Psychosoziales Krisenmanagement in CBRN-Lagen / Psychosocial ...
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<strong>CBRN</strong>-<strong>Lagen</strong> können akut und mittelfristig zu e<strong>in</strong>er<br />
hohen Anzahl psychisch belasteter Menschen führen,<br />
deren Verhalten schwer kalkulierbar ist.<br />
Ängste, Verunsicherung, Hilflosigkeit und Kontrollverlust<br />
durch die Konfrontation mit e<strong>in</strong>em „unbekannten<br />
Fe<strong>in</strong>d“ führen dazu, dass <strong>in</strong> <strong>CBRN</strong>-<strong>Lagen</strong> auch<br />
bei e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>geren Anzahl körperlich Verletzter mit<br />
e<strong>in</strong>er hohen Anzahl psychisch belasteter Menschen<br />
zu rechnen ist. Dabei zeigen nicht nur die direkt Betroffenen,<br />
ihre Angehörigen und die unmittelbaren<br />
Zeugen Belastungsreaktionen. Die psychische Belastung<br />
geht weit über diese Gruppen h<strong>in</strong>aus und erfasst<br />
<strong>in</strong>folge der raschen Informationsverbreitung über die<br />
Medien oder öffentliche E<strong>in</strong>richtungen viele weitere<br />
Personen und Bevölkerungsgruppen. Dies haben<br />
u.a. die Katastrophe von Tschernobyl 1986, die Sar<strong>in</strong>-<br />
Anschläge <strong>in</strong> Tokio 1995, die Anthrax-Anschläge <strong>in</strong><br />
den USA 2001, der Polonium-Fall <strong>in</strong> Hamburg 2006,<br />
die SARS-Pandemie 2002/03 und die Diskussion um<br />
die „Schwe<strong>in</strong>egrippe“ <strong>in</strong> 2009 gezeigt.<br />
Die <strong>in</strong>dividuellen Reaktionen direkt Betroffener <strong>in</strong><br />
der Akutphase können sehr verschieden se<strong>in</strong>. Sie reichen<br />
von ruhigem, gefasstem Verhalten über leisen<br />
oder heftigen Ausdruck von Sorge und Verzweiflung<br />
bis h<strong>in</strong> zu hektischer Aktivität oder aggressivem Verhalten.<br />
In jedem Fall erzeugen <strong>CBRN</strong>-<strong>Lagen</strong> e<strong>in</strong> hohes<br />
Ausmaß an Angst. Die physiologischen Stressreaktionen<br />
können von den Betroffenen als Anzeichen<br />
e<strong>in</strong>er Exposition und Schädigung gewertet werden,<br />
was die Angst noch verstärkt. Die Betroffenen haben<br />
den nachvollziehbaren Wunsch, so schnell wie<br />
möglich aus der Gefahrenzone gebracht zu werden<br />
oder zu fliehen. So können nur schwer steuerbare<br />
Fluchtströme entstehen, durch die möglicherweise<br />
Schadstoffe weiter verbreitet werden.<br />
H<strong>in</strong>zu kommt, dass spezielle Agenzien oder Stoffe<br />
psychische Symptome wie z.B. Gedächtnisstörungen<br />
oder Bee<strong>in</strong>trächtigungen im Wahrnehmen und Den-<br />
ken hervorrufen können. Nicht selten ist es diagnostisch<br />
schwer zu unterscheiden, ob e<strong>in</strong>e Symptomatik<br />
als Folge e<strong>in</strong>er Exposition gegenüber e<strong>in</strong>em Stoff<br />
oder als psychische Folgereaktion auftritt.<br />
Aufgrund der Sorge, e<strong>in</strong>em schädlichen Agens ausgesetzt<br />
gewesen zu se<strong>in</strong>, können auch nicht exponierte<br />
Menschen symptomatische körperliche Reaktionen<br />
entwickeln (mass sociogenic illness) und damit <strong>in</strong><br />
den Gesundheitssystemen vorstellig werden (NATO<br />
& OTAN, 2008).<br />
In den Wochen nach dem Ereignis reagieren Betroffene<br />
– ähnlich wie <strong>in</strong> anderen komplexen Schadenslagen<br />
– üblicherweise mit akuten Belastungsreaktionen<br />
<strong>in</strong> unterschiedlicher Ausprägung, Trauer bei<br />
Verlusten, dem Bedürfnis nach sozialer Anb<strong>in</strong>dung<br />
und auch Ärger und Wut. Spezifisch für <strong>CBRN</strong>-<strong>Lagen</strong><br />
kann e<strong>in</strong> fortbestehendes Erleben unspezifischer Bedrohung<br />
und Verunsicherung durch tatsächliche oder<br />
befürchtete Kontam<strong>in</strong>ation und unkalkulierbare Spätfolgen<br />
se<strong>in</strong> (Raphael & Stevens, 2008).<br />
Im längerfristigen Verlauf können sich bei e<strong>in</strong>em<br />
Teil der Betroffenen psychische Traumafolgestörungen<br />
entwickeln, wie die Posttraumatische Belastungsstörung,<br />
Depressionen, Angsterkrankungen<br />
oder auch traumatische Trauer. Es ist nach<br />
ersten empirischen Ergebnissen anzunehmen, dass<br />
im Fall von <strong>CBRN</strong> - <strong>Lagen</strong> die Rate an Somatisierungsstörungen<br />
höher e<strong>in</strong>zuschätzen ist, als <strong>in</strong> anderen<br />
Schadenslagen. Die ängstliche Beobachtung<br />
des eigenen Körpers auf mögliche Erkrankungsanzeichen<br />
h<strong>in</strong> oder die Bewertung von Stress- und<br />
Angstreaktionen als Zeichen e<strong>in</strong>er körperlichen Erkrankung,<br />
können dem Vorschub leisten (Kawana,<br />
2001; Engel et al., 2007; Raphael & Stevens, 2008).