Zwischen Schäfer-Romantik und Pachtpreis-Realität - Biokreis
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n_2_12.qxp 29.03.2012 11:43 Seite 22<br />
<strong>Biokreis</strong> Ährlich bio!<br />
Auf was es bei den Kammergrubers<br />
ankommt: Schafe <strong>und</strong> Naturschutz<br />
Der Landkreis Rottal-Inn ist der vieh<strong>und</strong><br />
biogasreichste Landkreis in Bayern.<br />
Auch viele Masthähnchenbetriebe<br />
<strong>und</strong> Pferdehalter gibt es hier. Ökoschafhalter<br />
sind dagegen eine seltene<br />
Spezies. Einer davon ist <strong>Biokreis</strong>-<br />
Landwirt Klaus Kammergruber (42).<br />
Zusammen mit seiner Lebensgefährtin<br />
Sabine Baumeister (43) hält er 900<br />
Merino-Schafe. Diese verbringen den<br />
Winter im Kaltstall bei Eggenfelden<br />
<strong>und</strong> weiden im Sommer draußen auf<br />
den Wiesen. Aber nicht daheim, sondern<br />
im 140 Kilometer entfernten<br />
Riedenburg im Altmühltal. „Die<br />
<strong>Pachtpreis</strong>e hier im Rottal haben sich<br />
mehr als verdoppelt. Früher kostete ein<br />
Hektar 350 Euro pro Jahr. Jetzt sind es,<br />
wenn ich Glück habe <strong>und</strong> der<br />
Verpächter den Ökolandbau unterstützt,<br />
mindestens 700 Euro“, erklärt Klaus<br />
Kammergruber, Betreiber von Biogas-<br />
Anlagen könnten dagegen 1000 Euro<br />
bezahlen. Damit rentiert sich auch sein<br />
zweites Standbein, die Pflege von<br />
Magertrockenrasenflächen <strong>und</strong> FFH-<br />
Habitaten für KuLaP-Prämien, nicht<br />
mehr so wie noch vor ein paar Jahren.<br />
22 Bionachrichten 2 | April/Mai 2012<br />
„Ährlich bio!“ geht in die nächste R<strong>und</strong>e<br />
Mit den Betrieben Kammergruber <strong>und</strong> Bley beenden wir die erste R<strong>und</strong>e von Ährlich bio! Wer die Gewinner sind <strong>und</strong> alles Weitere zur<br />
Ehrung erfahren Sie in der Juni-Ausgabe der Bionachrichten. Die Anmeldung für die zweite R<strong>und</strong>e läuft ab sofort. Aus organisatorischen<br />
Gründen mussten wir die Teilnehmer-Anzahl jedoch auf sechs Betriebe begrenzen. Das Anmeldeformular finden Sie unter www.biokreis.de,<br />
oder Sie fordern es telefonisch unter 0851 / 75 65 0-18 an. Wir freuen uns über zahlreiche Anmeldungen, <strong>und</strong> vielleicht schauen wir das<br />
nächste Mal ja bei Ihnen vorbei? Eva Schuster <strong>und</strong> Simone Kuhnt<br />
<strong>Zwischen</strong> <strong>Schäfer</strong>-<strong>Romantik</strong> <strong>und</strong> <strong>Pachtpreis</strong>-<strong>Realität</strong><br />
Klaus Kammergruber <strong>und</strong> Sabine Baumeister betreiben eine<br />
Landwirtschaft im Rottal – <strong>und</strong> verbringen den Sommer im Altmühltal<br />
Text <strong>und</strong> Bilder: Simone Kuhnt<br />
Haben Freude mit ihren Lämmern: Sabine Baumeister <strong>und</strong> Klaus Kammergruber.<br />
Wie der Ökolandbau gestaltet ist:<br />
Fleisch <strong>und</strong> Ackerbau<br />
Als Kammergruber seine 70 Hektar<br />
Ackerland <strong>und</strong> die 30 Hektar Grünland<br />
(davon 17 Hektar eigene Fläche) im<br />
Jahr 2000 auf biologische Landwirtschaft<br />
umstellte, war die Kombination<br />
von Schafhaltung <strong>und</strong> Landschaftspflege<br />
eine gewinnbringende<br />
Nische auf dem Markt: Lammfleisch<br />
war gefragt, die Abnehmer bezahlten<br />
gut – <strong>und</strong> die <strong>Pachtpreis</strong>e im Rottal<br />
waren erschwinglich. Das ist vorbei.<br />
Seit 2006 fahren der <strong>Biokreis</strong>-Landwirt<br />
<strong>und</strong> seine Partnerin jedes Jahr im April<br />
die Herde ins Altmühltal, wo die<br />
Pachtflächen billiger sind <strong>und</strong> die<br />
Schafe bis Ende September 50 Hektar<br />
Mager-/Trockenrasen <strong>und</strong> Wacholderhänge<br />
<strong>und</strong> 40 Hektar entlang eines<br />
Kanals auf ökologische Weise pflegen.<br />
Sieben Hüteh<strong>und</strong>e haben sie dabei, <strong>und</strong><br />
eine Herde Ziegen: sie knabbern an den<br />
Sträuchern <strong>und</strong> unterstützen auf ihre<br />
Weise den Landschaftsschutz.<br />
Vermarktet werden die Lämmer regional<br />
über den Eggenfeldener Bauernmarkt<br />
<strong>und</strong> Rottaler Bauernspezialitäten,<br />
sowie an Chiemgauer Naturfleisch<br />
<strong>und</strong> den Biobauern-Frisch-<br />
dienst. Für die Tierges<strong>und</strong>heit arbeitet<br />
der Betrieb vorrangig mit homöopathischen<br />
Globuli <strong>und</strong> Salben. Bei der<br />
Geburtshilfe helfen sich Klaus <strong>und</strong><br />
Sabine selbst: „Durch die Routine sind<br />
wir relativ fit, falls es zu Komplikationen<br />
kommt.“ Mit dem Scheren beauftragen<br />
sie einen Nachbarschäfer.<br />
Der befreit pro Tag 200 Tiere von ihrer<br />
Wolle. Still <strong>und</strong> leise läuft auf dem<br />
Betrieb ein kleiner Laden für Wollprodukte<br />
mit.<br />
Im Sommer fressen die Tiere Gras von<br />
Ökoflächen, im Winter Öko-Grassilage,<br />
Heu <strong>und</strong> Stroh. Die Lämmer füttern<br />
die Kammergrubers zusätzlich mit<br />
Getreide, vor allem Gemenge, von den<br />
eigenen Äckern. Angenbaut werden<br />
Weizen, Ackerbohnen, Erbsen, Dinkel<br />
<strong>und</strong> Braugerste. Im Sommer, wenn<br />
Klaus <strong>und</strong> Sabine bei den Schafen in<br />
Riedenburg sind, kümmert sich Kammergrubers<br />
Sohn Klaus (21) um Ackerbau<br />
<strong>und</strong> Grünland auf dem Betrieb in<br />
Eggenfelden. Er kennt sich gut mit den<br />
Maschinen aus, besucht die Meisterschule<br />
<strong>und</strong> ist in der Landwirtschaft<br />
verwurzelt.<br />
Was den Betrieb besonders macht:<br />
<strong>Schäfer</strong>-<strong>Romantik</strong> versus Abhängigkeit<br />
Sein Vater genießt derweil mit Sabine<br />
die <strong>Schäfer</strong>-Idylle im Altmühltal. Dort<br />
leben sie im Rhythmus der Natur,<br />
schlafen im Wohnwagen, pflegen den<br />
Kontakt zu den umliegenden <strong>Schäfer</strong>n,<br />
grillen abends <strong>und</strong> machen ab <strong>und</strong> zu<br />
ein Lagerfeuer. Quasi nebenbei muss<br />
Sabine aber regelmäßig nach<br />
Eggenfelden, um die Büroarbeit zu<br />
erledigen. Und sobald die Tiere die erste<br />
R<strong>und</strong>e der Riedenburger Flächen<br />
abgegrast haben, wird der Klaus unruhig:<br />
„Wenn ich weiß, dass der<br />
Sohnemann daheim beim Silieren<br />
rotiert, ist`s vorbei mit der <strong>Romantik</strong>.“
n_2_12.qxp 29.03.2012 11:44 Seite 23<br />
Kritisch sieht es auch Sabine. Bis sie<br />
im Jahr 2006 Klaus kennenlernte,<br />
arbeitete sie in Riedenburg als<br />
Büroangestellte. „Im Sommer bin ich<br />
ja quasi daheim, aber der erste Winter<br />
auf dem Hof war schon hart. Die Arbeit<br />
im Stall ist für uns alle kräfteraubend“,<br />
erzählt sie. Dazu komme, dass die<br />
Kosten für die Lämmerproduktion steigen<br />
würden, der Erlös am Lamm aber<br />
nicht nachziehe, berichtet ihr Partner.<br />
Ein Problem seien auch die steigenden<br />
<strong>Pachtpreis</strong>e. „Dadurch kann ich mir die<br />
Pacht bald nicht mehr leisten <strong>und</strong> verliere<br />
Flächen. Die Hälfte unseres<br />
Einkommens kommt aus der<br />
Landschaftspflege, aber ich habe es<br />
satt, von diesen Subventionen abhängig<br />
zu sein. Ich möchte, dass sich unsere<br />
Arbeit selbst trägt“, sagt Kammergruber.<br />
Dass er im November 2011 für<br />
seine Verdienste im Vertragsnaturschutz<br />
mit dem „Arche-Bayern-Betrieb“-Preis<br />
ausgezeichnet wurde, ist<br />
nur ein schwacher Trost.<br />
Was die Kammergrubers sonst noch<br />
so treiben: Fast nichts<br />
Die Arbeit fordert die beiden stark, für<br />
andere Interessen bleibt weder Zeit<br />
noch Energie. Nur am Sonntag nach<br />
getaner Arbeit machen sie manchmal<br />
„frei“, besuchen jemanden, kümmern<br />
sich um Haushalt <strong>und</strong> Büro oder entspannen<br />
auf der Couch.<br />
Impressionen<br />
Wie alles anfing: Bio zuerst aus wirtschaftlichen<br />
Gründen<br />
Den Betrieb seiner Eltern hat Klaus<br />
Kammergruber 1994 übernommen.<br />
Sein Vater, ein weichender Hoferbe,<br />
war mit seinen Schafen lange auf Wanderschaft.<br />
1969 bekam er durch den<br />
„Sesshaftmachungskredit“ ein zinsfreies<br />
Darlehen <strong>und</strong> kaufte den Hof bei<br />
Eggenfelden, den Klaus Kammergruber<br />
noch acht Jahre abbezahlen<br />
muss. Bis 2000 vermarktete der das<br />
Lammfleisch selbst, vor allem an Moslems.<br />
Aus wirtschaftlichen Gründen<br />
stellte er 2000 auf Bio um. Mittlerweile<br />
ist er jedoch Bioschäfer aus Überzeugung:<br />
„Ich würde mich im konventionellen<br />
Bereich nicht mehr zurecht finden.<br />
Es ist nicht ges<strong>und</strong>, was da passiert.“<br />
Wie es mit der Energieversorgung<br />
aussieht: Solarflächen verpachtet<br />
Ein kleines Zusatzeinkommen erwirtschaftet<br />
der <strong>Biokreis</strong>-Landwirt durch<br />
die Verpachtung von Solarflächen auf<br />
dem Dach des 2002 gebauten Stalls<br />
(250 kW). Das Wohnhaus auf dem<br />
Hof, in dem Kammergrubers Eltern<br />
<strong>und</strong> seine vier Kinder aus seiner<br />
geschiedenen Ehe, Monika (23, studiert<br />
Lehramt), Klaus (21), Melanie<br />
(18) <strong>und</strong> Sandra (14) leben, wird mit<br />
Gas <strong>und</strong> Holz aus dem eigenen 2,3<br />
Hektar großen Schlag geheizt.<br />
Ährlich bio! <strong>Biokreis</strong><br />
Welche Ziele sie noch haben:<br />
Wirtschaftlichkeit erhalten<br />
Klaus Kammergruber <strong>und</strong> Sabine<br />
Baumeister wollen in absehbarer Zeit<br />
ein Austragshaus auf dem Hof bauen.<br />
Sie wünschen sich auch, mehr Freizeit<br />
zu haben. Wie lange sie die <strong>Schäfer</strong>ei<br />
aufrechterhalten, ist unklar. Man müsse<br />
abwarten was die Reform 2013 bringt,<br />
sagt Kammergruber. Sein Sohn sei<br />
zwar Landwirt, trotzdem wolle er ihm<br />
alles offen halten.<br />
Welche Werte wichtig sind: Regionalität<br />
<strong>und</strong> Unabhängikeit<br />
Klaus Kammergruber möchte mit seinem<br />
Hof auf eigenen, ökonomisch stabilen<br />
Beinen stehen. Rein wirtschaftlich<br />
orientiert sind er <strong>und</strong> seine<br />
Partnerin aber nicht. „Ich versuche<br />
schon, das Ganze nicht so materiell zu<br />
sehen. Die Einzigartigkeit eines jeden<br />
Lebewesens zu erkennen, ist wertvoll.<br />
Klar muss es unterm Strich passen,<br />
aber „mitnehmen“ können wir eh nix.<br />
Wichtig ist der innere Seelenfriede“,<br />
erklärt Sabine Baumeister. Klaus liegt<br />
ebenfalls die Wertschätzung des<br />
„Produktes“ am Herzen, egal welcher<br />
Tierart. Außerdem ist beiden Regionalität<br />
wichtig: „Wir wollen keine<br />
Bioprodukte aus Holland, sondern von<br />
hier“, sagen sie.<br />
900 Merinoschafe verbringen den Winter im Kaltstall bei Eggenfelden, im Sommer werden sie 140 Kilometer entfernt geweidet.<br />
Ein paar Ziegen sind auch dabei. Seine Hüteh<strong>und</strong>e hat Klaus Kammergruber im Griff. An der Straße weist ein Schild auf<br />
sein Wollstüberl hin.<br />
Bionachrichten 2 | April/Mai 2012 23