturschutz-Vorsitzenden<br />

Hubert Weiger statt, und abends steht<br />

Hans Well von der Ex- Biermösl Blosn<br />

18 <strong>Bio</strong>nachrichten 3 | Juni/Juli 2012<br />

auf der Bühne. Bei Hofführungen wird<br />

Glück den Festgästen seinen Betrieb<br />

vorstellen: 19,5 Hektar insgesamt,<br />

davon 7 Hektar Eigenfläche. 11 Hektar<br />

sind Dauergrünland, der Rest Kartoffel-,<br />

Getreide- und Gemüseacker.<br />

Auf der Weide steht eine Herde mit<br />

zehn Mutterkühen und Nachzucht,<br />

Zuchtstier Edmund und ein paar<br />

Ochsen, Kreuzungen aus Deutsch<br />

Angus, Fleckvieh und Pinzgauer. Auch<br />

Schweine, Schafe und Hühner gehören<br />

zum Betrieb. „Lieber Vielfalt als<br />

Einfalt“, erklärt Hans Glück seine<br />

Philosophie.<br />

Er wollte gar nicht Bauer sein<br />

Seine Tiere werden vom <strong>Bio</strong>kreis-<br />

Betrieb Burreiner geschlachtet, ihr<br />

Fleisch wird in Glück`s Hofladen vermarktet.<br />

Dort gibt es auch zugekaufte<br />

<strong>Leben</strong>smittel und Feinkost aus der<br />

Region, Blumen – und Kartoffeln,<br />

Kraut, Zwiebeln, Lauch, Radi,<br />

Karotten und Salate vom eigenen<br />

Acker. „Ich behaupte, <strong>das</strong>s meine gelben<br />

Rüben geschmacklich die besten<br />

sind, die man kriegen kann. Für sie ist<br />

der steinige Boden hier im Rupertiwinkel<br />

ideal“, erzählt Hans Glück<br />

stolz. Dabei hatte er nie Bauer werden<br />

wollen. „In der Kindheit war ich<br />

geprägt von der Einstellung „wir sind<br />

nicht viel wert mit unseren paar<br />

Tagwerk“, sagt Glück. Wäre es nach<br />

seiner Mutter gegangen, wäre er als<br />

erstgeborener Sohn mit drei älteren<br />

Schwestern Pfarrer geworden. Aber<br />

auch <strong>das</strong> wollte er nicht, daran konnte<br />

auch ein Internat nichts ändern. Hans<br />

ließ sich die Haare nicht mehr schneiden,<br />

wurde hinausgeschmissen, stand<br />

ohne Abschluss da. Aus der Not heraus<br />

machte er 1974 doch auf dem<br />

Milchviehbetrieb der Eltern eine Lehre.<br />

Zwar schämte er sich anfangs, Bauer<br />

zu sein, „lieber hätt ich den Mädchen<br />

gesagt, ich bin Maurer oder Spengler.“<br />

Doch er wuchs hinein, besuchte die<br />

Winterschule und bekam im Oktober<br />

1979 mit 23 Jahren – da war sein Vater<br />

63 – den Hof überschrieben. Es war<br />

eine bewegte Zeit damals: Als einer der<br />

besten Absolventen erhielt er ein<br />

Stipendium für einen Persönlichkeitsbildungskurs<br />

an der Landvolkshochschule<br />

Wies (Landkreis Weilheim-<br />

Schongau), und seine Freundin Roswitha<br />

war schwanger. Fast hätte er deshalb<br />

den Kurs nicht belegt, doch die<br />

Eltern drängten ihn dazu. Dies und die<br />

frühe Hofübergabe sollten sie später<br />

bereuen.<br />

Die Eltern waren gegen Ökolandbau<br />

Hans Glück fuhr im Januar als konventioneller<br />

Landwirt in die Landvolkshochschule<br />

und kam zweieinhalb<br />

Monate später als <strong>Bio</strong>bauer zurück.<br />

„Ich war total infiziert, wollte umstellen.<br />

Die Eltern waren geschockt.“<br />

Doch der Hof gehörte ihm, und er folgte<br />

seiner Überzeugung. Im März 1980<br />

kam sein Sohn Bernhard zu Welt, im<br />

Mai wurde geheiratet, und im Abstand<br />

von je zwei Jahren folgten die Kinder<br />

Michael und Rosina.<br />

Die ersten zwei Jahre als <strong>Bio</strong>bauer<br />

empfand Glück als Spießrutenlauf. „Ich


n_3_12.qxp 30.05.2012 11:21 Seite 19<br />

hatte keine Ahnung, wie ökologischer<br />

Landbau geht. Das Futter für die<br />

Milchkühe reichte nicht, die Felder<br />

sahen chaotisch aus, die Nachbarn<br />

machten sich lustig. Ich war oft kurz<br />

davor, mir wieder Kunstdünger zu<br />

holen. Es war eine brutale Schule.“<br />

Auch <strong>das</strong> Zusammenleben des Paares<br />

mit Hans` Eltern gestaltete sich nicht<br />

ganz einfach. Erst im Laufe der Zeit<br />

sollten sie ihre Differenzen überwinden,<br />

unter anderem mit Hilfe von<br />

getrennten Wohnbereichen.<br />

Im dritten Jahr ging es in der<br />

Landwirtschaft endlich aufwärts.<br />

„Unsere Felder sahen gut aus, wir<br />

machten Flurbegehungen mit 200<br />

Leuten, wir waren eine Attraktion.<br />

Mein Selbstwertgefühl stieg. <strong>Bio</strong>bauer<br />

zu sein wurde zu meiner Berufung.<br />

1984 kämpften wir mit weiteren<br />

Bauern gegen die Milchkontingentierung<br />

und mischten die Gegend<br />

auf“, berichtet Hans Glück. Doch als<br />

1986 der Reaktor in Tschernobyl<br />

explodierte, brach eine Welt zusammen.<br />

„Da war so viel Radioaktivität auf<br />

unseren Feldern, der Boden war hin.<br />

Wir wussten nicht, ob der ökologische<br />

Landbau noch Sinn machte oder nicht.“<br />

Doch sie machten weiter. Hans, inzwischen<br />

landwirtschaftlicher Meister,<br />

wurde zwar immer wieder darauf hingewiesen,<br />

<strong>das</strong>s so kleine Betriebe keine<br />

Zukunft hätten. Aber er beweist mit der<br />

Vielfalt und der Direktvermarktung bis<br />

heute <strong>das</strong> Gegenteil.<br />

Sohn Bernhard ertrank beim Baden<br />

Privat ging es 1988 steil bergab, als<br />

sein geliebter Bub Bernhard beim<br />

Baden ertrank. Hans und seine Frau<br />

stürzten in eine Krise, die sie nicht<br />

gemeinsam bewältigen konnten.<br />

„Frauen und Männer trauern anders.<br />

Wir haben uns gegenseitig nicht mehr<br />

verstanden, und daran scheiterte die<br />

Ehe“, bekennt Hans Glück. Die Kinder<br />

lebten abwechselnd bei Mutter und<br />

Vater, gingen ihren Weg. Mittlerweile<br />

macht Michael (30) sein Examen zum<br />

Hauptschullehrer, Rosina (28) ist Industriekauffrau.<br />

„Sie bekommt ein<br />

Baby und zieht mit ihrer Familie wieder<br />

zu mir auf den Hof. Ich werde<br />

Opa“, sagt Hans Glück und freut sich<br />

darauf.<br />

Zwei Jahre die Mutter gepflegt<br />

Jahrelang lebte der 54-Jährige ohne<br />

Familie auf dem Hof. 1996 war sein<br />

Vater gestorben, 2007 seine Mutter, die<br />

er zwei Jahre gepflegt hatte. „Ich bin<br />

froh, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> gemacht habe. Ich<br />

konnte ihr so viel zurückgeben, wir<br />

sind uns nochmal sehr nahe gekommen.<br />

Obwohl ich nicht der wurde, den<br />

sie sich wünschte, weder bei der CSU<br />

noch Pfarrer noch bei der Feuerwehr<br />

noch im Trachtenverein bin, hat sie<br />

verstanden, <strong>das</strong>s es nicht um <strong>das</strong> Außen<br />

geht. Sie war geistig fit, ich habe sie<br />

angezogen, gewaschen, für uns gekocht,<br />

und wir haben viel geratscht. Es<br />

war eine gute Zeit für sie. Sie konnte<br />

hier im Haus sterben“, erzählt Hans<br />

Glück. Drei Tage nach der Beerdigung<br />

lebte er wieder seinen eigenen<br />

Rhythmus, mit dem guten Gefühl „Ich<br />

habe getan, was ich konnte.“<br />

Ganz ohne Gesprächspartner war er<br />

aber nie: Seit 20 Jahren beschäftigt er<br />

während der Saison Praktikanten, die<br />

ihm helfen - auf dem Acker und in der<br />

Mutterkuhhaltung, auf die Glück 1990<br />

<strong>Der</strong> Hofladen ist gut sortiert, Hans Glück und sein Praktikant<br />

Dinar Beck (20) aus Kirgistan sind motiviert.<br />

umgestellt hatte. Die Praktikanten<br />

kommen aus aller Welt und lernen von<br />

ihm ökologischen Landbau. Bereits<br />

zum dritten Mal teilt Glück momentan<br />

seinen Haushalt mit einem Agrarstudenten<br />

aus Kirgistan. „Ich habe viel<br />

von der Welt gesehen, war in Afrika,<br />

Amerika und Asien. Jetzt hole ich mir<br />

die fremden Kulturen ins Haus. Es ist<br />

spannend, wie sich die jungen Leute in<br />

ein paar Monaten entwickeln“, sagt der<br />

<strong>Bio</strong>bauer.<br />

In den Stadtrat nachgerückt<br />

2011 rückte er auf der Liste der Grünen<br />

in den Tittmoninger Stadtrat nach. „Das<br />

hat mir noch gefehlt zu meinem<br />

Glück“, lacht der Landwirt, der von<br />

1995 bis 2007 im <strong>Bio</strong>kreis-Vorstand<br />

aktiv war. Anträge schreiben, Sitzungen<br />

und Veranstaltungen besuchen -<br />

den Fernseher braucht er nur noch selten.<br />

Lieber setzt er sich für eine gentechnikfreie<br />

Gemeinde, für Windkraft<br />

und regionale <strong>Leben</strong>smittel ein. In der<br />

Zeitung stand kürzlich, der Bürgermeister<br />

halte ihn für einen Aufwiegler.<br />

Glück nimmt`s gelassen.<br />

Im Winter gönnte er sich zum ersten<br />

Mal eine Kur. Drei Wochen probierte er<br />

Yoga aus und meditierte, betrieb<br />

Fitness und Wellness und ging sogar<br />

walken. „Es war ein Traum. Ich hab<br />

mich noch nie so entspannt erlebt“.<br />

Hans Glück bemüht sich jetzt, sein<br />

<strong>Leben</strong> zu entschleunigen, öfter mal ein<br />

paar Tage eine Auszeit zu nehmen.<br />

Auch wenn <strong>das</strong> gar nicht so leicht ist.<br />

Politisch sei viel los in der Gegend.<br />

Und <strong>das</strong> Hoffest im September bedeute<br />

zudem einen riesigen Aufwand. Aber<br />

egal: Hans Glück will feiern. Den ökologischen<br />

Landbau. Und <strong>das</strong> <strong>Leben</strong>.<br />

<strong>Bio</strong>nachrichten 3 | Juni/Juli 2012 19<br />

Porträt <strong>Bio</strong>kreis

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!