DIE VERHANDLUNGEN ORIENTIERTEN SICH ENG AM RENNGESCHEHEN: SIE DREHTEN SICH VOR ALLEM IM KREIS.
Foto: Schlegelmilch Photography Knapp am Crash vorbei Noch Ende Jahr stand die Formel 1 nahe am Abgrund. Die fünf grossen Autohersteller drohten mit einer eigenen Rennserie. Inzwischen haben die Formel-1-Barone den Kuchen neu aufgeteilt. Seither herrscht wieder Eintracht im Reich von Bernie Ecclestone. Elmar Brümmer, Formel-1-Journalist � Super Plus heisst das Normbenzin, das die 900-PS-Boliden antreibt. Doch der wahre Treibstoff im Milliardengeschäft der Formel 1 ist ein kompliziertes Gemisch aus Geld, Macht und Emotionen. Explosionsgefahr inbegriffen, jedenfalls bis vor wenigen Wochen. Die Einzigartigkeit, die sich die Königsklasse gut ein halbes Jahrhundert lang bewahrt hatte, drohte trotz allen Erfolgs (oder gerade deswegen) verloren zu gehen. Für den Silvesterabend 2003 stand die Spaltung an. Doch der vorausgegangene Weihnachtsfrieden wirkte offenbar beschwichtigend auf die Rivalen neben der Rennbahn – das Rennen um die Macht und die Publikumsgunst zwischen Vermarktern, Geldgebern und der Autoindustrie endete doch noch mit einem Gentlemen’s Agreement. Für die Teams gibt es mehr Geld, für die Hersteller mehr Mitspracherecht, die Banken sehen eine Zukunft, Bernie Ecclestone behält sein Amt – und für den Fan ändert sich eigentlich nichts. Ausser, dass er jetzt weiss, wem die Formel 1 gehört. Viel Rauch um nichts? Das kann man angesichts von mehreren Milliarden Euro Umsatz des Grand-Prix-Geschäfts nicht sagen. Alle wollen nur das Beste – für sich Seit dem Frühjahr 2001 hatten die Formel-1- Rädelsführer darum gerungen, wer künftig was zu sagen hat – und vor allem: wer was verdient. Am Verhandlungstisch: Bernie Ecclestone, Berufsbezeichnung «Zampano», die Automobilhersteller BMW, Daimler- Chrysler, Fiat, Ford und Renault sowie die Banken, die den Nachlass von Leo Kirch verwalten, dem ehemaligen Mehrheitsaktionär der Vermarktungsrechtegesellschaft SLEC. Die Verhandlungsrunden orientierten sich eng am Renngeschehen, sie drehten sich vor allem im Kreis. Kein Wunder, nahm doch jede Partei für sich in Anspruch, nur das Beste zu wollen. Für den Sport natürlich, aber selbstverständlich auch für sich. Nach aussen hin blieb die Wortwahl weitestgehend höflich, von gezielten verbalen Frontalangriffen abgesehen. Doch das von wechselseitigen Drohgebärden geprägte Klima wurde zunehmend unerträglicher. Der Verhandlungsfluss verlief zäh, beschleunigte allerdings genau das Gegenteil der ursprünglichen Zielsetzung, nämlich für eine gefestigte sportliche und wirtschaftliche Zukunft der Formel 1 zu sorgen. Die Zuschauer als emotionale Aktionäre waren ebenso verunsichert wie potenzielle Sponsoren. Vor allem, nachdem die fünf Autokonzerne sich offiziell zur Holding Grand Prix World Championship (GPWC) zusammengeschlossen hatten. Von da an konnte von einer «Piratenserie» keine Rede mehr sein, die Gegen-Formel wurde zum realen Schreckgespenst. Die Gründer der Revolutionsbewegung formulierten in ihrem Grundsatzpapier gestakst den Anspruch auf die «alleinige Inhaberschaft» und das «Betreiben eines neuen Wettbewerbs». Bis spätestens zum Jahre 2008 sollte diese Konkurrenzveranstaltung etabliert sein – es sei denn, Ecclestone und die Banken Lehman Brothers, JP Morgan und Bayerische Landesbank würden einlenken und die wichtigsten GPWC-Bedingungen anwenden. Allein die vertraglich felsenfeste Bindung der Rennställe an das mit Ecclestone und dem Automobil-Weltverband FIA abgeschlossene Stabilitäts- und Verteilungsabkommen namens «Concorde Agreement» verhinderte den früheren Bruch. Bis Ende der Saison 2007 haben sich die Unterzeichner verpflichtet, exklusiv in der Formel 1 zu fahren. FORMEL 1 Das sorgte für einen pikanten Aspekt in den Verhandlungen. Die Automobilhersteller waren gezwungen, ein doppeltes Spiel zu treiben. Einerseits wollten sie die Anti- Formel am liebsten schon 2005 umsetzen, blieben jedoch mit Werksmannschaften (Renault, Ferrari, Jaguar), als Partner (BMW, Mercedes) oder Motorenlieferanten (Ford) ans aktive Formel-1-Geschehen gebunden. Die Autogiganten fordern mehr Mitsprache Wieso stemmen sich die Firmen gegen etwas, in das sie Milliarden Franken investieren? Genau wegen eben dieser Milliarden. Die Manager aus der Automobilindustrie dulden in ihrem ureigenen Geschäft kein Mitspracherecht anderer, gegen Provisionen reagieren sie ziemlich allergisch. Ihre empörte Argumentation: Wir bezahlen dafür, dass die Show läuft – aber andere kassieren. Das war zwar schon immer so und wurde in Person von Bernie Ecclestone auch toleriert, schliesslich war es in den Siebzigern seine Geschäftsidee gewesen, die Show im Auftrag und Namen aller Teams richtig populär zu machen. Doch mit der Toleranz war es vorbei, als die Ecclestone-Familie 75 Prozent ihrer Vermarktungsrechteagentur SLEC an den deutschen Medienkonzern Kirch verkaufte. Die Firmen sahen ihre Macht schwinden und – schlimmer noch – in branchenfremde Hände wandern. Zeitgleich setzte die weltweite Wirtschaftskrise den Formel-1-Rennställen so zu, dass sich die Frage der Refinanzierung immer stärker stellte. Sprich: Die Teams wollten mehr vom Kuchen der Fernseh- und Vermarktungseinnahmen; deutlich mehr als bisher, wo angeblich nur 47 Prozent der TV-Prämien verteilt wurden und von den sonstigen Werbeerträgen gar nichts. Dort <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Bulletin Spezial 31