SPEZIAL - Credit Suisse - Deutschland
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FORMEL 1<br />
In China galt es, die Schwierigkeiten umgekehrt<br />
zu bekämpfen: 40 000 Betonpfähle,<br />
bis zu 80 Meter lang, wurden im sumpfigen<br />
Untergrund versenkt. Nur so bekam die Piste<br />
den nötigen Halt. Die Dimensionen sind<br />
gewaltig: Die Multifunktionsstrecke in der<br />
Wüste bietet Platz für 150 000 Zuschauer,<br />
das Motodrom von Shanghai gar für 200 000.<br />
Dafür werden jeweils eine Viertelmilliarde<br />
Euro an Investitionskosten fällig.<br />
Für die neuen Formel-1-Destinationen<br />
lieferte der deutsche Hermann Tilke massgeschneiderte<br />
Rennwelten (siehe Interview<br />
S.10). Die Planung bereitete dem Maestro<br />
unter den Streckenarchitekten grössten<br />
Spass: «Die Kulturen, in denen wir die<br />
Rennstrecken bauen, sind für uns exotisch<br />
und aufregend. Sowohl in Shanghai wie in<br />
Bahrain soll man erkennen, in welchem Land<br />
das Rennen gefahren wird.» Dafür entsteht<br />
im Start- und Zielbereich des Bahrain International<br />
Circuit eine Art Oase mit viel Grün<br />
und wuchtigen Palmen. «Bildlich gesprochen<br />
machen sich die Rennwagen von dort aus<br />
auf den Weg in die Wüste, um dann wieder<br />
in die Oase zurückzukehren», schwärmt<br />
Tilke. Boxenstopps wie aus Tausendundeiner<br />
Nacht. «Mit dieser Strecke wird die Messlatte<br />
hoch gelegt», bestätigt Bernie Ecclestone,<br />
dem gerade höchste staatsmännische Ehren<br />
in Bahrain verliehen wurden.<br />
«Shang» steht für Aufschwung<br />
In Shanghai nehmen die Gestalter die von<br />
Kanälen und Wasserflächen durchzogene<br />
Umgebung des Flussdeltas auf. Dass eine<br />
Kurvenkombination dem chinesischen Schriftzeichen<br />
für «Shang» verblüffend ähnlich ist,<br />
war allerdings – wie der Baumeister bereitwillig<br />
zugibt – eher ein Zufall. Ein willkommener<br />
natürlich, steht dieses Zeichen doch<br />
für Aufschwung und Erfolg. Eine Symbolträchtigkeit,<br />
mit der zu spielen sich lohnt. Die<br />
asphaltierten Bögen sollen als grösstes chinesisches<br />
Schriftzeichen ins Guinness-Buch<br />
der Rekorde aufgenommen werden. Der<br />
Gigantismus ist ganz nach dem Geschmack<br />
einer Region, die sich bedingungslos dem<br />
Weg nach oben verschrieben hat. Eine<br />
Stunde vom Zentrum entfernt – wenn nicht<br />
die Rushhour für Verzögerungen sorgt – liegt<br />
der Shanghai International Circuit in einer<br />
Art Autostadt. Was das «Detroit des Ostens»<br />
werden soll, mutet eher wie ein Stück importiertes<br />
Wolfsburg an; VW baut dort den<br />
8 <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Bulletin Spezial<br />
Polo und den Santana. Beim Gastspiel in<br />
China geht es um die Potenziale, die die<br />
Grosssponsoren der Formel 1 wittern. Die<br />
Automobilhersteller lassen sich die Vergleichszahlen<br />
auf der Zunge zergehen: Von<br />
den 1,3 Milliarden Chinesen fährt derzeit nur<br />
jeder 80. ein Auto. Selbst wenn die Rennübertragungen<br />
– wie im letzten Jahr begonnen<br />
– lediglich im Ballungsraumfernsehen zu<br />
sehen wären, garantierte das bei 56 Millionen<br />
Menschen im Einzugsgebiet gewaltige<br />
Quoten. Nicht nur Bernie Ecclestone ist<br />
daher sicher: «Shanghai wird eine zentrale<br />
Rolle in der Entwicklung der Formel-1-<br />
Zukunft spielen.»<br />
Das kleine Inselkönigreich Bahrain kann<br />
da nicht ganz mithalten. Seine Hoheit<br />
Scheich Salman Bin Hamad al Khalifa legt<br />
mehr wert auf internationale Fernsehprominenz.<br />
Bahrain war der erste Golfstaat,<br />
der Öl (und damit Reichtum) förderte. Die<br />
Prognosen der Geologen besagen jedoch,<br />
dass die Quellen schon in wenigen Jahrzehnten<br />
nicht mehr so reichlich sprudeln<br />
werden. Deshalb sollen die Bohrtürme von<br />
Hotelanlagen abgelöst werden – das nahe<br />
Dubai ist dabei konkretes Vorbild. Allerdings<br />
können bei der Premiere Wunsch und<br />
Wirklichkeit noch nicht ganz Schritt halten.<br />
Die meisten Zuschauer werden im Shuttle-<br />
Verkehr aus anderen Emiraten und Saudi-<br />
Arabien zum Rennen reisen müssen, da<br />
Bahrain überbelegt ist. 12 000 Betten stehen<br />
bis 60 000 Interessenten gegenüber. Privatquartiere<br />
und Zeltstädte sollen die logistische<br />
Not lindern.<br />
Wenn Moderne und Muslime aufeinander<br />
treffen, entstehen auch in der Formel 1 Probleme.<br />
Zum Beispiel in Sachen Arbeitsmoral.<br />
So zählt der Sonntag im Islam eigentlich<br />
Ein Hauch von Star Trek Auf Schanghais Tribünen kriegt die Zukunft ein Gesicht.<br />
Aerodynamik in Beton Die Haupttribüne zelebriert Baukunst wie aus dem Windkanal.<br />
Fotos: www.tilke.de