Hiltner, Sebastian - DVPW
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<strong>Sebastian</strong> <strong>Hiltner</strong>, M.A.<br />
<strong>DVPW</strong>-KONGRESS 2012<br />
Sektion »Politische Wissenschaft und Politische Bildung«<br />
Eberhard Karls Universität Tübingen<br />
24.09.-28.09.2012<br />
Kann man einen Staat versteigern?<br />
Didaktik und Methodik zur Bearbeitung des Themas<br />
Jugend- und Erwachsenenbildner<br />
Politische Erwachsenenbildung<br />
Doktorand an der Universität Potsdam<br />
Staat und Staatlichkeit<br />
in der Politischen Erwachsenenbildung<br />
Papier zum Vortrag am 26.09.2012<br />
(Ed.: 19.10.2012)<br />
Sophienstraße 41<br />
D-48145 Münster<br />
(0251) 3794913 | (0176) 53047073<br />
hiltner@uni-potsam.de
Zusammenfassung 1<br />
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 2<br />
Staat und Staatlichkeit sind für die Politische Erwachsenenbildung<br />
zu einer Herausforderung geworden. Prozesse staatlichen Wandels<br />
und ihre nur schwer nachzuvollziehenden gesellschaftlichen und<br />
politischen Folgen stellen die Frage nach neuen didaktischen und<br />
methodischen Ansätzen und Wegen für ihre Bearbeitung. Die Versteigerungsmethode<br />
kann eine Möglichkeit aufzeigen, die Themen<br />
Staat und Staatlichkeit praktisch und teilnehmerorientiert zu bearbeiten.<br />
Gleichzeitig bietet sie die Chance, Prozesse des staatlichen<br />
Wandels aufzugreifen und für die Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />
nicht nur theoretisch, sondern konkret erfahrbar zu machen.<br />
Kommentare, Fragen und Ideen sind gerne erwünscht.<br />
1 Staat und Staatlichkeit: Eine Herausforderung<br />
Für Veranstaltungen der Politischen Erwachsenenbildung sind die Begriffe<br />
Staat und Staatlichkeit zu einer Herausforderung geworden: Der ›westfälische‹<br />
Nationalstaat präsentiert sich als Relikt vergangener Zeiten. Denn es scheint, dass<br />
er in einer globalisierten Welt die ihm zugeschriebene doppelte innen- und außenpolitische<br />
Ordnungsfunktion nicht mehr wahrnehmen kann. Das gilt nicht nur für<br />
seine Aufgabe, die öffentliche Ordnung für eine spezifische Bevölkerung innerhalb<br />
konkreter Territorialgrenzen zu gewährleisten, sondern auch für seine Stellung<br />
als Träger globaler Ordnung innerhalb des internationalen Systems. 2 Als Folge<br />
erscheint der fortschreitende Verlust staatlicher Souveränität sowie die steigende<br />
Zahl von geschwächten bzw. gescheiterten Staaten als eine neue Realität, mit<br />
der sich eine globalisierte Politik immer häufiger auseinander setzten muss.<br />
Gleichzeitig haben sich aus der wissenschaftlichen Bearbeitung verschiedenste<br />
Ansätze wie das ›Global Governance‹ etabliert, die dem Regieren durch den Staat<br />
ein Regieren mit und ohne den Staat zur Seite stellen. 3 Dabei folgen diesem Globalisierungsdiskurs<br />
unterschiedlichste Begrifflichkeiten und Stichworte, die von<br />
einer ›Transnationalisierung‹ über ›Weltinnenpolitik‹ bis zum ›kosmopolitischen<br />
Staat‹ reichen und versuchen, die Anzeichen neuer und verschiedenster Ordnungssysteme<br />
jenseits der nationalstaatlichen Grenzen festzuhalten. 4<br />
Es wird somit zunehmend schwerer, dem gegenwärtigen gesellschaftlichen<br />
1 Mein Dank gilt Herrn Martin Kurth für die freundliche Unterstützung und Frau Monika Hansel<br />
für die wertvollen Anregungen.<br />
2 Vgl.: Schneckener, Ulrich (2005): Fragile Staatlichkeit. S. 26.<br />
3 Vgl.: Müller, Harald (2008): Wie kann eine neue Weltordnung aussehen? S. 77.<br />
4 Vgl.: Trotha, Trutz von (2005): Der Aufstieg des Lokalen. S. 32.
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 3<br />
und wissenschaftlichen Diskurs zu folgen und die sich aus diesem Diskurs ergebenden<br />
Ausdifferenzierungen begreifbar zu machen. Das gilt insbesondere für die<br />
Politische Erwachsenenbildung, wenn sie diese Entgrenzungsprozesse nicht nur<br />
mitvollziehen, sondern sich verstehen will »als ein auf Wissen beruhendes reflektiertes<br />
Verhalten zu sich selbst, zu anderen Menschen und zur Welt« 5 . Damit stellt<br />
sich also die Frage, wie die Auseinandersetzung mit den Begriffen Staat und<br />
Staatlichkeit sowie dem Wandel von Staatlichkeit in Veranstaltungen der Politischen<br />
Erwachsenenbildung didaktisch und methodisch begleitet werden kann.<br />
2 Grundlagen und Voraussetzungen<br />
In Anbetracht der oben angeführten Herausforderungen muss das Ziel einer<br />
Didaktik und Methodik zur Bearbeitung der Begriffe Staat, Staatlichkeit und<br />
staatlicher Wandel darin liegen, Strukturen und Aufgaben eines modernen Staats<br />
bestimmbar, gegenwärtige Transformationsprozesse verständlich und nachvollziehbar<br />
sowie begriffliche Ausdifferenzierungen begreifbar zu machen. Der Politischen<br />
Erwachsenenbildung kommt damit eine zentrale Rolle zu, da das formulierte<br />
Ziel nichts originär Neues, sondern für die Politische Erwachsenenbildung<br />
eher Eigentümliches aufwirft: schließlich sollte die Aufgabe einer jeden intentionalen<br />
politischen Bildungsarbeit mit Erwachsenen in der Vermittlung kognitiver,<br />
prozeduraler und habitueller Kompetenzen liegen, um dem Erwachsenen in einer<br />
freiheitlich demokratischen Grundordnung auch weiterhin eine intervenierende oder<br />
gar aktive Rolle als Bürger zu ermöglichen. 6 Das ist nur zu gewährleisten,<br />
wenn Politische Erwachsenenbildung von einem normativen Grundverständnis<br />
ausgeht und »auf die politische Mündigkeit der einzelnen sowie auf ein gemeinsames<br />
gutes Leben zielt« 7 . Didaktik und Methodik Politischer Erwachsenenbildung<br />
beruhen folglich auf einer normativen Grundlage, die in den Prozess von Planung<br />
und Bearbeitung eines Themas stets einzubeziehen ist.<br />
Darüber hinaus unterliegen Didaktik und Methodik der Politischen Erwachsenenbildung<br />
besonderen fachspezifischen Voraussetzungen, die sich vorwiegend<br />
aus der Praxis ergeben. Diese gründen im Wesentlichen auf der zur<br />
Verfügung stehenden Zeit, den speziellen Eigenheiten des Erwachsenen als Teilnehmenden<br />
sowie den unterschiedlichen trägerspezifischen Vorgaben. So sind die<br />
Mehrheit aller Veranstaltungen der Politischen Erwachsenenbildung Kurzzeit-Veranstaltungen,<br />
die in der Regel einen sehr kurzen Zeitraum umfassen. 8 Dieser zur<br />
Verfügung stehende und begrenzte Zeithorizont zur Bearbeitung eines Themas gilt<br />
5 Heinen-Tenrich, Jürgen (1992): Neue Orientierungen Politische Erwachsenenbildung. S. 400.<br />
6 Vgl.: Massing, Peter (1999): Theoretische Grundlagen politischer Bildung. S. 44-53.<br />
7 Hufer, Klaus-Peter (1992): Wiedergewinnung der Politik für die politische Bildung. S. 116.<br />
8 Eine ausführliche Übersicht der Veranstaltungsformen und -zeiten bietet Günther Behrens in<br />
seinem Beitrag „Methodischen Zugänge“ (1999). In einer Synopse versucht er, eine Typologie<br />
der unterschiedlichen methodischen Zugänge und Seminarplanungen vorzustellen, die von<br />
mehrtägigen Seminaren über Kompaktveranstaltungen bis ›flankierenden‹ und ›versteckten‹<br />
Angeboten reicht.
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 4<br />
überdies auch für ausgedehntere oder mehrtägige Angebote, die angrenzende sowie<br />
zusätzliche Themengebiete mit eigenen Fragestellungen und Inhalten einschließen<br />
können. Der Faktor Zeit wird somit zu einem bestimmenden Kennzeichen<br />
und zu einer besonderen Voraussetzung Politischer Erwachsenenbildung.<br />
Die speziellen Eigenheiten des Erwachsenen als Teilnehmenden lösen zusätzlich<br />
eine ganze Reihe von bestimmenden Kennzeichen und Voraussetzung<br />
aus: So beruht in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung die Teilnahme<br />
Erwachsener an Veranstaltungen zur Politischen Erwachsenenbildung wesentlich<br />
auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. 9 Dem Erwachsenen ist dem Grunde nach die<br />
freie Entscheidung überlassen, ob er ein Angebot der politischen Bildung wahrnimmt<br />
oder nicht. Praktisch ergeben sich daraus Unsicherheiten in Bezug auf Seminarplanung<br />
und Teilnehmerzahlen; 10 faktisch zeigen sich jedoch die für die Politische<br />
Erwachsenenbildung konstitutiven Merkmale der Heterogenität, Pluralität<br />
und Kontroversität. 11 Heterogenität vor allem hinsichtlich der Verschiedenartigkeit<br />
lernrelevanter Merkmale wie Alter, Herkunft, Beruf sowie Lerntyp und Lernstil.<br />
Pluralität vor allem im Hinblick auf die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />
wahrscheinlich geäußerten Wünsche, Meinungen, Ideen und Interessen.<br />
Kontroversität vor allem hinsichtlich der sichtbar werdenden Differenzen zwischen<br />
den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich aus den ersten beiden<br />
Merkmalen ergeben. Zu den bestimmenden Eigenheiten Erwachsener als Teilnehmer<br />
einer Veranstaltung Politischer Erwachsenenbildung gehört aber auch, dass<br />
sie grundsätzlich die schon aus der eigenen Sozialisation bekannten Methoden bevorzugen;<br />
wobei der Einsatz von methodisch Neuem oder Aktivierendem durchaus<br />
positiv bewertet wird, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorsichtig<br />
darauf vorbereitet werden und dem Einsatz eine ausreichende und schlüssige Begründung<br />
vorangestellt wird. 12 Zu den genannten Faktoren Zeit, Freiwilligkeit und<br />
Methodenpräferenz tritt außerdem eine ausgeprägte Teilnehmerorientierung, die<br />
im Wesentlichen davon ausgeht, dass Erwachsene auf Grund ihrer längeren Lebensgeschichte<br />
die eigenen Bildungsinteressen nicht nur definieren, sondern auch<br />
artikulieren können. 13 Die Grundlage bildet also ein Konzept der emanzipatorischen<br />
Bildung, in dessen Folge das Lebenswissen und die formale Vorbildung der<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer in didaktische und methodische Planungen zu<br />
integrieren sind. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, wie sie dieses Lebenswissen<br />
und diese formale Vorbildung im Laufe der Veranstaltung erweitern wollen. 14 Für<br />
den Bildungsprozess zeigt sich ein Kern emanzipierter Mitbestimmung und Partizipation,<br />
der maßgeblich von Gleichberechtigten unter Anleitung gestaltet wird. 15<br />
9 Vgl.: Hufer, Klaus-Peter (1996): Heterogenität oder gemeinsame Leitideen?. S. 41<br />
10 Vgl.: Siebert, Horst (1999): Seminarplanung und -organisation. S. 704.<br />
11 Vgl.: Hufer, Klaus-Peter (1996): Heterogenität oder gemeinsame Leitideen?. S. 40-42.<br />
12 Vgl.: Siebert, Horst (1999): Seminarplanung und -organisation. S. 709.<br />
13 Vgl.: Hufer, Klaus-Peter (1997): Schülerorientierung – Teilnehmerorientierung. S. 101.<br />
14 Vgl.: Behrens-Cobet, Heidi und Dagmar Richter (1999): Didaktische Prinzipien. S. 170.<br />
15 Vgl.: Hufer, Klaus-Peter (1997): Schülerorientierung – Teilnehmerorientierung. S. 95.
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 5<br />
In die didaktischen und methodischen Überlegungen sind schließlich die<br />
jeweils trägerspezifischen Vorgaben einzubeziehen. Denn jeder öffentliche, private<br />
oder alternative Träger konzeptualisiert und begründet den Begriff der Politischen<br />
Erwachsenenbildung in anderer Weise. 16 Diese Konzepte beruhen jedoch<br />
selten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern vielmehr auf individuellen,<br />
ökonomischen und nicht selten rein opportunistischen Überlegungen. In der Konsequenz<br />
sind damit unterschiedlichste externe makro- und mikrodidaktische Vorgaben<br />
als Voraussetzung Politischer Erwachsenenbildung zu berücksichtigen.<br />
Schon diese grobe und gewiss nicht vollständige Übersicht verdeutlicht<br />
den besonderen Kontext aus Grundlagen und Voraussetzungen, der eine didaktische<br />
und methodische Aufarbeitung eines Themas in der Politischen Erwachsenenbildung<br />
prägt. Dieser Kontext gilt auch für die im Folgenden dargestellte Versteigerungsmethode,<br />
mit der das Thema Staat und Staatlichkeit in der politischen<br />
Bildungsarbeit mit Erwachsenen bearbeitet werden kann.<br />
3 Die Versteigerungsmethode<br />
Die Versteigerungsmethode als Möglichkeit zur Bearbeitung des Themas<br />
Staat und Staatlichkeit ist eine didaktische Methode im eigentlichen Sinn. Sie<br />
kann innerhalb eines didaktischen Arrangements klar umrissen, begrifflich herausgelöst<br />
und für sich selbst beschrieben werden. 17 Ihre Zusammensetzung aus verschiedenen<br />
Techniken erlaubt einen selbstständigen oder integrierenden Einsatz:<br />
Selbstständig, wenn sie sich in Zeithorizont und thematischer Offenheit als Seminar<br />
konstituierend präsentiert. Integrierend, wenn sie angrenzende Themengebiete<br />
einschließt und sich damit in ein übergeordnetes didaktisches Arrangement<br />
einfügt. Ob selbstständig oder integrierend eingesetzt, die Versteigerungsmethode<br />
umfasst regelmäßig fünf aufeinander bezogene Phasen, die durch die Seminarleitung<br />
besondere Berücksichtigung finden sollten: die Initiativphase, die Informations-<br />
und Planungsphase, die Ausführungsphase, die Evaluationsphase sowie die<br />
Bewertungs- und Vertiefungsphase.<br />
3.1 Initiativphase<br />
Die wesentlichen Elemente der Initiativphase sind Deskription und Impuls.<br />
Unter Deskription ist dabei jedes Handeln durch die Seminarleitung zu verstehen,<br />
das die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über den Einsatz der Methode aufklärt<br />
und ihren Ablauf genau umreißt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden so<br />
in die Lage versetzt, die Methode als neu oder aktivierend zu erkennen und eventuelle<br />
Fragen, aber auch Wünsche und Ideen in den Methodenablauf einzubringen.<br />
Hiermit erhält das Prinzip der Teilnehmerorientierung nicht nur eine konkrete<br />
16 Vgl.: Lange, Dirk (2010): Monitor Politische Bildung. S. 11.<br />
17 Vgl.: Peterßen, Wilhelm H. (2009): Kleines Methoden-Lexikon. S. 27.
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 6<br />
Form, sondern wandelt das zunächst bestehende Subjekt-Objekt-Verhältnis zu einem<br />
dialogischen Subjekt-Subjekt-Verhältnis, das sich in einem gleichberechtigten<br />
und emanzipierten Erfahrungsaustausch manifestiert. 18 Impulse sind dagegen<br />
jene Wissensvermittlungen durch die Seminarleitung, die den Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern eine knappe und umrisshafte Einführung in das Thema Staat und<br />
Staatlichkeit bieten. Zu diesem Zweck können die unterschiedlichsten Staatsdefinitionen<br />
und -theorien herangezogen werden, welche sich überwiegend zwischen<br />
gesellschaftzentrierten Ansätzen und solchen Auffassungen bewegen, die den<br />
Staat als autonomen Akteur mit eigenen Präferenzen und Ressourcen konzeptualisieren.<br />
19 Für gewöhnlich ist jedoch in Erwägung zu ziehen, anhand der klassischen<br />
Minimaldefinition der ›Drei-Elemente-Lehre‹ Georg Jellineks von Staatsgebiet,<br />
Staatsvolk und Staatsgewalt nicht nur eine Wegmarke für die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer zu setzen, 20 sondern gleichzeitig ihren Wissens- und Lernstand zu<br />
überprüfen. Denn die grobe Struktur dieser allgemein gehaltenen Staatsdefinition<br />
kann vornehmlich für unkundige Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine erste<br />
Ordnungs- und Strukturierungsfunktion übernehmen, auf die im späteren Verlauf<br />
immer rekurriert werden kann. Gleichzeitig verweist vorgebrachte Kritik an dieser<br />
Lehre auf den vorhandenen Wissens- und Lernstand, der in der folgenden Informations-<br />
und Planungsphase als Grundlage einer weiteren Wissensvermittlung genutzt<br />
werden kann.<br />
3.2 Informations- und Planungsphase<br />
Denn die Informations- und Planungsphase dient hauptsächlich der Selbstreflexion,<br />
der gezielten Wissensvermittlung und der Vorbereitung auf den weiteren<br />
Methodenverlauf. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen sich im Sinne der<br />
Selbstreflexion bewusst als Bürgerinnen und Bürger eines Staates wahrnehmen<br />
und die Möglichkeit erhalten, kreativ und frei alle für sie wichtigen und konstituierenden<br />
Strukturmerkmale von Staat und Staatlichkeit zu erfassen. Unzensiert,<br />
zunächst ohne Kommentierung oder Einschränkung wird dem Einzelnen eine politische<br />
Urteilsfähigkeit abverlangt hinsichtlich der Merkmale und des Zustands<br />
eines Gemeinwesens bzw. der Entscheidungen, die sie oder er als Bürgerin oder<br />
Bürger eines Gemeinwesens zu treffen hat. 21 Diese Erfahrung einer individuellen<br />
Teilhabe kann von der Seminarleitung durch persönliche Ansprache unterstützt<br />
werden. Damit ergibt sich nicht nur eine positive Bestärkung der Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer in ihrem Wissen und Handeln, sondern für gewöhnlich auch eine<br />
Vielzahl von Strukturmerkmalen des Staats bzw. von Staatlichkeit.<br />
Im Anschluss daran sind alle Merkmale als Stichworte im Plenum zu sam-<br />
18 Vgl.: Meueler, Erhard (1997): Erwachsene. S. 215.<br />
19 Vgl.: Immergut, Ellen M. und Alexander Jäger (2007): Staat. S. 283.<br />
20 Vgl.: Jellinek, Georg (1960): Allgemeine Staatslehre. S. 394-434 (Dreizehntes Kapitel: Über<br />
die Stellung der Elemente des Staats).<br />
21 Vgl.: Kielmansegg, Peter Graf (2009): Politische Bildung in der Wissensgesellschaft. S. 113.
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 7<br />
meln und in ungeordneter Folge festzuhalten: Regelmäßig zeigen sich institutionelle<br />
Strukturmerkmale wie Verfassung, Parlament, Gewaltenteilung, Parteien<br />
oder Militär; zugleich aber auch Abstrakta wie Religion, Sprache oder Loyalität<br />
zum Staat. Gemeinhin kommen aber auch ganze Politikfelder hinzu wie Bildungspolitik,<br />
Außenpolitik oder Wirtschaftspolitik. Und nicht selten werden einem Staat<br />
oder einer Staatlichkeit besondere Attribute wie Hymne, die Ressourcen Öl und<br />
Gas oder gar die Atombombe 22 zugesprochen. Dessen ungeachtet sind alle durch<br />
die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorgeschlagenen Merkmale aufzunehmen<br />
und als Katalog zur späteren Versteigerung sichtbar zur Verfügung zu stellen. Aus<br />
dieser losen Zusammenstellung entwickeln sich meist erste Aussprachen über fehlende,<br />
ungeeignete oder überzählige Positionen an Merkmalen, die sich bestens<br />
für eine weitere Wissensvermittlung und zur Überführung als spätere Diskussionsgrundlagen<br />
in die Planungsphase eignen.<br />
Abb.: Individuelle Strukturmerkmale, Katalog, Gruppenportfolio durch Konsens.<br />
Denn in der Planungsphase haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nun<br />
als Mitglieder einer Kleingruppe durch Konsens festzulegen, welche der im Katalog<br />
aufgeführten Positionen an Strukturmerkmalen qualitativ für die Gruppe von<br />
Bedeutung sind. Die Herausforderung besteht vornehmlich darin, eine vorher festgelegte<br />
Punktzahl – in der Regel 100 Punkte – auf die durch individuelle Argumentation<br />
und gemeinschaftlichen Konsens bestätigten Merkmale zu verteilen. In<br />
22 Die Nennung der Atombombe lässt sich erklären als Konsequenz aus dem aktuellen internationalen<br />
Geschehen in Bezug auf die Demokratische Volksrepublik Korea oder die Islamische<br />
Republik Iran. Die nukleare Bewaffnung wird dabei nicht als Offensivwaffe, sondern als valides<br />
Mittel zur Durchsetzung außenpolitischer Interessen verstanden.
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 8<br />
der Folge entwickeln sich durchweg ausgeprägte gruppendynamische Prozesse,<br />
die sich hauptsächlich durch lebhafte diskursive Interaktionen und ersten thematische<br />
Schwerpunktbildungen bemerkbar machen. Der Erfahrung nach wird dieser<br />
Prozess der qualitativen und quantitativen Bewertung durch strategische Planungen<br />
der späteren Vorgehensweise erweitert, um während der Versteigerung möglichst<br />
viele der als besonders wichtig erkannten Strukturmerkmale in das Gruppenportfolio<br />
aufnehmen zu können (siehe Abbildung: S. 7). Während der gesamten<br />
Planungsphase sollte die Seminarleitung keine weiteren inhaltlichen Interventionen<br />
vornehmen, sondern den einzelnen Gruppen lediglich als technische Beratung<br />
zur Verfügung stehen. Auf diese Art und Weise lässt sich gewährleisten,<br />
dass die durch die Versteigerung erzielten Ergebnisse nicht verfälscht werden.<br />
Sind alle Planungen abgeschlossen, ist mit der Ausführungsphase zu beginnen.<br />
3.3 Ausführungsphase<br />
Die Ausführungsphase ist durch die eigentliche Versteigerung determiniert.<br />
Diese Technik beruht auf den allgemein bekannten Auktionsmechanismen, die zur<br />
Wertermittlung von unterschiedlichsten Gütern angewandt werden. Ihr besonderes<br />
Kennzeichen ist die fundamentale Asymmetrie in Bezug auf Markt- und Informationsstellung:<br />
23 Einerseits ist dem Anbieter eines Gutes nicht bekannt, welchen<br />
Preis ein Bieter für das angebotene Gut zu zahlen bereit ist. Andererseits ist dem<br />
Bieter nicht bekannt, welchen Wert das angebotene Gut für andere Bieter besitzt.<br />
Als Konsequenz ergibt sich eine ausgeprägte Konkurrenzsituation zwischen den<br />
Bietern, die erst mit dem erfolgten Zuschlag, also der Preis- bzw. Wertermittlung,<br />
und der Übergabe des Gutes als aufgelöst angesehen werden kann.<br />
Während der Versteigerung übernimmt die Seminarleitung die Rolle des<br />
Auktionators als Anbieter, der nacheinander die im Katalog zusammengefassten<br />
Positionen aus Strukturmerkmalen zur Versteigerung aufruft. Die Gruppen als<br />
Bieter erhalten damit die Möglichkeit, ihre jeweiligen Gebote abzugeben. Den Zuschlag<br />
erhält diejenige Gruppe, die das höchste Gebot an Punkten für ein Merkmal<br />
abgegeben hat. Das gilt im übrigen auch für solche Gebote, die irrtümlich von einzelnen<br />
Gruppenmitgliedern ohne Absprache getätigt wurden. Ist der Zuschlag erteilt,<br />
wird der Wert des Gebotes, ausgedrückt durch die Punktzahl, zusammen mit<br />
dem Gruppennamen für die ersteigerte Position festgehalten. Wird hingegen kein<br />
Gebot abgegeben, so ist das Merkmal in einem zweiten Durchgang erneut mit den<br />
übrigen, noch nicht versteigerten Positionen aufzurufen. Findet sich weiterhin<br />
kein Gebot, ist das betroffene Merkmal aus dem Katalog zu entfernen. Gleichwohl<br />
ist darauf hinzuweisen, dass diese nicht versteigerten Positionen einer besonderen<br />
Aufmerksamkeit bedürfen, da sie für die spätere Auswertung eine zentrale Diskus-<br />
23 Vgl.: Riley, John G. und William F. Samuelson (1981): Optimal Auctions. S. 381 (Die Autoren<br />
bieten neben einer mathematischen auch einen grundlegenden Theorieansatz für Versteigerungstechniken;<br />
darunter z.B. die Englische und Holländische Auktion).
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 9<br />
sionsgrundlage bilden können. Sind keine Merkmale zur Versteigerung mehr abrufbar<br />
oder werden keine weiteren Gebote abgegeben, so ist die Versteigerung und<br />
damit die Ausführungsphase zu beenden.<br />
3.4 Evaluationsphase<br />
Dem Ende der Versteigerung sollte eine kurze Evaluationsphase folgen, in<br />
der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit zur Reflexion und Ruhe<br />
erhalten. Der Schwerpunkt der Reflexion liegt hier in der Bewertung des bisher<br />
zurück gelegten Lehr- und Lernprozesses: Im Plenum ist von den Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern eine Einschätzung darüber abzugeben, ob die angebotene<br />
Form der Wissensvermittlung und Stofferschließung den Vorgaben eines aktiven<br />
und emanzipierten Lernens entspricht. Nur so kann geprüft werden, ob die didaktischen<br />
und methodischen Planungen legitimiert sind, das Subjekt-Subjekt-Verhältnis<br />
durchgehalten und die Teilnehmerorientierung umgesetzt wurde. 24 Zugleich<br />
können die Erfahrungen und Probleme der Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
während der Versteigerung im Plenum aufgenommen und bei Bedarf geklärt<br />
werden. Ein solches Vorgehen bietet sich bei älteren Erwachsenen schon deshalb<br />
an, da viele von ihnen eine Versteigerung zwar als Beobachter, nicht jedoch als<br />
handelnder Bieter miterlebt haben. Offenkundig wird also dieser Zeitraum der Reflexion<br />
als Zeit der Ruhe genutzt, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der<br />
sie fordernden Versteigerungstechnik in die inhaltliche Bearbeitung des Themas<br />
zurückführt.<br />
3.4 Bewertungs- und Vertiefungsphase<br />
Die Bewertungs- und Vertiefungsphase als Abschluss der Versteigerungsmethode<br />
zeichnet sich durch die Analyse der ersteigerten Ergebnisse in den Gruppen,<br />
die Präsentation dieser Ergebnisse im Plenum sowie einer weiteren, vor allem themenzentrierten<br />
Wissensvermittlung aus. Als Ausgangspunkt dienen die durch<br />
Konsens festgelegten sowie qualitativ und quantitativ bewerteten Gruppenportfolios<br />
aus der Planungsphase, die mit den ersteigerten Strukturmerkmalen durch<br />
die jeweilige Gruppe verglichen werden. Damit erhält jede Gruppe eine spezifische<br />
Bewertung ihres Handelns während der Versteigerung und einen ersten Eindruck<br />
über den durch Konkurrenz ermittelten Wert ihrer Positionen an Strukturmerkmalen.<br />
Es kann zudem ermittelt werden, ob die vor der Versteigerung festgelegten<br />
strategischen Planungen umgesetzt und welche der gewünschten Ziele<br />
erreicht oder nicht erreicht wurden. Gleichzeitig ist die Seminarleitung aufgefordert,<br />
die im Katalog ungeordneten Positionen dem Ergebnis nach zu ordnen –<br />
entweder nach den Gruppennamen oder nach ihrer Wertigkeit, ausgedrückt durch<br />
die erreichte Punktzahl. Letzteres ist für die weitere Bearbeitung zu empfehlen.<br />
24 Vgl.: Hufer, Klaus-Peter (1997): Schülerorientierung – Teilnehmerorientierung. S. 103.
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 10<br />
Im Anschluss daran erhalten die einzelnen Gruppen die Möglichkeit, ihre<br />
Portfolios und eine Bewertung ihres kooperativen Handelns während der Ausführungsphase<br />
allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Plenum vorzustellen.<br />
Gleichzeitig besteht die Chance, einen Abgleich mit dem Gesamtergebnis vorzunehmen,<br />
das in geordneter Form als Übersicht dem Plenum durch die Seminarleitung<br />
vorgelegt werden sollte. Für gewöhnlich zeigen sich dabei mehr oder minder<br />
unstrittige Häufungen von Strukturmerkmalen, die von den Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern für einen Staat bzw. für Staatlichkeit als konstituierend und unverzichtbar<br />
durch eine hohe Punktzahl bewertet wurden. Dazu gehören in der Regel<br />
die Begriffe Verfassung, Parlament, Gewaltenteilung, Bildung oder Wirtschaftspolitik.<br />
Im Gegensatz dazu stehen die Strukturmerkmale Partei, Steuerpolitik,<br />
Polizei oder Demokratie, auf die regelmäßig nur wenige Punkte bei der Versteigerung<br />
entfallen. Überdies lässt sich feststellen, dass sich die Punkteverteilung<br />
und damit Bewertung an teilnehmerspezifischen Eigentümlichkeiten ausrichtet:<br />
So werden die Politikfelder Sozial- und Gesundheitspolitik insbesondere von<br />
Gruppen mit älteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern höher bewertet, während<br />
Jugendliche weitgehend die Felder Bildungspolitik und Wirtschaftspolitik mit einer<br />
größeren Punktzahl versehen. Insgesamt ergibt sich ein Spannungsfeld aus<br />
Gesamt- und Einzelbewertungen, das nicht nur einen Querschnitt von Themengebieten<br />
und Fragestellungen hinterlässt, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />
als besonders interessant klassifiziert werden; vielmehr können die oft<br />
gegenläufigen Merkmalsverteilungen dazu genutzt werden, eine intensivere Wissensvermittlung<br />
anzuregen und durchzuführen.<br />
Der Seminarleitung kommt damit die Aufgabe zu, das bisher erlernte qualifizierende<br />
um ein qualifiziertes Orientierungswissen zu erweitern. Zu den von den<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmern als problematisch erkannten Sachverhalten<br />
sind Informationen zu vermitteln, Strukturen transparent zu machen und Zusammenhänge<br />
zu erläutern. 25 Dabei ist bei dieser Wissensvermittlung an den normativen<br />
Grundlagen Politischer Erwachsenenbildung festzuhalten: steter Bezug auf<br />
die konkrete Situation, das allgemeine Wissen, die allgemeinen Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten sowie die Autonomie und Selbstbestimmung der Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer. 26 Die Begriffe Staat und Staatlichkeit bleiben somit kein theoretisch-abstraktes<br />
Konstrukt, sondern praktisch erfahrbar.<br />
4 Versteigerungsmethode und ›Staatlicher Wandel‹<br />
Der Bedarf an Politischer Erwachsenenbildung scheint immer dann gegeben,<br />
»wenn sich das politisch-gesellschaftliche System grundlegend verändert oder<br />
wenn eine solche Veränderung angestrebt bzw. versucht wird zu verhindern« 27 .<br />
25 Vgl.: Behrens, Günther (1999): Methodische Zugänge. S. 208.<br />
26 Vgl.: Kaiser, Armin (1989): Erwachsenenbildung, politische Bildung und Didaktik. S. 15.<br />
27 Massing (1999): Theoretische Grundlagen politischer Bildung. S. 29.
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 11<br />
Im Falle des staatlichen Wandels, ausgelöst durch vielfältige Prozesse der Internationalisierung<br />
und Globalisierung, haben sich bis heute erhebliche Veränderungen<br />
für die Strukturmerkmale von Staat und Staatlichkeit ergeben. In der Folge<br />
erwächst somit ein Bedarf an Politischer Erwachsenenbildung, um die Bürgerinnen<br />
und Bürger über die wenig vertrauten, veränderten oder zu verändernden Zusammenhänge<br />
zu informieren und Akzeptanz herzustellen. 28 Damit bestätigt sich<br />
die zuvor getroffene Annahme, dass das Ziel einer Didaktik und Methodik zur Bearbeitung<br />
der Begriffe Staat, Staatlichkeit und staatlicher Wandel darin liegen sollte,<br />
Strukturen und Aufgaben von Staat und Staatlichkeit bestimmbar, gegenwärtige<br />
Transformationsprozesse verständlich und nachvollziehbar sowie begriffliche<br />
Ausdifferenzierungen begreifbar zu machen. Ebenso trifft die Auffassung zu, dass<br />
die Aufgabe einer jeden intentionalen politischen Bildungsarbeit mit Erwachsenen<br />
in der Vermittlung kognitiver, prozeduraler und habitueller Kompetenzen liegen<br />
sollte, um dem Erwachsenen in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung<br />
auch weiterhin eine intervenierende oder gar aktive Rolle als Bürger zu ermöglichen.<br />
Allerdings sind Didaktik und Methodik sowie die Aufgabe Politischer Erwachsenenbildung<br />
im Hinblick auf den staatlichen Wandels durch europäische<br />
und weltpolitische Kenntnisse zu ergänzen, da nur so eine Partizipation an einer<br />
europäischen und weltpolitischen Öffentlichkeit gewährleistet sein kann. 29<br />
Mit der Versteigerungsmethode bietet sich eine Möglichkeit, die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer in ihrem Lernen von und ihrem Verständnis für die aktuellen<br />
Transformationsprozesse zu begleiten. Das ist vor allem dann der Fall, wenn<br />
sich aus der Diskrepanz zwischen eigener Vorstellung von Staat und Staatlichkeit<br />
sowie erlebter Realität Problem- und Diskussionsfelder eröffnen. Je nach Interessenlage,<br />
die sich vornehmlich aus den Ergebnissen der Versteigerung ableiten<br />
lässt, können dabei nicht nur einzelne Strukturmerkmale, sondern auch ganze Politikfelder<br />
zur Disposition stehen. Diese sind im Sinne der Teilnehmerorientierung<br />
aufzugreifen und mit Rücksicht auf aktuelle Transformationsprozesse strukturiert,<br />
verständlich und, wenn möglich, mit einem konkreten Lebens- und Praxisbezug<br />
zu bearbeiten. So wird beispielsweise dem Strukturmerkmal Parlament regelmäßig<br />
eine für Staat und Staatlichkeit konstituierende Rolle zugesprochen und<br />
den im Parlament getroffenen Entscheidungen Legitimität und Souveränität nach<br />
Innen und Außen zuerkannt. Gleichzeitig nehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
jedoch wahr, dass sich viele parlamentarische Entscheidungen nicht mehr<br />
nur an einem nationalen Interesse, sondern vielmehr an regionalen und internationalen<br />
Rahmenbedingungen orientieren. Diese Diskrepanz führt zwangsläufig zu<br />
Fragen über den Wandel von Staatlichkeit und seinen Folgen: Welchen Einfluss<br />
haben die Entscheidungen eines nationalen Parlaments in einer globalisierten<br />
Welt? Wie können diese Entscheidungen in einem internationalen Umfeld legiti-<br />
28 Vgl.: Massing (1999): Theoretische Grundlagen politischer Bildung. S. 29.<br />
29 Vgl.: Juchler, Ingo (2010): Der Weltbürger. S. 183.
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 12<br />
miert werden? Und welche Vorstellung von staatlicher Souveränität liegt vor?<br />
Schon dieses Beispiel verdeutlicht, dass mit Hilfe der Versteigerungsmethode<br />
der Ausgangspunkt für eine Bearbeitung des staatlichen Wandels gelegt werden<br />
kann. Dabei stehen im Zentrum immer die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit<br />
ihrem Vorwissen, ihren Vorstellungen, ihren Ideen und ihren Fragen. Die Methode<br />
eröffnet demnach Räume, in denen diese Fragen wenigstens implizit, häufig auch<br />
explizit bearbeitet und beantwortet werden können. Die Versteigerungsmethode<br />
bietet somit eine Chance, der Herausforderung zu begegnen, sich der Begriffe<br />
Staat, Staatlichkeit und staatlicher Wandel in Veranstaltungen Politischer Erwachsenenbildung<br />
didaktisch und methodisch anzunehmen.
Literatur<br />
<strong>Hiltner</strong>: Kann man einen Staat versteigern? 13<br />
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