SPEZIAL - Credit Suisse - Deutschland
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Foto: Sauber Motorsport AG<br />
Die Pokerrunde am Streckenrand<br />
Von Saison zu Saison mischen die Formel-1-Teams jeweils die Karten neu. Mit neuer<br />
Motorenpower, neuen Fahrern und einem neuen Windkanal hält auch Sauber Petronas<br />
ein paar Trümpfe in der Hand. Andreas Thomann, Redaktion Bulletin<br />
� Auf dem Circuit de Catalunya erreicht der<br />
Lärm schon am Morgen die Dezibelwerte<br />
eines Interkontinentalflughafens. Nicht<br />
weniger als acht Teams haben sich an diesem<br />
Januartag im Norden von Barcelona eingefunden,<br />
um zu testen, was das Zeug hält.<br />
Einzig McLaren Mercedes und Minardi haben<br />
sich der Party nicht angeschlossen. 47 Tage<br />
vor Beginn der Weltmeisterschaft scheint<br />
die Formel-1-Saison bereits lanciert. Ist sie<br />
im Prinzip auch, wenn man einmal davon<br />
absieht, dass die letzte gar nie richtig aufgehört<br />
hat. Denn in der Königsklasse des<br />
Motorsports gilt, was weiland schon der<br />
legendäre Sepp Herberger in die Fussball-<br />
Zitatensammlungen diktierte: «Nach dem<br />
Spiel ist vor dem Spiel.»<br />
Kaum haben die Boliden im Oktober – im<br />
Abschluss-Grand-Prix von Suzuka – zum<br />
letzten Mal die Zielflagge passiert, beginnt<br />
ein aufwändiges Testprogramm. Bis Jahresende<br />
jagen die Teams mit modifizierten<br />
Rennwagen über die Pisten des Südens und<br />
liefern den Tüftlern in den heimischen Entwicklungsabteilungen<br />
wertvolle Erkenntnisse.<br />
Inoffizieller «Wintermeister» war heuer das<br />
Team von BMW Williams mit 7925 Testkilometern,<br />
vor Jaguar mit 6969 Kilometern und<br />
Ferrari mit 6107, so die Berechnungen des<br />
Online-Portals f1total.com. Weil auch in der<br />
Formel 1 die Quantität nichts über die Qualität<br />
aussagt, widerspiegeln die Zahlen höchstens<br />
den Ehrgeiz oder die finanziellen Mittel<br />
eines Teams. Und den Hang von Motorsportjournalisten,<br />
alle möglichen und unmöglichen<br />
statistischen Daten zu erfassen und zu<br />
archivieren.<br />
Im Januar steigt dann allmählich der Puls<br />
von Teams, Fahrern und Fans. Aus den<br />
Garagen rollen die neuesten Kreationen<br />
der Formel-1-Schöpfer über den Laufsteg,<br />
meist im Rahmen von aufwändig inszenierten<br />
Shows mit hunderten von Journalisten und<br />
geladenen Gästen. Den Auftakt machte dieses<br />
Jahr das Team von BMW Williams – und<br />
lieferte gleich einen Paukenschlag. Während<br />
ein Laie gewöhnlich ausser den veränderten<br />
Sponsorenschriftzügen das neue Auto kaum<br />
vom letztjährigen unterscheiden kann, hat<br />
die eigenwillige Frontpartie des FW26 eine<br />
Sauber Petronas C23:<br />
Das ist neu<br />
Chassis | Der C23 ist deutlich kompakter<br />
ausgefallen als sein Vorgänger und<br />
besitzt daher auch eine bessere aerodynamische<br />
Effizienz.<br />
Motor | Zum ersten Mal dreht im Sauber<br />
der aktuelle Triebwerkstyp von Ferrari.<br />
Gemäss dem neuen Reglement muss für<br />
das ganze Rennwochenende mit dem<br />
gleichen Motor gefahren werden.<br />
Vorderradaufhängung | Die vorderen<br />
unteren Querlenker sind jetzt nicht mehr<br />
an zwei, sondern nur noch an einem<br />
zentralen Anlenkpunkt befestigt.<br />
Motorabdeckung | Wegen einer Reglementsänderung<br />
musste die Motorabdeckung<br />
in der Seitenansicht deutlich<br />
grösser werden.<br />
Heckflügel | Das neue Reglement<br />
schreibt statt drei nur noch zwei obere<br />
Elemente vor. Damit wird der maximale<br />
Abtrieb spürbar reduziert.<br />
Getriebe | Bisher hat Sauber ein eigenes<br />
Getriebe eingesetzt. Neu benutzt man das<br />
Siebenganggetriebe von Ferrari.<br />
FORMEL 1<br />
neue Formensprache geschaffen: Die Nase ist<br />
sozusagen einem Loch gewichen. Weder der<br />
etwas später präsentierte Sauber Petronas<br />
C23 noch der Toyota TF104 oder der Jaguar<br />
R5 (warum haben Formel-1-Autos eigentlich<br />
so schlecht einprägsame Namen?) warteten<br />
mit ähnlich augenfälligen Innovationen auf.<br />
Was selbstverständlich nichts über deren<br />
Stärke aussagt, denn auffällig heisst nicht<br />
zwangsläufig auch schnell.<br />
Oder vielleicht doch? Ausgerechnet die<br />
beiden BMW-Williams-Piloten Juan Pablo<br />
Montoya und Ralf Schumacher fuhren am<br />
ersten grossen Test-Happening in Barcelona<br />
mit ihren neuen Ungeheuern die schnellste<br />
Runde. Was abermals zu relativieren ist,<br />
denn Testzeiten sind allenfalls dankbares<br />
Journalistenfutter für die Sauregurkenzeit.<br />
Weil die Wagen mit unterschiedlichen Tankfüllungen<br />
fahren, sind die Ergebnisse stark<br />
verzerrt. Selbstverständlich gibt keines der<br />
Teams diese Tankmengen bekannt, schliesslich<br />
will man ja die Gegner an der Nase<br />
herumführen – ein Teil des Nervenkriegs,<br />
der in dieser Phase schon voll im Gange ist.<br />
Crash-Festival steigert die Vorfreude<br />
In Barcelona konnte sich diese knisternde<br />
Atmosphäre zum ersten Mal entladen: Es<br />
krachte fast in jeder Kurve – was ganz nach<br />
dem Geschmack der Formel-1-Presse war.<br />
Endlich konnte man den auf Entzug stehenden<br />
Fans zu Hause wieder etwas Handfestes<br />
melden. Zum Beispiel, dass Mark Webber<br />
vor der Zielkurve seinen Jaguar zerlegte<br />
(zum Glück noch das letztjährige Modell).<br />
Oder dass die Jungfernfahrt des unbekannten<br />
Formel-3-Piloten Timo Glock nach 54<br />
Runden jäh endete: mit einem abgebrochenen<br />
Rad und einer Stichflamme, die aus dem<br />
Heck seines Jordan schoss.<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Bulletin Spezial 15