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budoka - Dachverband für Budotechniken Nordrhein-Westfalen e.V.

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Jiu-Jitsu in Tokio<br />

Über ein<br />

Training im<br />

Kodokan<br />

Zusammen mit Brigitte<br />

Kahnt (1. Dan) reiste ich zwei<br />

Wochen nach Japan. Urlaub<br />

war aber nicht der einzige<br />

Grund, in‘s Land der aufgehenden<br />

Sonne zu reisen. Einmal<br />

in den „heiligen Hallen“ des<br />

Kodokan zu trainieren war ein<br />

Wunsch, der auch in Erfüllung<br />

gehen sollte.<br />

Während wir in Tokio waren,<br />

organisierte ein befreundeter<br />

Sportler, Thomas Beyer vom<br />

Judoka Wattenscheid, einen<br />

Trainingstermin im Kodokan.<br />

Beim Kodokan handelt es sich<br />

um ein normales, hässliches<br />

Gebäude mitten in Tokio, in<br />

der Nähe des Tokio Dome und<br />

eines Vergnügungsparks. Wir<br />

trafen uns abends dort, um gemeinsam<br />

einmal Judo an seinem<br />

Geburtsort zu trainieren und<br />

wurden im Büro in die Örtlichkeiten<br />

eingewiesen. Mit einer<br />

Wegbeschreibung des Gebäudes<br />

und einem Zettel mit Dojo-Ettiketten<br />

in der Hand machten wir<br />

uns auf den Weg zur Umkleide.<br />

Der Herr, der uns genau zeigen<br />

wollte, wohin wir gehören, hatte<br />

dann auch das gleiche Problem<br />

wie schon die Angestellte im<br />

Büro. Nämlich, welche Graduierung<br />

wir haben.<br />

Hier muss ich folgendes<br />

ausführen: Schon in einem<br />

Schwertladen in Kyoto war<br />

mir aufgefallen, dass es die<br />

Bezeichnung Jiu Jitsu/Jujutsu<br />

in Japan so nicht gibt. Jiu Jitsu/<br />

Jujitsu ist immer ein Bestandteil<br />

einer ganzheitlichen Kriegskunstschule<br />

(Bujutsu ryu), oder<br />

es wird als ein System unter<br />

dem Namen eines bestimmten<br />

Stils, wie zum Beispiel dem<br />

Daito ryu, ausgeübt. Auch alte<br />

Bezeichnungen wie Yawara<br />

kommen vor, nicht jedoch Jiu<br />

Jitsu/Jujutsu.<br />

Obwohl ich mich schon<br />

sehr lange mit Geschichte und<br />

Philosophie der Kampfkünste<br />

Japans befasse und schon 25<br />

Jahre Kampfsport betreibe, war<br />

mir bis zu diesem Tag nicht<br />

M. Beyer und M. Sülz vor der Statue von Jigoro Kano am Kodokan<br />

bewusst, dass die Japaner selber<br />

keine Kunst mit der Bezeichnung<br />

Jiu Jitsu/Jujutsu haben.<br />

Wir mussten also erklären, dass<br />

es in Deutschland und im Rest<br />

der Welt ein solches System<br />

gibt, was auch verstanden und<br />

akzeptiert wurde. Man fragte<br />

uns noch nach unseren Judo-<br />

Erfahrungen in Jahren, was wieder<br />

nicht einfach war. Habe ich<br />

doch immer nur Jiu Jitsu/Jujutsu<br />

trainiert. Letztendlich einigten<br />

wir uns dann darauf, unsere<br />

Dan-Grade anzugeben mit dem<br />

Hinweis, dass diese keine Judo-<br />

Grade sind.<br />

Wir wurden nun also zu<br />

den Umkleiden geführt und<br />

nachdem wir umgezogen waren<br />

gingen wir in den siebten Stock,<br />

in‘s Hauptdojo. In dem Dojo<br />

auf den Etagen, die wir passierten,<br />

war es überwiegend dunkel<br />

JIU-JITSU<br />

und leer. Nur einzelne, ältere<br />

Herren übten sich in Kata.<br />

Im Hauptdojo angekommen<br />

führten wir am Eingang Rei aus<br />

und begaben uns zu einer Bank<br />

am Rande der Matte. Zu uns<br />

hatte sich noch ein kanadischer<br />

Judoka gesellt und gemeinsam<br />

warteten wir auf den Beginn<br />

des Trainings. Die Matte ist in<br />

vier Kampfflächen aufgeteilt,<br />

die sich eine Kinder- und eine<br />

Anfängergruppe teilten. Wir<br />

waren, da wir keine Gruppe<br />

waren, in die Randorigruppe<br />

des Kodokan zugeordnet. Nach<br />

und nach trafen immer mehr<br />

Meister ein und diese machten<br />

sich sofort selbstständig warm,<br />

oder standen zusammen und<br />

plauderten leise miteinander.<br />

Um 18:00 Uhr begann das Training,<br />

allerdings änderte sich die<br />

Situation nicht. Alle machten<br />

Jiu-Jitsu Union <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> e.V.<br />

weiter ihre eigenen Aufwärmübungen<br />

und niemand nahm von<br />

uns Notiz. Als klar war, dass<br />

sich niemand um uns kümmern<br />

würde, begannen Thomas und<br />

ich, es den anderen gleich zu<br />

tun, und wärmten und dehnten<br />

uns. Das ging so eine gute halbe<br />

Stunde und inzwischen schienen<br />

auch alle so langsam da<br />

zu sein. Außer uns waren noch<br />

vier Nicht-Japaner anwesend,<br />

wie wir erfuhren - Leute die in<br />

Tokio leben und arbeiten. Man<br />

fing nun allgemein damit an,<br />

sich einen Partner zu wählen<br />

und Wurfeingänge zu üben. Wir<br />

taten es ihnen gleich. Außer<br />

einer Gruppe, die sich in einer<br />

Ecke eine Kata ansah, übten alle<br />

Wurfeingänge. Bei den meisten<br />

Anwesenden handelte es sich<br />

um ältere Herren, teilweise<br />

schon in Richtung „sehr hohes<br />

Alters“. Junge Männer waren<br />

die Ausnahme und leicht zu<br />

zählen.<br />

Bei einer Gruppe von circa<br />

40 Leuten waren keine zehn<br />

unter 40 Jahren. Zwischen den<br />

Übungen setze man sich immer<br />

mal wieder hin, dehnte sich,<br />

plauderte, oder suchte sich<br />

einen neuen Partner. Einer der<br />

Japaner, ein Meister mittleren<br />

Alters, grüßte nun Thomas an<br />

und begann mit ihm Wurfeingänge.<br />

Ich saß derweil am<br />

Mattenrand und wusste nicht so<br />

recht was ich tun könnte. Einen<br />

der alten Meister angrüßen?<br />

Nein, erst einmal warten was<br />

kommt. Ich brauchte aber nicht<br />

lange warten, denn einer der<br />

jungen Wettkämpfer, er trug<br />

seinen Namen auf dem Rücken,<br />

kam zu mir und grüßte mich an.<br />

Er gab mir zu verstehen, dass er<br />

mit mir kämpfen wollte und ich<br />

sagte zu.<br />

Ihm zu erklären, dass ich<br />

mit den Wettkampfregeln des<br />

Judo nicht vertraut bin, war<br />

aber nicht möglich, da er wie<br />

die meisten kein Englisch<br />

sprach. Aber auf der Matte<br />

geht es ja bekanntlich auch mit<br />

nonverbaler Konversation ganz<br />

gut, und so begannen wir zu<br />

kämpfen. Ich hielt mich ganz<br />

gut, solange ich mich darauf<br />

konzentrierte, nicht geworfen zu<br />

werden. Sobald ich aber auch<br />

nur den Gedanken an einen<br />

9/2010 der <strong>budoka</strong> 53

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